Bilder von Wanderer-Automobilen und historische Reklame chronologisch geordnet
© Originale aus Sammlung Michael Schlenger (sofern nicht anders angegeben), Weiterverwendung nur mit Quellenangabe

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Hat Ihnen Teil 1 meiner „Weihnachtsserie“ gefallen? Dann werden Sie in der Fortsetzung erst recht auf Ihre Kosten kommen.
Wo waren wir stehengeblieben? Ja, richtig: in Cori südöstlich von Rom. Vermutlich hat außerhalb Italiens kaum einer je davon gehört – was soll es in einem x-beliebigen Bergnest mit ein paar tausend Einwohnern auch zu sehen geben…
Nun, wir werden feststellen, dass unser reiselustiges Paar allen Grund hatte, hier haltzumachen. Cori ist mindestens so alt wie Rom und seine ältesten sichtbaren Reste sind die mächtigen zyklopischen Stadtmauern aus dem 6. und 5. Jh v. Chr. Aus römischer Zeit stammen die Brücke „Ponte della Catena“ sowie die Ruinen von mindestens drei Tempeln.
Der Ort beherbergt ein Regionalmuseum („Museo della Città e del Territorio“), in dem speziell die römischen Hinterlassenschaften beeindrucken.Untergebracht ist es im zauberhaften Augustinerkonvent im feinsten Renaissancestil.
Die nebenan stehende Kirche S. Olivia ist in einen römischen Tempel hineingebaut, von dem noch einiges im Innern zu sehen ist.
Übertroffen wird all das aber von der im dorischen Stil gehaltenen Fassade des Herkules-Tempels, die schon im 18. Jh. auf Stichen von Piranesi festgehalten wurde:
Unsere Reisenden, denen wir diese Aufnahmen aus den Jahren 1937/38 verdanken, vermerkten auf dem Foto „Tempel des Jupiter“, doch hier irrten sie vermutlich.
Solche traditionellen Zuschreibungen erweisen sich bisweilen als falsch, halten sich aber in der Lokaltradition hartnäckig. Uns kann es eigentlich egal sein – der Reiz liegt im Gebäude selbst und seinem Überleben – hier offenbar durch die Weiternutzung als Kirche, wie der nebenstehende Glockenturm nahelegt.
Bei der Gelegenheit entstand eine weitere Aufnahme des Baus, diesmal der Sockelpartie:
Hier offenbart sich dem genauen Beobachter, dass von diesem Tempel nicht nur die vier Säulen der Fassade erhalten geblieben ist, sondern die gesamte Vorhalle mit drei Säulen in die Tiefe.
Dahinter beginnt die geschlossene „Cella“ mit dem originalen Eingang, selten zu findenden bei antiken Tempeln, die im städtischen Kontext in nachantiker Zeit meist verstümmelt wurden.
Was aber keines dieser Fotos (auch kein modernes) wiedergeben kann, das ist das Erlebnis der grandiosen Lage des Tempels über dem angrenzenden Tal. Das vermittelt in meisterhafter Weise das folgende kurze Drohnen-Video – es dauert keine 2 Minuten:
Atemberaubend, finde ich. Allerdings stockt einem der Atem auch bei der Geschichte, die ich Ihnen gleich erzähle und die ein weiteres Beispiel für die Tragödien ist, die Italien während der Kämpfe zwischen alliierten und deutschen Truppen im 2. Weltkrieg erlitt – wie bereits erwähnt: als Nicht-Kriegspartei.
Wenn Sie das Drohnen-Video gesehen haben, erinnern Sie sich vielleicht, dass der Hercules-Tempel heute frei auf seiner Plattform steht – mit etwas Abstand dazu der auf dem ersten Foto zu sehende Glockenturm.
Doch das war nicht immer so und unsere Reisenden haben – ohne es wissen zu können – an diesem Ort etwas festgehalten, wovon der Besucher heute nichts mehr vorfindet außer einer kahlen Wand.
Folgendes Foto zeigt den Tempel von hinten, links der Glockenturm, vor uns die Tempel-Cella und der Blick durch die Säulen der Fassade in den Himmel:
Was aber ist mit dem rechts direkt an den Tempel angrenzenden massiven Bau geschehen, der heute nicht mehr existiert?
Nun, für das, was jetzt folgt, braucht man starke Nerven. Wieder begeben wir uns in den Kontext der alliierten Landung südlich von Rom Anfang 1944. Die vom Meer her näherrückenden US-Truppen sahen sich starker Gegenwehr durch rasch zusammengezogene deutsche Einheiten gegenüber.
Während die Front näherrückte, geriet auch Cori in die Reichweite der US-Artillerie und wurde ab dem 27. Januar unter Feuer genommen, ohne das ein konkretes Ziel dort bekannt oder identifiziert worden war. Dabei gab es die ersten zivilen Opfer in der Stadt.
Am Sonntag, den 30. Januar 1944, wurde das Städtchen dann von US-Bombern angegriffen, aufgrund vager Gerüchte einer deutschen Kommandozentrale in der Gegend.
Getroffen und völlig zerstört wurde vor allem die Kirche neben dem römischen Tempel, wo gerade die Messe abgehalten wurde. Ein erheblicher Teil der ahnungslosen Bevölkerung Coris wurde bei diesem Angriff getötet:
Diese erschütternde Geschichte steht stellvertretend für zahlreiche andere aus dem Italien der Jahre 1944/45.
Im Unterschied zu den vielen Kriegsverbrechen deutscher Truppen in dieser Zeit – meist Geiselerschießungen – die später auch von deutscher Seite aufgearbeitet und dokumentiert wurden, blieben die vielen tausend zivilen Opfer der meist ziellosen Bombardierungen alliierter Kräfte in Italien ungesühnt. Nur vor Ort wird ihrer bis heute gedacht.
Anstrengend ist es, sich dem auszusetzen, doch was soll man machen? Bei aller Schönheit des Landes und der Vielfalt an Kulturschätzen, welche auch diese Zeit überstanden haben, begegnet einem dieser Teil der Geschichte auf Schritt und Tritt.
Wir verlassen nun Cori, steuern mit dem Auto in Richtung Südwesten und stoßen in Cisterna di Latina wieder auf die Trasse der Via Appia, der wir weiter Richtung Meer folgen. Nebenbei: Cisterna di Latina wurde bei den Kämpfen anno 1944 völlig ausradiert und besitzt heute nur noch eine handvoll historische Bauten.
Wir halten Kurs auf Terracina (das hier schon einmal eine Rolle spielte), unternehmen bei Erreichen des Meers aber noch einen Abstecher zum westlich gelegenen Capo Circeo:
Das Kap Circeo war einst eine Insel, auf der der Tradition gemäß die Zauberin Kirke den griechischen Helden Odysseus festzuhalten wusst – Sie wissen schon: bezirzen und so…
Heute ist der Ort über lange Strände mit dem Festland verbunden – aber immer noch magisch.
Ich muss es wissen, denn bei meiner ersten Italienreise vor über 35 Jahren habe ich dort etwas Zeit verbracht – damals nahm ich den Linienbus von Rom – und hielt die identische Szene mit dem alten Wachturm fest. Das Farbdia habe ich aber nicht eigens herausgesucht.
Eine Vorstellung vom Monte Circeo und seinem zauberhaften Umland vermittelt dafür folgendes Drohnenvideo:
Vom Capo Circeo geht der Blick über die Strände ostwärts gen Terracina, Sperlonga und Gaeta.
Unsere Reisenden, deren Tour wir hier nacherfahren, müssen von San Felice Circeo aus die alte Küstenstraße zur Hafenstadt Gaeta genommen haben.
Denn laut umseitiger Beschriftung des folgenden Fotos nahmen sie dort am 11. April 1938 folgende Szene auf:
Hierzu ist folgendes vermerkt: „Panzerschiff Admiral Scheer (rechts) im Hafen von Gaeta. Sehr bewegte See, trüber Himmel, Volksabstimmung über österreichischen Anschluss“.
Die nachträgliche Volksabstimmung nach dem bereits erfolgten „Anschluss“ Österreichs an Deutschland fiel mit einer Wahlbeteiligung von über 99 % und einer Zustimmungsquote von ebenfalls 99 % eindeutig aus – solche Resultate sind natürlich frei erfunden.
Kein Produkt der Phantasie ist dagegen die Silhouette des zweiten Kriegsschiffs von links – sehr wahrscheinlich war diese einer der drei Kreuzer der Deutschland-Klasse. Für die Anwesenheit der „Admiral Scheer“ konnte ich keine Bestätigung finden, wahrscheinlich handelte es sich um die ähnliche „Deutschland“ (später „Lützow“).
Damals fanden in italienischen Gewässern solche Besuche deutscher Kriegsschiffe im Rahmen des Bündnisses zwischen Deutschland und Italien statt. Das Foto mag in der bisherigen Reihe ungewöhnlich erscheinen, aber dieser Eindruck wird sich noch ändern.
Wir nehmen erst einmal wieder Abstand vom Meer sowie dem schwimmenden Kriegsgerät und wenden den Autobug nach kurzer Fahrt gen Formia scharf gen Norden. Über Itri, Lenola und Fondi nehmen wir Kurs auf Frosinone südöstlich von Rom.
Von dort ist es nicht mehr weit bis zum nächsten Halt – Alatri. Die mindestens 2..500 Jahre alte Kleinstadt hat einiges zu bieten, was einen Halt rechtfertigt. Als erstes schauen wir uns die Kirche Santa Maria Maggiore an:
Die im Kern romanische Kirche mit einigen gotischen Zutaten wurde an der Stelle eines antiken Venustempels errichtet – einige große Blöcke an der Basis des Glockenturms weisen noch auf römischen Vorläuferbauten hin.
Der Turm selbst war ursprünglich wesentlich höher. Beim Erdbeben von 1654 wurde seine Spitze beschädigt und im 18. Jahrhundert kappte man den einsturzgefährdeten Teil. Die Zinnen am oberen Ende wurden bei der Gelegenheit ergänzt.
Der neben dem Brunnen hervorlugende Fiat 508A „Balilla“ wird wohl zufällig aufs Bild gekommen sein – für unsere Reisenden war er eine Nummer zu klein.
In denkbar großem Kontrast zur strengen Würde von S.M. Maggiore steht die benachbarte Barockkirche Chiesa di S. Maria dei Padri Scolopi – mehr lässt sich über sie wirklich nicht sagen – auch wenn sie hier einen reizvollen Hintergrund abgibt:
Das aus meiner Sicht spektakulärste Monument in Alatri haben unsere Reisenden unterdessen nicht fotografiert – ich könnte mir vorstellen, dass dies aufgrund der schieren Dimensionen auch schwer möglich ist.
Die Rede ist von der fast vollständig erhaltenen Zyklopenmauer der noch vorrömischen Akropolis von Alatri.
Erst im Drohnenflug offenbart sich dieses beeindruckende Bauwerk, das auch in Italien seinesgleichen sucht:
Beeindruckt machen wir uns wieder auf den Weg – das nächste Ziel liegt diesmal nicht weit entfernt. Rund 30 Kilometer westlich – allmählich wieder im Umland von Rom – liegt Anagni.
Die abermals zweieinhalbtausend Jahre alte Stadt war ab der Spätantike Bischofssitz und diente bis zum ausgehenden Mittelalter auch als eine der Residenzen des Papstes.
Sehenswert ist in Anagni vor allem der romanische Dom mit ebenfalls noch mittelalterlicher Freskenausstattung. Nicht überraschend machten unsere Reisenden hier halt.
Auf der Rückseite des folgenden Fotos wurde eigens vermerkt, dass an der eher palastartig wirkenden Kirche außen eine Statue von Papst Bonifatius VIII zu sehen ist:
Wir gehen der Geschichte mit Papst Bonifatius an dieser Stelle nicht näher nach, sondern interessieren uns ausnahmsweise mehr für den vor der Kirche abgestellten Wagen, der die Neugier der Einheimischen weckte.
Mein Eindruck ist der, dass wir es mit dem eingangs gezeigten großen Fiat-Sechszylinder des Typs 522 zu tun haben. Wie erwähnt, scheinen unsere Reisenden auf ihren Ausflügen verschiedene Fahrzeuge genutzt zu haben.
Hervorzuheben ist hier der helle Staubmantel des Fahrers, der sicher eine Menge Fragen seitens der örtlichen Jugend zu beantworten hatte:
Wenn Ihnen die letzten Fotos und einige der damit verbundenen Geschichten arg düster vorkommen, dann lässt sich dem gleich etwas gegenüberstellen, was die Lebensfreude pur repräsentiert.
Denn bevor wir vorübergehend nach Rom zurückkehren, da die Geschäfte es verlangen oder man endlich einmal nicht mehr aus dem Koffer leben möchte, gibt es noch eine wahrlich erfrischende und erhebende Sensation zu besichtigen.
Diese befindet sich in der Nähe der großartigen Villa Adriana – des Sommersitzes des römischen Kaisers Hadrian (36-138 n. Chr.). Er war zusammen mit einigen anderen seiner Zeit einer der fähigsten Lenker des Imperiums überhaupt und hinterließ neben Zweckbauten wie dem Hadrianswall in Nordengland diese grandiose Anlage bei Tivoli:
Die antike Hadriansvilla bei Tivoli – dem antiken Tibur – ist für Romreisende mit etwas mehr Zeit als gewöhnlich (ich empfehle zwei Wochen für das volle Programm) ebenso Pflicht wie die unweit gelegene neuzeitliche Villa d’Este mit ihren einzigartigen Wasserspielen.
Unsere Reisenden haben von der Hadriansvilla leider keine Fotos gemacht, obwohl ich auszuschließen wage, dass sie diese nicht irgendwann besucht hätten.
Immerhin haben zwei Aufnahmen von einem Spaziergang durch den Garten der Villa d’Este mit ihren unendlich phantasievollen Renaissance-Wasserkünsten die Zeiten überdauert. Hier ist die erste:
Mit dem Hinweis auf die mit diesem Wunderwerk der Gartenbaukunst verbundene „Verschwendung“ macht man sich lächerlich – Wasser ist in dieser Gegend am Fuß der Berge nicht knapp und wird seit Beginn der Anlage im 16. Jh. intelligent „gemanagt“, wie heutige Technokraten sagen würden.
Abgesehen davon plädiere ich angesichts zunehmender Einhegung des Individuums auf eine rein funktionelle Daseinsform seit den 1920er Jahren (die Barbarei der „Frankfurter Küche“ lässt grüßen) für „Mehr Verschwendung wagen!“, denn erst da beginnt die Kultur.
Reichlich Inspiration dafür findet sich in Tivoli in der „Allee der Hundert Brunnen“:
Wenn man das noch nicht live und in Farbe gesehen hat, kann man sich den sinnlichen Genuss des schieren Überflusses nicht vorstellen – aber glauben Sie mir: man gewöhnt sich schnell daran, wenn man dort ist.
Nebenbei ist die Villa d’Este in Tivoli ein Triumph menschlicher Technologie, die sich die Kräfte der Natur zunutze macht, aber im Verborgenen arbeitet und kein Selbstzweck ist.
So wie man bei luxuriösen Automobilen schon früh begann, die Lebensäußerungen des Antriebs möglichst unmerklich zu machen – um auch einmal wieder etwas in der Hinsicht einzuflechten.
Doch keine Sorge, die Verbrenner-PS kommen auf diesem Italientrip am Ende nicht zu kurz, bloß anders, als Sie es denken.
So, jetzt haben wir uns in Rom ein wenig von der Reise erholt, uns mit frischer Wäsche ausgestattet und der Fahrer hat am Auto anstehende Arbeiten wie Schmierdienst und Ölwechsel vorgenommen, vielleicht auch neue Reifen beschafft.
Schon sind wir wieder so reiselustig wie unsere Unbekannten aus Rom und schließen uns ihnen nur zu gern an, wenn es auf die nächste Reise geht. Die führt uns zunächst quer durch den Appenin – das Rückgrat Italiens – in bis heute wenig bereiste Gegenden.
Die Toscana lassen wir links liegen, dort trieben sich schon in den 1930er Jahren „zuviele“ Ausländer (meist Engländer) herum, die schon wegen ihrer hartnäckigen Weigerung. einheimische Ortsnamen halbwegs korrekt auszusprechen („Montältschinou“…) nerven.
Wir wählen stattdessen die in nordnordöstliche Richtung gehende Strada Statale 4, die weitgehend dem Verlauf der römischen Via Salaria von Rom nach Rieti folgt. Ebendort, in Rieti, machen wir nach rund 80 Kilometer noch einmal halt in Latium.
Die Stadt, die es an Alter mit Rom aufnehmen kann, liegt am Rand einer Ebene, an die nördlich ein Tal anschließt, das uns aus Latium ins waldreiche Umbrien führt. Genau diese Situation ist auf folgenden Foto ziemlich genial festgehalten, wie ich finde:
Wir verlassen nun die Via Salaria, die gen Nordosten strebt und folgen der antiken Nordnordwestroute durch das Tal, die uns nach Umbrien hinein führt, die einzige Region Italiens, die nicht ans Meer grenzt.
Dort stoßen wir bald auf den herrlichen Lago di Piediluco, der sich aus mehreren Flüssen speist, aber ingesamt das Produkt menschlicher Ingenieurskunst ist, welche bis in die Römerzeit zurückreicht, als man begann, die enormen Wassermassen in der Region zum Vorteil der Landwirtschaft und zwecks Landgewinnung zu regulieren.
Von den Eingriffen des Menschen bemerkt der Besucher nichts, er erbaut sich stattdessen an einer malerischen Landschaft mit üppigem Uferbewuchs:
Auch für diese Aufnahme mussten unsere Reisenden das Auto verlassen und sich tief „in die Botanik“ hineinbewegen.
So gehört es sich – das Auto mit seiner Zauberkraft des Überwindens von Zeit und Raum bringt einen an die magischen Orte. Doch diese erschließen sich einem erst, wenn man sich Zeit für sie lässt.
Das ist überhaupt das Erfolgsrezept beim „Erfahren“ einer Region wie Umbrien, die ich heute besser kenne als je andere Italiens.
Hat man einmal den Wagen abgestellt, beginnen einen sofort die intensiven Sinneseindrücke einzunehmen, der würzige Duft der Vegetation, das monotone Zirpen der Grillen, die Sonne auf der Haut – und: der Stillstand der Zeit, der das Innere für die Empfindung einer allgegenwärtigen Vergangenheit öffnet.
Das lässt sich erleben, wenn man vom Lago di Piediluco über Arrone und Ferentillo noch eine Weile in das wald- und wasserreiche Tal nach Norden hineinfährt. Dort stößt man bald linkerhand auf die im 8. Jh gegründete Abtei S. Pietro in Valle:
Heute ist die Anlage äußerlich unverändert, wird aber als exklusives Hotel genutzt. Bei meinem letzten Besuch dort im Jahr 2016 war die Kirche jedoch frei zugänglich.
Seitdem unsere Reisenden dort Ende der 1930er Jahre haltmachten, sind es lediglich die herrlichen Pinien, die das Bild etwas verändert haben. Kurios wieder einmal, wie ähnlich der Blick ganz unterschiedlicher Menschen auf die Dinge sein kann – denn ich habe die Abtei, ohne groß nachzudenken, aus beinahe derselben Perspektive fotografiert.
Diese geheimnisvolle Gemeinsamkeit ist es, was mich immer wieder mit diesen alten Fotos und den meist unbekannten Menschen, die sie machten, am Ende verbindet:
Natürlich war mein Originalfoto in Farbe gehalten, aber ich habe mich hier bewusst für die Schwarz-Weiß-Wiedergabe entschieden. Das wird auch bei noch folgenden Aufnahmen der Fall sein – mit Ausnahme der letzten.
In Umbrien herrscht keine Knappheit an solchen Orten, uralte Klöster und Kirchen mit reichen Kunstschätzen finden sich allerorten.
Ich mag den Begriff nicht besonders, aber hier ist vielleicht einmal das Attribut „spirituell“ angebracht, denn die Region atmet einen uralten Geist, der einem – ob er heilig ist oder nicht – unter die Haut geht, auch wenn man kein gläubiger Christ ist.
Umso mehr bedauere ich es, dass unsere Reisenden einst Umbrien nicht weiter bereisten – jedenfalls ist es in dieser Bilderreihe nicht dokumentiert. Vielmehr zog es sie in die noch weniger bekannten und kaum weniger magischen Nachbarregionen Marken und Abruzzen.
Das nächste Dokument ihrer Reisetätigkeit in dieser Gegend Mittelitaliens stammt aus der südöstlich gelegenen Stadt L’Aquila. Dort findet sich ein auch in Italien ziemlich einzigartiges Juwel in Form der romanischen Kirche Santa Maria di Collemaggio:
Ja, Sie haben richtig gelesen – diese Fassade gehört zu einer romanischen Kirche, die bereits 1289 nach nur wenigen Jahren Bauzeit fertigestellt wurde. Vom finsteren Mittelalter ist hier rein gar nichts zu sehen.
Wer sich mit der Entwicklung der Baustile in Italien beschäftigt, wird schnell feststellen, dass es dort völlig eigenständige Tendenzen gab, die mit denen im deutschsprachigen Raum, in Frankreich und England nichts zu tun hatten.
Trotz der Verheerungen durch die Barbarenvölker seit der Spätantike hielt sich in Italien gewissmaßen auf kleiner Flamme ein in römischer Tradition fundiertes Können, das ab der Proto-Renaissance bereits im 11. Jahrhundert seine Auferstehung feierte.
Ein blitzsauber proportioniertes, außen hochelegantes und innen lichtes Wunderwerk wie San Miniato al Monte in Florenz war damals nirgends denkbar außer in Italien. Santa Maria di Collemaggio war demgegenüber konservativer, schöpfte aber aus ähnlichen Quellen.
Die schweren Schäden beim Erdbeben 2009 betrafen zum Glück nicht die Fassade:
Ob es in L’Aquila war oder in einem anderen Ort der Region, wo die nun folgende Aufnahme entstand, das wissen wir nicht. Auf jeden Fall begegnen wir nun unseren Reisenden unmittelbarer denn je zuvor.
Zumindest zwei Personen kennen wir bereits, die zuvor vor der Aqua Claudia an der Via Appia südlich von Rom abgelichtete Paola und ihre mutmaßliche Mutter – meines Erachtens eine Italienerin, die mit einem in Rom ansässigen Deutschen im diplomatischen Dienst oder in anderer gehobener offizieller Funktion Tätigen verheiratet war.
Die beiden posieren auf der folgenden, leider nicht beschrifteten Aufnahme zusammen mit einem Herrn im hellen Sommeranzug, der am linken Arm eine schwarze Binde trägt. Das war in Italien damals der Hinweis darauf, dass man einen engen Verwandten oder eine andere nahestehende Person verloren hatte.
Im Hintergrund ist ein Auto zu sehen, neben dem ein Chauffeur wartet – könnte es wieder der Wanderer W25/25 sein, den wir schon in Latium bei Rocca di Papa gesehen haben?
Haben wir hier Mutter und Tochter vor uns, wie ich vermute? Wer könnte der elegant gekleidete Herr mit der Trauerbinde gewesen sein – ein örtlicher hoher Beamter?
Hinterlassen Sie einen Kommentar, wenn Sie eine Meinung dazu haben – ansonsten genießen Sie diese absolut außergewöhnlichen Zeugnisse aus dem alten Italien kurz vor Beginn des 2. Weltkriegs.
Wahrscheinlich noch in L’Aquila entstanden ist unterdessen folgende Aufnahme, so ist es jedenfalls auf der Rückseite vermerkt. Ich habe mich gar nicht erst bemüht, den genauen Ort zu identifizieren, es wäre kein Gewinn damit verbunden.
Das Foto ist auch so von großem Reiz.
Na, werden Sie allmählich müde von der Reise?, Nun, bei mir ist es gerade drei Uhr morgens, aber ich als Ihr Chauffeur habe noch Energie für die restliche Strecke, bevor wir uns für die dritte und letzte Etappe ein wenig ausruhen.
Also raffen wir uns auf, setzen uns in den Wagen und gehen das nächste Ziel an – wieder ein heute ziemlich unbekanntes Nest in den Abruzzen, doch in den 1930er Jahren in Italien als Heimatort des Politikers Giacomo Acerbo geläufig – Loreto Aprutino:
Vermisst hier einer die Autos? Ich glaube nicht. Auch das scheint mir ein Foto zu sein, das erwandert werden wollte. So eine idyllische Perspektive bekommt man selten am Straßenrand geboten.
Ich stelle mir gerade den intensiven Duft der Vegetation in der Sonne vor – irgendwie muss man sich ja über den Winter helfen. Bei mir funktioniert das recht gut – auch die fehlenden Farben denkt sich das Hirn dazu.
Passenderweise schwenken wir jetzt ziemlich genau auf Kurs Süden ein – noch rund 400 km trennen uns vom ultimativen Ziel. Während wir die Abruzzen grob südwärts durchmessen, nehmen wir unterwegs noch manche Sehenswürdigkeit mit.
Von der einen oder anderen haben auch hartgesottene Italienkenner kaum etwas gehört, geschweige denn gesehen. Das dürfte auch für unsere nächste Station gelten – die Abtei San Clemente bei Casauria:
Dieses Foto war umseitig nur mit dem vagen Hinweis „Abtei bei Pescara“ versehen. Es hat einige Recherchen gebraucht, um den nur teilvollendeten romanischen Bau mit der markanten Apsis und dem groben Bruchsteinaufbau zu identifizieren.
Es handelt sich um das Kloster San Clemente bei Casauria oder besser: die Reste davon. Gegründet im 9.JJh. wurde die Abtei wiederholt zerstört, sodass heut im Wesentlichen nur noch die Kirche existiert.
Deren Bauschmuck ist allerdings von dermaßen exquisiter Qualität, dass man auch in Mittelitalien wenig Vergleichbares findet.
Wie zumeist bei unseren südlichen Nachbarn ist das Bauwerk meisterhaft restauriert und präsentiert sich in perfektem Zustand. Das können Sie im Folgenden erleben – wenn die italienische Tonspur stört, schalten Sie diese stumm, es lohnt sich auch so:
Nachdem Sie auch diese autofreie Zone überstanden haben, setze ich mich für Sie nun wieder ans Steuer und lenke den Wagen auf den Spuren unserer unbekannten, doch mittlerweile schon vertrauten Reisenden weiter gen Süden.
Aber halt! In Sulmona, der Heimat eines der bedeutendsten und doppelbödigsten Dichter der Römerzeit – Ovid – biegen wir scharf rechts ab und arbeiten uns schön hinauf auf rund 1.000 Meter Höhe.
Wir machen Halt im Bergdorf Scanno, in dem es nicht viel zu sehen gibt, wie man irrtümlich meinen könnte. Doch genau ist das alte Italien noch so lebendig, wie man das auch Ende der 1930er Jahre andernorts in Italien kaum mehr findet.
So wird beim sonntäglichen Kirchgang diese Szene festgehalten:
Ich bin sicher: So etwas haben Sie noch nicht gesehen – vermisst einer die alten Autos?
Wir müssen weiter, ein Halt erwartet uns noch, bevor es tief in den Süden geht, und der ist so kurios, dass Sie denken könnten: Bin ich verrückt geworden?
Rund 30 Kilometer südlich von Scanno nähert man sich Villetta Barrea. Auf dem Weg dorthin hielten unsere Reisenden einst die pure Schönheit der Natur fest, die man dort noch heute erleben kann, wenn einem der Sinn danach steht:
In dieser herrlichen Landschaft leben Geschöpfe, die schon dort waren, lange bevor der Mensch dort sesshaft wurde. Daher ist es für sie völlig normal, sich an die Orte zu begeben, wo schon die Vorfahren unterwegs waren und Nahrung suchten.
Die Rede ist von den lokal ansässigen Hirschen (m/w(d…), die sich in Viletta Barrea in den Abruzzen ziemlich zuhause fühlen. Wenn man sich fragt, warum unsere Vorfahren zuerst damit begannen, Bilder von Tieren zu malen und Tierskulpturen zu formen – hier ist die Antwort: weil sie schon einst unsere Gefährten im Dasein waren:
Das, liebe Leser, war Teil 2 meiner Reisegeschichte durch das alte Italien. Im letzten Teil erfahren Sie den Rest – und dabei wird es teilweise ziemlich modern zugehen…
Copyright: Michael Schlenger, 2025. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and https://vorkriegs-klassiker-rundschau.blog with appropriate and specific direction to the original content.