Ein Fall für zwei: MAF um 1913 in der Schweiz

Die Krimiserie „Ein Fall für zwei“ gehört für mich zu den Jugenderinnerungen an das Fernsehen der 1980er Jahre wie die Musiksendung „Formel 1“ oder die italienische Serie „Allein gegen die Mafia“. Jüngere Produktionen kenne ich nur vom Hörensagen.

Nach dem Auszug aus dem Elternhaus als Student habe ich nie wieder im klassischen Sinn „ferngesehen“. In der Studenten-WG liefen im Flimmerkasten nur Videofilme und seit ich eine eigene Wohnung habe, besitze ich keinen Fernseher.

Es gibt zu viele schöne Dinge, die man mit seiner knappen Lebenszeit anstellen kann, da bleibt einfach keine Zeit für „Zerstreuung“ via TV. Den dreisten „Beitrag“ für den teuersten Staatsfunk der Welt muss ich trotzdem zahlen.

Doch die Erinnerungen an die Fernsehkultur der 1980er Jahre möchte ich nicht missen. Einst fuhr Privatdetektiv Matula aus „Ein Fall für zwei“ einen fauchenden Alfa-Romeo, heute wird es vermutlich ein Elektroauto oder noch besser ein Lastenrad sein…

Nach diesem kleinen Exkurs in die „jüngere“ Vergangenheit, die mir aus heutiger Sicht wie das reine Paradies vorkommt, geht es nun gleich über 100 Jahre zurück – doch auch dabei begleitet mich das Thema „Ein Fall für zwei“:

MAF Typ F 5/14 PS oder Typ G 6/16 PS um 1913; Originalfoto aus Sammlung Klaas Dierks

Dieses ganz ausgezeichnete Foto verdanke ich wieder einmal dem Spürsinn von Leser Klaas Dierks, der sich zwar nicht ganz sicher war, was er da geschossen hatte, aber ahnte, dass es etwas nicht ganz Alltägliches ist.

Der Abzug trägt die Prägung eines Fotoateliers in St. Gallen (Schweiz), was aber keinen Hinweis auf das abgebildete Fabrikat gibt. Von Ausnahmen wie Martini abgesehen, bauten die sonst in technischer Hinsicht hochkompetenten Schweizer kaum Autos von Rang.

So musste der hübsche Wagen – eindeutig nur ein Fall für zwei – ein Importfahrzeug sein. Dummerweise kamen zum Zeitpunkt der Aufnahme vor dem 1. Weltkrieg (die Gasscheinwerfer verraten es) prinzipiell hunderte von Herstellern in Frage.

Damals rangen unzählige französische, belgische, britische und deutsche Firmen um ein Stück aus dem verlockenden Kuchen, der sich in Form eines rapide wachsenden Automarkts darbot. Selbst US-Fahrzeuge wurden damals schon in Europa verkauft.

Für Foto- und Filmenthusiast Klaas Dierks, der nebenbei mit großem zeitgeschichtlichem Wissen über die Vorkriegsepoche aufwarten kann, war es dennoch ausgemacht, dass dies ein Auto aus deutscher Produktion sein musste – und das zurecht.

Man kann es schwer beschreiben, aber so sah vor dem 1. Weltkrieg kein Auto aus einem unserer Nachbarländer aus. Oberflächlich mögen viele Wagen jener Zeit ja ähnlich erscheinen, aber es gibt gewisse stilistische Unterschiede, die landestypisch waren.

So verfolgte ich Klaas Dierks Hypothese weiter und überlegte, welche deutschen Fabrikate damals eine solche ovale (oder runde?) Kühlerpartie besaßen, in die von oben ein unten abgerundetes Element hineinragte.

Könnte das ein NSU sein? Schließlich bauten die Neckarsulmer kurz vor dem 1. Weltkrieg Modelle mit einer recht ähnlichen Kühlerpartie:

NSU 5/15 PS, Bauzeit: ab 1914; Aufnahme um 1920, Originalabzug aus Sammlung Michael Schlenger

Doch bei näherem Hinsehen wollen einige Details nicht passen: die Ausführung der Vorderschutzbleche etwa, vor allem aber die Ausführung der Luftschlitze in der Haube.

Beim NSU sind überhaupt keine zu sehen, vermutlich wurde die warme Abluft vom Kühler einfach nach unten abtransportiert. Auf dem Foto von Klaas Dierks sind dagegen gleich acht recht breite Luftschlitze zu sehen:

Für ein so kompaktes Auto ist das allerhand – ich komme noch darauf zurück. Jedenfalls war ich sicher, dass dies kein NSU sein kann, da seine Kühlerpartie aus diesem Blickwinkel ein anderes Bild ergeben würde.

Dann fiel mir ein, dass es doch von der Markranstädter Automobilfabrik (MAF) vor dem 1. Weltkrieg genau so ein Modell gab, bei dem ein rundes Element von oben in das Kühlernetz ragt (siehe hier).

Der Fall war soweit klar: Das Auto musste ein MAF aus der Zeit kurz vor dem 1. Weltkrieg sein – nur die Bestimmung des genauen Typs bereitet mir noch Schwierigkeiten. So ist das Auto auch in dieser Hinsicht „Ein Fall für zwei“.

In Frage kommen nämlich die annähernd zeitgleichen MAF-Typen F 5/14 PS und G 6/16 PS, die beide luftgekühlte Vierzylindermotoren besaßen – daher die auffallend zahlreichen und großen Entlüftungsschlitze.

Leider kann man die Dokumentation der MAF-Typen nur als desolat bezeichnen. In der Standardliteratur finden sich bloß unvollständige und teils widersprüchliche Angaben. Im Netz gab es einmal eine sehr wertvolle Dokumentation anhand originaler Prospekte, die aber mittlerweile „abgeklemmt“ zu sein scheint.

So muss ich mangels eigener Expertise darauf warten, dass irgendwann ein Automobilhistoriker oder einfach nur ein Enthusiast diesen „Fall für zwei“ – und am besten gleich die ganze MAF-Geschichte klärt.

Woher die Zeit dafür nehmen? Ganz einfach – den Flimmerkasten auslassen…

© Michael Schlenger, 2020. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and https://vorkriegs-klassiker-rundschau.blog with appropriate and specific direction to the original content.

2 Gedanken zu „Ein Fall für zwei: MAF um 1913 in der Schweiz

  1. Klasse Hinweis, vielen Dank!

  2. Hallo Michael,
    im Schlumpf Museum in Mulhouse / Frankreich steht genau so ein MAF. Der dortige Wagen ist Baujahr 1914. Zu recht weist Du auf den luftgekühlten Motor hin und die 8 auffallend großen „Entlüftungs“-schlitze hin. In der Motorhaube auf der anderen Seite gab es ebenfalls 8 Schlitze. Diese zeigen allerdings nach vorne ! Es sind also dort „Belüftungs“-schlitze, denn MAF hatte die nach meiner Kenntnis einmalige Idee der entgegengesetzten Schlitze: links die Luft rein und rechts raus, denn der Kühler ist nur Attrappe. Gibt es weitere Fahrzeug – Modelle mit dieser Belüftungstechnik ?
    Beste Grüße
    Claus
    P.S. Im Großraum Berlin existiert noch ein weiterer MAF.

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