Neue Devise: Mehr Sport wagen! DKW Typ PS 600

Oje, denkt jetzt vielleicht einer bei dem Titel – unser Blog-Wart hält bestimmt eine verspätete Neujahrsansprache zur Förderung der Volksgesundheit.

In der Tat: Anlass dazu sehe ich fast täglich, denn am Fenster meines Büros führt der Fußweg zur örtlichen Grundschule vorbei. So habe ich reichlich Gelegenheit, die bedenkliche körperliche Verfassung vieler Kinder zu registrieren. Viel zu dick, unbeweglich, die meisten schon mit Brille, weil sie kaum vor die Tür dürfen und die Augen daher das Scharfstellen über mehr als eine Armlänge hinaus nie gelernt haben.

Zumindest das war früher wirklich besser – denn Kinder tobten den ganzen Tag draußen herum, übten sich, härteten sich ab. Die Eltern hatten selten eine Ahnung davon, was da alles getrieben wurde. Ich muss es wissen, denn so habe ich es noch erlebt in den 70er Jahren.

Blutige Knie, blaue Flecken, Schneebälle auf die Lippe, x Stürze vom Schlitten oder Fahrrad – und alles ohne Helm. Ich wüsste kein einziges Beispiel von Klassenkameraden, wo jemand ernsthaft zu Schaden gekommen ist.

Das Dasein möglichst früh sportlich angehen, das kann nicht schaden – dazu bedarf es oft nicht einmal eines Vereins oder sonstiger Schulung. Auf den Bolzplatz, an die Kletterwand oder auf die Straße, um sich müdzuradeln, kommt man von alleine. In Abwesenheit von Helikoptereltern, versteht sich…

Mehr Sport wagen, das ist heute aber auch ein Thema, das durch die Reaktionen auf meinen vorangegangenen Blog-Eintrag motiviert ist. Die einst beim Semmeringrennen in Österreich aufgenommenen Sportwagen sind inzwischen von sachkundigen Lesern identifiziert – siehe zugehörige Kommentare.

Das motiviert mich, hier künftig mehr in Sachen Sport zu wagen. Ich habe nämlich einige interessante Dokumente in der Hinsicht vorzustellen, zu denen mir selbst die Expertise fehlt.

Dass es aber gar nicht immer die wirklich wettbewerbstauglichen Sportgeräte sein müssen, daran erinnerte mich spontan Leser Klaas Dierks. Er hatte registriert, dass einer der am Semmering eingesetzten Wagen wohl eine Rennausführung des DKW P15 von 1928/29 war.

Daran anknüpfend sandte er mir ein Foto aus seinem Fundus, das ich Ihnen nicht vorenthalten will und das genau meinen Vorstellungen von „Mehr Sport wagen“ entspricht.

Doch zuvor zur Erinnerung erst einmal eine Aufnahme, welche die Basisausführung zeigt – gleichzeitig das erste in Serie gebaute Automobil der bis dato als Motorradhersteller tätigen Marke DKW. Hier haben wir den 1928 eingeführten Typ P15:

DKW Typ P15; Originalfoto: Sammlung Volker Wissemann

Festzuhalten ist an dieser Stelle, dass die DKW-Autos von Anfang stilistisch meist sehr gelungen waren, speziell im Einsteigersegment, in dem sie angesiedelt waren.

Für einen Zweizylinder-Zweitakter mit gerade einmal 600ccm Hubraum und namengebenden 15 Pferdchen unter der Haube sah dieser erste DKW-PKW doch sehr ansprechend aus.

Der Tradition blieben die Sachsen bei späteren Modellen überwiegend treu – speziell die ab 1931 gebauten Fronttriebler waren wahre Schmuckstücke und kein Vergleich mit den meist primitiv gestalteten Kleinstwagen deutscher Provenienz der Nachkriegszeit.

Aber zumindest zu Beginn wollte DKW in bester Motorradtradition auch bei seinen Autos mehr Sport wagen und gönnte dem Typ P15 ab 1930 eine Leistungskur, die in satten 20 % mehr Dampf resultierte – also ganze 3 PS…

Lachen Sie nicht, denn bei einem Wagen mit gut 500 kg Gewicht zählt jede Pferdestärke doppelt und dreifach.

Außerdem erreichte man mit nunmehr 18 PS Tempo 100 km/h, wenn man wollte. Damit konnte man dem dicken Nachbarn mit seinem Sechszylinder-Mercedes 170 bei Bedarf die Rücklichter zeigen.

Ein paar Exemplare dieses Sportgeräts mit gekonnt gestalteter Bootsheckkarosserie konnten Sie über die Jahre schon bestaunen. DKW-Sammler Volker Wissemann hat die meisten davon beigesteuert – hier zur Erinnerung eines davon:

DKW Typ PS 600; Originalfoto: Sammlung Volker Wissemann

Weitere reizvolle Beispiele finden sich in meiner DKW-Galerie.

Mit einem neu aufgetauchten Foto aus der Sammlung von Klaas Dierks lässt sich heute im besten Sinne wieder „Mehr Sport wagen“, was die sächsische Marke DKW angeht, die später leider von ähnlichen Ambitionen Abstand nahm.

Jedenfalls sind mir nach dem DKW PS 600 keine weiteren Werks-Sportversionen für Privatkäufer bekannt. Gern lasse ich mich aber auch hier überraschen.

Nun aber zu der angekündigten Aufnahme, die ganz unabhängig von Marke und Typ fast alle Wünsche in Sachen Vorkriegsautos auf alten Fotos erfüllt:

Perfekte Perspektive, gelungener Rahmen, fotogene Insassen und ausgezeichnete technische Qualität – fehlt nur noch ein kamerabegabter Hund. Aber sehen Sie selbst:

DKW Typ PS 600; Originalfoto: Sammlung Klaas Dierks

Was sagen Sie? Meisterlich, wie der Baby-Sportler hier als ausgewachsener Kurvenräuber und Frauenbeglücker inszeniert ist, meine ich.

Außerdem lernen wir hier noch etwas Neues im Vorübergehen. Die Kennung „MI“ ist zumindest mir noch nie begegnet, doch Andreas Herzfelds treffliches „Handbuch Deutscher KfZ-Kennzeichen, Band 1“ weiß mehr.

Zugelassen war dieses Exemplar demnach im Raum Mecklenburg-Schwerin.

Bei der Gelegenheit sei beklagt, dass wir deutschen Oldtimer-Freunde bei unseren Schätzen nicht zu der klassischen Klarheit dieser alten Kennzeichen zurückkehren dürfen. In England, Frankreich und Italien dagegen sind solche antiken Nummernschilder kein Problem, selbst wenn sie noch aus der Vorkriegszeit stammen.

Aber ich vergaß: Deutsche Ordnung und Gründlichkeit, nach der sich die Welt schon immer sehnte… Mehr Sport wagen wäre vielleicht angebracht, was sinnlose Vorschriften angeht.

Auf jeden Fall will ich zusehen, dass ich hier künftig etwas mehr „Sport wagen“ werde. Denn danach scheint es die Leserschaft zu gelüsten, obwohl das völlig unvernünftig ist…

Michael Schlenger, 2025. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and https://vorkriegs-klassiker-rundschau.blog with appropriate and specific direction to the original content.

2 Gedanken zu „Neue Devise: Mehr Sport wagen! DKW Typ PS 600

  1. Das ist völlig korrekt, irgendwann gelangte Feuchtigkeit ans Holz und sorgte dito für Dauerverformungen.
    Aber auf Grund des geringen Fahrzeug-Gewichtes zählte man mit den wenigen PS zu den „spritzigen“ Verkehrsteilnehmern, man konnte ordentlich flott unterwegs sein.

  2. Um‘ s nochmals zu verdeutlichgen: Alle Versionen dieses ersten „richtigen“ DKW- Kleinautos, ob nun P 15 anfangs mit effektiv 15- 16 PS, oder der in kleiner Stückzahl dem interessierten Publikum (siehe letztes Bild) zugänglichen PS 600 mit 18 PS(+ X) oder auch den noch spektakuläreren Rennversionen auf P 15- Basis, wie im vorhergehenden Blog enttarnt, basierten auf einer SELBSTTRAGENDEN Sperrholz- Karosserie, verleimt und verschraubt mit Buchen- Kanthölzern, in die Achsen und Motor einzeln eingeschraubt waren – und also die ganze Fuhre nur vom hölzernen Karosserie- Rückgrat zusammengehalten wurde !
    Die unzulängliche Statik des
    nach der Festigkeitslehre als „Brückenträger“ zu betrachtenden Karosserie- körpers führte allerdings je nach
    Häufigkeit und Intensität der Beanspruchung zu nachhaltiger Dauerverformung, die sich inbesondere auf die Lenkgeometrie über die Jahre (oder Jahrzehnte bei den wenigen noch heute existierenden Exemplaren) ungünstig auswirken musste .

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