Ein Achtzylinder mit Frontantrieb: Stoewer Greif V8

Klassikerfreunde, die sich erstmals mit Vorkriegsfahrzeugen befassen, stellen sehr schnell fest: Einige vermeintliche Errungenschaften der Moderne sind alte Hüte.

Vom weit über 100 Jahre alten – und damals erfolgreichen! – Konzept des Elektroautos über selbsttragende Karosserien, Einzelradaufhängung, Schraubenfedern, hydraulische Bremsen & Stoßdämpfer bis zu ausgefeilter Aerodynamik: alles vor dem Krieg erfunden, nur nicht breit etabliert.

Ein Großserienerfolg war jedoch bereits der Frontantrieb, der sich nach der Zäsur des 2. Weltkriegs seinen einstigen Status erst neu erarbeiten musste.

In Frankreich hatte der elegante und brilliant konstruierte Citroen „Traction Avant“ Furore gemacht – übrigens ist die legendäre Gangsterlimousine nach wie vor ein bezahlbares Vorkriegsmodell mit sehr guten Fahreigenschaften.

Auf deutschen Straßen prägten in den 1930er Jahren die gefälligen Fronttriebler von Adler und DKW das Bild. Daneben gab es einen weiteren, oft übergangenen Hersteller, der sich früh dem Frontantrieb verschrieben hatte: Stoewer aus Stettin.

Stoewer gehörte neben Steiger, Steyr und Simson zu den schillerndsten Nischenproduzenten im deutschsprachigen Raum – merkwürdig die Übereinstimmung des Anfangsbuchstabens.

Die ersten Frontantriebswagen von Stoewer – die Typen V5 und R-140 – sind auf diesem Oldtimerblog bereits anhand von Originalfotos gewürdigt worden. Heute ist ein weiteres Modell an der Reihe, das eine Klasse für sich darstellte:

Stoewer_Greif_V8_in_Saarow-Pieskow_1937_Ausschnitt

Stoewer Greif V8; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Die leider etwas unscharfe Aufnahme zeigt das letzte Meisterstück von Bernhard Stoewer, das er vor seinem unfreiwilligen Abschied aus der stets am Rande des Abgrunds lavierenden Firma schuf.

Dieses 1933 vorgestellte Frontantriebsmodell wartete nicht nur mit einem kompakten V8-Motor mit 2,5 Liter Hubraum und rund 55 PS auf. Es verfügte auch über eine ingeniöse Hinterradaufhängung, die ohne Blattfeder auskam.

Mit diesem Fahrwerk war und den hydraulischen Vierradbremsen war die Höchstgeschwindigkeit von annähernd 120 km/h auch ausfahrbar – das bot Mitte der 1930er Jahre kein deutscher Hersteller in dieser Hubraumklasse.

Leider erhielt der Stoewer Greif V8 in der 1934 anlaufenden Serienfertigung keine seiner technischen Qualität würdige Karosserie:

Stoewer_Greif_V8_in_Saarow-Pieskow_1937_Ausschnitt2

Die Frontpartie folgt der Linie der in der Auto-Union zusammengeschlossenen Marken Audi, DKW, Horch und Wanderer. Details wie die Stoßstange erinnern sogar an Brot-und-Butter-Wagen von Hanomag.

Selbst der namengebende pommersche Greif auf der Kühlermaske war hier nur noch ein Schatten seiner selbst.

Wie konnte das geschehen? Nun, mit Bernhard Stoewer verließ 1934 das letzte Mitglied der Gründerfamilie das Unternehmen und damit verlor die Stettiner Marke gleichsam ihre Identität.

Noch beim Prototyp des Greif V8 hatte Bernhard Stoewer 1933 auch in formaler Hinsicht einen ganz großen Wurf gelandet. Das hinreißende Cabriolet trug beim Concours d’Elegance in Baden-Baden den Sieg davon.

Die letzte Episode in der Geschichte der Firma sollte Bernhard Stoewer nicht mehr erleben, er starb 1937 mit knapp 62 Jahren.

Der Stoewer Greif V8 war der Schlussakkord in der Geschichte einer deutschen Automobilmarke, die sich mit Glück und Können länger als andere Nischenhersteller hielt, aber letztlich nie eine wirtschaftlich tragfähige Größe erlangte.

Solche tragisch gescheiterten Produzenten verdienen besondere Sympathie, weil ihnen Schöpfungen zu verdanken sind, die bei Großserienfabrikanten nie das Prototypenstadium erreicht hätten.

Ganze 825 Exemplare entstanden bis 1937 vom Stoewer Greif V8. Eine handvoll dieser eigenwilligen Wagen scheint noch zu existieren. Damit gehören sie wohl zu den seltensten 8-Zylinderwagen der Vorkriegszeit überhaupt…

© Michael Schlenger, 2017. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and http://www.klassiker-runde-wetterau.com with appropriate and specific direction to the original content.

2 Gedanken zu „Ein Achtzylinder mit Frontantrieb: Stoewer Greif V8

  1. Lieber Karl, danke für Deine Nachricht. Ein Urheberrecht kann meines Wissens nur der einstige Fotograf bzw. das Werk beanspruchen, das die Aufnahmen in Auftrag gegeben hat. Wer heute Abzüge historischer Fotos besitzt, hat daran kein Urheberrecht, es sei denn, er hat sie zu einer eigenständigen künstlerischen Leistung verarbeitet. Beispielsweise sind meine Blogeinträge mit den darin verarbeiteten Originalfotos insgesamt betrachtet urheberrechtlich geschützt. Die alten Bilder selbst kann jeder weiterverwenden, wenn es keine lebenden Rechteinhaber mehr gibt. Da helfen im Zweifelsfall auch Wasserzeichen nicht. Ein gewisser Schutz gegen ungewolltes Kopieren ist das Veröffentlichen in einem komprimierten Format, das etwa dem Abdruck in einem Buch oder der Anfertigung weiterer Abzüge entgegensteht. Ansonsten meine ich, dass wir froh sein sollten, wenn sich die Leute für die alten Autos interessieren – Geld verdienen kann man mit den historischen Aufnahmen ohnehin in den seltensten Fällen. Ich veröffentliche die Bilder aus meiner Sammlung, weil ich will, dass die Vorkriegsfreunde etwas davon haben. Wenn jemand sie kopiert und weiterverbreitet, ist das in meinem Sinn. Ich meine nur, dass es die Höflichkeit gebietet, dass man darauf hinweist, woher man seine Bilder hat. Konkurrenz braucht man ohnehin nicht zu fürchten, wenn man selbst etwas Eigenständiges bietet.
    Gruß
    Michael

  2. Ing. Karl Marschhofer , A-4814 Neukirchen / Altmünster , Grasberg sagte am :

    Ich habe 100te Werks-Archiv Gräf & Stift Fotos 1906 bis 1936 , möchte ein Wasserzeichen als Urheberschutz . Bitte um Beratung , danke Karl 81 Jahre und Eigentümer des neuwertigen Gräf & Stift SR 4 Spezial Prototyps des Herrn Dipl.Ing. Joseph Gräf , geboren 1898 , Dezember , gestorb
    1980 . Zusammenarbeit angepeilt.

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