Startklar zum Manöver: Ein Protos Typ C1 10/45 PS

Regelmäßige Leser dieses Oldtimerblogs für Vorkriegsautos wissen: Hier haben auch die vergessenen deutschen Marken der 1920er Jahre ein Forum.

Zu den trotz geringer Stückzahlen erstaunlich häufigen Gästen zählt der Typ, der auf folgendem Foto zu sehen ist – naja, sagen wir: teilweise:

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Protos Typ C 10/30 PS; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Wer auch immer dieses Foto geschossen hat – hier standen die drei Herren im Vordergrund, die vor einer mächtigen Limousine posieren, nicht der Wagen selbst.

Übrigens hat sich eine vierte Person ins Bild gemogelt, die vergnügt durch das Rückfenster in die Kamera schaut – das könnte der Chauffeur gewesen sein. So ist auch er unverhofft ins 21. Jahrhundert geraten, das hätte er wohl nicht gedacht.

Man möchte es auf den ersten Blick kaum glauben, doch selbst auf dieser Aufnahme lassen sich Marke und Typ exakt identifizieren. Dabei helfen uns zum einen die in zwei Gruppen angebrachten je vier Luftschlitze in der Haube.

Zum anderen ist auf dem Kühler ein Element zu erkennen, das an einen stilisierten Flügel erinnert. In voller Pracht – wenn auch unscharf – sehen wir dieses Detail auf folgender Aufnahme:

Protos_Typ_C_10-30_PS_Limousine_1918-24_Front_Galerie

Protos Typ C; Originalfoto  aus Sammlung Michael Schlenger

Ein dermaßen dekorativer Spitzkühler wurde in den sonst so sachlichen 1920er Jahren nur an den Wagen der Berliner Siemens-Tochter Protos verbaut.

Der expressive Kühlerschmuck war ein Relikt der Vorkriegszeit, das man geschickt an die damalige Spitzkühlermode angepasst hatte – erst hier entfaltete das Markenemblem seine ganze Pracht.

Wer an dieser Stelle bemängelt, dass man auf dieser Frontalaufnahme ja nicht allzuviel erkennen könne, muss zu den besonders verwöhnten Zeitgenossen gehören. Eine solche Amateuraufnahme aus dem vorausfahrenden Wagen hat nämlich Seltenheitswert – im Fundus des Verfassers jedenfalls gibt es bislang keine zweite.

Außerdem geht es heute um ein anderes Foto, das jede Kritik verstummen lassen dürfte, denn an folgender Aufnahme lässt sich wirklich nichts aussetzen:

Protos_Typ_C_10-45_PS_RW_Galerie

Protos Typ C1 10/45 PS; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Auch wenn man es vielleicht nicht glauben mag – dieses Foto transportiert uns in die zweite Hälfte der 1920er Jahre. Manch einer hätte sicher auf eine hochwertige Aufnahme aus dem 1. Weltkrieg getippt.

Doch der Fall ist klar: Der Büssing-LKW im Hintergrund trägt ein Kennzeichen der ab 1921 offiziell als Reichswehr bezeichneten deutschen Streitkräfte. Handelt es sich bei dem so archaisch wirkenden Tourenwagen vielleicht um ein übriggebliebenes Fahrzeug aus der Zeit vor dem 1. Weltkrieg?

Nein, denn ein Wagen derselben Marke hätte damals noch einen oben abgerundeten Flachkühler besessen wie das 1914 aufgenommene Fahrzeug auf folgender Ausschnittsvergrößerung:

Protos_Wk1_1914

Protos Typ G; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Man ahnt hier immerhin das erwähnte Flügelemblem. Eine weit bessere Aufnahme eines solchen Protos G-Typ aus der Zeit des 1. Weltkriegs schlummert noch im Fundus des Verfassers, wird aber irgendwann zu ihrem Recht kommen.

Zurück zu dem Wagen aus dem Fuhrpark der deutschen Reichswehr – einer infolge des Versailler Vertrags auf 100.000 Mann geschrumpften Truppe, gegen die allerdings die LeyenLaienspielschar der heutigen Bundeswehr wohl chancenlos wäre…

Protos_Typ_C_10-45_PS_RW_Frontpartie

Hier ist auch unter der grauen Militärlackierung – damals noch nicht so matt wie zu Zeiten des 2. Weltkriegs – das stilisierte Flügelemblem von Protos mit dem darüberschwebenden Oval zu erkennen.

Der Kühler läuft nur noch minimal spitz zu, wie am unteren Abschluss zu sehen ist. Das ist ein erster Hinweis auf ein spätes Protos-Modell.

Für Klarheit sorgen dann die je fünf in zwei Gruppen zusammengefassten Luftschlitze in der Motorhaube. Im Unterschied zum Protos Typ C 10/30 PS mit je vier dieser Schlitze war dies das Hauptmerkmal des Nachfolgers C1 10/45 PS.

Bei unverändertem Hubraum von 2,6 Liter hatte Protos beim Typ C1 die Leistung um 50 % gesteigert.

Möglich war dies durch eine Kombination aus strömungsgünstig im Zylinderkopf angebrachten hängenden Ventilen und einem anderen Vergaser. Die Spitzenleistung fiel nun bei 2.500 U/min statt 1.800 U/min beim Typ C an.

Die Höchstgeschwindigkeit stieg von 75 auf 85 km/h, für damalige Straßenverhältnisse völlig ausreichend. Wichtiger war das Durchzugsvermögen aus niedrigen Drehzahlen, ohne die noch unsynchronisierte Schaltung bemühen zu müssen.

Interessant ist die Doppelstoßstange an „unserem“ Protos, die allenfalls als Zubehör erhältlich war. Vielleicht hatte hier ein praktisch denkender Militär die nachträgliche Montage angeordnet, da ein solches Detail im Gelände von Vorteil ist.

Dass der Protos kein bloßes Prestigegefährt irgendeines „hohen Tiers“ war, sondern als Kommandofahrzeug im Gefecht dienen sollte, darauf weisen die taktischen Zeichen hin, die an dem Wagen angebracht sind.

Sicher wissen versierte Leser Näheres dazu. Vielleicht gibt es auch eine Erklärung für die nach Ansicht des Verfassers um 90 Grad verdrehten Tarnüberzüge auf den Scheinwerfern.

Oder hatte es bloß jemand eilig, um den Protos rechtzeitig als „klar zum Manövereinsatz“ zu melden, aber vorher noch ein Foto mit den Kameraden im Wagen zu machen?

© Michael Schlenger, 2018. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and https://www.klassiker-runde-wetterau.com with appropriate and specific direction to the original content.

 

5 Gedanken zu „Startklar zum Manöver: Ein Protos Typ C1 10/45 PS

  1. Sorry,
    sehe einen Irrtum: Oberschütze natürlich LINKS.

  2. 3. preuß. Kraftfahrabteilung=Berlin-Lankwitz

  3. Hallo!
    Der Protos ist nach der Verfügung zum Tarnanstrich vom 16.05.1922 gestrichen, der für unterschiedliche Fahrzeuge unterschiedliche Anstriche vorsah. Dabei waren PKW schwarz und LKW schwarz matt zu lackieren. Die Stander am Protos sind sogenannte Parteiflaggen, die bei Manövern die Zuordnung von „Freund und Feind“ erleichtern sollten. Interessanterweise trägt der Protos wohl die Flaggen von beiden Parteien. Sie hatten die Maße 30x30cm. Schiedsrichterwagen hatten weiße Stander. Die Kfz-Kennzeichen scheinen auf die 3. preuß. Kraftfahrabteilung zu deuten. Die Scheinwerferbezüge sind korrekt angebracht, ich habe mehrere Fotos gesehen, in denen die Schlitze senkrecht standen, noch keines aus der Zeit, bei dem sie wagerecht ausgerichtet waren. Alle drei Soldaten sind Mannschaftsdienstgrade, der in der Mitte ist Gefreiter, der rechts entweder Oberschütze oder auch Gefreiter.

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