Typisch Deutsch: Ein Ford „Eifel“ Cabriolet

Typisch deutsch – das waren einst Tugenden wie Anstrengungsbereitschaft, Präzision, Zuverlässigkeit, Innovationsfreude. Die Deutschen wurden dafür zwar nicht geliebt, aber für die Qualität ihrer Güter und Leistungen geschätzt oder auch gefürchtet.

Mittlerweile registrieren selbst unsere Nachbarn sich häufendes strukturelles Versagen hierzulande wie Verzögerungen bei Infrastrukturprojekten (Rheintalzubringer an Gotthard- und Ceneri-Basistunnel), Rückbau grundlastfähiger Stromversorgung, Abgasbetrug beim halbstaatlichen VW-Konzern, Hinterherhinken bei Mobilfunkabdeckung und faktische Bedeutungslosigkeit im globalen IT-Sektor („Wirecard“ lässt grüßen).

Dass Deutschland nicht mehr für Dichter und Denker von einzigartigem Rang steht, ist schon länger klar. Dass es aber mittlerweile auch kaum noch mit genialen Forschern oder brillianten Ingenieuren aufwarten kann, Fleiß vor allem bei der Selbstverleugnung (Stichwort: die „Mannschaft“) an den Tag legt, und selbst bei Median-Vermögen, Immobilienbesitz und Altersabsicherung weit unter dem europäischen Durchschnitt liegt, ist Zeichen einer im Niedergang befindlichen Gesellschaft.

Ein Grund mehr, sich mit deutscher Gründlichkeit der Nachlassverwaltung zu widmen – denn da wird man immer noch mit einer Qualität konfrontiert, die in den heute global bedeutenden Bereichen hierzulande in der Breite immer seltener erreicht wird.

Wer noch vor der sogenannten Rechtschreibreform in unserer Schriftsprache sattelfest wurde, wird über die Schreibweise „Typisch Deutsch“ im Titel gestolpert sein.

Tatsächlich ist das ein beabsichtigter Lapsus, denn das Auto, um das es heute geht, ist so „Deutsch“, wie man sich das nur vorstellen kann. Zuvor sei eine Rückblende auf ein ganz ähnliches Fahrzeug erlaubt, das nur „deutsch“ war, wenngleich auf hohem Niveau:

Ford „Eifel“ Cabriolet mit Aufbau von Gläser (Dresden); Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Diese Momentaufnahme aus Kriegszeiten habe ich vor längerem hier besprochen. Das Fahrzeug ließ sich als Ford „Eifel“ identifizieren, der einen Aufbau als Zweifenster-Cabriolet von der Karosseriemanufaktur Gläser aus Dresden erhalten hatte.

Gläser-Aufbauten zählten zum Geschmackvollsten, was im deutschen Karosseriebau der Vorkriegszeit zu bekommen war. Doch andere Hersteller wussten ebenfalls Karosserien zu fertigen, die dem Gläser-Stil recht nahekamen.

Hier haben wir ein schönes Beispiel, das Leser Klaas Dierks zu verdanken ist:

Ford „Eifel“, 2-Fenster-Cabriolet von Deutsch; Originalfoto aus Sammlung Klaas Dierks

Entstanden ist dieses liebenswerte Dokument kurz nach dem 2. Weltkrieg, wie das Besatzungskennzeichen an dem Wagen verrät.

Die markante Ausführung des Kühlergrills im Stil des legendären Ford V8 verrät, dass dieser Wagen frühestens 1937 entstanden sein kann. An sich war das mit 34 PS aus 1,2 Liter Hubraum aufwartende Modell „Eifel“ bereits seit 1935 auf dem Markt.

Wenn man der Literatur trauen kann, haben wir hier einen Ford „Eifel“ von 1938/39 vor uns, der damals von „Deutsch“ in Köln eine solche Karosserie erhielt. Die Karl Deutsch GmbH war einer der Hauptlieferanten offener Aufbauten für das Kölner Ford-Werk.

Meine erste Begegnung mit einem Ford von „Deutsch“ fand Ende der 1980er Jahre statt. Damals bekam ich bei einem Schulkameraden im hessischen Friedberg ein von Deutsch gebautes Cabriolet auf Basis eines Ford „Capri“ zu Gesicht, welches sein Vater besaß – damals der Inhaber des bis heute existierenden Autohauses Ford Kögler.

Was aus dem Capri mit Cabrio-Aufbau von Deutsch wurde, von dem nur einige Dutzend entstanden, weiß ich nicht, aber meine Faszination für „Deutsch“ hält bis heute an. Unverkennbar deutsch ist auch die Aufmachung der beiden Kinder, die vor dem Ford posieren:

Mit Lederhosen und Janker ausstaffiert dürften die beiden Buben wohl irgendwo im Bayrischen beheimatet gewesen sein.

Die Frage, ob die Bayern überhaupt Deutsche sind, oder vielleicht eher den Österreichern zuzuschlagen sind, will ich hier besser nicht aufwerfen. Dafür treibt mich etwas anderes um: Ist der eine Bub (der größere) vielleicht gar keiner?

Natürlich meine ich nicht solche neuzeitlichen Kreationen wie „das dritte Geschlecht“, sondern die Möglichkeit, dass hier ein Mädchen als Bub verkleidet wurde.

Aus eigener Erfahrung weiß ich, dass Mütter dazu neigen, mit ihren Kindern allerlei Experimente anzustellen: Ich musste beispielsweise als Grundschüler einst unbedingt als Mädchen frisiert fotografiert werden, damit die Ähnlichkeit mit meinen Cousinen dokumentiert werden konnte…

Zurück zum Ford „Eifel“ mit Cabriolet-Aufbau von „Deutsch“: Eine weitere Aufnahme dieses Typs kann ich aus meinem eigenen Fundus beisteuern, und zwar diese hier:

Ford „Eifel“ Cabriolet (Deutsch); Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Entstanden ist dieses Foto im Februar 1940 im polnischen Krakau. Die deutschen Soldaten, die darauf zu sehen sind, scheinen nicht mehr die jüngsten zu sein, vermutlich gehörten sie nicht zu einer kämpfenden Einheit.

Der Ford „Eifel“ mit Aufbau von Deutsch, vor dem sie posieren, ist natürlich auch dann ein erfreulicher Anblick, wenn er nur teilweise sichtbar ist. Gleichwohl werden solche Fotos – unabhängig von einer persönlichen Verstrickung der abgebildeten Personen stets überschattet von den Verbrechen, die in deutschem Namen in den besetzten Territorien begangen wurden.

Angriffskriege haben zwar alle im 2. Weltkrieg involvierten Parteien zuhauf geführt – übrigens auch die Polen, die die Schwäche Russlands nach dem kommunistischen Umsturz 1917/18 für weitreichende Eroberungen nutzten. Aber die Deutschen haben sich leider die Finger noch gründlicher schmutzig gemacht als die Gegner von einst.

Typisch deutsch“ – das bleibt ein schwieriges Kapitel, doch wenn es um alte Autos geht, ist man mit „Typisch Deutsch“ allemal auf der sicheren – erfreulicheren – Seite.

© Michael Schlenger, 2020. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and https://vorkriegs-klassiker-rundschau.blog with appropriate and specific direction to the original content.

2 Gedanken zu „Typisch Deutsch: Ein Ford „Eifel“ Cabriolet

  1. Gute Ergänzung, Claus! Mit dem „deutschen Erzeugnis“ hatte es m.W. aber noch mehr auf sich als nur Propaganda. Zumindest im Fall von Citroen musste ein sehr hoher Anteil an Teilen tatsächlich aus deutscher Produktion stammen, um als „Deutsches Erzeugnis“ durchzugehen. Ab 1928 wurde das auch sehr weitgehend erreicht – das Kölner Werk erhielt die Baupläne und Zeichnungen aus Paris, um möglichst viele Teile selbst fertigen oder von inländischen Firmen zuliefern zu lassen. 1929 verblieben so über 70 % aller Erlöse aus in Köln hergestellten Wagen in Deutschland (Immo Mikloweit geht ausführlich darauf ein in seinem empfehlenswerten Buch „Citroen – Die ersten deutschen Jahre“, 2019). Ich vermute, dass Ford Köln ebenfalls einen immer höheren Anteil aus inländisch bezogenen Teilen anstrebte, weil die damalige (noch kleine) Autokundschaft Wert darauf legte – man wollte mit der eigenen Kaufentscheidung verständlicherweise nicht noch mehr Kapitalabflüsse ins Ausland unterstützen, als sie der Versailler „Vertrag“ mit sich brachte…

  2. Hallo Michael,

    deine Überschrift „Typisch Deutsch“ als Aufhänger ist interessant, denn daraus ergeben sich Überlegungen in verschiedene Richtungen. Die Ford Motor Company Aktiengesellschaft wurde in Deutschland bekanntermaßen 1925 in Köln gegründet und registriert. Es handelte sich um eine in Deutschland registrierte amerikanische Firma und mithin nicht um ein indeutscher Hand befindliches Unternehmen, was sich auch an der Produktpalette zeigte, denn zunächst wurde das Model A montiert. So sahen es wohl auch die Bevölkerung und das Regime im 3. Reich. Das Werk wurde aber nicht zwangsgeschlossen. Ob das an der persönlich guten Beziehung zwischen dem Führer und Henry Ford oder an der wirtschaftlichen Bedeutung des Werkes in Köln lag, kann offen bleiben. Jedenfalls wußten die Verantwortlichen bei Ford einen Ausweg und hier kommt der Emblemeexperte C.H. Wulff ins Spiel: ab 1933 wurde das Kühleremblem von Ford germanisiert. Das ovale blaue Kühleremblem des Eifel (Ford Pflaume genannt ) erhielt unter dem Schriftzug FORD einfach den Zusatz “ DEUTSCHES ERZEUGNIS“ und fertig war das deutsche Produkt. Ob es die Käufer geglaubt haben, darf offen bleiben.
    Übrigens haben die Citroen Montage Werke in Köln eine vergleichbare Idee gehabt und auf ihrem Emblem den Zusatz „KÖLN“ geschrieben, um als deutsches Produkt durchzugehen.

    Mit den besten Sammlergrüßen

    Claus H. Wulff

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