Fund des Monats: Ein Dixi-Cyklon 9/40 PS

Der Wagen, den ich heute anhand eines „neuen“ Fotos zeigen kann, ist von derart schillernder Herkunft, dass es schwerfiele, ihn mit einem passenden und hinreichend prägnanten Titel zu präsentieren.

Weder lässt sich der tatsächliche Hersteller ohne weiteres genau benennen noch der Ort seiner Entstehung – so kann ich von Glück reden, dass sich das Modell mühelos für die Rubrik „Fund des Monats“ qualifiziert. Das erspart mir einiges Kopfzerbrechen gut eine Stunde vor Mitternacht…

Zum Einstieg ins Thema eignet sich eine historische Abbildung, die einen auf den ersten Blick vertraut wirkenden Wagen der späten 1920er Jahre zeigt. Wäre da nicht die abweichende Bildunterschrift, könnte man hier an einen Adler „Favorit“ oder „Standard 6“ denken – beides ausgesprochen häufige Gäste in meinem Blog:

Cyklon 9/40 PS; zeitgenössische Abbildung aus Sammlung Michael Schlenger

Tatsächlich entspricht der Limousinenaufbau den Karosserien, die Adler von Ambi-Budd aus Berlin für seine Modelle Favorit und Standard 6 bezog.

Doch dort enden schon die Gemeinsamkeiten. Denn dieser Wagen entstand nicht in Frankfurt am Main, sondern bei den Cyklon Automobilwerken. Mit dem Namen „Cyklon“ verbindet man heute allenfalls noch die dreirädige „Cyklonette“.

Nachdem deren Hersteller – die Berliner Cyklon Maschinenfabrik GmbH – 1922 Teil des Schapiro-Konzerns geworden war, baute man zunächst einen 5/18 PS Kleinwagen, der unter der Marke des ebenfalls von Schapiro kontrollierten Karosserielieferanten „Schebera“ vermarktet wurde.

Einen raren Originalprospekt dieses Wagens konnte ich vor einiger Zeit erwerben – er wird Gegenstand eines weiteren Fundes des Monats sein – hier als Vorgeschmack das Deckblatt:

Prospektdeckblatt zum Schebera 5/18 PS; Original aus Sammlung Michael Schlenger

Hier werden neben Schebera aus Berlin die Cyklon Automobilwerke als Hersteller genannt, nun aber auf einmal mit Standort Mylau im sächsischen Vogtland.

Bereits bei diesem Wagen deutet sich an, was erst recht für den ab 1927 als Cyklon 9/40 PS gebauten Wagen galt – die genaue Herkunft lässt sich schwer greifen. Das neue 9/40 PS-Modell war als Antwort auf die Flut preisgünstiger US-Sechszylinderwagen gedacht, die in der zweiten Hälfte der 1920er Jahre den deutschen Markt überschwemmten.

Die Tatsache, dass man massenhaft Fotos solcher „Amerikaner“-Wagen in deutschen Landen findet, aber ein Cyklon 9/40 PS eine Rarität darstellt, ist ein Indiz dafür, dass Deutschlands (laut Literatur) billigster Sechszylinder am Markt nicht zündete.

So fristete die eingangs gezeigte Abbildung eines Cyklon 9/40 PS lange Zeit ein einsames Dasein in meinem Fundus – trotz fast dreijähriger Bauzeit. Doch nun kann ich endlich ein Originalfoto eines solchen Fahrzeugs zeigen:

Dixi-Cyklon 9/40 PS; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Auf den ersten Blick scheint diese Limousine mit Berliner Zulassung vollkommen der auf der vorherigen Abbildung zu entsprechen.

Neben der Ambi-Budd-Karosserie finden sich hier Details wie die Scheibenräder mit sechs Radbolzen ebenso wieder wie die an den Enden kastenartig gebogene Doppelstoßstange.

Doch bei näherem Hinsehen scheint es, dass wir es hier eher ein „Cy-Klon“ vor uns haben, dessen mutmaßlicher Hersteller andernorts beheimatet war:

Auch wenn es auf diesem Ausschnitt nur schwer zu erkennen ist, zeigt sich auf dem Originalabzug auf dem Kühler das Markenemblem von „Dixi“ aus Eisenach – ein Kentaur.

Tatsächlich wurde der Cyklon 9/40 PS ab 1927 auch als Dixi 9/40 PS vermarktet – was wenig überrascht, gehörte die altehrwürdige Marke seit den frühen 1920er Jahren ebenfalls zum Schapiro-Konglomerat.

Spätestens hier beginnt die Geschichte unübersichtlich zu werden. So suggeriert ein Teil der Literatur, dass Dixi das 9/40 PS-Model von Cyklon ins eigene Programm aufnahm und auch in Eisenach fertigte.

Eine zweite Produktionslinie ein und desselben Modells wäre aber betriebswirtschaftlich noch größerer Unfug gewesen als der, der bei Cyklon ohnehin bereits üblich war. Denn der Cyklon-Wagen entstand aus Baugruppen, die von mehreren Standorten zugeliefert wurden, was einer rationellen Produktion nicht gerade förderlich ist.

Die schon ältere, aber in vielen Details nach meinem Eindruck immer noch wertvolle Publikation „Ahnen unserer Autos von Gränz/Kirchberg (Ostberlin 1975) stellt lapidar fest, dass der Cyklon 9/40 PS auch als 9/40 PS Dixi verkauft wurde, „aber während der Herstellung Eisenach nie gesehen“ habe.

So stammte der Limousinenaufbau aus Berlin, der Motor aus Mylau, und das Fahrgestell aus Gotha, wo dann auch die Fertigstellung erfolgte. Vermutlich wurde die Dixi-Kühlerplakette dann eigens per Paketpost aus Eisenach angeliefert…

Leider schweigt sich die Literatur ebenso darüber aus, wer den Sechszylindermotor entwickelt hatte, wie auch darüber, in welchen Stückzahlen das 9/40 PS-Modell überhaupt entstand – sei es als Cyklon, als Dixi oder Dixi-Cyklon.

Gemessen an der Fülle von Fotos der äußerlich sehr ähnlichen Adler-Limousinen „Favorit“ und „Standard 6“ sind Bilder dieses 9/40 PS-Modells so selten, dass es wohl kaum in mehr als einigen hundert Exemplaren entstanden sein dürfte.

Am Preis kann das laut Literatur nicht gelegen haben – aber woran dann? Fehlte es am Ende an einer schlagkräftigen Vertriebsstruktur? Hinweise über die Kommentarfunktion sind wie stets in solchen Fällen willkommen!

© Michael Schlenger, 2020. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and https://vorkriegs-klassiker-rundschau.blog with appropriate and specific direction to the original content.

4 Gedanken zu „Fund des Monats: Ein Dixi-Cyklon 9/40 PS

  1. Sehr verdienstvoll, Herr Doht! Schauen Sie doch einmal in meinen neusten Blog-Eintrag – die darin enthaltenen Dixi-Fotos sende ich Ihnen gern in bester Auflösung für Ihre Zwecke zu. Auch alle übrigen Dokumente aus meiner Dixi-Galerie stehen Ihnen zur Verfügung (sofern keine Dritte als Besitzer angegeben sind). Beste Grüße, Michael Schlenger

  2. Lieber Herr Schlenger, Sie laufen bei mir offene Türen ein. Ich arbeite schon seit zwei Jahren an einem Buch über die Eisenacher Zeit von 1904 bis 1928.(nachdem ich 2016 die Geschichte der Wartburg-Motorwagen und Gustav Ehrhardt veröffentlicht hatte).
    Da ich die Dixi Geschichte chronologisch nach Jahresscheiben abarbeite, bin ich jetzt im Jahr 1921 „angekommen“. Leider konnte ich im ganzen Jahr 2020 keine weiteren Recherchen in den Zeitschriften „AAZ“ und „Der Motorwagen“ weiterführen, da bis jetzt immer noch die Archive in Berlin, Dresden und München coronabedingt geschlossen haben. Zumindest schon mal vorab: zwischen 1904 und 1927 , dem Serienstart des kleinen Dixi 3/15 PS DA 1, gab es 35 (!) verschiedenen Typen von Dixi-Pkw aus Eisenach.
    Ich bin also für jede weite Unterstützung und für alles Bildmaterial aus der Zeit von 1904 bis 1928 dankbar. Auch zu dem recht schwierigen Kapitel „Schapiro“.
    Ich freue mich über jedes neue, bisher noch nicht gesichtete Material und neben meinen privaten Kontaktdaten, bin ich jederzeit auch über das Museum automobile welt eisenach (www.awe-museum.de) erreichbar, wenn es geöffnet ist, in diesen Zeiten…
    Viele Grüße Matthias Doht

  3. Besten Dank für diese überzeugende Argumentation, der ich mich gern anschließe, Herr Doht. Die Frage ist, wie man diese wohlfundierten Überlegungen in die einschlägige Literatur hineinbekommt, die (nicht nur in Bezug auf Dixi) in weiten Teilen veraltet ist. Sollte in Bezug auf Dixi vor Beginn der Lizenzfertigiung des Austin 7 eine Publikation oder auch eine Website geplant sein, stehen Ihnen alle meine diesbezüglichen Dokumente zur Verfügung. Viele Grüße, Michael Schlenger

  4. Hallo Schlenger,
    da wir in Eisenach im Automobilmuseum zurzeit einen Dixi 9/40PS haben und restaurieren, habe ich mich lange mit der tatsächlich ziemlich undurchsichtigen Geschichte des Dixi 9/40 PS beschäftigt.
    Die Vorgeschichte stimmt vollständig – AMBI-Budd und Schapiro – aber ich vertrete zwischenzeitlich die These, dass dieser Wagen tatsächlich doch in Eisenach gebaut wurde.
    Aus meiner Sicht sprechen dafür 3 Gründe:
    1. nach Recherchen in Mylau – heute ein Stadtteil von Reichenbach i.V. bekam ich die Auskunft, dass dort angezweifelt wird, dass dort jemals so ein großes, massives Fahrgestell gebaut wurde. Die dortige Cyklon-Werke waren wohl eine sehr übersichtliche kleine Fabrik – auch hinsichtlich der Ausstattung, die ja bekanntlich vorrangig die dreirädrigen Cyklonetten herstellten; Leider ist heute in Reichenbach – auch im dortigen Stadtarchiv – fast nichts mehr von Cyklon erhalten geblieben – lediglich Bilder und Prospekte zu den Dreirädern; Was kam also aus Mylau? Ich behaupte kühn: Nichts! Der Aufbau des Fahrwerks ähnelt sehr den bisherigen Dixi-Fahrwerke, die alle auf eine Baukastensystem von Georg Schwarz zurückgehen.
    2. Wenn man sich die Abmessungen des Motors anschaut, stellt man schnell fest, dass sowohl die Maße für Bohrung und Hub identisch mit den Maßen vom Dixi 6/24 sind. Zufall? Ein solches Bohrwerk stand aber in Eisenach, was nahelegt, dass der Motor offensichtlich doch in Eisenach gefertigt wurde, denn die Maschinen und Anlagen waren noch vorhanden, auch nach Anlauf des kleinen Dixi 3/15 als Austin-Lizenz;
    3. Wir haben im Archiv 2 Fotos aus Eisenacher Werkhallen gefunden, die jeweils 6-7 Dixi 9/40 einmal vollständig und einmal noch ohne Karosserie zeigen, also fahrfertige Fahrwerke, die noch auf die Karosserielieferung von AMBI-Budd warten. Daher bin ich mir ganz sicher, dass zumindest die Endmontage in Eisenach erfolgte.

    Dazu kommt, dass in einigen Literaturquellen als Konstrukteur des Cyklon 9/40 der Berliner Konstrukteur Dr. Gustav Eisner genannt wird., der von Schebera Berlin stammt. Eisner war danach kurzzeitig Direktor in Mylau bei Cyklon und wechselt nach der Fusion mit der Waggonfabrik Gotha in den Vorstand der AG nach Gotha. Eisner hatte sicher das Interesse verfolgt „sein“ Auto zu bauen. Dazu kam, dass Schapiro den preisgünstigsten deutschen Sechzylinder bauen wollte, aber offensichtlich erkannt hat, dass Sechszylinderkunden ein solches Fahrzeug wohl nicht so bedenkenlos aus einer „Dreiradfabrik“ kauften. Die fast zeitgleiche Fusion von Mylau und Eisenach nach Gotha bot die Chance die Kapazitäten in Eisenach zu nutzen, die vor der Austin-Lizenz kränkelten, aber einen guten Leumund und ein vollständiges Vertriebsnetz hatten. Da aber nun in Gotha die Zentrale und der Vorstand der Waggonfabrik AG saßen, gingen von da auch die Publikationen heraus und auch beim Vorgänger Dixi 6/24 wurden immer Pressemitteilungen aus Gotha zitiert, ohne dass dieser jemals in Gotha gefertigt wurde.

    Zum Schluss: Ob – wie auch in einigen Literaturquellen zu lesen – der Cyklon 9/40 dann doch noch nach der Übernahme von BMW ab 1929 weitergebaut wurde, mag ich bezweifeln. Wenn, dann ggf. maximal in Berlin bei Schbera, die aber m.E. immer nur ein Montagewerk waren . Ob Motor und Fahrgestell zumindest noch bis Juli 1929 von Eisenach nach Berlin geliefert wurde, ist möglich, aber reine Spekulation.

    Das ist jedenfalls dazu meine These, nur beweisen kann ich Sie auch nicht. Gern können wir uns dazu noch weiter über die bei uns dazu vorhanden Indizien austauschen.
    Bis dahin viele Grüße aus Eisenach

    Matthias Doht

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