Mit gewissen Extras: Buick Sport-Roadster von 1929

US-Automobile hatten in den späten 1920er Jahren eine heute undenkbare Präsenz in weiten Teilen Kontinentaleuropas, speziell in Ländern ohne nennenswerte eigene Autoindustrie wie in der Schweiz, in Skandinavien oder auf dem Balkan.

Doch auch im an Marken nicht gerade armen Deutschen Reich fanden amerikanische Wagen ab Mitte der 1920er Jahre reißenden Absatz. Die heimischen Anbieter waren entweder hinter der technischen Entwicklung zurückgeblieben oder verzettelten sich in zuvielen Modellen (und verpassten so Chancen der Großserienfertigung) oder richteten sich in vermeintlich lukrativen Nischen ein.

Trotz der desolaten Wirtschaftslage und der Inflation nach dem 1. Weltkrieg wuchs der potentielle Absatzmarkt hierzulande stetig – das mögliche Geschäft überließ man dennoch zunehmend der ausländischen Konkurrenz.

Speziell die preisgünstigen Sechszylinder amerikanischer Provenienz hatten es den deutschen Käufern angetan. Auch patriotisch gesinnte Zeitgenossen mussten feststellen, dass die inländischen Hersteller kaum noch konkurrenzfähig waren – im besten Fall gelangen (meist zu teure) Nachschöpfungen im „Amerikaner“-Stil.

So finden sich Bilder von US-Autos wie das folgende zuhauf in den Fotoalben der Altvorderen, zumindest in der dünnen Schicht, die sich ein Motorfahrzeug leisten konnte:

Buick Tourenwagen von 1929; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Die charakteristische Kühler spricht für einen Buick ab Baujahr 1929 – zuvor wies die Kühlermaske einen kleinen „Zipfel“ auf, der von oben in das Kühlergitter hineinragte. Das Fehlen einer Zierleiste entlang der Motorhaube spricht gegen die Modelljahre 1930/31.

Die Käufer dieses Buick aus dem Raum Berlin hatten sich für den klassischen Aufbau als Tourenwagen entschieden. Verfügbar war dieser mit fünf oder sieben Sitzen, womit auch unterschiedliche Motorisierungen verbunden waren.

Buick bot damals nur Sechszylinder an (mit im Zylinderkopf hängenden Ventilen). Der „kleine“ mit 3,9 Litern Hubraum (Series 116) leistete bereits über 70 PS, der größere bot gut 90 Pferdestärken aus 5,1 Litern (Series 121, 129).

Die Buick-Besitzer aus Berlin, die hier offenbar zu einer Rast im Wald haltgemacht haben, hatten sich für mindestens zwei Extras entschieden – Stoßstangen und seitlich montierte Ersatzräder.

Dass ein US-Wagen jener Zeit überhaupt noch ohne Stoßstange verfügbar gewesen sein sollte, ließ mich stutzen. Doch befindet sich in meinem Fundus tatsächlich ein Foto, das einen 1929er Buick ohne dieses Extra zeigt:

Buick Limousine von 1929; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Ohne Stoßstangen wirkte der Buick merkwürdig unfertig, aber bei dieser in Magdeburg entstandenen Aufnahme ist wohl auch die Perspektive daran schuld, dass der Wagen unvorteilhaft getroffen ist.

Ein reizvolles Foto ist das aus meiner Sicht dennoch – zeugt es doch vom Rang des Wagens als Familienmitglied, auf das man sichtlich stolz war. Außerdem bekommt man eine Ahnung von den eindrucksvollen Dimensionen (1,90 Meter betrug allein die Höhe).

Was die Extras angeht, hatte dagegen ein anderer Fahrer eines 1929er Buick offenbar aus dem Vollen geschöpft:

Buick Sport-Roadster von 1929; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Hier haben wir nicht nur die Ersatzräder, ein Steinschlaggitter vor dem Kühler und Drahtspeichenräder als Extras, auch die dreifache Stoßstange fällt ins Auge.

Ob diese alternativ zur Doppelstoßstange verfügbar war oder an bestimmte Modelle oder Aufbauten gebunden war, konnte ich nicht herausfinden.

Jedenfalls haben wir es hier mit der besonders attraktiven Ausführung als Sport-Roadster zu tun – in Europa hätte man eher von einem zweitürigen Cabriolet gesprochen.

Entstanden ist diese zwar technisch mäßige, aber dennoch wirkungsvolle Aufnahme irgendwo auf dem Balkan. Ein Nummernschildxperte kann vielleicht mehr dazu sagen.

Ob der Herr neben dem Wagen tatsächlich der Besitzer war oder für Fotozwecke nur so tat, werden wir nach rund 90 Jahren nicht mehr herausfinden. Ein klein wenig in jene Zeit eintauchen kann man mit modernen Mitteln dennoch.

Die folgende Bildersequenz zeigt nämlich genau einen solchen Buick Sport-Roadster von 1929 in allen Details. Man stößt dabei zwar auch auf ein paar Restaurierungs“pannen“, aber das wird durch die zeitgenössische musikalische Unterlegung mehr als wettgemacht:

Videoquelle: youtube.com; produziert vom Classic and Historic Automobile Club of Australia

© Michael Schlenger, 2020. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and https://vorkriegs-klassiker-rundschau.blog with appropriate and specific direction to the original content.

9 Gedanken zu „Mit gewissen Extras: Buick Sport-Roadster von 1929

  1. Hallo Herr Schlenger,
    auf der Suche nach Buick Autos bin ich auf Ihren Blog gestoßen. Ich habe mit freude Ihre intressanten Beiträge gelesen.
    Kennen Sie das Buch von Hanns G. Benz? Alle meine Autos.
    In diesem Buch schildert er ausführlich seine Erlebnisse mit einem Buick Sport Roadster Baujahr 1930. Ich habe daraufhin nach Fotos dieses Typs gesucht und bin begeistert von diesem Anblick. Damals gab es wirklich sehr schöne Autos.

    Mit freundlichen Grüßen

    Rainer Rutow

  2. Hallo Herr Lade,
    danke für Ihre Anfrage. Soweit ich weiß, baute GM in Berlin (Borsigwalde) nur Teilesätze zusammen. Die deutsche Wertschöpfung dürfte sich auf Elektrikkomponenten wie Scheinwerfer und Winker beschränkt haben. Für die Qualifikation als „Deutsches Produkt“ waren m.W. sehr hohe Anteile inländischer Wertschöpfung Voraussetzung, wie das bei Citroen und Ford in Köln der Fall war. Beste Grüße, Michael Schlenger

  3. Hallo Herr Schlenger,
    erstmal vielen Dank für Ihren interessanten Blog!
    Eine Frage treibt mich um, auf die ich bisher keine Antwort gefunden habe.
    Buick und andere GM-Modelle wurden damals auch in Berlin montiert. Wissen Sie, ob es Unterschiede zwischen den Importmodellen und den heimisch produzierten Modellen gab? Hatten die deutschen Wagen auf dem Typenschild evtl. „Deutsches Produkt“ o.ä. stehen?

  4. Herzlichen Dank, sehr geehrter Herr Wachsmuth. Ein schöneres Lob könnte ich mir nicht vorstellen. Bleiben Sie mir gewogen!

  5. Guten Tag Herr Schlenger , ich muß gestehen , das ich Ihren Blog von tiefstem Herzen genieße . Einfach mal Danke ! Ein nachdenken und zustimmendes nicken erzeugen bei mir Ihre Randbemerkungen in Bezug auf die Gegenwart , Danke !! Die von Ihnen vorgestellten Bilder verströmen oft eine wundervolle Energie , besonders aufgrund der folgenden Zeit ….
    Weiterhin alles Gute , herzlichst Olaf Wachsmuth

  6. Hallo Herr Schlenger,
    ich freue mich auf jede neue Ausgabe Ihres Blogs. Vielen Dank für Ihr Engagement.
    Beste Grüße aus Chemnitz – Heimat von Wanderer und Presto. U.Fischer

  7. Schade, aber danke dafür, dass Sie meinen Blog eine Weile lang mit Gewinn verfolgt haben.

  8. Ich habe immer gerne Ihre Artikel gelesen und die schönen Fotos angeschaut, nun habe ich nicht mehr so viel Zeit leider …

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