Sachlichkeit adieu! Ein AGA Typ A 6/20 PS um 1925

Vor einiger Zeit habe ich hier erstmals einen der markanten AGA-Wagen vorgestellt, die ab 1919 von der Autogen-Gas-Akkumulator AG in Berlin gefertigt wurden.

Die erste Serie zeichnete sich durch eine „klare Kante“ aus, die in Deutschland nach dem 1. Weltkrieg enorm modern wirkte – der verheerende Krieg und der anschließende politische Neubeginn hatte alle gewohnten Maßstäbe durcheinandergebracht.

Der AGA-Wagen wies einen besonders eigenwilligen Stil auf, der radikale Sachlichkeit und eine noch aus der Vorkriegszeit stammende Schnittigkeit geschickt verknüpfte.

Zur Erinnerung nochmals eine zeitgenössische Ansicht des ersten AGA-Typs 6/16 PS:

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Aga Typ A 6/16 PS; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Der Spitzkühler nach Vorbild von Benz sowie die V-förmig geteilte und geneigte Frontscheibe sind Elemente, die sich ab 1914 auf breiter Front im deutschen Automobilbau durchsetzten.

Zwar boten Auto- und Karosseriehersteller hierzulande auch weiterhin konservativere Aufbauten mit Flachkühler und flacher Windschutzscheibe an, doch wer mit der Mode gehen wollte, bevorzugte diesen „Schnellboot-Stil“.

Eine AGA-typische Zutat waren nach dem 1. Weltkrieg die aus geraden Elementen zusammengesetzten Schutzbleche. Daraus ergab sich gerade ein markantes, von strengen geometrischen Formen bestimmtes Erscheinungsbild:

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AGA-Reklame, geschaffen von Ludwig Hohlwein; Original aus Sammlung Michael Schlenger

Die Bauweise der Kotflügel dürfte auch fertigungstechnische Vorteile gehabt haben, für die damals meist noch in Manufaktur arbeitenden Hersteller im deutschsprachigen Raum ein nicht unwesentlicher Faktor.

Allerdings könnte diese Konstruktion auf den Gourmet auch ein wenig nach „Hinterhofarbeit“ gewirkt haben. Dass es entsprechende Bastelfabrikate gegeben hat, dafür spricht die folgende Aufnahme:

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unbekannnter Wagen der frühen 1920er Jahre; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Trotz der Ähnlichkeit handelt es sich eindeutig um keine AGA-Karosserie, sondern um einen daran orientierten Eigenbau auf Basis eines Vorkriegsmodells.

Was für ein Auto daher herhalten musste, ließ sich bislang nicht klären – auch eine Vorstellung auf www.prewarcar.com lieferte kein Ergebnis – außer „AGA“, was aber aufgrund vieler Details nicht stimmen kann.

Zurück zum echten AGA-Wagen. Wie der Literatur zu entnehmen ist, schwenkte man ab 1923 wieder auf die international üblichen Karosserietrends mit flache(re)m Kühler und der Radform mehr oder weniger folgenden Schutzblechen ein.

Ab 1921 gab es jedoch noch den AGA 6/20 PS als Zwischentyp . Hier haben wir ein Beispiel dafür:

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AGA Typ A 6/20 PS; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Auf dieser schönen Aufnahme, die auf 1925 datiert ist und einst bei tiefstehender Sonne entstand, sehen wir noch den Spitzkühler mit dem dreieckigen AGA-Emblem (einen Dürkopp können wir anhand der Kühlerform ausschließen).

Doch die Schutzbleche weisen nun einen gefälligen Schwung auf, der dem Wagen zwar etwas von seinem Charakter nimmt, ihn aber eleganter wirken lässt.

Der offenbar im Raum Berlin (Kennung „IA“) zugelassene AGA war von seinem Besitzer mit einer Stoßstange aus dem Zubehörhandel nachgerüstet worden – im dichter werdenden Großstadtverkehr ein hilfreiches Accessoire.

Die Stoßstange scheint verchromt oder vernickelt gewesen zu sein, während der AGA-Wagen vom Fensterrahmen noch fast völlig ohne solchen Zierrat auskam.

Das Foto lässt sehr schön erkennen, dass man bei Wahl eines tiefdunklen Lacks auch ohne solche Akzente einen „glänzenden Auftritt“ hinlegte.

Leider verschwand mit den eckigen Schutzblechen auch der Kasten an der Heckpartie, indem sich das niedergelegte Verdeck verbarg – die damit verbundene klare Gestaltung der Seitenlinie ist hier dahin:

AGA_6-20_PS_mittel_1925_Ausschnitt

Die Insassen „unseres“ AGA des Typs A 6/20 PS scheinen sich auch in dem konventionelleren Aufbau wohlgefühlt zu haben.

Welcher Hersteller für diese Übergangsversion verantwortlich war – Lindner oder Karmann – ist bislang ebensowenig klar wie der genaue Entstehungszeitraum.

Auch das in mancher Hinsicht hervorragende – wenngleich sprachlich und strukturell verbesserungsbedürftige – Standardwerk „Der AGA-Wagen“ von Kai-Uwe Merz (2011) liefert in dieser Hinsicht keinen Aufschluss.

Da Bilder und Dokumente von AGA-Wagen nicht zu den ganz großen Raritäten zählen, wird sich das früher oder später klären lassen. Entsprechende Hinweise und Originalmaterialien sind mir wie immer hochwillkommen und werden von mir gern unter Nennung des Besitzers angemessen präsentiert.

© Michael Schlenger, 2018. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and https://vorkriegs-klassiker-rundschau.blog with appropriate and specific direction to the original content.

6 Gedanken zu „Sachlichkeit adieu! Ein AGA Typ A 6/20 PS um 1925

  1. Sehr geehrter Herr Merz, bitte lassen Sie mich das klarstellen, bevor Sie sich in etwas hineinsteigern: Ich schätze Ihre Recherchearbeit sehr und habe Ihr AGA-Buch in meinem Blog mehrfach als inhaltlich hervorragendes Standardwerk dargestellt. Ich habe allerdings auch angemerkt, dass es (nicht nur) aus meiner Sicht an seiner manierierten und oft regelwidrigen Sprache leidet. Hier ein spontan herausgegriffenes, nicht untypisches Beispiel auf S. 81: „Profilierte schmale Reifen. Speichenräder. Der Spanngurt hält die Motorhaube. Damit sie nicht davonfliegt.“ Dieser Telegrammstil ist unnötig, unüblich, unschön und unterstellt dem Leser, dass er längeren Sätzen nicht folgen kann. Akzeptieren Sie doch einfach, dass ich als beruflich täglich mit Sprache befasster Mensch diesen Stil als verbesserungsfähig kritisiere – gerade weil Sie ansonsten eine unschätzbare Arbeit geleistet habe, die mir selbst nicht möglich wäre. Eine Frage habe ich noch: Weshalb ist es in Sachen AGA ein „Beispiel für unterbliebene Recherche“, wenn ich Ihren ergänzenden (und nicht jedermann zugänglichen) Aufsatz nicht erwähnt habe? Für die oberflächliche Besprechung der wenigen mir vorliegenden AGA-Fotos in meinem Blog halte ich Ihr Buch für vollkommen ausreichend und habe es als Quelle angeführt. Wenn ich hier falsch liege, freue ich mich über ergänzende oder auch korrigierende konstruktive Hinweise zu meinen Besprechungen von AGA-Fotos. Ich bin sicher, ich könnte diesbezüglich von Ihrem Wissen profitieren, da ich ja kein ausgewiesener Automobil-Historiker bin, sondern bloß ein privater Enthusiast, der Fotos aller möglichen internationalen Marken vorstellt (und dabei bisweilen Defizite in der Literatur feststellt). Zu Ihrer abschließenden Vermutung: Nein, mir ist kein Satz zu lang und ich kann auch mit Fußnoten umgehen – Hinweise auf meinen akademischen Hintergrund spare ich mir an dieser Stelle aber. Nun lassen Sie uns Frieden schließen – ich jedenfalls betrachte die Argumente als ausgetauscht…

  2. Der Aufsatz von 2011 ist ein gutes Beispiel für unterbliebene Recherche und Lektüre in diesem Blog. Da kann man lernen, wie schmal die Quellenbasis ist, leider, und warum Strukturen eines Buches eben nicht so sein können mangels Quellen, wie der hochglanzorientierte Automobilhistoriker, der in der Regel keiner ist, sich das vorstellt. Vermutlich wäre die Sprache dieses Aufsatzes auch wieder nicht recht, weil die Sätze zu lang und die Fußnoten zu mühsam sind.

  3. Sie sagen Ihre Meinung, Herr Merz, und ich die meine – schön, dass wir uns da einig sind. Danke übrigens für den Hinweis zur ergänzenden Literatur. Demnächst bringe ich wieder „neue“ AGA-Fotos im Blog, dann verweise ich gern auch auf diesen Aufsatz.

  4. Nö, muss mir nicht gefallen, und das darf ich auch sagen. Auch das noch übrigens, auch für die Lesenden aus aller Welt: Kai-Uwe Merz: Das Automobil des Nobelpreisträgers. Archivalische Studien zur Berliner Autogen-Gasaccumulator Aktiengesellschaft (AGA), der Berliner Aktiengesellschaft für Automobilbau (AGA) und der Stockholmer Aktiebolaget Gas-Accumulator (AGA), in: Berlin in Geschichte und Gegenwart, Jahrbuch des Landesarchivs Berlin 2011, herausgegeben von Werner Breunig und Uwe Schaper, Gebr. Mann Verlag Berlin (2011).

  5. Danke für Ihre Nachricht, Herr Merz. Die Mühe, die Sie auf das AGA-Buch verwendet haben, schätze ich sehr – es gibt keine bessere Quelle. Leider scheinen Sie für Kritik an dem (nicht nur von mir) als unnötig manieristisch, regelwidrigen und den Lesefluss hemmenden Stil nicht zugänglich zu sein. Als professioneller Texter, Übersetzer und Lektor erlaube ich mir dieses Urteil und kann es auch begründen. Das muss Ihnen natürlich nicht gefallen, aber überzeugend fällt Ihre „Argumentation“ nicht gerade aus. Stattdessen unterstellen Sie mir bspw. einfach einen Mangel an Recherche und Ernsthaftigkeit („mal hinschreiben und gucken, was passiert“). Übrigens weiß ich sehr wohl, was es bedeutet, jahrelang neben dem Beruf und völlig ohne kommerzielle Interessen oder Anreize zu einem Herzensthema zu schreiben – das mache ich ja selbst seit etlichen Jahren auf diesem Blog und die Rückmeldungen aus aller Welt sagen mir, dass diese Internetpräsenz sehr wohl „ein Gewinn für diese Welt“ darstellt. Nichts für ungut, Herr Merz, letztlich arbeiten wir an derselben Sache – die Autos der Vorkriegszeit, ihr Umfeld und ihre einstigen Besitzer vor dem Vergessen zu bewahren…

  6. Die besserwisserische Wertung „sprachlich und strukturell verbesserungsbedürftig“ entbehrt nicht einer gewissen Arroganz. Seien Sie dankbar, dass ich mich hingesetzt habe, und das mit großer Freude an der Sache und ganz bestimmt, ohne dass ich kommerziell irgendetwas davon gehabt hätte, ganz im Gegenteil, und das erreichbare Wissen gesichert habe, und das neben beruflicher Tätigkeit. Durch manchen dann eingetretenen Todesfall wäre da sonst nämlich viel verloren gewesen. Ich war und bin zutiefst dankbar, dass der Verlag das Risiko getragen hat. Immerhin hat, neben bei bemerkt, die Qualität genügt, um den ADAC-Motorwelt-Motorbuchpreis zu bekommen. Dies alles zu wissen, hätte für meinen Kritiker freilich Recherche erfordert. Mal hinschreiben und gucken, was passiert, das macht das Internet eben möglich. Kein Gewinn für diese Welt. Ich bin dankbar, dass ich das Buch über den AGA-Wagen, der übrigens 2019 einhundert Jahre alt wird, habe schreiben können, und dass es bei vielen Mängeln, die ich besser kenne als dieser Blogger hier, doch so schön geworden ist. Mir war und ist es auch aus familiärer Verbindung zum AGA-Wagen eine Herzensangelegenheit. Und wenn dem Leser der Stil nicht konveniert, dann soll er es so formulieren, aber nicht den Oberlehrer geben. Dr. Kai-Uwe Merz, Berlin Friedrichshain (wohnhaft knapp vier Kilometer entfernt von den AGA-Werken, die noch stehen und an die als AGA-Werken trotz manches Hinweises nichts, nicht einmal eine Erinnerungstafel, erinnert)

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