Endstation Apfelbaum: Ein Fiat 521 in Österreich

In den 1920er Jahren landete Fiat mit seinen Vierzylindermodellen 501 und 509 einen für europäische Verhältnisse großen Erfolg – auch in Deutschland.

Weniger Glück hatten die Turiner anfänglich mit ihren Sechszylindertypen. Der relativ großvolumige Fiat 512 wurde nur rund 2.500mal gebaut. Doch der mit geringerem Hubraum, aber gleicher Leistung daherkommende Typ 520 fand ab 1927 guten Absatz.

Noch besser verkaufte sich dann der von 1928-31 gefertigte Fiat 521, mit dem wir es auf folgendem Foto zu tun haben:

Fiat_521_St_Pölten_Galerie

© Fiat 521 Limousine; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Dieser äußerlich an amerikanischen Vorbildern jener Zeit orientierte Wagen verfügte über einen Hubraum von nur 2,5 Litern, leistete nun aber bereits 50 PS. Damit war er dem „Standard 6“ der Frankfurter Adlerwerke ebenbürtig. Wie dieser verfügte der Fiat über hydraulische Bremsen, ab 1930 gab es außerdem Öldruckstoßdämpfer.

Gelobt wurden seinerzeit der ruhige Motorlauf und die ausgewogenen Fahreigenschaften des Fiat 521. Wie fast alle Fiats der Vorkriegszeit eignete sich die Konstruktion auch für den sportlichen Einsatz. 1930 wurde ein frisierter Fiat 521 immerhin Fünfter bei der Rallye Monte Carlo.

Dass der Wagen auf dem Foto tatsächlich ein Fiat 521 ist, wäre ohne die schräg verlaufende Typenbezeichung auf dem Kühlergrill schwer zu erraten:

Fiat_521_St_Pölten_Frontpartie

Das Nummernschild verweist auf eine Zulassung in Wien bis 1930 (1. Buchstabe „A“). Erst danach kamen in Österreich Kennzeichen mit weißen Buchstaben auf schwarzem Grund auf. Umseitig ist das Foto beschriftet: „Unser Fiat bei St. Pölten“.

Auffallend sind auf obiger Ausschnittsvergrößerung die gusseisernen Speichenfelgen. Meist sieht man auf alten Bildern des Fiat 521 stattdessen Scheibenräder. Denkbar ist, dass es sich bei dem Fiat um ein Fahrzeug aus deutscher (NSU-Fiat) oder tschechischer (Walter) Produktion handelt, das ab Werk mit anderen Rädern ausgestattet wurde.

Wer sich damals einen solchen Fiat-Sechszylinder leisten konnte, musste  wohlhabend sein. Bei gutsituierten Leuten wurde auch nicht am Essen gespart, was wie heute oft genug ein unerfreuliches Breitenwachstum nach sich zog. Im vorliegenden Fall scheint sich aber eine gesunde Ernährung segensreich ausgewirkt zu haben:

Fiat_521_St_Pölten_Dame

Die junge Dame vor dem Fiat scheint nämlich – auch unter Berücksichtigung des Aufnahmewinkels – mindestens so groß wie der Wagen gewesen zu sein, und das sind immerhin 1,75 Meter.

Im Fonds des Fiat sitzt eine weitere Person, wohl eine gelockte Dame mit Hut – eventuell die Mutter. Über die näheren Umstände des Fotos ist nichts bekannt, vielleicht war man auf Urlaubsfahrt oder auf Verwandtenbesuch.

Wohl wissen wir aber, wie diese oder eine andere Fahrt endete, und zwar ausweislich der Beschriftung des nächsten Fotos an einem Apfelbaum:

Fiat_521_Unfall_1930_Galerie

© Fiat 521 Limousine; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Vermutlich kam der Wagen bei einem Ausweichmanöver von der Straße ab. Dabei scheint den Insassen nichts Ernstes passiert zu sein, sonst hätte man das Ergebnis wohl kaum so malerisch festgehalten.

Doch für den Fiat könnte der Kontakt mit dem Baumstamm das Ende bedeutet haben. So scheint es nicht nur Stoßstange und Schutzblech erwischt zu haben, sondern den rechten Teil der Vorderachse. Dies lässt weitere Schäden am Chassis vermuten.

Fiat_521_Unfall_1930_Ausschnitt

Vielleicht ging die Sache aber auch glimpflicher ab, ein massiver Leiterrahmen kann einiges wegstecken.

Jedenfalls sieht man hier besser als auf dem ersten Foto die Typbezeichnung „521“ auf dem Kühlergrill. Das Kennzeichen wirkt stärker abgenutzt, sodass zwischen den beiden Aufnahmen wohl ein gewisser Abstand lag. Die Aufnahme des Fiat am Apfelbaum ist auf 1930 datiert, das erste Foto wird ebenfalls um diese Zeit entstanden sein.

Solche Momentaufnahmen aus einem Autoleben und dem Dasein ihrer einstigen Besitzer haben eine ganz eigene Magie. Man meint, in den langen Schatten und im hellen Licht der beiden Fotos noch etwas vom Sommer vor über 80 Jahren zu spüren…

Nachtrag: Ein weiteres Foto desselben Wagens (Nummernschild!) hat den Weg in die Sammlung von Raoul Rainer aus Stuttgart gefunden (siehe hier).

2 Gedanken zu „Endstation Apfelbaum: Ein Fiat 521 in Österreich

  1. Der Fiat 521 mit Unfall am Apfelbaum hat ein österreichisches, nämlich Wiener ( am Anfang Kennbuchstabe ‚A‘ für Wien) Kennzeichen, wie es bis 1930 zugelassen wurde. Von 1930 bis 1938 bleiben die Kennbuchstaben für die Bundesländer gleich, aber statt der römischen Zahlen gibt es nur mehr arabische Ziffern nach dem Kennbuchstaben und die Schrift wird auf weiß mit schwarzem Grund umgestellt.
    MfG

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