1925: Ein Bugatti im Renneinsatz im Taunus

Die Sportwagenschmiede Bugatti aus dem elsässischen Molsheim ist bislang auf diesem Oldtimerblog für Vorkriegsautos nur am Rande behandelt worden.

Zwar ist die Marke in der Schlagwortwolke vertreten, doch die dahinterstehenden Blogeinträge zeigen überwiegend moderne Aufnahme und Filmdokumente von Bugattis.

Diese sind natürlich ebenfalls sehenswert und tatsächlich werden die Leser auch am Ende des heutigen Eintrags wieder ein bemerkenswertes Video eines Bugatti im Einsatz finden. Doch im Mittelpunkt stehen hier historische Originalfotos.

Die sind aber von Bugattis nicht ohne weiteres zu bekommen, wenn man für ein altes Stück belichtetes Papier nicht abwegige Summen bezahlen will. Doch immerhin eine interessante Bugatti-Aufnahme können wir hier zeigen:

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Bugatti Rennwagen; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Aha, wird jetzt mancher denken, viel Auto zu sehen ist da ja nicht gerade – und ist das überhaupt ein Bugatti?

Zugegeben, es gibt bestechendere Fotos der agilen Sportgeräte, die bis heute zum Begehrenswertesten gehören, was die Autoindustrie hervorgebracht hat – nicht nur in technischer Hinsicht, sondern auch ästhetisch.

Kein Sportwagen der Vorkriegszeit bietet eine derartige Durchgestaltung funktioneller Elemente wie der Vorderachse oder des Motors. So viel betörende Form kombiniert mit heute noch beeindruckender Agilität ist sonst nirgends zu bekommen.

Nun aber zur Frage, woher wir überhaupt wissen, dass wir einen Bugatti vor uns haben, der 1925 einen Renneinsatz im Taunus absolvierte.

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Darauf war nur zu kommen, weil diese Aufnahme eine von mehreren ist, die sich in der Gesamtheit als Dokumente des Großen Preises von Deutschland entpuppten, den der AvD 1925 auf einem über 30 km langen Kurs im Taunus abhielt.

Bereits vorgestellt haben wir aus dieser Reihe den nachfolgend abgebildeten NSU 5/25 PS Kompressor (Bildbericht):

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NSU 5/25 PS Kompressor; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Den Wagen konnten wir anhand von Form und Startnummer eindeutig der genannten Rennveranstaltung zuordnen.

Möglich war dies dank des Buchs von Holger Rühl „Die Automobilrennen im Taunus“, hrsg. 2004 (vergriffen). Darin sind auch die meisten anderen der 20 Teilnehmerfahrzeuge mit Startnummer abgebildet. Und dort findet sich auch „unser“ Bugatti mit der Startnummer 10!

Die Bugatti-Freunde werden es nicht gern hören, dass die drei eingesetzten Wagen „ihrer“ Marke sich dem kleinen NSU-Kompressorwagen 1925 im Taunus geschlagen geben mussten – damals ein ungeheurer Erfolg für die Neckarsulmer Fabrik.

Vom Ruhm der NSU-Rennwagen der Vorkriegszeit ist nichts geblieben als ein paar Fotos in den Händen von Automobilhistorikern.

Dasselbe gilt für die einst enorm erfolgreichen Sportversionen des NAG Typ C4 – ein Exemplar bringen wir gelegentlich. Aufrechterhalten wird immerhin die Erinnerung an die rassigen Steiger-Wagen – die als „deutsche Bugattis“ galten.

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Steiger Sportwagen; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Ansonsten ist in Teilen der deutschen Klassikerszene eine Geringschätzung echter und eigener Tradition zu beobachten. So tauchen neben fragwürdigen Bentley Specials immer mehr dubiose Bugattis auf hiesigen Veranstaltungen auf.

Damit wir uns recht verstehen: Bugattis wurden vor dem Krieg auch von Kennern in Deutschland geschätzt und gefahren. Und wer sich heute eines der verbliebenen Originale hierzulande leisten kann, dem sei dazu gratuliert.

Ein Problem stellt die zunehmende Zahl der „Bugattis“ dar, die schlicht moderne Nachbauten sind und von prestigeversessenen Zeitgenossen auf Oldtimerveranstaltungen eingesetzt werden.

Natürlich kann sich jeder einen detailgenauen Nachbau eines Bugatti Typ 35 bei einer einschlägig bekannten Firma in Argentinien bestellen.

Man darf auch davon ausgehen, dass diese Repliken ähnlich eindrucksvolle Fahrerlebnisse vermitteln wie die Originale. Auch das sei den Besitzern gegönnt.

Nur: Solche Nachbauten gehören nicht auf eine Oldtimerveranstaltung.

Wer über ein Mindestmaß an historischem Bewusstsein verfügt, wird begreifen, dass auch die akribischste moderne Rekonstruktion ein seelenloses Abbild eines Originals ohne jeden immateriellen Wert bleibt.

Ein Porträt von Dürer beispielsweise bezieht seine Einzigartigkeit und seine Magie daraus, dass der Künstler genau vor diesem Original gesessen hat und es von seiner Hand ist. Näher können wir ihm nach 500 Jahren nicht kommen.

Einer im Detail davon nicht unterscheidbaren Kopie fehlt genau das: Dürer hat sie nie gesehen und nicht selbst geschaffen. Damit ist sie jenseits der Kosten von Leinwand und Farbe ohne jeden Wert und gehört nicht in eine Kunstgalerie.

So wie es Leute gibt, die ihre Häuser mit Kopien großer Meisterwerke schmücken müssen, deren Originale sie sich nicht leisten können, scheinen auch die Käufer von Bugatti-Klonen nicht akzeptieren zu können, dass gewisse Schöpfungen von höchstem Prestige nicht vermehrbar sind.

Anstatt aber auf die Jagd nach echten Raritäten zu gehen – beispielsweise den Resten eines NSU 5/25 PS Kompressor-Rennwagen oder eines NAG C4 „Monza“ –  muss es unbedingt eine weitere Kopie eines unerreichbaren Originals sein.

Dem Verfasser ist es gleichgültig, ob sich Besitzer von Bugatti-Nachbauten hierdurch angegriffen fühlen und wird sich diesbezüglich auf keine Diskussion einlassen.

Solche Fahrzeuge sind indiskutabel, weil sie keine Geschichte und keine Persönlichkeit haben – sie haben nichts zu erzählen außer von der peinlichen Eitelkeit ihrer Besitzer.

Was einen originalen Bugatti ausmacht, das erzählt der folgende kleine Film:

© Videoquelle: Youtube; Urheberrecht: Chateau Impney Hill Climb

Diese Sequenz entstand 2015 beim Chateau Impney Hillclimb in England und zeigt einen der ganz seltenen original erhaltenen Bugatti des Typs 35.

Wie der Besitzer erzählt, handelt es sich um einen Werksrennwagen, der Einsätze bei der Targa Florio in Sizilien und auf dem Steilkurvenkurs in Monthléry bei Paris bestritt.

Später wurde er an eine Amateur-Rennfahrerin in Südfrankreich verkauft, die ihn wiederum an einen italienischen Käufer weiterreichte, der den Bugatti rot lackierte.

In den frühen 1930er Jahren wurde der Wagen in einem Schuppen abgestellt und verbrachte dort rund 50 Jahre. Dann kaufte ihn ein Jura-Student, der sich zwar den Wagen, nicht aber seine „Restaurierung“ leisten konnte.

Wie der heutige Besitzer feststellt, verhinderte dies, dass der Wagen „ruiniert wurde“ – sprich in ein weiteres chromglänzendes Gefährt verwandelt wurde, das faktisch in weiten Teilen ein Neuwagen gewesen wäre.

So einen Zeitzeugen wieder zum Laufen zu bringen, ihm aber die Spuren seines langen Lebens zu lassen und ihn bestimmungsgemäß einzusetzen – das ist wahre Oldtimer-Leidenschaft und zeugt von Respekt vor dem Original.

In nachgebauten Kisten so tun, als gehöre man dazu, kann natürlich jeder mit dicker Brieftasche – nur ist das keine Leistung und schädigt zudem das Ansehen derer, die sich aufopferungsvoll um die Originale kümmern.

© Michael Schlenger, 2017. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and https://www.klassiker-runde-wetterau.com with appropriate and specific direction to the original content.

 

 

 

2 Gedanken zu „1925: Ein Bugatti im Renneinsatz im Taunus

  1. Ein in Molsheim vor dem Krieg entstandener Bugatti – ob Einzelstück oder Serienwagen – ist ein historisches Original. Ebenso wie ein zu Dürers Lebzeiten entstandenes Porträt oder mehrfach zu seinen Lebzeiten und unter seiner Kontrolle abgezogene Kupferstiche historische Originale sind. Ein in der Gegenwart produzierter Nachbau, Nachdruck oder was auch immer ist ein modernes Replikat, es ist unhistorisch und daher ohne den immateriellen Wert der Originale. Wer sich das Original nicht leisten kann, kann unter unzähligen bezahlbaren – und ebenfalls historischen – Alternativen auswählen. Mein Punkt ist der, dass die Leute, die einen exakten Bugatti-Nachbau wollen, dies m.E. aus purer Prestigesucht tun. Schon ein Morgan-Threewheeler oder ein gut aufbereiteter Amilcar macht einen vergleichbaren Heidenspaß, für einen Bruchteil des Gelds. Das genügt manchen aber nicht, es muss unbedingt ein Bugatti-Fake sein!
    Bei den mit moderner Technik hochgezüchteten Specials auf Originalchassis sind wir uns einig, das finde ich ebenfalls unhistorisch und unnötig. Zeitgenössisches Tuning wie anno dazumal ja, moderne Zutaten nein…

  2. Dem Vergleich mit Dürer kann ich nicht zustimmen. Ein Portrait von Dürer ist ein Unikat da gibt es nur eines. Seine Holzschnitte hingegen gab es mehrfach und alle erfüllen für den Betrachter ihren Zweck auch Nachdrucke und spätere gute Kopien. Auch Bugattis wurden in Serie gebaut besonders die mit den sportlichen Rennwagen Aufbauten. Da die Pursang auch für einen Fachmann nicht vom Serienmodellen zu unterscheiden sind sind es Bugattis die das Fahrgefühl von damals wiedererleben lassen. Man sollte aber bei der Wahrheit bleiben und keine Geschichte herumkonstruieren. Da finde ich die vielen umgebauten Le Mans Bentley vulgo Peterson etc mit modernen Lenkungen und Getrieben viel schlimmer. Auf der anderen Seite sollte man auch jenen Respekt zollen die die astronomischen Preise der oft auch nicht ganz originalen Originale nicht zahlen können oder wollen und sich trotzdem in die offenen Karosserien setzen und das Flair von Vorkriegsfahrzeugen unter die Leute bringen.
    Steyrman

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