1949: Ein BMW 3/15 „Wartburg“ Roadster am Rhein

Wie kommt ein „Wartburg“ nach dem 2. Weltkrieg an den Rhein? Und wie gelangt ein BMW Roadster an diese Bezeichnung?

Das sind Fragen, die wir auf diesem Oldtimerblog für Vorkriegsautos gern anhand originaler Fotos aus der Sammlung des Verfassers beantworten.

Beginnen wir beim ältesten Baustein – im wahrsten Sinne des Wortes – der Wartburg bei Eisenach in Thüringen.

Die Wartburg verbindet man mit dem Aufenthalt von Martin Luther 1521/22, der dort das Neue Testament ins Deutsche übersetzte.

Der große Bekannheitsgrad der Wartburg brachte die 1896 gegründete Fahrzeugfabrik Eisenach auf die Idee, ihre ab 1898 nach Decauville-Lizenz gebauten Automobile danach zu benennen.

Hier haben wir einen solchen „5 PS Wartburgwagen“:

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Wartburgwagen von 1899; Aufnahme des Verkehrsmuseums Dresden

Nach Anfangserfolgen geriet der Mutterkonzern in Schwierigkeiten und die Fahrzeugwerke Eisenach kamen 1903 unter neue Kontrolle. Damit endete vorerst die Tradition der „Wartburg“-Wagen.

Die ab 1904 in den Fahrzeugwerken Eisenach gefertigten, selbstentwickelten Autos wurden dann unter der neugeschaffenen Marke Dixi verkauft.

Betrachtet man die Modellvielfalt der Dixi-Wagen, fällt es schwer, ein Konzept zu erkennen. Gewiss, in Eisenach entstanden solide konstruierte, gut verarbeitete Fahrzeuge – doch kaum eines brachte es auf nennenswerte Stückzahlen.

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Dixi Typ 6/24 PS; Originalfoto aus Sammlung René Försch

Auch nach dem 1. Weltkrieg gelang es Dixi nicht, von der Kleinserien-Manufaktur wegzukommen – auf Dauer konnte das nicht gutgehen.

Dass die Rettung nur in rationeller Serienfertigung eigens dafür konstruierter Modelle liegen konnte, erkannte man in Eisenach – wie auch bei anderen deutschen Automobilherstellern – zu spät.

Erst 1927 begann Dixi mit der Lizenzfertigung des damals nicht mehr ganz taufrischen, aber massenmarkttauglichen Austin „Seven“.

Mit dem als Dixi 3/15 bezeichneten Typ DA1 erreichte man im Schatten der Wartburg erstmals Stückzahlen im vierstelligen Bereich.

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Dixi 3/15 PS Typ DA1; Bildrechte Michael Schlenger

Dennoch kam es 1928 zur Übernahme von Dixi durch BMW.

Die Bayern, deren Versuche im Automobilbau bis dato im Experimentierstadium steckengeblieben waren, führten die Fertigung des Dixi 3/15 bis Mitte 1929 kaum verändert weiter.

Hier haben wir einen der nach der Übernahme durch BMW gebauten Dixis:

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BMW 3/15 „Dixi“ Typ DA1; Originalaufnahme aus Sammlung Michael Schlenger

1929 begann BMW, das von Dixi übernommene Austin-Modell behutsam weiterzuentwickeln. Den daraus resultierenden BMW 3/15 Typ DA2 baute man in Eisenach bis 1931 – die Bezeichnung „Dixi“ trug er nicht mehr.

Der noch auf die Austin-Konstruktion zurückgehende 750ccm-Vierzylinder-Motor mit 15 PS wurde vorerst beibehalten. Die Modellpflege betraf hauptsächlich das äußere Erscheinungsbild – zugleich waren mehr Karosserievarianten verfügbar:

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BMW 3/15 Typ DA2; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Bis hierhin ist nichts zu erkennen, was auf die bis heute legendäre Sportlichkeit der Dreier-BMWs hinweist.

Doch gelang es BMW in der Folge rasch, sich von dem Anfang der 1930er Jahre arg rückständigen Vorbild Dixi bzw. Austin Seven zu lösen.

Den Anfang machte man in Eisenach noch 1930 und zwar mit einem sportlichen Ableger des BMW 3/15, dem „Wartburg Roadster“.

Durch klassisches Frisieren wurde bei diesem Modell die Leistung auf 18 PS gesteigert. Dank seiner Aluminiumkarosserie geriet der „Wartburg“ so leicht, dass er durchaus agil bewegt werden konnte.

Das Spitzentempo von knapp 100 km/h klingt heute bescheiden, doch auf den damaligen Landstraßen war das genug, um Fahrvergnügen zu haben.

Mit solch einer offenen Krawallschachtel auf kaum befestigten Pisten um die Kurven zu räubern, davon wissen viele Insassen moderner Gefährte nichts mehr…

Wie glücklich dagegen ein BMW 3/15 „Wartburg“ Roadster noch nach dem Krieg machen konnte, verrät uns diese außergewöhnliche Aufnahme:

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BMW 3/15 Typ DA3 „Wartburg“ Roadster; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Zur Identifikation des Wagens ist nicht allzuviel zu sagen. Die Reihe waagerechter Luftschlitze ließ bereits vermuten, dass es ein früher BMW ist.

Die markante rechtwinklige Leiste oberhalb des hinteren Schutzblechs am Übergang zwischen Seiten- und Heckpartie, bestätigt den Verdacht:

Das ist einer von nur 150 gebauten BMW 3/15 „Wartburg“ Roadstern! Wer skeptisch ist, findet auf Seite 143 von Halwart Schraders Standardwerk „BMW Automobile“, 1. Auflage 1978, eine Abbildung des Typs aus identischem Blickwinkel.

Restlos glücklich macht – neben der ästhetischen Qualität der Aufnahme – die Tatsache, dass wir auch den Aufnahmeort genau bestimmen können.

Auf der Rückseite des Abzugs ist nämlich neben dem Entstehungsdatum „Mai 1949“ vermerkt „Nähe Remagen“. Wer sich am Rhein ein wenig auskennt, wird es aber noch genauer sagen können.

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Auf den Höhen oberhalb des gegenüberliegenden Ufers zeichnet sich nämlich die Silhouette von Schloss Drachenburg bei Königswinter ab.

Nebenbei handelte es sich bei diesem „Schloss“ um eine im historisierenden Stil gebaute Privatvilla der Gründerzeit, die nach nur drei Jahren – 1884 – fertiggestellt war – das verlange man bei einem derartigen Bau mal heute…

Am Fahrer vorbei geht der Blick über die damals angelegte Sichtachse hoch zur „Drachenburg“. Demnach muss dieses Foto etwas außerhalb des Bad Godesberger Stadtteils Mehlem direkt am Rheinufer entstanden sein.

Dort sieht es heute noch fast genauso aus. Bloß die Chancen, einen BMW 3/15 „Wartburg“ Roadster anzutreffen, stehen schlecht – es haben nur wenige überlebt.

Kann vielleicht jemand sagen, wer der Fahrer dieses Wagens war und ob das Auto noch existiert? Der Verfasser würde dieses Foto dem heutigen Besitzer des BMW mit Freuden überlassen…

© Michael Schlenger, 2017. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and https://www.klassiker-runde-wetterau.com with appropriate and specific direction to the original content.

 

2 Gedanken zu „1949: Ein BMW 3/15 „Wartburg“ Roadster am Rhein

  1. Den Aufnahmeort habe ich festlegen können und das Foto mit meinem BMW DA 3 Wartburg nachgestellt. Danke für diesen Artikel!

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