Ein Zweitakter mit sieben Leben: DKW Front F7

Freunde von Vorkriegsautos haben es hierzulande nicht so leicht wie in England, wo das ganze Jahr über fast jedes Wochenende bei irgendeinem „Hillclimb“ richtig alte Autos im Einsatz zu sehen sind.

Doch immerhin gibt es bei uns die fabelhaften „Classic Days auf Schloss Dyck am Niederrhein, die Classic Gala im Schwetzinger Schlosspark oder auch kleine, aber feine Veranstaltungen wie dieVintage Race Days im niedersächsischen Rastede:

© Videoquelle YouTube; hochgeladen von: Heyelmann Filmproduction www.hey-pro.de

Bei all‘ diesen großartigen Festivitäten gewinnt ein unbeleckter Besucher allerdings den Eindruck, dass in der Vorkriegszeit vor allem Bugattis, Bentleys und Kompressor-Mercedes gefahren wurden.

So erhebend es ist, solche Kostbarkeiten in Bewegung zu erleben, so sehr wünscht man sich eine ergänzende Präsenz der einst das alltägliche Straßenbild bestimmenden Marken.

Dazu zählen neben US-Wagen, die Ende der 1920er Jahre einen heute unvorstellbaren Marktanteil im deutschsprachigen Raum hatten, auch untergegangene, doch populäre Hersteller wie Adler, Hanomag und DKW.

Ihre einstige Bedeutung lässt sich auf zeitgenössischen Fotos gut nachvollziehen. Umso bedauerlicher ist es, dass sie auf den von Prestigemarken dominierten Veranstaltungen nur selten vertreten sind.

Der heutige Blogeintrag soll veranschaulichen, wie omnipräsent Vorkriegswagen waren, die heute immer noch bezahlbar, aber auf einschlägigen Großveranstaltungen kaum präsent sind.

Nehmen wir der Einfachheit halber den DKW Front F7, der von 1936-39 in über 100.000 Exemplaren gebaut wurde. Vorgestellt haben wir diese Variante des sächsischen Zweitakters mit Frontantrieb bereits hier.

Zur simplen, aber verlässlichen Technik dieser maximal 20 PS leistenden Wagen muss man nicht viel sagen. Formal gehören sie wohl zu den attraktivsten Kleinwagen der Vorkriegszeit, was zu ihrer Verbreitung beigetragen haben dürfte.

Von den Vorgängern unterscheidet den DKW F7 vor allem das profilierte Blech mit vielen Luftschlitzen an der Seite der Motorhaube:

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DKW F7 Reichsklasse; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Diese Aufnahme, die im Juni 1937 in Frankfurt am Main entstand, zeigt eine DKW F7-Limousine mit Zulassung in der südlich des Mains liegenden Provinz Starkenburg.

Das Fehlen einer seitlichen Chromleiste auf der Haube verrät, dass wir es mit der Basisversion „Reichsklasse“ zu tun haben. Dazu passen die lackierten Radkappen.

Die besser ausgestattete Variante „Meisterklasse“ sehen wir auf folgender Aufnahme:

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DKW F7 Reichsklasse; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Das im März 1939 entstandene Foto lässt die Zierleiste auf der Motorhaube und die Chromradkappen erkennen, die typisch für die Ausführung „Meisterklasse“ war.

Sechs Monate nach dieser Aufnahme begann der 2. Weltkrieg und der Großteil der Zivil-PKW wurde für militärische Zwecke beschlagnahmt. Damit änderte sich meist auch das Erscheinungsbild der Wagen radikal:

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DKW F7 Meisterklasse; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Dieses im Februar 1940 im österreichischen Weiler Scheuchenstein entstandene Foto zeigt ebenfalls einen DKW F7 Meisterklasse. Doch sind hier alle Chromteile mattgrau überlackiert worden wie der Rest der Karosserie. 

Offenbar hat der Wehrmachtssoldat mit seinem DKW einen Abstecher zur Familie gemacht – solche „Lustreisen“ waren in der Frühphase des Kriegs nicht selten.

Auch die folgende Aufnahme zeigt einen DKW F7 im Dienst der Wehrmacht, hier noch mit zivilem Nummernschild aus der Provinz Schlesien (heute Teil Polens).

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DKW F7 Meisterklasse; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Wann und wo diese Aufnahme entstand, wissen wir nicht. Jedenfalls ist sie ein weiterer Beleg, dass die leichten und verlässlichen DKW-Zweitakter auch bei der Wehrmacht geschätzt wurden – wie die Motorräder der Marke ebenfalls.

Übrigens besitzt dieser Wagen die 1938 eingeführte Lufthutze im oberen Frontscheibenholm mit seitlich angebrachten Scheibenwischern.

Die dritte Ausstattungsvariante „Reichsklasse Spezial“ ist auf nachfolgendem, interessanten Abzug dokumentiert:

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DKW F7 Reichsklasse Spezial; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Diese Version verfügte über eine Zierleiste entlang der Motorhaube wie die „Meisterklasse“, besaß aber nur die lackierten Radkappen der „Reichsklasse“.

Das Foto zeigt einfache Wehrmachtssoldaten vor einer vielleicht zum Lazarett umfunktionierten „Psychiatrischen Nervenklinik“. Wie der offenbar von einem US-Soldaten vorgenommene handschriftliche Vermerk „We will get them“ – „Wir werden sie kriegen“ auf den Abzug gelangt ist, bleibt ein Geheimnis.

Auf dem nächsten Foto ist der 2. Weltkrieg jedenfalls zuende. Doch dass Deutschland ein besiegtes und besetztes Land ist, ist unübersehbar:

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DKW F7 Meisterklasse; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Diese DKW F7 Cabriolimousine trägt ein Kennzeichen aus der französisch besetzten Zone Rheinland-Pfalz (Buchstaben „FR“).

Hier haben wir es mit einer „Meisterklasse“-Ausführung zu tun, wie die Chromradkappen und die Zierleiste entlang der Motorhaube verraten.

Nur die vorderen Stoßstangenecken waren wohl dermaßen mitgenommen, dass man sie in Wagenfarbe lackiert hat. Nicht zur Werksausstattung gehören außerdem die großen und sehr hoch angebrachten Scheinwerfer.

Solche Modifikationen sind typisch für viele überlebende Autos der Vorkriegszeit und erzählen davon, dass der Auslieferungszustand, den heute viele „Restauratoren“ anstreben, nur eine von vielen möglichen Momentaufnahmen darstellt.

So lassen sich anhand der Fotos in diesem Blogeintrag sieben Leben des DKW F7 dokumentieren, die allesamt historisch bedeutend sind.

Die schönste Variante ist vielleicht diese Nachkriegsaufnahme aus Cham in Bayern:

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DKW F7; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Hier lacht uns eine gut aufgelegte junge Dame an, die es sich auf einem festlich geschmückten DKW F7 gemütlich gemacht hat.

Wie es scheint, trägt der Wagen mit Zulassung in der amerikanischen Zone Bayern („AB“) noch seinen winterlichen Kühlerschutz, doch ansonsten steht er makellos da.

Das waren sieben Leben des DKW F7 und man wünscht sich, dass diese Zeitzeugen auch heute auf Veranstaltungen mehr von ihrer abwechslungsreichen Vita erzählen würden.

© Michael Schlenger, 2017. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and http://www.klassiker-runde-wetterau.com with appropriate and specific direction to the original content.

4 Gedanken zu „Ein Zweitakter mit sieben Leben: DKW Front F7

  1. Nach meinem Eindruck gab es keine fundamentalen Vorbehalte der Wehrmacht gegen Zweitakter – sonst hätte man kaum die legendäre DKW NZ 350 in großen Zahlen als Melderkrad an der Front eingesetzt – es war schlicht die zu geringe Leistung der Zweitakt-Wagen und die wenig robuste Karosserie, welche deren Einsatzmöglichkeiten einschränkten. Bei heimatnahen Einheiten findet man die DKW-Wagen bereits frühzeitig, bloß nicht auf der „Rollbahn“ und anderswo, wo größte Härten auf Mensch und Maschine warteten.

  2. Das 4. und das 5. Bild zeigt den F7 mit Soldaten, einmal mit taktischem Zeichen, aber mit ziviler schlesischer Kennung IK statt WH : Könnte den Anschein einer Austauschrequirierung erwecken, wobei z.B. ein BMW 326 mitgenommen, der F7 aber z.B. als Arztwagen reprivatisiert wurde ? Aber dann wäre das taktische Zeichen wieder entfernt/übermalt worden …
    Das fünfte Bild – eine Krankenschwester, eine Frau in Zivil und 3 Soldaten – und nicht „get her“ oder „get him“, sondern „get them“ … das ist wohl ein Thema für sich, aber auch hier also ein DKW F7 im Dienst der Wehrmacht, denn sonst käme wohl nur die etwas energisch agierende Frau als Fahrerin des DKW in Betracht ? Ob 1940 oder 1944 … früher oder später wurden auch zweitaktende Fronttriebler requiriert, obgleich Adler 2-Liter, Hanomag Sturm, Wanderer W23 oder Ford Rheinland „1.Wahl“ waren.

  3. Danke für diese kleine persönliche Geschichte Herr Schumacher – alles Gute für 2021!

  4. Ich bin begeistert! Mein Großvater hat so einen Reichsklasse DKW über den Krieg gerettet. Nach dem Krieg fuhr er selten damit uns zu besuchen. Für mich ein tolles Gefährt. Er erzählte auch, dass er schon mal im Rückwärtsgang den Berg hochfahren musste, weil es vorwärts nicht ging.
    Ebenso toll war ein BMW 315 meines Onkels, den dieser von 6 auf 3 Zylinder umbaute um Kosten zu sparen. Mit der ersten Borgward Isabella verschwand dieses Unikum aus meinem Blickfeld.

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