Rätselhaftes Foto eines Hanomag-Cabriolets von 1933

Vielleicht kennen andere Sammler das auch: Selbst wenn man nicht immer zielgerichtet sucht – oder vielleicht gerade dann – finden die schönsten Fundstücke von alleine den Weg zu einem. So geschehen bei dem hier vorgestellten Originalfoto aus der Vorkriegszeit.

Der Anbieter vermutete, dass ein Ford darauf zu sehen und das Bild in den 1920er Jahren entstanden ist. Damit lag er zwar nicht richtig, doch war sein Bauchgefühl einigermaßen fundiert. Denn zweisitzige Cabriolets dieser Machart („rumble seat“) wurden in den späten 20ern und frühen 30ern auch von amerikanischen Marken wie Buick, Chrysler und eben Ford gebaut.

Hanomag_6_32PS_Hannover_1933

© Originales Pressefoto der 1930er Jahre; Bildquelle: Sammlung Michael Schlenger

Bevor es an den Versuch einer Identifikation des Wagens geht, eine Spekulation über die Aufnahmesituation. Das Auto scheint neu zu sein – unter dem vorderen Kennzeichen mit der Buchstabenkombination IS für Provinz Hannover sieht man ein Blanko-Nummernschild wie bei Ausstellungsstücken in einem Autohaus.

Das Foto ist eine Profiarbeit: der gekonnte Bildaufbau, die präzise Steuerung der Tiefenschärfe und die von den Schatten bis in die hellsten Partien differenzierten Tonwerte sprechen ebenso dafür wie das großzügige Format von 16,5 x 21 cm. Die elegant gekleidete junge Dame auf dem Bild posiert wie ein Fotomodell und ist wohl auch eins. Man fragt sich, ob es bei dem Bild in erster Linie um das Auto ging, oder ob es nicht eher eine Modeaufnahme war.

Für letzteres spricht, dass der Fotograf die Zone maximaler Schärfe auf das Model gelegt hat. Dennoch sind in der Vergrößerung der Frontpartie des Wagens  entscheidende Details zu erkennen:

Hanomag_6_32PS_Hannover_1933_Frontpartie

Das Kühleremblem gehört eindeutig zu einem Hanomag und die sich nach unten zuspitzende Form ist so typisch, dass nur zwei Modelle in Frage kommen: der Typ 11 mit 4/23 PS (später „Garant“) oder der Typ 15 mit 6/32 PS (später „Rekord“).

Die Kombination aus Kühlerform, mittig geknicktem Scheinwerferbügel mit Hupe und die markante Verdickung der Stoßstange deutet auf die von 1933-34 gebaute frühe Version des Wagens hin. Beim 4/23 PS gab es ein 2-Fenster-Cabriolet nur 1933. Auf Bildern des 2-Fenster-Cabrios des 6/32 PS-Modells sind bereits Kotflügelschürzen zu sehen, außerdem ist die Heckpartie anders. Markant ist mittig angebrachte, leicht nach unten geneigte (Nebel)-Scheinwerfer, ein selten zu sehendes Zubehör.

Die Wahrscheinlichkeit spricht für eine Cabrio-Version des 4/23 PS-Modells, von dem Werner Oswald („Deutsche Autos 1920-45“) schreibt, dass ihm der Hersteller unbekannt sei. Da es seit Erscheinen des Buchs (1977) Erkenntnisfortschritte gegeben haben könnte, an dieser Stelle die Bitte an sachkundige Leser, sich mit etwaigen weiterführenden Informationen zu melden (siehe Kommentarfunktion).

Vielleicht hilft auch eine nähere Betrachtung der Heckpartie des Hanomag weiter:

Hanomag_6_32PS_Hannover_1933_Heckpartie

Auf dem hinteren Kotflügel ist eine Trittplatte zu erkennen, über die der Zugang zum Schwiegermuttersitz („rumble seat“) möglich ist. Wenn nicht alles täuscht, ist das Ersatzrad unter einer separaten Blechverkleidung verborgen. Die sehr schmal wirkenden Reifen sind ein weiteres Indiz für das schwächere 4/23 PS-Modell.

Noch eine Anmerkung zum Aufnahmeort: Ein Hanomag mit Kennzeichen der Provinz Hannover ist natürlich in der gleichnamigen Stadt aufgenommen. Das Gebäude im Hintergrund ist das Alte Rathaus Hannovers. Seine Außenmauern haben die weitgehende Zerstörung der Altstadt im 2. Weltkrieg so gut überstanden, dass es wiederaufgebaut werden konnte. Bemerkenswert ist, dass die Rüstungsproduktion bei Hanomag erst nach dem letzten von 80 Bombenangriffen auf die historische Stadt eingestellt werden musste, das war Ende März 1945…

 

3 Gedanken zu „Rätselhaftes Foto eines Hanomag-Cabriolets von 1933

  1. Das sind ja tolle Nachrichten, Herr Kunz, besten Dank! Ich habe die Bilder des „Sturm“ im Vogelsberg im Blog bereits umbenannt. Die Originale werde ich nochmals einscannen (habe inzwischen ein besseres Gerät), um zu sehen, ob sich die Hebmüller-Plakette erkennen lässt. Besagte Leisten habe ich bisher auch nur auf Fotos von Hebmüller-Hanomags gesehen. Apropos: Herrn Hebmüller liegt noch ein Foto eines „Sturm“-Zweisitzers zur Prüfung vor, das ich gelegentlich hier vorstellen werde – freuen Sie sich darauf – eine traumhafte Aufnahme.
    Bis bald
    Michael Schlenger

  2. Hallo Herr Schlenger!

    Hier dürfte es sich um ein gleiches Fahrzeug handeln, googeln Sie bitte „542941769“. Ein Traum eines Sport-Cabrioletts von Hanomag! Ich habe Ihnen vor geraumer Zeit eine Falschinformation gegeben. Bei dem Fahrzeug Hanomag Cabriolett im Vogelsberg handelt es sich um einen Hebmüller Hanomag. Herr Hebmüller hat mir netterweise Bilder übermittelt, auf denen drei dieser Fahrzeuge in der Hebmüllerproduktion stehen. Das Karmann-Bild, das ich Ihnen mitgeteilt hatte, aus der Karmann Historie, ist also falsch. Meinen Hanomag Rekord Cabriolett mit den fünf Luftklappen muß ich nun als Hebmüller führen und das nach 7 Jahren. Das Bild unter „542941769“ ist wohl auch ein Hebmüller! Die Trittbrettverzierung, 3 Türhalter, keine Fensterrahmen und die Zierleisten, die es wohl nur an Hebmüller Fahrzeugen gegeben hat. Kein (kein einziges, nicht eins) restauriertes Fahrzeug wird mit diesen Zierleisten ausgestattet. Bei den Oldtimerbesitzern zählt nur Chrom, aber das ist Geschichtsverfälschung.

    Ich bin begeistert von Ihren veröffentlichen Artikeln, die Technik und Mensch nicht vergessen!

    Mit freundlichen Grüßen,
    Herdin Kunz
    [05073 / 648 oder 0175 / 1861725]

    P.S.: Karmann-pleite, aber nicht hoffnungslos. Bild Nr.92 von ’97. Wer kann solch einen Artikel umschreiben??? Auf einem Archivbild, das mir Herr Hebmüller zur Verfügung gestellt hat, kann man unterhalb der A-Säule einwandfrei das Hebmüller Loge erkennen.

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