Ein Bild von einem Mann: Der General fährt Benz

Nach längerer Abstinenz kommt heute wieder einmal die altehrwürdige Marke Benz zu ihrem Recht. Der Wagen, um den es geht, ist zweifellos sehr eindrucksvoll, doch wird er von einem einstigen Passagier förmlich in den Schatten gestellt.

Man muss das Handwerk, das dieser Mann einst ausübte, nicht mögen – er war Berufssoldat und war ab 1910 General in der Bayerischen Armee – doch die Zeiten vor über 100 Jahren waren andere als im Deutschland des 21. Jahrhunderts.

Wie man noch sehen wird, verdiente er jedenfalls auf seine Weise Respekt. Die Rede ist von der Persönlichkeit, die das folgende Foto aus meiner Sammlung beherrscht:

Benz Tourenwagen mit General Felix von Bothmer; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Auch wer sich vorrangig für den Tourenwagen interessiert, der den Großteil dieser Aufnahme ausfüllt, wird die eindrucksvolle Erscheinung des Offiziers daneben bemerken.

Der großgewachsene Mann mit Bart und Schutzbrille, der soeben dem Wagen neben ihm entstiegen sein dürfte, war „General von Bothmer“ – so ist von alter Hand auf der Rückseite dieses Abzugs vermerkt, leider ohne Ortsangabe und Datum.

Doch bin ich zuversichtlich, dass ein Kenner anhand der Auszeichnungen des hochdekorierten Generals zumindest den frühestmöglichen Zeitpunkt nennen kann, ab dem diese Aufnahme entstanden sein muss.

Zunächst jedoch sei das Automobil näher betrachtet, der sich hier mit schlammbedeckten Reifen präsentiert:

Zweifellos handelt es sich um einen Benz – die Marke begegnet einem in Fotos aus dem 1. Weltkrieg neben Adler ,Opel, Hansa und Protos sehr oft.

Leider bereitet die genaue Typansprache häufig Schwierigkeiten, so auch hier. Die parallel erhältlichen Benz-Typen unterscheiden sich meist nur in der Größe.

Allenfalls die Zahl der Radspeichen gibt einen groben Hinweis auf die Motorisierung. Die 12 Speichen des Wagens auf obiger Aufnahme finden sich nicht bei den kleinen Benz-Typen der 20- bis 30-PS-Klasse, wenn man zeitgenössische Aufnahmen zugrundelegt.

Ab 1912 bot Benz mehrere Mittelklassetypen mit 40 bis 60 PS an, die offenbar meist 12 Radspeichen aufwiesen, sofern sie keine sportlichen Drahtspeichenräder besaßen.

1912 halte ich auch als Baujahr des Benz von General Bothmer für wahrscheinlich – davor ragte die Windkappe (auch „Windlauf“) zwischen Motorhaube und Frontscheibe steiler nach oben und danach verlief sie fast in einer Ebene mit der Haube.

Die elektrischen Positionsleuchten verweisen ebenfalls auf eine Entstehung ab 1912/13, zuvor erfüllten Petroleumleuchten den Zweck des nächtlichen „Standlichts“.

Damals hatte die PKW-Produktion von Benz ihren Höchststand erreicht. So entstanden 1912 über 3.000 Wagen, Konkurrent Daimler brachte es auf nur knapp 1.900 Stück. Das erklärt die weit größere Verbreitung von Benz-Wagen als Offiziersauto auf Fotos aus dem 1. Weltkrieg.

Leider lässt sich zu dem Benz-Tourer, mit dem General von Bothmer unterwegs war, aus meiner Sicht nicht mehr sagen. Dafür wissen wir über den General einiges. Hier haben wir ihn in einer Ausschnittsvergrößerung, auf der er zweifellos gute Figur macht:

Zum Zeitpunkt der Aufnahme muss der 1852 geborene Felix von Bothmer mindestens 62 Jahre alt gewesen sein. Für einen Mann seines Alters muss er in sehr guter Form gewesen sein. Nur der graue Bart ist verräterisch – die zahlreichen Orden ebenso.

Der aus niedersächsischem Uradel stammende von Bothmer wurde in München geboren und schlug wie viele seiner Vorfahren die Militärlaufbahn ein – in seinem Fall bei der Armee des Königreichs Bayern.

Ab März 1915 zeichnete er sich als kühl kalkulierender Taktiker an der Ostfront aus und hatte die Führung eines Großverbandes inne, der als Korps Bothmer bezeichnet wurde. Der Durchbruch der russischen Stellungen in der Ukraine brachte ihm den Orden „Pour Le Mérite“ ein, den von Bothmer auf dem heute vorgestellten Foto trägt.

Diese militärisch wichtigen Erfolge waren natürlich vor allem dem Einsatz und Mut der „kleinen Leute“ zu verdanken, die den schmutzigen Teil des Kriegshandwerks verrichten mussten. Einer dieser namenlosen und meist ohne Orden und Rang gebliebenen Männer kehrt uns auf dem Bild den Rücken zu.

In den Folgejahren war es dem Geschick von General von Bothmer und seinen Männern zu verdanken, dass die aus deutschen und österreichisch-ungarischen Truppen gebildete Südarmee russischen Vorstößen widerstand.

Das brachte ihm 1916 und 1917 wiederum Orden ein – das Großkreuz zum Militär-Max-Joseph-Orden und das Eichenlaub zum Orden Pour le Mérite. Ob von Bothmer diese Auszeichnungen auf dem hier gezeigten Foto trägt, kann ich nicht beurteilen.

Nachtrag: Ein sachkundiger Leser weist mich darauf hin, dass die Orden eine Datierung des Fotos auf den Zeitraum Juli 1915 bis Anfang November 1916 erlauben, der Vegetation nach zu urteilen eher bis Spätsommer 1916.

Dass die im Osten blutig erkämpften Erfolge gegen die russische Armee und am Ende auch der Friedensvertrag mit Russland, der Polen, Litauen und Kurland ihre Selbstbestimmung wiedergab, letztlich vergeblich waren, konnte damals keiner wissen.

Jedenfalls schied General von Bothmer Ende 1918 aus dem Dienst aus, nicht ohne zuvor weitere Orden erhalten zu haben, mit denen ich meine Leser nicht langweilen will.

1937 starb von Bothmer in München mit 85 Jahren. Gegen den Willen seiner Familie wurde vom nationalsozialistischen Regime ein Staatsbegräbnis arrangiert. Immerhin beschränkte sich der Fahnenschmuck auf alte kaiserliche und königliche Flaggen.

So ist das heute präsentierte Foto ein Dokument einer längst untergegangenen Welt. Felix von Bothmer war noch im Kutschzeitalter großgeworden und hatte als junger Mann die Erfindung und Ausbreitung des Automobils erlebt.

Im 1. Weltkrieg leisteten ihm ein großzügiger Benz und ein unbekannter Fahrer treue Dienste. Über beide würde man gern erfahren, doch das wird nichts mehr.

Was von den Mühen und Opfern geblieben ist, ist ein Stück altes Papier. Doch auch bei pazifistischer Einstellung wird man zugeben müssen: es zeigt „ein Bild von einem Mann“.

© Michael Schlenger, 2020. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and https://vorkriegs-klassiker-rundschau.blog with appropriate and specific direction to the original content.

2 Gedanken zu „Ein Bild von einem Mann: Der General fährt Benz

  1. Hallo Herr Wulff,
    auf dem Originalabzug ist das Emblem klarer wiedergegeben – es handelt sich tatsächlich um einen Benz (die übrigen Details wie Kühlwasseinfüllstutzen und -verschluss sowie die Ausführung der Räder sind ebenfalls stimmig). Auch bei anderen Fotos von Benz-Wagen aus ähnlicher Perspektive wird das Markenemblem beim Einscannen oft „zerstückelt“, sodass der Schriftzug dann kaum mehr erkennbar ist. Die Marke passt im übrigen auch zum Stander, der auf einen hochrangigen Kommandeur hindeutet – auf dieser Ebene wurden m.W. nur stark motorisierte Benz, Daimler, Opel oder Protos gefahren. Gruß, M. Schlenger

  2. Hallo Herr Schlenger,
    ich bezweifele, dass es sich um einen Benz handelt. Sämtliche Benz – Embleme sahen anders aus. Außen liefen keine Buchstaben im Kreis wie hier; Benz stand in der Mitte des Emblems, wo ci etwas Senkrechtes sehe, aber nicht die vier Buchstaben BENZ. Bin ich der einzige, der bezweifelt, dass es sich um einen Benz handelt ? Auf jeden Fall muß es ein extrem seltenes fabrikat sein, dann das Emblem kenne ich nicht……
    Beste Grüße aus Berlin

    Claus H. Wulff

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