Über Michael Schlenger

Ich bin gelernter Kaufmann und studierter Ökonom (Dipl-Vw.). Nach langen Jahren der Tätigkeit in der Wissenschaft und im Bereich Vermögensverwaltung arbeite ich als freiberuflicher Übersetzer und Texter mit Spezialisierung auf den Finanzsektor. Privat sammle und warte ich historische Automobile und Motorräder - je älter und patinierter, desto besser. Auf bestimmte Marken bin ich nicht festgelegt. Mein Fotoarchiv umfasst mehrere tausend historische Originalaufnahmen und sonstige Dokumente von Vorkriegsfahrzeugen. Am Herzen liegen mir außerdem historische Baudenkmäler, Musik von Renaissance bis Spätromantik sowie klassische Literatur. In allen Lebensbereichen folge ich dem Grundsatz der Aufklärung: Glaube nichts, prüfe alles, denke selbst!

Von der Bastille nach Bautzen: Ein Amilcar „Berline“

Keine Sorge: bei der Lektüre meiner heutigen Epistel droht kein Gefängnis, auch wenn der Titel so klingt und ich auch noch „Revolte“ als Zwischenstation einfügen werde. Wer weiß, was sich einer dabei denkt, der berufsmäßig auffällige Typen ausfindig zu machen sucht.

Doch den Job erledigen wir hier schon selbst, dafür braucht es keine auf Benzin und Öl trainierte Schnüffler. Wir machen uns die Hände nicht schmutzig, vielmehr wird hier sauber vom Schreibtisch aus nach dem Handbuch gearbeitet, sofern vorhanden – ansonsten mit Erfahrung und dem wertvollsten Leitfaden überhaupt: dem kritischen eigenen Verstand.

Beginnen wir mit der Bastille, dem berüchtigten Staatsknast im Paris der Vorrevolutionszeit.

Dort praktizierte man eine besondere Form der Vorbeugungs- oder Untersuchungshaft an unbescholtenen, aber unliebsamen Bürgern, gern auch über mehrere Jahre.

Stadteinwärts zur Bastille führte von altersher der „Grüne Weg“ – der Chemin Vert. Darauf konnte man praktischerweise die im ländlichen Umfeld des Pariser Ostens residierenden, für das Staatswohl als „gefährlich“ geltenden Individuen zu ihrem Aufbewahrungsort transportieren. Den Aufenthalt dort durften sie selbst bezahlen – très charmant…

Warum erzähle ich das alles? Das ist einfach, denn ebendort, unter der Adresse Chemin Vert in Paris, befand sich von 1921 bis 1924 die erste Fertigungsstätte des französischen Herstellers Amilcar, der vor allem für seine Cyclecars bekannt war.

Der Markterfolg der kleinen leichten Sportwagen mit Hubräumen bis 1100ccm fiel im Fall von Amilcar dergestalt aus, dass man schon bald in eine große Fabrik im Pariser Stadtteil St. Denis umzog. Die Adresse lautete in unfreiwilliger Anknüpfung an die Bastille und die dortigen Zustände „Rue de la Revolte“.

Etwa zu dieser Zeit vollzog sich bei Amilcar eine kleine Revolution, denn zum einen stieß man in höhere Hubraumgefilde vor – mit den Typen E (1500ccm) und J (1900ccm). Zum anderen bot man nun auch Limousinenaufbauten an.

Und irgendwann ab diesem Zeitpunkt führte der weitere Weg zumindest einen solchen Amilcar ins sächsische Bautzen, wo es zwar schon ein Gefängnis gab, aber noch keines für politische Gegner wie im NS-Staat sowie später im Arbeiter- und Bauernparadies DDR.

Wir können diesen Bautzener „Insassen“ also ohne unangenehmen Beigeschmack irgendwo unterwegs auf ihrem gänzlich harmlosen „chemin vert“ begegnen:

Amilcar Limousine um 1928; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Die Ansprache als Amilcar wäre auch ohne den Markenschriftzug anhand der Form des Kühlergehäuses problemlos möglich.

Weniger klar ist, um was für einen Typ es sich hier genau handelt. Die Limousine auf Basis des Typs G (1924-27), der den 1100ccm-Motor des Sportwagenmodells CGS besaß, hatte eine ähnliche Silhouette – was auch sonst aus dieser Perspektive?

Ich meine aber, dass die Gestaltung der Vorderkotflügel auf eine spätere Version verweist. In Frage kommen die Typen L und M mit 1200 ccm-Motoren, von den zwischen Herbst 1927 und Ende 1928 über 2500 Exemplare gebaut wurden.

Das sind die Ergebnisse meiner Schreibtisch-Recherche im formidablen wie gewichtigen Amilcar-Standardwerk von Gilles Fournier. Wer es ganz genau oder besser weiß, ist aufgefordert, seine Sicht im Kommentarbereich kundzutun.

Wir werfen unterdessen einen letzten Blick auf den Amilcar mit „Berline“-Aufbau, so die französische Bezeichnung – hier wohl eine leichte Ausführung nach Weymann-Patent:

Amilcar Limousine um 1928; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Wie mag es diesen zum Aufnahmezeitpunkt ahnungslosen Leuten auf ihrem weiteren Weg ergangen sein? Hoffentlich blieb ihnen ein unfreiwilliger Halt irgendwo zwischen Bastille und Bautzen erspart.

Schwere Zeiten hatten sie so oder so in den nächsten 10 Jahren zu gewärtigen…

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Warum so bescheiden? Mercedes 460 „Nürburg“ ab 1929

Bescheidenheit ist eine Zier, doch besser lebt man ohne ihr“ – dieses ironische Bonmot hörte ich erstmals aus dem Mund meiner Mutter – die wenig Grund zur Bescheidenheit hatte, doch zeitlebens von einem Mangel an Selbstbewusstsein geplagt war.

Unter anderem daraus habe ich einiges gelernt – und plädiere dringend für den unbescheidenen Auftritt, sofern man es sich leisten kann. Das unverblümte Herzeigen von persönlichen Vorzügen, aber auch materiellem Wohlstand ist mir sympathisch.

Herrje, warum soll man sich seinen Mitmenschen nicht möglichst vorteilhaft präsentieren? Soll eine schöne Frau ihre Aktiva verbergen, nur weil andere weniger opulent ausgestattet sind? Niemand wird dadurch beeinträchtigt – es sei denn, eine(r) ist von Neid besessen.

Dasselbe gilt für das Herzeigen von Luxusgütern – welchen Nachteil erfahre ich dadurch, dass andere mit einem Aston Martin in der Tiefgarage glänzen?

Im Gegenteil, da halte ich inne und drücke mir die Nase an der Seitenscheibe platt, um das Edelholz der Mittelkonsole zu bestaunen. Tatsächlich steht so ein Gerät in der Klassikerhalle eines Bekannten, in dem auch mein MGB GT residiert, und natürlich finde ich das großartig.

Sie denken jetzt vielleicht, dass ich mich für den gestrigen Auflug in die Niederungen bescheidener Automobilität in Gestalt des Hanomag 2/10 PS kompensieren muss. Möglich, es kann aber auch bloßer Zufall sein.

Jedenfalls ist die Limousine auf dem folgenden Foto, das schon eine Weile auf die Vorstellung wartet, auf den ersten Blick das ganze Gegenteil von Bescheidenheit:

Mercedes-Benz Typ 460 „Nürburg“ ab 1929; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Mit knapp 5,40 Meter Gesamtlänge ist diese repräsentative Pullman-Limousine das genaue Gegenteil des „kurzen Vergnügens“, welches der kleine Hanomag darstellte.

Zufälligerweise wurde dieser mächtige Wagen fast zeitgleich mit dem „Kommissbrot“ eingeführt – nämlich 1929 – und markiert gewissermaßen das andere Ende der Skala.

Woher ich das weiß? Nun, weil es sich – ganz unbescheiden formuliert – offensichtlich um einen Mercedes-Benz Typ 460 Nürburg in der ab 1929 gebauten Version handelt.

Die Form der Trittschutzbleche unterhalb der Türen gab den ersten Hinweis auf einen großen Mercedes der zweiten Hälfte der 1920er Jahre.

Auf dem Originalabzug lässt sich der Mercedes-Stern auf den Nabenkappen erahnen und die niedrige Schwellerpartie ist typisch für die überarbeiteten Version der ab 1926 bzw. 1928 gebauten 6- bzw. 8-Zylindertypen Mannheim bzw. Nürburg.

Dabei deutet hier die selbst aus diesem Winkel enorme Länge der Frontpartie auf den großen Reihenachtzylinder hin, der noch auf Ferdinand Porsches Mist gewachsen war.

Die despektierliche Formulierung erlaube ich mir, weil Porsche mit diesem simplen Seitenventiler hinter seinen Möglichkeiten zurückblieb. Das machten die Amis damals nicht anders, bloß verlangten sie für ihre hubraumstarken Achtzylinder keine Mercedes-Preise.

Der Grund für diese konstruktionsmäßige Bescheidenheit war wohl der Umstand, dass man zwei Jahre lang dem Erfolg der 8-Zylinder-Modelle von Horch untätig zugeschaut hatte und auf einmal bemerkt, dass die Sachsen das Marktsegment zunehmend dominierten.

So wählte Porsche den einfachsten Weg – mit 4,6 Liter Hubraum ließen sich ohne anspruchsvolle Konstruktion damals 80 PS produzieren. Nicht ganz das, was man vom angeblichen Spitzenhersteller erwarten würde, aber das war Mercedes damals auch nicht.

Technisch die Nase vorn hatte Horch mit seinen effizienten 8-Zylindern. Dank hängender Ventile und obenliegender Nockenwellen leistete das Zwickauer Aggregat schon bei 3,9 Litern Hubraum die 80 PS, welche die Schwelle zur Luxusklasse markierten.

Die 8-Zylinderwagen von Mercedes blieben daran gemessen ziemlich bescheiden. Immerhin hätte man doch dem weniger effizienten Motor des 460 „Nürburg“ ein größeres Tankvolumen spendieren können.

Denn bei an die 25 Liter Verbrauch auf 100 km/h war auf längeren Reisen sonst häufiges Tanken angesagt – nicht in allen Regionen so einfach wie heute. Doch blieb der Tankinhalt mit nur 85 Litern unnötig bescheiden.

Der deutlich sparsamere Horch war dagegen mit einem 90 Liter-Tank ausgestattet und kam damit auf fast 500 km Reichweite.

Warum so bescheiden?„, mag sich schon damals mancher gefragt haben. Darauf gab es eine einfache Antwort- weil Mercedes-Käufer es so schätzten: Nicht Maximalleistung, aber mit Mercedes-Stern und das Ganze zum Premium-Preis.

Tatsächlich wurde für den Typ 460 Nürburg ziemlich genau derselbe Preis verlangt wie für die weit raffinierteren Horch-Achtzylinder. Da war man plötzlich unbescheiden…

Entsprechend selbstbewusst präsentierte man sich als Eigner – ob tatsächlich oder nur gestellt – vor diesem Prachtexemplar eines Mercedes 460 „Nürburg“:

Mercedes-Benz Typ 460 „Nürburg“ ab 1929; Originalfoto: Sammlung: Matthias Schmidt (Dresden)

Angeberei auf diesem Niveau ist mir durchaus sympathisch – ich glaube, es fällt weder unter die Zehn Gebote noch ist es (nach gegenwärtigem Stand) justiziabel.

Es sollte nur eine gewisse Substanz vorhanden sein, die überzeugt. Genau das ist hier eindeutig der Fall – ganz gleich, ob hier einer etwas hochstaplerisch unterwegs war oder nicht… Vielleicht ein Motto für das Neue Jahr: Weniger Bescheidenheit Wagen!

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Wirklich nur ein kurzes Vergnügen? Hanomag 2/10 PS

Mit dem 21. Dezember ist für mich jedes Jahr eine wichtige Wegmarke erreicht – ab hier werden die Tage allmählich wieder länger. Doch wenn man am 21. etwas draußen vorhat, wird das bestenfalls ein kurzes Vergnügen.

Egal, anhaltender Frost ist angesagt und das mögen die noch im Hof an der Hauswand verbliebenen mediterranen Kübelpflanzen nicht – also sind die wenigen Stunden Tageslicht schon zum Gutteil verplant.

Der Hauptaufwand besteht darin, in dem angrenzenden über 100 Jahre alten Ziegelbau, in dem meine Fahrzeuge „wohnen“, Platz zu schaffen. Gar nicht so einfach, denn ein ungeschriebenes Gesetz will es, dass Sammler alter Sachen über kurz oder lang jeden freien Platz mit ihren Schätzen okkupieren.

Der vergnügliche Teil beschränkt sich angesichts dieser Herausforderung darauf, die Pflanzen zuvor draußen noch auf ein verträgliches Maß zurückzuschneiden. Sodann gilt es die schweren Töpfe nebst Inhalt in irgenwelche Nischen zu bugsieren.

Die am 21. Dezember besonders knapp bemessene Helligkeit brachte mich darauf, mich heute im Blog dem vermutlich kürzesten Vergnügen im Sektor Vorkriegsautos zu widmen – dem Hanomag 2/10 PS, auch als Kommissbrot bekannt.

Das von 1925 bis immerhin 1928 gebaute minimalistische Gefährt war in meinen Augen kein vollwertiger Kleinwagen – wie das aussah, war mit Citroen 5CV, Fiat 501 und Austin Seven bereits Anfang der 20er Jahre definiert.

Ich würde den Hanomag eher als Spaßmobil für Leute bezeichnen, die sich auch einen kaum teureren Opel 4 PS hätten leisten können, aber sich bewusst für die provokante Optik entschieden und die Abwesenheit von Komfort bei dem 1-Zylinder-Gerät wie ein Motorradfahrer heroisch nahmen.

Die folgende Aufnahme aus dem Raum Berlin illustriert das für mich beinahe ideal:

Hanomag 2/10 PS; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Was hier nur ansatzweise ersichtlich ist, ist der Umstand, dass der Hanomag selbst in der geschlossenen Version als „Limousine“ ein ebenso kurzes Vergnügen darstellte wie die offene Variante.

Wie kurz, das wird deutlich, wenn man sich die nächste Aufnahme betrachtet, die ich – wie die meisten der folgenden Fotos – noch nicht gezeigt habe.

So ein langer Lulatsch vor der Loreley lässt selbst mit abgeschnittenen Unterschenkeln den Hanomag genauso winzig erscheinen, wie er tatsächlich war.

Hanomag 2/10 PS; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Speziell die geschlossene Ausführung wirft die Frage auf, wo bei diesem Kasten auf vier Rädern eigentlich vorne und hinten waren. Nur die unterschiedliche Größe von Front- und Heckscheibe gibt einen Hinweis.

Den einen Scheinwerfer, auch das im wahrsten Sinn ein Unikum in jener Zeit, könnte man hier auch für eine großgeratene Rückleuchte halten.

Kenner des Konzepts werden einwenden, dass die senkrechten Luftschlitze an der Flanke doch klar die Richtung vorgeben, denn der Hanomag besaß einen Heckmotor.

Eindeutig die Frontpartie zeigt auch aus Sicht des Laien die folgende Aufnahme. Hier wird zudem deutlich, dass die bisweilen aufgestellte Behauptung, der Hanomag sei mit seinem Verzicht auf freistehende Kotflügel wegweisend gewesen, ziemlich kühn ist:

Hanomag 2/10 PS; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Diese am breiten Markt nicht vermittelbare Primitiv-Gestaltung blieb natürlich ohne Nachfolger – selbst Hanomag kehrte 1929 mit dem anschließenden Typ 3/16 PS zu etablierten Formen zurück.

Den Weg zur letztlich obsiegenden Pontonkarosserie wiesen erst diverse US-Großserienmodelle ab Ende der 1930er Jahre.

In was für Kreisen der skurrile Zweisitzer Anklang fand, das wird deutlich, wenn man sich die Insassen betrachtet – hier haben wir Foto Nr. 2 desselben Wagens am selben Ort:

Hanomag 2/10 PS; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Die Aufnahme zeigt ganz offensichtlich keinen abgekämpften Malocher nach getaner Arbeit auf der Heimfahrt – hier präsentieren sich gutsituierte Leute.

Dem für die breite Masse der Deutschen völlig unerschwinglichen Hanomag 2/10 PS anzudichten, er sein ein frühes „Volksautomobil“ gewesen, erweist sich bei Betrachtung der Fakten als Humbug.

Das war in Wahrheit ein netter Zweitwagen für Betuchte oder der Erstwagen zu Geld gekommener Paare, die (noch) keine Kinder hatten.

Es dürfte auch vereinzelt Geschäftsleute ohne großen Anspruch gegeben haben, die sich so etwas für Kundenbesuche auf dem Land zulegten.

An so etwas mag man denken, wenn man sich den Herrn mit Melone auf dem folgenden Foto ansieht – vielleicht hatte er seine Sekretärin dabei, die das Foto machte:

Hanomag 2/10 PS; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Übrigens muss diese Aufnahme in den 1930er entstanden sein, als doppelte Scheinwerfer bei PKW vernünftigerweise vorgeschrieben wurden – auch das bizarre Monokel am Hanomag war also nur ein kurzes Vergnügen.

Wir kurz das Vergnügen in Sachen Karosserie beim Hanomag 2/10 PS war, das vermittelt die nächste der bis dato unveröffentlichten Aufnahmen aus meiner Sammlung.

Es entstand offenbar vor einem großzügigen Bauernhaus, das ich in Norddeutschland verorten würde – vielleicht kann jemand den Stil regional zuordnen:

Hanomag 2/10 PS; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Vergnüglich sieht das ja schon aus, sofern man sich nur kurz mit diesem Gefährt den Unbilden des Wetters aussetzen musste.

Aber das kann doch niemand ernsthaft als Beitrag zur Volksmotorisierung bezeichnen. Das taten in Deutschland damals in Wahrheit die Zweitakt-Mopeds von DKW, während bei den „Cowboys“ in den Staaten jeder einfache Arbeiter schon einen Ford oder Chevrolet fuhr.

So wäre auch der Ausflug des Maschinenbauers Hanomag in die Welt des Automobils nur ein kurzes Vergnügen geblieben, hätte man an diesem Nischenkonzept festgehalten. Die großartigen Kreationen auf Basis der Hanomag-Volumenmodelle „Rekord“ und „Sturm“ der 1930er Jahre hätte es nie gegeben:

Hanomag „Sturm“ Roadster; Originalfoto: Sammlung Peter Steenbuck

Das wäre doch schade gewesen, nicht wahr? Denn der einzigartige Charakter von Vorkriegsautos resultiert gerade aus der organischen Gestaltung jedes Bauteils – das kennen wir heute nicht mehr (von der britischen Firma Morgan einmal abgesehen).

Dass wir im 21. Jahrhundert immer noch von Kot“flügel“, Motor“haube“ und Stoß“stange“ sprechen, obwohl es das alles strenggenommen an modernen Autos nicht mehr gibt, das ist das anhaltende Echo der gestalterischen Gesetze der Vorkriegszeit.

Seien wir unterdessen nicht so streng mit der (aus meiner Sicht) automobilen Verirrung in Gestalt des Hanomag 2/10 PS von Ende der 1920er Jahre.

Immerhin bereitete er seinen einstigen Besitzern ein Vergnügen, das in einigen Fällen vielleicht gar nicht so kurz war.

Hanomag 2/10 PS; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Die beiden könnten – wenn sie Glück hatten – miteinander altgeworden sein und vielleicht konnten sie dabei sogar ihren kleinen Hanomag über die Zeiten retten.

Denn eine bemerkenswerte Zahl dieser Minimalmobile war noch in der Nachkriegszeit zugelassen – sie fraßen keinen Platz und für den irren Krieg Deutschlands gegen die halbe Welt war der Zwerg nicht zu gebrauchen.

Wenn Sie einem überlebenden Exemplar begegnen und sich mit den heutigen Besitzern unterhalten, dann werden Sie bei allen Schwächen des Entwurfs eines feststellen – das war wie bei jeder echten Liebe am Ende doch mehr als nur ein kurzes Vergnügen…

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Babys dicker Bruder: Steyr 630 Vierfenster-Cabriolet

Wie der (damals noch) große deutsche Nachbar stand das kleine Österreich in den 1930er Jahre für Extreme.

Der fatalen Sympathie für die radikal-nationale Spielart des Kollektivismus stand ein Können auf dem Sektor der Karosseriegestaltung gegenüber, das noch heute begeistert.

Wenn ein österreichischer Sechszylinder mit sächsischer 8-Zylinder-Opulenz zusammentraf, war das kurz vor dem 2. Weltkrieg eine Klasse für sich – speziell wenn man nur noch den Himmel über sich hatte wie hier:

Steyr 530 „Gläser“-Cabriolet und Horch 8-Cabrio; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Stilistisch völlig eigenständig standen diese Schöpfungen Mitte der 1930er Jahre auf einer Höhe mit dem Besten aus Frankreich und Italien.

Es macht mich immer wieder sprachlos, wie soviel Schönheit mit soviel Elend in der Wahl der politischen Führung einhergehen konnte – und soviel Bereitschaft zur Beihilfe bei der Verfolgung erst der eigenen nicht-konformen Bürger und dann der Verheerung beinahe aller Nachbarstaaten.

Verlassen wir diese letztlich unersprießliche Ebene. Wie ich kürzlich hier bemerkte, schlummert im Menschen von jeher neben dem Genie der Wahn, im Mythos und der Dichtung der alten Griechen war das ein Dauerthema.

Versuchen wir es also auf eine andere Art, mal sehen, ob es gelingt. Die österreichische Qualitätsmarke Steyr – deren 6-Zylindermodell 530 wir auf dem eingangs gezeigten Foto links sehen – stand auf ihre Weise auch für Extreme, doch in positiver Hinsicht.

Neben dem großartigen Kleinstwagen Typ 50, der im Volksmund den Spitznamen „Baby“ trug, hatte Steyr ab Mitte der 30er auch dessen dicken Bruder im Programm, den Typ 630 als erwachseneren Nachfolger des 530.

Diesen in Deutschland heute völlig unbekannten Brummer mit über 5 Meter Länge sehen wir hier mit Werksaufbau als viertüriges Cabriolet:

Steyr 630 Vierfenster-Cabriolet; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Die im Vergleich zum 530 deutlich niedrigere Frontscheibe und das längere Chassis lassen den Wagen besonders mächtig erscheinen.

Leider ließ man die Motorleistung unverändert. Mit 55 PS aus 2,3 Liter bewegte man sich bei diesem Luxusautomobil lediglich in der Kategorie der oberen Mittelklasse. Am deutschen Markt waren der Hanomag „Sturm“, der Mercedes 230 und der Wanderer W45/50 praktisch identisch motorisiert.

Am US-Markt wäre so ein Dickschiff kaum unter 100 PS stark gewesen – in Europa hätte man zumindest 70-80 Pferdestärken vertreten können. Die Käufer eines solchen Manufakturwagens, von dem jährlich nur rund 100 Stück entstanden, hätten die höheren Kosten des Unterhalts sicher verkraftet.

Nebenbei ist die Zurückhaltung in Sachen Motorleistung gerade bei Oberklasseautos, die auch für Fernreisen genutzt werden, einer der Gründe, weshalb in den 30er Jahren in Deutschland und Österreich immer noch solvente Käufer zu den souverän motorisierten US-Fabrikaten griffen, mit denen sich entspannt jede Steigung nehmen ließ.

Wer die Käufer des Steyr 630 auf dem heute vorliegenden Foto waren, wissen wir nicht. Die Aufnahme ist zwar in Österreich entstanden, doch deutsche Besitzer sind nicht auszuschließen. Gerade die Wagen von Steyr genossen auch außerhalb Österreichs hohes Ansehen und so findet man etliche mit deutscher Zulassung in meiner Markengalerie.

Letztlich ist es auch egal – was bleibt, ist der Eindruck eines atemberaubenden Automobils auf einer Ansichtskarte, die im August 1940 auf die Reise ging. Da sind sie wieder – die eingangs erwähnten Extreme jener Zeit.

Deutschland hatte gerade erneut die Niederlande und Belgien verheert, um in Frankreich einzurücken – die Liste der weiteren „Kandidaten“ ist erschütternd lang.

Wirklich angekommen ist die im Hochsommer 1940 verschickte Ansichtskarte daher vielleicht erst im Hier und Jetzt. Sie erinnert durchaus passend an die Abgründe, die sich auftun, wenn Selbstüberschätzung und irrationale Motive das Handeln bestimmen.

Die Aufnahme des Steyr 630 beinhaltet aber auch etwas Tröstliches. Was auch immer an Unsinn das Führungspersonal der Gegenwart anrichtet – das Ewige bleibt davon unberührt. Und das sehen wir auf dieser Ansichtskarte:

Steyr 630 Vierfenster-Cabriolet; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Ganz gleich, was der Mensch der Gegenwart noch an Blödsinn oder Großartigem anstellt – wenn er nicht mehr da ist und die meisten seiner Schöpfungen ebenso, dann wird sich diese grandiose Ansicht noch genauso darbieten.

Vielleicht gibt es dann vor dieser Kulisse der Reichenspitzgruppe in Österreich noch (oder wieder) weidende Rinder im Wildgerlostal – gehalten als Hobby humanoider Roboter, die sich als rationalere Kreaturen durchgesetzt haben.

Nur die herrlich unvernünftigen Luxusautomobile der 1930er Jahre, die sind dann vermutlich vergangen und vergessen. Doch bis es soweit ist, halten wir die Erinnerung an sie wach…

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Mensch & Maschine gut behütet: Phänomen-Geschichte

Nach 10 Jahren Bloggerei in Sachen Vorkriegsautos auf alten Fotos ist es für mich immer noch der schönste Lohn meiner Arbeit, wenn jemand dank der hier einsehbaren tausenden Aufnahmen das Fahrzeug identifizieren kann, mit dem einst ein Vorfahre den Weg durchs Dasein bewältigte.

Ich bitte in solchen Fällen darum, das Foto auch besprechen zu dürfen – von ganz wenigen Ausnahmen abgesehen, bekomme ich fast immer die Freigabe dafür.

Diesmal war es Hans-Werner Dicke aus Freudenberg im Siegerland, der mir eine Aufnahme übersandte, die seinen Großvater im 1. Weltkrieg zusammen mit einem Tourenwagen zeigt. Dank meiner Dokumentation konnte er das Auto selbst als „Phänomen“ identifizieren.

So bleibt mir diesmal nicht viel zu tun, außer den Wagen und die Situation geschichtlich „einzurahmen“. Die Phänomen-Werke aus Zittau hatten nach ihrem bekannten dreirädigen Phänomobil ab 1910 auch vollwertige Autos im Programm.

Recht verbreitet war der 1912 eingeführte Typ 10/28 PS, der einem vor allem auf Fotos aus dem 1. Weltkrieg begegnet – dieses Exemplar hatte ich bereits einmal vorgestellt:

Phänomen Tourenwagen (evtl. 10/28 PS); Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Diese Wagen wurden wie einige andere renommierte Fabrikate (Adler, Benz, Daimler, Opel, Protos, Stoewer…) vor allem als Offiziersautos eingesetzt. Für frontnahe Einsätze wie Aufklärungsfahrten wurde der leichte und kompakte Wanderer bevorzugt.

Auffallend an diesen Phänomen-Wagen ist, dass sie fast denselben birnenfömigen Kühler trugen wie beispielsweise zeitgenössische NSUs oder NAWs. Daher ist meist ein gut lesbarer Markenschriftzug auf dem Kühleremblem der Schlüssel zur Identifikation.

Das half auch Hans-Werner Dicke dabei, den Wagen seines Großvaters als einen solchen Phänomen zu erkennen. Hier haben wir die von ihm übersandte ausgezeichnete Aufnahme, auf der Mensch und Maschine eindrucksvoll für die Nachwelt festgehalten sind:

Phänomen Tourenwagen (evtl. 9/27 PS); Originalfoto aus Familienbesitz (H-W. Dicke)

Dass sich der Hüter der Maschine hier selbst so gut behütet präsentiert, darauf kommen wir noch zurück.

Zuvor will ich Ihr Augenmerk auf ein Detail auf dem Kühler lenken, welches sich neben dem Markenemblem befindet.

Dort hat nämlich jemand „9/27“ aufgemalt. Das erinnert mich an ein Foto von Leser Klaas Dierks, auf dem ein – von den elektrischen Parkleuchten abgesehen – ähnlicher Phänomen derselben Zeit zu sehen ist, der an derselben Stelle den Zusatz „14/35“ trägt:

Phänomen Tourenwagen (evtl. 14/35 PS); Originalfoto: Sammlung Klaas Dierks

Da die Bezeichnung der Militäreinheit, welche der Wagen angehörte, auf der Motorhaube vermerkt ist, vermute ich, dass es sich bei diesen Kürzeln um einen Hinweis auf die Motorisierung handelt.

Zwar sind weder ein Phänomen 9/27 PS noch ein 14/35 PS in der mir vorliegenden Literatur zu dieser bis 1945 existierenden Marke zu finden, doch das will nichts heißen.

Kurz vor dem 1. Weltkrieg fand sich bei anderen deutschen Herstellern wie Adler aus Frankfurt am Main die Motorisierung 9/24 PS, sodass eine Variante 9/27 PS als kurzlebiger Vorgänger des gut dokumentierten Phänomen 10/28 PS denkbar ist.

Ebenso würde ein Typ 14/35 PS wie auf dem Foto von Klaas Dierks die Lücke zwischen letzterem und dem Typ 16/45 PS füllen, den es ab Ende des 1. Weltkriegs gab.

Auch wenn das nur Indizien sind, ist die zeitliche Einordnung des Wagens, für den der Großvater von Hans-Werner Dicke verantwortlich war, klar. Nicht nur handelt es sich um eine Aufnahme nach Kriegsbeginn – erkennbar an den Tarnüberzügen der Scheinwerfer.

Auch die stählerne Kopfbedeckung gibt einen wertvollen Hinweis. Sie wurde wohl bewusst angelegt, obwohl das Foto fern der Front entstand und die übrige Ausrüstung abgelegt ist.

Das spricht meines Erachtens dafür, dass der Stahlhelm zum Aufnahmezeitpunkt noch Neuigkeitswert hatte und den Adressaten des Fotos daheim so signalisiert wurde: „Macht Euch keine Sorgen, ich bin dank dieser Neuerung auf allen meinen Fahrten gut behütet.“

Bei der Recherche zum Thema Stahlhelm musste ich feststellen, dass die deutschen Soldaten diesen erst im Lauf des Jahres 1916 erhielten.

Auf französischer Seite hatte man bereits ab Frühjahr 1915 auf die fürchterlichen Verluste bei den Mannschaften durch Artilleriebeschuss im Stellungskrieg reagiert. Die Briten zogen ab Herbst 1915 nach.

Auf deutscher Seite hatten es die Entscheider im fernen Berlin wohl nicht so eilig mit dem Schutz ihrer Soldaten. Erst Anfang 1916 lief die Ausgabe von Stahlhelmen an.

So lässt sich unsere heutige Aufnahme auf frühestens 1916 datieren. Hans-Werner Dickes Großvater hatte sich zu diesem Zeitpunkt bereits das Eiserne Kreuz für besondere Tapferkeit verdient, wie das Band im Knopfloch seiner Feldjacke verrät.

Wofür genau er ausgezeichnet worden war, das hat sich im Nebel der Geschichte verloren. Doch Hans-Werner Dicke konnte mir noch ein hübsches Detail berichten.

Sein Großvater überstand den Krieg und war danach Cheffahrer bei einer Firma in Freudenberg, die Leim aus Tierhäuten herstellte. Von dieser einst bedeutenden Industrie ist in Freudenberg nichts geblieben – außer einer Sache.

So ist im dortigen Technikmuseum die 1904 gebaute und einzig überlebende Dampmaschine der Freudenberger Industrie in einem historischen Bau gut behütet zu bewundern. Die kurzeitig 100 PS leistende einzylindrige Maschine war bis 1972 im Einsatz, rostete dann aber jahrzehntelang vor sich hin.

Den zähen Bemühungen einiger Technikenthusiasten ist es zu verdanken, dass die Maschine erhalten blieb, restauriert wurde und heute hier zusammen mit vielen anderen technischen Antiquitäten bewundert werden kann.

Es ist ein schöner Gedanke, dass etwas aus der Welt des Großvaters von Hans-Werner Dicke – was er vielleicht selbst gesehen hat – nach weit über 100 Jahren noch erhalten ist und im 21. Jahrhundert vom positiven Genius des Menschen kündet.

Das ist der eine Aspekt der heutigen Phänomen-Geschichte. Der andere ist dieser:

Mensch und Maschine, beide wollen gut behütet sein – im Krieg und im Frieden. Vor allem für letzteren gilt es, sich einzusetzen, auch wenn dabei ideologische Gräben und konfligierende Interessen zu überwinden sind.

Der Wille zum Gespräch mit der anderen Seite ist dafür unerlässlich. Das fällt leider manchen maßgeblichen Akteuren schwer, wohl weil es nicht sie sind, die im Zweifelsfall den Stahlhelm und die Konsequenzen fahrlässiger Selbstüberschätzung zu tragen haben…

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Hier ist einiges sagenhaft! Auburn Cabriolet von 1931/32

Schon auf dem Weg hin zum Hersteller des heutigen Objekts der Betrachtung begegnete mir etwas Sagenhaftes: das Schiff des mythologischen Helden Iason mit Batterieantrieb!

Lachen Sie nicht – das gab es in den USA zwischen 1912 und 1916 in Gestalt des „Argo Electric“ – eines der letzten neu eingeführten amerikanischen Elektroautos, bevor sich die Verbrennertechnologie am breiten Markt durchsetzte.

Zum Glück gab es damals keine Bürokraten, die es besser zu wissen meinten und den Pfad der technischen Entwicklung gern ihren beschränkten Vorstellungen unterwerfen wollten.

Zurück zu den sagenhaften Verhältnissen von einst – die legendären Argonauten der alten Griechen werden uns dabei auf überraschende Weise wiederbegegnen.

Sagenhaft zu nennen ist schon einmal das folgende Foto von Leser Klaas Dierks, das ich hier vorstellen durfte:

Auburn Cabriolet von 1931/32; Originalfoto: Sammlung Klaas Dierks

Dieses Cabriolet hatte ich seinerzeit als Auburn von 1931/1932 identifiziert – und daran gibt es auch heute keinen Zweifel.

Der Wagen der altehrwürdigen US-Marke aus dem Bundesstaat Indiana war mit in seiner Klasse üblichem 8-Zylindermotor ausgestattet, der an die 100 PS Leistung hatte. Auch der x-förmig versteifte Leiterrahmen und die hydraulischen Stoßämpfer waren damals in den Staaten „State of the Art“.

Nicht ganz so sagenhaft finde ich an diesem Exemplar die schwerfällig wirkenden Räder. An so ein Gerät gehören filigrane Drahtspeichenräder und elegante Weißwandreifen.

Das letztere in der Vorkriegszeit unüblich waren, ist schlicht ein Mythos – natürlich gab es das und die folgende Aufnahme (wiederum aus Sammlung Klaas Dierks) belegt dies:

Auburn Cabriolet von 1931/32; Originalfoto: Sammlung Klaas Dierks

Sagenhaft gut sieht der Auburn hier aus, finden Sie nicht? Dazu trägt auch das seitlich montierte Ersatzrad bei, das eine Abdeckung in Wagenfarbe trägt, die obendrein chromverziert ist.

Durchgestaltete Details wie diese tragen zum stimmigen Gesamtbild des Wagens bei und entlarven einmal mehr die These „form follows function“ als pure Ideologie. Der gesamte Charakter des Wagens beruht auf dem sehr durchdacht auf Wirkung angelegten Design.

Kein Mensch hätte damals so einen Achtyzlinderwagen mit simplem Schuhkasterl-Aufbau und mit mönchischem Verzicht auf glanzvolle Effekte gekauft. Auch funktionelle Produkte müssen sich letztlich am Markt bewähren – er ist der einzige wirklich objektive Maßstab für Qualität und Erfolg, alles andere sind moderne Mythen.

Der Aurburn erscheint uns hier so sagenhaft souverän, wie er es von der Kraftentfaltung damals auch war – hatte man einmal den höchsten Gang erreicht, in dem man dank des enormen Drehmoments des Motors überwiegend bleiben konnte.

Ein wenig verhalten posiert unterdessen die Dame aus gutem Hause (aus einem im Hintergrund). Ihre Haltung ist etwas schüchtern, aber ihr gelingt das Lächeln, das so vielen Zeitgenossen auf deutschen Autofotos jener Zeit so schwerfällt.

War es weniger die Situation mit dem Auburn-Cabriolet als vielleicht ihr Name, mit dem sie sich etwas unwohl fühlte? „Althea“ ist auf dem Abzug selbst überliefert – auch in den USA, wo man eine enorm lässige Vielfalt an Vornamen pflegt, eher selten.

Wusste die Dame etwas Sagenhaftes in fragwürdiger Hinsicht, was ihre Eltern offenbar nicht bedacht hatten? Mir jedenfalls kommt Althea nicht wie ein glücklich gewählter Name vor.

Sie erinnern sich an den „Argo Electric“, der nach dem mythischen Schiff des (wie meist bei den alten Griechen) tragischen Helden Iason benannt ist?

Nun, an Bord der Argo auf der Reise nach Kolchis (zur Erbeutung des Goldenen Vlieses) war neben Iason auch ein gewisser Meleagros. Sie wissen schon – der, der etwas mit Atalante hatte, nach dem Bugatti eine sagenhafte Version des Typs 57 benannte.

Der Mutter von Meleagros war nach seiner Geburt prophezeit worden, dass ihr Sohn so lange leben werde, wie ein Holzscheit in ihrem Ofen nicht verbrannt sei. Sie löschte diesen daraufhin und bewahrte ihn auf. Als Meleagros im Streit seine Onkels – die Brüder seiner Mutter getötet – hatte, holte sie den Holzscheit wieder hervor und setzte ihn in Brand.

Eine sagenhafte Geschichte, wie sie die alten Griechen in unerschöpflichen Varianten zu erzählen wussten. Fast immer enden diese Stories tragisch – der griechische Geist hatte ein besonderes Verhältnis zu Tragik des Menschen in seiner Gebundenheit an irrationale Affekte.

Wenn Sie jetzt wissen wollen, wie diese tragische Mutterfigur hieß – dann steht sie auf dem heute vorgestellten Foto geschrieben. Denn Althea ist die englische Version von Althaia, die in der griechischen Sage ihren Sohn durch das Wiederentzünden eines Holzscheits tötete.

Man sieht daran – ohne dass es des Beispiels unbedingt bedurft hätte – der Mensch ist eine geniale und zugleich von diabolischen Kräften beseelte Kreatur. Der Auburn von 1931/32 gehört zweifellos zu seinen besseren Schöpfungen, aber das Abgründige ist bei allem Menschenwerk immer ganz nah – damals wie heute…

Copyright: Michael Schlenger, 2025. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and https://vorkriegs-klassiker-rundschau.blog with appropriate and specific direction to the original content.

Commerz braucht Eisenerz: Opel Typ 80 10/40 PS

Im Zeitalter der allumfassenden Digitalisierung gerät eines gern in Vergessenheit:

Die Basis unserer Ökonomie ist nach wie auch die „Hardware“ in Form von Grundstoffen für Bau und Betrieb der Kraftwerke, welche die Energie zum Rechnen liefern, für die Roboter, welche in „Dark Factories“ rund um die Uhr am arbeiten sind, sowie für die Chips und Platinen, auf denen sich die Operationen mit Nullen und Einsen vollziehen.

Während heute eher Uran, Kupfer und Silber gefragt sind, war es die letzten 3.000 Jahre das Eisen, welches „den“ Rohstoff für die Wirtschaft lieferte – für Werkzeug und Waffen, Fahrzeugachsen und -federn, Nägel und Nieten, Kessel und Ketten, Kardanwellen und Kastenbrücken…

Ganz gleich, was auch am Ende für ein kommerzielles Produkt daraus entstand, die Basis von alledem war Eisenerz und seine energieintensive Weiterverarbeitung.

Das zumindest hat sich nicht geändert: Kein Commerz ohne Eisenerz – dumm nur, wenn man die Wirtschaft deindustralisiert, eigene Rohstoffe wie Erdgase, Kohle und Uran in der Erde lässt, teuer von Dritten bezieht und obendrein mit zusätzlichen Steuern belegt.

Vor 100 Jahren war in Deutschland fast alles schlechter als heute (Ausnahmen: Alpabetisierung, Grundschulbildung, Bauqualität ), aber so dumm war man nicht, die heimischen Ressourcen nicht zu nutzen und zwecks Commerz zu veredeln.

Wenn Sie sich fragen warum, der Blogwart so altertümlich schreibt, dann finden Sie die Antwort auf dem Foto, mit dem ich Ihnen heute zeigen will, wie Eisen den Rohstoff für Wohlstand schafft und wie man ein Auto identifiziert, bei dem das unmöglich erscheint:

Ha, da steht ja tatsächlich „Commerz“ auf der Fassade des Bankhauses und das passenderweise direkt neben dem Eisenwarengeschäft. So einfach kommt man auf die Idee zu einer Story – sie ist eigentlich immer in den Bildern angelegt, die ich vorstelle.

Der abgebildete Tourenwagen steht gezielt vor dem Eisenhandel – aber nicht, weil der Besitzer dort ein benötigtes Werkzeug erstanden hat. Dann würde man nicht so ein Foto machen.

Und wäre es der Bankdirektor von nebenan, würde er vermutlich nicht so einen Wagen fahren – oder doch? Das entscheiden wir, wenn wir herausgefunden haben, was das für ein Fabrikat war.

Unmöglich mag man jetzt denken – diese Tourer der 1920er Jahre sahen doch von hinten alle gleich aus. Nun, das stimmt in vielen Fällen, doch diesmal nicht.

Werfen Sie zum Vergleich einen Blick auf das folgende Fahrzeug:

Opel Typ 80 10/40 PS; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Hier sieht man in voller Pracht und diesmal mit Opel-Schriftzug das glänzende Trittschutzblech auf dem Schweller unterhalb der Tür, welches auf dem eingangs gezeigten Foto nur zu ahnen ist. Die Form war typisch für die Opels Mitte der 20er Jahre.

Das findet sich auch auf der folgenden Ansicht wieder:

Opel Typ 80 10/40 PS; Originalfoto: Sammlung Klaas Dierks

Beginnt sich hier an der Heckpartie ein einheitiches Bild abzuzeichnen, die Gestaltung der Räder mit sechs Bolzen inklusive?

Gewiss, es gibt auch Abweichungen – so sinddie Türgriffe beim zuletzt gezeigten Exemplar nicht außen montiert und die Motorhaube weist nicht das Profil wie auf dem ersten Foto auf.

Der Grund ist der, dass wir es mit einer frühen Ausführung des Opel-Modells zu tun haben, um das es geht – den Typ 10/40 PS – bezugnehmend auf die Höchstgeschwindigkeit auch als Opel Typ 80 bezeichnet.

Der 1925 eingeführte Vierzylindertyp (2,6 Liter Hubraum) war gewissermaßen der große Bruder des erfolgreichen „Laubfroschs“ – des von Citroen „inspirierten“ 4 PS-Modells.

Die sechs statt vier Radbolzen spiegeln die weit höhere Antriebskräfte wieder und das lange Chassis erlaubt geräumige viertürige Aufbauten.

1927 geschah etwas für die genaue Ansprache Wichtiges: Opel ersetzte den bis dahin oben gerundeten Kühler durch einen nach Vorbild der US-Luxusmarke Packard geschwungenen, dessen Profil sich in der Motorhaube fortsetzte:

Opel Typ 80 10/40 PS; Originalfoto: Sammlung Klaas Dierks

Das hat uns nur scheinbar weit weg vom Ausgangsfoto gebracht, welches nicht wie hier am Ostseestrand entstand, sondern in Sachsen – dem Kennzeichen nach zu vermuten in Zwickau.

Schauen Sie sich jetzt den dort abgelichteten Opel noch einmal an und achten speziell auf die Silhouette der Frontpartie, so wenig auch davon zu sehen ist:

Sind Sie auch überzeugt, dass der Eisenwarenhändler ebenfalls einen Opel Typ 80 10/40 PS in der späten Ausführung mit „Packard“-Kühler ab Sommer 1927 fuhr?

Für deutsche Verhältnisse war der Wagen mit einigen tausend Exemplaren in punkto „Commerz“ ein Erfolg, wenngleich er so teuer war, dass ihn sich nur Leute mit hohem Einkommen leisten konnten- etwa ein angestellter Bankdirektor.

Unser Eisenwarenmann scheint ebenfalls dazu gehört zu haben, was die eingangs skizzierte These unterstreicht, wonach die physischen Grundlagen einer Ökonomie geschäftlich durchaus lukrativ sein können, wenn man kaufmännisches Geschick besitzt.

Ob die beiden jungen Damen am Eingang des Geschäfts zur Familie gehörten oder Angestellte waren, das können wir nur vermuten. Eine davon erlaubte sich eine sommerlich leichte Bekleidung, wie sie damals selten war.

Der Kontrast zum Fahrer könnte kaum größer sein – ich vermute, dass es sich um einen angestellten Chauffeur handelte, von dem man einen disziplinierten Auftritt erwartete.

Der junge Herr auf dem Trittbrett erscheit mir einen Hauch zu lässig für den Juniorchef – er hätte den Wagen der Firma vielleicht auch eher selbst gesteuert.

Fehlt nur der Chef vom Janzen – vermutlich war er es, der den Opel vor seinem Geschäft und der günstig platzierten eventuellen Hausbank fotografierte.

Vielleicht verhielt es sich aber auch ganz anders – wer eine andere plausible Interpretation liefern kann, ist aufgerufen, dies mittels der Kommentarfunktion zu tun.

Nur bei der Ansprache des Wagens als Opel 10/40 PS bin ich mir sicher – und dass man wie einst im Fall von Eisen die Grundlagen der modernen Ökonomie nicht geringschätzen sollte – gute Verfügbarkeit von Rohstoffen, möglichst billige Energie sowie qualifiziertes Personal.

Zumindest das war vor knapp 100 Jahren reichlich vorhanden. Heute scheint das zunehmend selten hierzulande wie auch die einst gut verkauften Opels des 10/40 PS Typs…

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Fotorätsel des Monats: Ein Tourer der frühen 1920er

Sie müssen es mir nachsehen – zum heutigen Fotorätsel ist mir als Titel nichts Besseres eingefallen, obwohl ich einen gewissen Verdacht hege, was die Lösung angeht.

Ich hätte alternativ noch dutzendfach „unidentifizierte Spitzkühlerwagen“ zu bieten – die werde ich aber irgendwann einmal nach Gemeinsamkeiten zusammengefasst bringen, die schiere Masse des Materials ist sonst nicht zu bewältigen.

Doch immerhin kann ich Ihnen ein reizvolles Dokument in Aussicht stellen, von dem auf der Rückseite überliefert ist, dass es 1926 im München entstanden ist. Leider hilft die Information dieses Mal nicht weiter.

Denn zum einen scheint es sich nicht um ein deutsches Fabrikat zu handeln – so mein Eindruck – zum anderen wäre man auch so darauf gekommen, dass der Wagen eher in der ersten Hälfte der 1920er Jahre entstanden ist.

Zwei Indizien helfen in der Regel – nicht immer – bei dieser zeitlichen Einordnung: Zum einen spricht das Fehlen von Vorderradbremsen ziemlich zuverlässig für ein Baujahr nicht später als 1925. Zum anderen ist eine Rechtslenkung bei Fahrzeugen in Deutschland ebenfalls allenfalls bis Mitte der 1920er zu finden.

Von der anderen Seite der Zeitachse betrachtet ist es das Vorhandensein elektrischer Scheinwerfer, mit dem sich ein Vorkriegswagen eingrenzen lässt. Bei Klein- und Mittelklassewagen findet sich das erst nach dem Ende des 1. Weltkrieg.

Wenn dann noch die Damen keine ausladenden Hüte mehr tragen und die Herren überwiegend glattrasiert sind, dann bewegt man sich in den 20ern.

Mit diesem „Framing“ ausgestattet können Sie sich jetzt diese schöne Szene ansehen:

Tourenwagen der frühen 1920er Jahre; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Na, was meinen Sie? Ist das ein Fall für die Rätselkategorie oder liegt für Sie auf der Hand, was das für ein Fabrikat ist?

Natürlich hoffe ich auf letzteres, wobei Sie sich auch auf’s reine Bauchgefühl verlassen dürfen – das tue ich oft genug selber. Wer dann noch auf Beweismaterial verweisen kann, ist natürlich besonders willkommen.

Was aber ist meine Vermutung? Nun, ich meine, dass wir es mit einem Peugeot der Mittelklasse zu tun haben, vielleicht einem Typ 153B (ab 1920).

Ich mache das allein an der Form des Kühlergehäuses fest, das an der Oberseite nach vorne hin abgerundet ist. Das ist zugegebenermaßen etwas dünn, aber deshalb bringe ich den Wagen ja auch in der Rätselrubrik.

Peugeots jener Zeit wurden sowohl wie hier mit filigranen Drahtspeichenrädern als auch mit massiven Stahlspeichenrädern angeboten, auch das könnte also passen. Und in Deutschland gut vertreten war die französische Marke schon damals.

Damit übergebe ich nun an die sachkundigere Franzosen-Fraktion, sofern ich mit der geografischen Einordnung richtig liege. Ansonsten lassen Sie sich nicht von meiner Hypothese beeinflussen, ich kann auch völlig danebenliegen.

Falls Ihnen das heutige Rätselfoto etwas banal erscheinen mag, dann kann ich Sie mit der Ankündigung trösten, dass es dieses Jahr eine Weihnachtsgeschichte geben wird, an der Sie sich nicht sattsehen werden können.

Auf mich wartet ein Haufen Arbeit in der Hinsicht, aber die Sache wird alle Ihre Wünsche erfüllen, auch solche, die Sie sich in Sachen Vorkriegsautos gar nicht zu haben trauten…

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Gegen den Strom oder nicht? Chrysler Airstream von 1935

Was meinen Sie, ist man mit der konsequenten Beschäftigung mit Autos der Vorkriegszeit „gegen den Strom“?

Nein, das wäre auch irrational. Zum einen: Mit elektrischem Strom betriebene Automobile waren vor allem in den USA vor dem 1. Weltkrieg sehr verbreitet. Es gab unzählige Hersteller und die anstrengungslos zu startenden Elektrowagen waren vor allem bei Frauen aus vermögenden Familien gefragt.

Wer einmal einen 120 Jahre alten Detroit Electric in Betrieb erlebt hat, versteht warum. Die Leichtigkeit der Fortbewegung und die Eleganz des Aufbaus begeistert.

Auch der Blogwart ist ein entschiedener Verfechter der Elektromobilität. Nicht nur bei Kettensägen oder Schlagschraubern schätzt er den Akkubetrieb. Auch auf seiner Scalextric-Rennbahn lässt er gern historische Verbrennermodelle sausen. Dort kann er sich all die Geräte leisten, die ansonsten völlig unerreichbar sind wie Jaguar E-Type & Co.

Ja, aber wie hält er es mit Elektrofahrzeugen im Maßstab 1:1? Nun, ich finde sie ganz großartig – solange jemand sie ganz aus dem eigenen Portemonnaie bezahlt

Über die gutsituierten Zeitgenossen, die sich ihr Batteriefahrzeug aus den Steuergeldern der Verkäuferin und des Bauarbeiters bezuschussen lassen, habe ich eine sehr klare Meinung…

Was den eigenen Fuhrpark angeht, gehört dazu eine Elektro-Vespa, die ich für Fahrten in der näheren Umgebung nutze und wunderbar finde. Das Teil schafft knapp Tempo 50, hat mit zwei herausnehmbaren Akkus 80 km Reichweite und sieht herrlich „retro“ aus.

Natürlich stammt das Ding vom Chinamann, ist entsprechend günstig und im Betrieb völlig unkompliziert. Mit ein paar Anpassungen habe ich dem Teil die Optik einer Vespa der 50/60er Jahre verpasst. Es sind sogar originale Piaggio-Teile daran verbaut.

Bisher ist noch jeder darauf hereingefallen, auch das bereitet mir Spaß. Natürlich sind die teuersten Teile die Akkus – solange die mehr kosten als ein Benzintank und sich nicht in drei Minuten zu 100 % befüllen lassen, wird das nichts mit der Elektromobilität in der Breite.

Sie sehen: wirklich gegen den Strom bin ich gar nicht, auch wenn es bisweilen so scheinen mag. Man sollte halt nicht nur nach dem Bauchgefühl beurteilen, etwa diese Leute:

Chrysler „Airflow“ Modelljahr 1935; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Na, was würden Sie über diese Leute aus dem Deutschland der späten 1930er Jahre denken, die hier neben ihrem Auto mit Zulassung in Recklinghausen posieren?

So richtig sympathisch wirken sie erstmal nicht, oder? Aber wir wissen nichts über sie außer einer Sache: Sie hatten sich einen neuen amerikanischen Wagen gekauft.

Das war an sich nichts ungewöhnliches in der Zwischenkriegszeit, da die deutsche Autoindustrie mit ihren überwiegend veralteten Modellen und rückständigen Fertigungsmethoden unfähig war, die ständig steigende Nachfrage zu bedienen.

So ist es zu erklären, dass diejenigen, denen nicht die Propaganda von der einzigartigen „deutschen Werkmannsarbeit“ das Urteilsvermögen trübte, die günstigeren, moderneren und besser ausgestatteten Modelle ausländischer Hersteller kauften.

Vor allem Ende der 1920er Jahre war das der Fall. Jede vierte Neuzulassung in Deutschland entfiel auf US-Fabrikate sowie italienische und österreichische Marken.

Der Anteil solcher „vaterlandslosen Gesellen“ unter den Käufern ging in den 1930er Jahren zurück, als die deutsche Autoindustrie aufholte und ein eigenständiges Profil entwickelte.

Doch ganz offenbar gab es auch im national-sozialistischen Kollektiv immer noch unverbesserliche „Volksgenossen“, die sich gegen den Strom entschieden.

Und das tat dieses Paar ganz offensichtlich mit dem Kauf eines 1935er Chrysler „Airstream“, der zumindest dem Namen nach dem Strom entgegengesetzt war – nämlich den Fahrtwind, durch dem man sich möglichst geschmeidig hindurchbewegen wollte.

Das 1935er Modell von Chrysler verkörperte dieses „gegen den Strom“ gerichtete Ideal nicht so radikal wie der am Markt gescheiterte Vorgänger, aber der Anspruch war noch da.

Im Zweifel half die Motorisierung, locker gegen den Strom zu schwimmen. Die 8-Zylinderversionen leisteten zwischen 105 und 150 PS, doch auch die Basisversion mit 6 Zylindern war mit gut 90 PS für deutsche Verhältnisse extraordinär.

Das heute vorgestellte Foto weist Elemente des 8-Zylinder-Typs auf wie die Doppelfanfaren an der Front, während der einfache Scheibenwischer eher auf einen Sechszylinder verweist.

Wie es sich auch verhielt, mit so einem Chrysler bewegte man sich Mitte der 30er Jahre abseits des Mainstreams, was mir das Besitzerpaar am Ende doch sympathisch macht.

Wer die beiden waren und was aus ihnen wurde, das wissen wir leider nicht. Ich weiß aber, was aus den fast 300 Deutschen wurde, die damals in meiner Heimatstadt Bad Nauheim lebten und ermordet wurden, weil sie „jüdischer Herkunft“ waren.

Das waren fast durchweg gut situierte Bürger, deren wirtschaftlicher Erfolg und kultivierter Lebenstil den Neid der Minderbemittelten weckten – nebenbei eine Erklärung, weshalb ihre Entrechtung reibungslos und in aller Öffentlichkeit am hellichten Tag geschehen konnte.

Auf der Website von Dr. Thomas Schwab (AG Geschichte Bad Nauheim) wird der Bericht des NS-Bürgermeisters von 1937 wiedergegeben:

„Die Anzahl der jüdischen Geschäfte ist im Laufe dieses Jahres zurückgegangen. Es sind noch einige wenige jüdische Geschäfte in Bad Nauheim vorhanden,die aber im Laufe der Zeit verschwinden werden. Besonders angenehm wird es empfunden, daß die Zahl der jüdischen Kurgäste zurückgegangen ist, die früher in Bad Nauheim sehr hoch war. Inzwischen hat sich genügend Ersatz für die ausgefallenen jüdischen Gäste gefunden“.

Es gab auch damals Menschen, deren Tun gegen den Strom gerichtet war und sie verdienen unsere Sympathie. Leider waren es zu wenige und leider bleiben viele Namen ungenannt. Wer sich in der Nachkriegszeit damit befasste, bewegte sich gegen den Strom.

Jetzt sehen Sie, was aus dem eingangs lässigen Wortspiel geworden ist. Man blickt auf einmal anders auf manche Menschen auf den Fotos von damals, über die man nicht mehr weiß als im besten Fall den Hersteller eines darauf abgebildeten Automobils.

Hüten wir uns vor einfachen Zuschreibungen und Bekundungen von Zuneigung und Abneigung anhand purer Äußerlichkeiten, die gerade heute in einer Zeit unbegrenzter Verfügbarkeit von Bildmaterial scheinbar leicht fallen.

Auch in der Hinsicht ist man gut beraten, sich gegen Strom zu wenden – mit ausreichend positiver Energie ausgerüstet, fällt das ganz leicht…

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Horror oder Hotrod? Bentley „Turner Supercharged“

Seit Jahrtausenden arbeiten sich Philosophen an der Frage ab, ob es eine objektiv erkennbare Wirklichkeit gibt und – selbst wenn – ob wir unvollkommenen Kreaturen diese erfassen können.

Ich hänge der Auffassung an, dass Zweifel angebracht sind, was die Fähigkeit des Menschen zu objektiver Erkennntis betrifft. Das ist insoweit nicht schlimm, als es viele reizvolle oder bedenkenswerte Perspektiven auf die Dinge gibt.

Die Probleme beginnen dann, wenn eine als die einzig wahre oder zulässige erklärt wird. Mir ist kein menschlicher Erkenntnisfortschritt bekannt, der darauf beruht.

Der Streit, der Widerspruch, der Zweifel – stetige Begleiter in der Auseinandersetzung mit allen Phänomenen. Das gilt für wissenschaftliche Annäherungen an die Wirklichkeit.

Doch auch in ästhetischen Werturteilen kann die andere, die skeptische oder verstiegen wirkende Sicht interessante Facetten beleuchten. Auch in dieser Hinsicht ist alles „erlaubt“ – abgesehen davon, wem die Rolle der Geschmackspolizei obliegen sollte.

So nehme ich mir die Freiheit, die Hervorbringungen der als heilig angesehenen Bauhaus-Bewegung der 1920er Jahre als Verirrung der traumatisierten Kriegsgeneration anzusehen, die mehr Schaden angerichtet hat als dass sie Dinge hervorgebracht hat, deretwegen man auf einen Besuch in Brügge, Bamberg, Lecce oder Ephesos verzichten würde.

Deshalb würde ich aber niemanden verbieten wollen, das genaue Gegenteil zu vertreten. Denn: Im Wettbewerb mit dem anderen Argument schärft sich entweder das eigene oder man muss einsehen, dass man damit auf dem Holzweg ist.

So verhält es sich auch mit vielem in Verbindung mit Vorkriegsautos. Das gilt nicht nur für aus meiner Sicht abwegige Konzepte, die anderen spannend und liebenswert erscheinen. Es gilt auch für das, was mit Vorkriegsautos in späterer Zeit angestellt wurde.

Umlackiert, neu karossiert, anders und weit stärker motorisiert – alles Mögliche wurde mit den nunmehrigen Gebrauchtwagen gemacht.

Die Reaktionen darauf sind so krass unterschiedlich, dass man die Frage stellen darf, wie es zu so divergierenden Ansichten kommen kann. Den Anlass dazu, dem nachzuspüren, lieferte mir diese Aufnahme, die ich kürzlich erworben habe:

Bentley 4¼ Litre „Turner Supercharged“; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Diese hübsche Szene wurde irgendwann in den 1960er Jahren in England aufgenommen. Sie gefiel mir, weil sie mich ein wenig an das „Goodwood Revival“ im südenglischen Sussex erinnert, wo es damals ganz ähnlich aussah (und heute wieder).

Der Roadster mit der markanten Zweifarblackierung und der eigenwillig bauchigen Karosserielinie ist anhand des Kühler schnell als Bentley identifiziert.

Ich habe zwar schon unzählige Bentleys gesehen – sowohl im englischen Goodwood als auch bei den Classic Days am Niederrhein – doch habe ich eigentlich keine Ahnung davon. Das liegt vor allem daran, dass kaum einer dem anderen gleicht, sehr oft wurden die Chassis nach Kundenwunsch mit individuellen Karosserien versehen.

So gab ich mich angesichts des Alters des Abzugs der naiven Hoffnung hin, dass ich eine Vorkriegs-Roadsterversion „geschossen“ hatte.

Aber ach, selten irrte ich so wie hier. Ein Aufruf in meiner internationalen Facebook-Gruppe zu Vorkriegsautos ergab, dass es sich um einen bekannten Nachkriegs-Special auf Basis eines 1937er Bentley handelt – noch dazu um einen heftig leistungsgesteigertes Auto.

„Horror oder Hotrod?“ – vor dieser Frage stand ich nun, etwas enttäuscht. Tatsächlich lassen sich jedoch für beide Sichtweisen treffliche Argumente ins Feld führen.

Für dieses Gefährt wurde nämlich ein 1937er Bentley des Typs 4¼ Litre „überarbeitet“, um es vorsichtig auszudrücken.

Der ursprünglich mit einem geschlossenen Aufbau von Park Ward versehene Wagen geriet nach über 100.000 km Laufleistung anno 1958 in den Besitz von B.M. Russ Turner.

Der ließ die originale Karosserie weitgehend verschrotten, das Chassis kürzen und diesen eigentümlichen Roadsteraufbau von Caffyns & Co. of Kent & Sussex (Worthing) in Aluminium anfertigen. Immerhin wurde das Armaturenbrett mit seiner markentypisch bizarren Instrumentenansammlung beibehalten.

Das ist natürlich der Horror von Bentley-Enthusiasten, die beklagen, dass es heute mehr offene Aufbauten gebe als geschlossene, während das in der Vorkriegszeit umgekehrt war.

Man mag diese Praktik bedauern, vor allem wenn sie bis in unsere Tage anhält. Aber: Was weg ist, ist weg, und Jammern bringt die alte Herrlichkeit nicht zurück.

Schauen wir also aus einer anderen Perspektive darauf. Während eine klassische Bentley-Limousine der 1930er Jahre nach dem Krieg wenig Zukunftschancen hatte, war es genau so ein Horror-Umbau, der dem Wagen überhaupt ein Fortleben ermöglichte.

Damit wären wir bei dem Phänomen „Hotrod“, das wie alle aufregenden Dinge umstritten ist. Denn mit der sportlichen Neukarossierung ging auch eine Leistungssteigerung einher.

Den originalen 4,3 Liter-Motor behielt Mr. Turner bei, ließ ihm aber mit gleich zwei „Arnott“-Kompressoren ordentlich mehr Power verpassen. Weit über 200 PS Spitzenleistung waren das Ergebnis und mit einer Höchstgeschwindigkeit von mehr als 200 km/h war der Bentley „Turner Supercharged“ lange einer der schnellsten Vorkriegs-Bentleys überhaupt.

Nach einigen Besitzerwechseln steht der einsatzfähige Wagen aktuell (Dezember 2025) für 172.500 Pfund zum Verkauf. Das ist aber keineswegs der Grund, weshalb ich ihn vorstelle, es ist reiner Zufall. Kenner und Leser Pál Négyesi brachte mich darauf.

Und jetzt beurteilen Sie hier selbst, ob das ein Horror oder ein Hotrod ist. Für mich ist der Wagen beides – wie gesagt: es sind oft die Widersprüche, die den Reiz einer Sache ausmachen…

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Im Gegenlicht – meisterlich: Adler „Trumpf“ von 1932/33

Wer meinen Blog schon eine Weile verfolgt, dürfte bemerkt haben, dass ich gern eine eigene Sicht der Dinge einnehme – sowohl, was aktuelle Geschehnisse angeht, als auch die Beurteilung automobilhistorischer Phänomene betreffend.

Die Freiheit zur anderen Sicht gibt mir das Blog-Format, das ein völlig subjektives ist.

Ich kann darin frei von Verpflichtungen meinen Blick darlegen – ich habe keinen akademischen Ruf zu verlieren, ich muss auf keine Werbekunden Rücksicht nehmen, ich habe keine Vorgesetzten und keine Parteivertreter in einem Aufsichtsgremium.

Das heißt nicht, dass meine Perspektive zwangsläufig besser oder „richtiger“ ist – sie ist aber unabhängig und kennt keine Scheu vor angeblichen oder tatsächlichen Auto-Ritäten.

Das Widerständige, der Wille zur eigenen Meinung – das wurde mir nicht in die Wiege gelegt. In meiner Familie wurde man erst zum Gehorsam und dann zum Denken erzogen.

Ich habe meine Skepsis und das Bedürfnis, den Dingen selbst auf den Grund zu gehen, noch als Teenager irgendwann entdeckt, praktiziert und über die Jahre kultiviert.

Mir gefällt der Leitsatz „Im Zweifel für den Zweifel“, den ich mir von einem eigenwilligen deutschen Konservativen der Nachkriegszeit geborgt habe – Joachim Fest (1926-2006).

Wie alle interessanten Menschen war Fest „umstritten“ – wie sich das für jede wissenschaftliche Hypothese, theologische Konzepte und ästhetische Ideale gehört.

Fest begegnete mir erstmals, als ich mich Ende der 1980er Jahre für Italien zu interessieren begann. Abseits des Mainstreams den Facetten menschlicher Kultur nachzuspüren, das war das Thema von Joachim Fests meisterlichem Italienbuch „Im Gegenlicht“ (1988).

Fest hatte sich seinerzeit Italien „gegen den Strich“ vorgenommen – von Sizilien nach Norden reisend und aus einem Alltag berichtend, den ich auf meinen frühen Italienfahrten selbst noch ansatzweise erleben konnte, der aber über 30 Jahre später Geschichte ist.

Wie komme ich nun vom Fest’schen „Gegenlicht“ von anno 1988 zum Adler des Frontantriebstyps „Trumpf“ aus den Jahren 1932/33? Das ist einfach, auch wenn das Gegenlicht mit das Anspruchsvollste ist, das einem Fotografen begegnen kann.

Wie bei jeder guten Übung für Körper und Geist beginnen wir mit den einfachen Dingen, die leicht von der Hand gehen und einen ersten schönen Erfolg bescheren:

Adler „Trumpf“ Limousine von 1932/33; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Was soll man hier schon falschmachen? Das Licht ist ausreichend, drei prächtige Individuen schauen gut gelaunt und zwanglos in die Kamera und den Hintergrund gibt ein moderner Frontantriebswagen ab.

Wie am Kühleremblem ersichtlich handelt es sich um einen Adler aus Frankfurt am Main, wobei die Gestaltung der Frontpartie (noch ohne Kotflügelschürzen) verrät, dass wir es mit einem frühen Exemplar des Modells „Trumpf“ von 1932/33 zu tun haben.

Damit folgte Adler dem Trend zu Fronttrieblern, den in Deutschland Stoewer und DKW initiiert hatten, gefolgt von Audi. Im Fall von Adler steckte dahinter Hans-Gustav Röhr mit seinem Team von Selberdenkern.

Röhr, der sich mit starren Strukturen und Hierarchien schwertat, verdankt Adler seinen größten Erfolg überhaupt. Die Fronttriebler „Trumpf“ und ab 1934 „Trumpf Junior“ zählten zusammen mit den DKWs und Opels bis zum 2. Weltkrieg zu den meistverkauften deutschen Autos.

Dem Erfolg nicht im Weg stand, dass man Adlers „Trumpf“ anfangs eine ziemlich bieder anmutende Karosserie verpasst hatte – jedenfalls die Limousine betreffend. Die besaß eine Ganzstahlkarosserie von Ambi-Budd (nebenbei: wo wurde diese noch verbaut?), die noch ganz im Stil der späten 20er Jahre gehalten war:

Adler „Trumpf“ Limousine von 1932/33; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Allenfalls das Fehlen eines Trittbretts – kurioserweise ohne die naheliegende Konsequenz, den Passagierraum breiter zu gestalten – deutet hier auf die frühen 30er hin.

Die Stärke der äußeren Erscheinung des Adler Trumpf mit seinem konventionellen 1,5 Liter-Motor (32 PS) lag zweifellos auf der Frontpartie.

Hier haben wir den passenden Bildbeweis (Dank an Leser Marcus Bengsch), wobei dieses Exemplar über einen nachgerüsteten Nebelscheinwerfer an dem mittigen Bügel verfügt:

Adler „Trumpf“ Limousine von 1932/33; Originalfoto: Sammlung Marcus Bengsch

Auch wenn die Sonne von oben scheint, deutet sich das Thema „Gegenlicht“ bereits leise an – der Hintergrund wirkt grell und stört die Balance etwas.

Aber mit den Filmen der 30er Jahre war das kaum vermeidbar – speziell wenn das eigentliche Objekt dunkel gehalten war.

Noch schwieriger war es damals, einen solchen Wagen im Schnee abzulichten. Nicht, dass sich unsere Altvorderen dann nicht vor die Tür wagten – gerade der frontgetriebene Adler konnte unter winterlichen Bedingungen seine Stärken entfalten.

Doch der extreme Kontrast zwischen weißem Schnee und wiederum dunkler Lackierung überforderte das damalige Filmmaterial häufig:

Adler „Trumpf“ Limousine von 1932/33; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Bei aller Kunst des Fahrers und der Konstrukteure des Frontantriebs ist hier doch zu konstatieren, dass die Kunst des Fotografen nicht daran heranreicht.

Dennoch: So ein Dokument bekommt man nicht alle Tage zu sehen, und unter anderem deshalb finden Sie ja auch den Weg hierher, nicht wahr?

Und zurecht erwarten Sie, am Ende durch das belohnt zu werden, was die hohe Kunst der Automobilfotografie im Gegenlicht auszeichnet.

Einen ersten Vorgeschmack mag diese Aufnahme vermitteln:

Adler „Trumpf“ Limousine von 1932/33; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Zwar kommt auch hier das Sonnenlicht von oben, aber der helle Himmel überstrahlt fast alles im Hintergrund, was diesen umso geheimnisvoller erscheinen lässt.

Vielleicht vermag ja einer von Ihnen, liebe Leser, diese Flusslandschaft zu identifizieren. Zu dem Auto muss ja nichts sagen – so schnell lernt man den Adler „Trumpf“ als Limousine in der frühen Ausführung von 1932/33 selbst aus seitlicher Perspektive (er)kennen.

Bleibt die Frage, wie sich ein bis zur Erschöpfung dokumentierter Adler „Trumpf“ mit Limousinenaufbau von Ambi-Budd darstellt, wenn man ihn mal im Gegenlicht betrachtet.

Beantworten kann ich das anhand einer Aufnahme, die ich erst kürzlich erworben habe.

Sie zeigt den Adler vordergründig aus konventioneller Perspektive, bettet den Wagen aber in ein ungewohntes Umfeld ein, das den Blick in die Ferne gehen lässt – in ein geheimnisvolles Gegenlicht, vor dem sich eine wie Käpt’n Nemos „Nautilus“ anmutende Insel abzeichnet – und statuenhaft die Silhouette einer Frau, die entrückt ins Weite blickt:

Adler „Trumpf“ Limousine von 1932/33; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

DAS ist nach meiner unmaßgeblichen, aber nicht minder festen Überzeugung meisterlich.:

Der Mensch in seiner Vergänglichkeit und seine vordergründigen Schöpfungen vor der Kulisse einer Welt, die zuvor schon Milliarden von Jahren existierte und die nach uns ebenso ungerührt und für uns unergründlich fortbestehen wird.

Ob Sie nun meine Sicht der Dinge teilen oder nicht – heute haben Sie etwas vermeintlich Vertrautes gesehen wie nie zuvor – zunächst gewohnt gefällig, zuletzt hart im Gegenlicht. So sind die Realitäten und wir sollten Sie aus beiden Blickwinkeln betrachten und annehmen.

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(K)ein Fall für Spezialisten, oder doch? Röhr „Junior“

Das Jahr beginnt sich dem Ende zuzuneigen – das Geschäft lässt nach und meine Kunden bitten um Einreichung letzter Rechnungen. Die zwei, drei Wochen vor dem Jahreswechsel sind die einzigen, in denen ich Liegengebliebenes sichten und aufarbeiten kann.

Die bisher wertvollste Aktion in wirtschaftlicher Hinsicht war ein Tarifwechsel in meiner privaten Krankenversicherung. Mit nunmehr 1000 EUR Selbstbehalt pro Jahr ließ sich die Monatsprämie fast halbieren und weit günstiger als die gesetzliche Variante ist die Sache ebenfalls immer noch.

Wer glaubt, dass Privatversicherte alles erstattet bekommen und immer den höchsten Standard genießen können, der ist schief gewickelt – das wäre unbezahlbar, wenn man nicht gerade sechsstellig pro Jahr verdient.

Da es kaum Umverteilung nach Einkommen innerhalb der privaten Tarifgemeinschaft gibt, bekommt man im Lauf der Zeit die unbarmherzige Logik versicherungsmathematischer Kalkulation zu spüren – gesetzlich Versicherte ahnen nichts davon (was fatale Fehlanreize setzt). Für mich als Ökonomen ist das in Ordnung.

Die nächste wertvolle Aktivität – nunmehr in ideeller Hinsicht – war das Durchgehen des Stapels an Dokumenten auf meinem Tafelklavier von 1800 – ein Stück von Thomas Preston aus London, an dem nur noch einige Tasten funktionieren, vor vielen Jahren bei ebay für den Gegenwert einer alten Vespa gekauft (dies zum Beweis, dass sich der Blogwart nicht nur für altes Blech erwärmt).

Dort entdeckte ich nun etwas wieder, was mich zum heutigen Blog-Eintrag veranlasste. Fortuna wollte es zudem, dass ich heute abend einen noch unbearbeiteten Abzug auf meinem Schreibtisch wiederfand, der zu der Entdeckung auf dem Tafelklavier passt.

Ob das nun ein Fall für Spezialisten ist oder eher nicht, das werden wir im Folgenden anhand des leicht überarbeiteten Fotos klären:

Röhr „Junior“ Limousine; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Eine schöne Aufnahme zweifellos, aber sicher kein Fall für Experten, oder?

Der herzförmige Kühlergrill, die drei waagerechten Haubenschlitze und das einem Thorshammer ähnelnde Markenemblem lässt keinen Zweifel: Das ist ein Röhr „Junior“ 6/30 PS – ein von 1933-35 hergestellte Lizennachbau des Tatra 75.

Das Modell, das den Röhr-Werken aus Ober-Ramstadt aus ihrer durch Bau genialer, aber unrentabler Wagen selbstverschuldeten Misere helfen sollte, wurde nach meinem Eindruck vor allem als Cabrio-Limousine verkauft.

Jedenfalls besaß keiner der bisher von mir vorgestellten Wagen dieses Typs einen geschlossenen Aufbau wie das Exemplar auf obigem Foto.

Das macht diese Limousine noch nicht zum Fall für Experten, denn sie ist in der Literatur gut dokumentiert – die Karosserien kamen von Drauz aus dem nahegelegenen Darmstadt.

Das kann man alles so schon in der Standardliteratur zu deutschen Vorkriegsautos nachlesen. Doch ist die Marke Röhr selbst ein klarer Fall für Experten – für „den“ Experten, um es genau zu sagen, nämlich Werner Schollenberger.

Er hat unter anderem im humorvoll benamten Karren Verlag eine detailreiche Betrachtung unter dem Titel „Röhr – Die Automobilkonstruktionen von Hans-Gustav Röhr und Joseph Dauben“ vorgelegt.

Der Röhr Junior spielt dort nur eine untergeordnete Rolle, denn er war ja keine echte Röhr-Konstruktion mehr. Doch ist es das Exemplar dieser empfehlenswerten Publikation, das ich heute wiederfand, welches mich inspirierte.

Leser Gottfried Müller hat es mir vor einiger Zeit mit einer freundlichen Widmung vermacht – vor allem aber versehen mit dieser Originalzeichnung von eigener Hand:

Originalzeichnung von Gottfried Müller; aus Sammlung Michael Schlenger

Auf gekonnte und zugleich ironische Weise wird hier das Spezialistentum illustriert, das sich im Zuge jahrelanger Beschäftigung mit Vorkriegsautos entwickeln und praktizieren lässt.

Für dieses herrliche Opus möchte ich mich bei der Gelegenheit in aller Öffentlichkeit bedanken, ebenso für die Übersendung besagten Röhr-Buchs, das auch ein treffliches Weihnachtsgeschenk abgibt.

Jetzt kommt das „aber“: Ich selbst verstehe mich gar nicht als Experte – jedenfalls nicht für irgendeine Vorkriegsmarke. Auch „weiß“ ich nur das über einzelne Hersteller und Fahrzeugtypen, was andere bereits irgendwo nieder- oder selber abgeschrieben haben.

Von daher sehe ich mich eher als Universalist, der sich für (fast) alles interessiert und von allem etwas versteht, aber von nichts Genaueres als andere weiß.

Experte bin ich allenfalls in der Bildanalyse, der Besprechung stilistischer Details und dem Versuch einer Chronologie anhand äußerer Merkmale bei wenig oder gar nicht abgedeckten Autos. Das liegt mir und das hilft mir bei der Identifikation von Typen, an denen mancher sich vergebens abgearbeitet hat.

Gottfried Müller hat aber letztlich auch das mit seiner Zeichnung trefflich thematisiert. Dem Experten überlasse ich nun nur noch die Frage, wo genau der Röhr „Junior“ auf dem heute vorgestellten Foto aufgenommen wurde.

Das Kennzeichen verweist m.E. auf das sowjetisch besetzte Thüringen der ganz frühen Nachkriegszeit. Im Hintergrund sieht man ein großzügiges Fachwerkhaus mit aufwendigem Sockelgeschoss im hierzulande eher seltenen Renaissancestil.

Dieses Detail scheint mir auf eine einst wohlhabende Kaufmannstadt mittlerer Größe zu verweisen – wer kann es aber genau sagen? Das wäre dann wirklich ein Fall für Experten!

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Kommt mir spanisch vor… Hudson Tourer von 1925/26

Mein Fundus an Vorkriegs-Autofotos umfasst unzählige Fahrzeuge, deren Identität mir absolut rätselhaft ist.

Dazu passend stellte heute ein Mitglied meiner internationalen Vorkriegsauto-Gruppe auf Facebook einen faszinierenden Wagen vor, der einst in Bukarest zugelassen war und eine spektakuläre Karosserie aus der Zeit um 1930 besaß.

Das Auto vereint Elemente, die einem von anderen Fahrzeugen der Zeit vertraut sind, dann wiederum verweist einiges auf eine frühere Entstehung. All das kommt einem ziemlich spanisch vor, würde man landläufig sagen, wenn etwas rätselhaft erscheint.

Dermaßen rätselhaft geht es auf der Aufnahme, die heute präsentiere, zwar nicht vor. Tatsächlich lässt sich das abgebildete Auto ziemlich präzise ansprechen. Und doch kommt mir das Ganze etwas spanisch vor:

Hudson Tourer von 1925/26; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Die hell gestrichenen, abweisend wirkenden Mauern im Hintergrund mit barocken Fenstern würde ich auf jeden Fall im Süden Europas verorten. Da es das in Italien so nur sehr vereinzelt gibt und die Kennzeichen dort anders aussahen, würde ich sagen:

Das kommt mir ziemlich spanisch vor!“ Ein Kenner wird es gewiss anhand der Gestaltung des Nummernschilds genau ermitteln können.

Sicher bin ich mir jedenfalls, was den im harten Licht der Mittagssonne aufgenommenen Tourenwagen angeht – das ist ein Modell von 1925/26 des US-Herstellers Hudson.

Die Kühlergestaltung mit den horizontalen Lamellen und dem dreieckigen Markenemblem ist typisch für die Hudsons von Mitte der 20er Jahre. Die Autos der Schwestermarke Essex wiesen einige Ähnlichkeit auf, waren aber kleiner.

Beim Hudson von 1925/26 – als „Super Six“ bezeichnet – handelte es sich um einen Mittelklassemodell, das in den Staaten nach Verkaufszahlen gleich hinter den Volksautomobilen von Ford und Chevrolet kam.

Rund 180.000 Stück dieses Modelljahrgangs brachte Hudson in der amerikanischen Mittelschicht an den Mann. Aus europäischer Hinsicht unvorstellbar ist, dass es sich um ein 70 PS-Sechszylindermodell handelte – das war diesseits des Atlantiks Luxusklasse.

Und dennoch landeten einige dieser Wagen auch bei solventen Käufern in Europa – so das heute vorgestellte – das müssen wir uns näher anschauen:

US-Fabrikate waren in Südeuropa neben Fiats praktisch die einzigen in größerer Anzahl verfügbaren Automobile. Die vor dem 1. Weltkrieg in ganz Europa präsenten deutschen Fabrikate vermochten diesen brachliegenden und wachsenden Markt nicht zu nutzen.

Während sich deutsche Kapitalgeber heillos mit der Finanzierung Dutzender Kleinstwagenhersteller verzettelten, für die es gar keinen Markt in Deutschland gab, blieb die Gelegenheit ungenutzt, durch Skalierung etablierter Fabrikate im Ausland zu expandieren, wenn schon das heimische Absatzpotenzial so gering war.

Diese enorme Geschäftschance erkannten die US-Hersteller und sie eroberten vor allem die Märkte in Europa, die keine eigene Autoproduktion besaßen. Auch das würde zu meiner These passen, dass der hier abgelichtete Hudson in Spanien unterwegs war.

Aber eines kommt mir an dem Auto spanisch vor:

Sahen die Nabenkappen der Räder bei Hudson damals nicht anders aus? War statt eines eingetieften Sechsecks dort nicht ein erhabenes Dreieck zu sehen wie an dem folgenden Hudson-Tourer der frühen 1920er Jahre, den ich vor langer Zeit vorgestellt habe?

Hudson Tourenwagen der frühen 1920er Jahre; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Merkwürdig, nicht?

Ich kann mir dies nur damit erklären, dass Hudson bei den optional erhältlichen Drahtspeichenräder eine andere Gestaltung bevorzugte – warum auch immer. Aber vielleicht weiß es jemand unter Ihnen besser oder genauer.

Übrigens: Bei der Vorstellung des zuletzt gezeigten Fotos war mir seinerzeit aufgefallen, wie klein der Herr daneben erscheint. Das kann im Einzelfall natürlich einem „Ausreißer“ nach unten geschuldet sein.

Doch bei der Beschäftigung mit dem 1925/26er Hudson bemerkte ich heute, dass dieser Mittelklassewagen (nach US-Maßstäben) beeindruckende Proportionen aufwies.

Das können Sie anhand des Exemplars im folgenden Video aus den USA nachvollziehen. Der dort vorgestellte Wagen besaß zwar eine geschlossene Karosserie, dennoch werden die Dimensionen des Hudson Super Six deutlich.

Neben der repräsentativen äußeren Erscheinung dieses Exemplars ist die offenbar originale Innenausstattung hervorzuheben – es lohnt sich also, einmal hineinzuschauen.

Der Sprecher spricht recht klares Ostküstenamerikanisch – zumindest das sollte Ihnen bei solidem (und nicht völlig eingerostetem) Schulenglisch also nicht spanisch vorkommen…

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Klassentreff beim Glocknerwirt: BMW 326 und Steyr 50

Kurze Tage, grauer Himmel, Regen ohne Ende – nichts als schlechte Nachrichten im alten Europa. Was soll man da tun, um nicht in Depression zu verfallen?

Nun, als Erstes empfehle ich eine therapeutische Katzupunktur. Die geht so: Man legt sich am Sonntagnachmittag bäuchlings aufs Bett und wartet bis die Gefährtin zu einem kommt – die verführerisch Schauende mit dem Seidenpelz und den vier schlanken Beinen.

Meine heißt Ellie und weiß genau, was in solchen Fällen zu tun ist. Sie klettert auf mich und beginnt, ausgiebig auf dem Rücken herumzutreteln. Durch’s T-Shirt spürt man die Wärme ihrer Pfoten, aber auch die nur halbeingezogenen Krallen.

Das geht eine ganze Weile so – kein Nerv bleibt hier ohne punktgenaue Ansprache. Manchmal wandert Ellie dabei bis zum Nacken hoch, doch meist klettert sie nach getaner Arbeit herunter, legt sich neben mich und schläft ein.

Wer dann immer noch therapiebedürftig ist, dem ist kaum zu helfen. Im Fernsehen politisch korrekt verklemmter Quark oder Kitsch von annodazumal. Das entnehme ich Kommentaren Dritter, denn ich selbst ignoriere dieses Medium seit über 30 Jahren.

Also bleibt nur dieser Blog, der heute die Titel deutscher Heimatfilme der Nachkriegszeit persifliert. Während in Frankreich und Italien Streifen auf höchstem Niveau auch am Massenmarkt reüssierten, produzierte die deutsche Filmbranche damals kaum etwas, was internationalen Standards gerecht wurde.

„Klassentreff beim Glocknerwirt“ – das erinnert an geschmacksbefreite Produktionen, die vor Alpenkulisse spielten und das Spießerideal der heilen Welt bedienten, während andernorts Kunstfilme die wahren Befindlichkeiten einer zerrütteten Kriegsgeneration ansprachen.

Kein Wunder, dass verkannte Größen wie Romy Schneider erst in Frankreich ihr Können entfalten konnten. Nicht unerwähnt bleiben darf auch Helmut Berger, der außerhalb des deutschen Sprachraums zur Meisterschaft aufstieg.

Aber verflixt – die beiden stammten ja aus Österreich! Wer aus Deutschland hatte diese Klasse und diesen internationalen Erfolg damals? Vorschläge gern per Kommentar, denn heute geht es um so ein „Klasse(n)-Treffen“ mit Teilnehmern aus beiden Ländern.

Beim Glocknerwirt also trafen sich kurz vor dem 2. Weltkrieg diese beiden Vertreter verschiedener Klassen – aber jeweils Primus in ihrer Klasse, meine ich. Und das sah so aus:

BMW 326 und Steyr 50 „Baby“ in Heiligenblut; originale Postkarte aus Sammlung Michael Schlenger

Na, wird einem hier nicht ganz warm ums Herz? Sonne satt vor einer alpinen Kulisse, die bis heute kaum verändert ist. Auch das Traditionshaus „Glocknerwirt“ gibt es noch.

Bloß die beiden Wagen, die rechts gegenüber geparkt waren, sind längst Geschichte. Dabei waren das einst ideale Vertreter ihrer Klasse – beide habe ich erst vor kurzem gewürdigt.

Vorne haben wir den BMW 326 – eine komfortable Reiselimousine mit drehfreudigem 2-Liter-Sechszylinder (50 PS) und dem typischen BMW-Gesicht mit Doppelniere, das am deutschen Markt einzigartig war.

Hier hatte ich diesen bis heute ikonischen BMW anhand mehrerer Exemplare vorgestellt – daher will ich das von 1936 bis 1941 gebaute Modell heute nicht vertieft betrachten.

Interessanter ist bei diesem Klasse(n)treffen ohnehin der Vertreter der Kleinstwagenkategorie im Hintergrund – der Steyr 50 mit Spitznamen „Baby“:

Das „Baby“ aus dem österreichischen Hause Steyr war ebenfalls vor kurzem Gegenstand einer (erstmaligen) Betrachtung (hier).

Heute sehen Sie dieses kleine Meisterwerk endlich von der Seite. Keinem deutschen Hersteller gelang in den späten 1930er Jahren ein dermaßen überzeugender und am Markt erfolgreicher Wurf in der Kleinstwagenklasse.

„Small is beautiful“ – was für Österreich als aus der Katastrophe des 1. Weltkriegs geborenes Gesamtkunstwerk gilt, lässt sich auch für den ultrakompakten und dennoch familientauglichen Steyr 50 sagen.

In der Seitenansicht wird einem klar, warum es damals Firmen gab, welche die Nachrüstung eines hinteren Seitenfensters anboten – dessen Fehlen wohl der einzige Makel dieses ansonsten hervorragenden Entwurfs war.

Auch wenn es etwas abseitig erscheint, muss ich Ihnen abschließend noch ein weiteres Dokument aus der Kategorie „Klasse(n)treffen“ zumuten. „Leider“ wieder beschränkt auf Protagonisten aus Österreich, aber herrje, der Glocknerwirt befindet sich ja auch dort und Deutsche spielen dort von jeher nur eine Nebenrolle.

Kennen Sie die unsäglichen deutschen Sissi-Filme mit der erwähnten Romy Schneider? Aber kennen Sie auch die thematisch verwandte italienische Produktion „Ludwig II.“ von 1973 mit ihr und dem erwähnten Landsmann Helmut Berger?

Das, was die beiden dort abliefern, ist eine Klasse für sich – kein deutscher Historienschinken erreichte dieses unerhört doppelbödige Niveau.

Gut gefällt mir bereits die vor Spannung knisternde Begrüßung zwischen dem Bayernkönig Ludwig und Sissis Schwester Sophie (0:22 bis 0:28). Aber auch das süffisante „Nun, Cousin…“ ab 1:29 ist großartig. Sehen und genießen Sie einfach diese dem historischen Personal entsprechend bizarre Meisterschaft…

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Eine komplizierte Geschichte: Wanderer W40-50 Limousine

Eine komplizierte Geschichte – darauf kann man sich vielleicht als Minimalkonsens einigen, wenn man den Beitrag Deutschlands zur europäischen Geschichte seit Gründung des Nationalstaats im späten 19. Jh. auf eine einfache Formel bringen will.

Dies spiegelt sich auch in der verwickelten Historie der Sechszylinder-Modelle der sächsischen Marke Wanderer in der zweiten Hälfte der 1930er Jahre wider.

Zuletzt hatte ich diese mit 2 bzw. 2,3 Liter Hubraum verfügbaren, zwar technisch konservativen, doch großzügigen Wagen anhand der offenen Versionen hier vorgestellt.

Bei dieser Cabriolet-Schau hatte ich eine Aufnahme ausgelassen, die ich heute nachreichen möchte, bevor wir uns den geschlossenen Varianten zuwenden:

Wanderer W40, 45 oder 50 Cabriolet; Fahrzeug der Wehrmacht, aufgenommen in Stalino (Ukraine)

Dieses schicke Wanderer-Sechszylindercabrio gehörte zu einem unbekannten deutschen Militärverband, der sich im 2. Weltkrieg in der Stadt Stalino an der Ostfront aufhielt.

Die in der Südostukraine gelegene Stadt wurde später in Donezk umbenannt. Von 1941 bis 1943 war Stalino in deutscher Hand und war der zentrale Ort in der Region, von dem aus ein systematischer Genozid stattfand.

Zwischen 300.000 und 350.000 Menschen – Juden, russische Kriegsgefangene und ukrainische Zivilisten – sollen damals Opfer von Massenerschießungen, Zwangsarbeit und Vergeltungsaktionen durch deutsche Kräfte geworden sein.

Das repräsentative Gebäude im Hintergrund war die damalige Gestapo-Zentrale am Pracht-Boulevard der Artema-Straße. In den dortigen Kellern fand mehr oder weniger das Gleiche statt wie zuvor, als der kommunistische NKWD dort „wirkte“:

Wanderer W40, 45 oder 50 Cabriolet; Fahrzeug der Wehrmacht, aufgenommen in Stalino (Ukraine); Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Diese Koinzidenz kann nicht überraschen, da alle totalitären Ideologien das nicht-konforme Individuum zum Feind haben und keine Mittel scheuen, ihre absolute Herrschaft durchzusetzen.

Die fixen Ideen, mit denen das jeweils „begründet“ wird und die dabei bevorzugten Farben, Symbole und Schlagworte sind Folklore für kleine Geister, die darauf hereinfallen.

Es gab und gibt letztlich nur den Gegensatz zwischen dem kollektivistischen, Gehorsam einfordernden Untertanenstaat und der auf freiwilliger Kooperation und Abstimmung beruhenden Bürgerrepublik, in der die Politiker (idealerweise) bloß Angestellte auf Zeit sind.

Daher interessieren auch die ganzen Attribute und Verortungen in einem Links-Mitte-Rechts-Schema nicht – entscheidend ist „auf dem Platz“, wie ein Fußballer mal sagte.

Nachdem wir dieses nie endende Thema gestreift haben, kommen wir nun zum abgeschlossenen Kapitel der Geschichte.

Denn nachfolgend bringe ich nur noch Fotos von Limousinen, wenngleich uns die Zeitgeschichte auch hier unweigerlich begleiten wird, immerhin weniger schockierend.

Im Gegenteil ganz schön anzuschauen ist doch dieses Dokument, das links eine Wanderer-Limousine zeigt:

Wanderer-Limousine, Typ W 40, 45 oder 50; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Welcher Motor hier unter der Haube arbeitete und wieviele Seitenfenster der Aufbau des Wanderer hatte – das muss offen bleiben und damit die genaue Zuschreibung als Typ 40, 45 oder 50.

Kaum einfacher ist die Sache im Fall der Wanderer-Limousine auf dem folgenden Foto. Der Wagen war im Dienst des Reichsarbeitsdienstes (RAD) – einer 1935 eingeführten Zwangsarbeitsorganisation für junge Deutsche mit militärischem Charakter – darauf deutet jedenfalls die Aufmachung des Herrn hin, der neben dem Auto posiert:

Wanderer-Limousine, Typ W 40 oder 50; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Kaum überraschend war die Effektivität des RAD meist gering. Er band hunderttausende junger Männer ohne marktgerechte Bezahlung in Propagandaprojekten wie Autobahnen für ein Volk ohne Autos, während die deutsche Industrie unter Arbeitskräftemangel litt.

Zum Auto ist Folgendes zu sagen: es wurde nach Beginn des 2. Weltkriegs aufgenommen, da es die dann vorgeschriebenen Tarnüberzüge auf den Scheinwerfern aufweist. Der Wagen sieht schon ziemlich mitgenommen aus – aber so ist das nun mal, wenn es nicht das eigene Fahrzeug ist, für das man verantwortlich ist.

Noch vor dem Krieg entstand folgendes Foto, auf dem wir solch einen Wanderer in gepflegtem oder gar neuwertigen Zustand sehen:

Wanderer-Limousine, Typ W 40 oder 45; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Auch hier kommen der kleine und der „große“ Sechszylinder in Betracht – wir haben es also mit einem W40 oder einem W45 zu tun. Nur wenn so eine Limousine sechs Seitenfenster hatte, handelte es sich um einen Typ W 50, der immer den 2,3 Liter-Motor besaß.

Einige dieser geräumigen und hochwertigen Wagen überstanden den 2. Weltkrieg.

Entweder blieben sie in Hand ziviler Nutzer mit entsprechender Erlaubnis oder sie kehrten wieder in Privatbesitz zurück, wenn vom Militär genutzte Exemplare nach Kriegsende herrenlos und mit leerem Tank irgendwo herumstanden.

Hier haben wir ein Beispiel mit Zulassung in der DDR in den späten 1950er Jahren:

Wanderer-Limousine, Typ W 40, 45 oder 50; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

In diesem Fall ist nun wieder alles möglich: W 40, 45 oder 50. Eigentlich kann es uns heute auch egal sein wie den damaligen Besitzern, denn jedes Auto war nach dem Krieg wertvoll.

Speziell im Vergleich zu den automobilen Hervorbringungen des Sozialismus in Ostdeutschland darf man sagen, dass ein Vorkriegswagen das Beste war, was man kriegen konnte, solange sich die Fuhre noch mit verbliebenen Ersatzteilbeständen am Laufen halten ließ und der Kraftstoffverbrauch nicht exorbitant war.

So konnte die junge Generation auch unter den zunehmend totalitären Verhältnissen der Deutschen Demokratischen Republik – merke: was auffallend betont wird, ist selten gegeben – durchaus ihren Spaß im Privaten haben.

Viele damalige Oldie-Besitzer hatten den Westdeutschen voraus, dass sie wussten, wo es in Zukunft lang gehen würde – jedenfalls in punkto Vorkriegsauto:

Wanderer-Limousine, Typ W 40, oder 45; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Da wir es hier mit einer Vierfenster-Limousine zu tun haben, können wir den Wanderer Typ W50 ausschließen.

Das hilft uns aber nicht viel, da wir immer noch nicht sagen können, ob unter der Haube der 2-Liter-Motor (W40) oder die 2,3 Liter-Variante (W45) arbeitete.

Oberflächlich zusätzlich kompliziert wird die Geschichte durch die nicht mehr originalen Stoßstangen (sie könnten von einem DKW stammen) und die nachgerüsteten Blinker.

Aber das passt zur verwickelten Geschichte unseres Landes, die einen begleitet, wenn man sich mit dem Fortleben dieser Vorkriegswagen über die Jahre und Jahrzehnte beschäftigt…

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Millionär, aber bodenständig: Chevrolet von 1928

Aus eigener Erfahrung weiß ich: Die erste Million ist am schwersten. Denn egal wie ich rechne – ich bin immer noch weit davon entfernt und auch die schöne Zeit der Lire-Scheine ist leider vorbei, in der das Millionärsdasein relativ leicht war.

Das ist aber nicht weiter schlimm, denn wirklich leicht wird das Leben ohnehin erst ab der zweiten Million – das Foto, das ich Ihnen heute präsentieren will, bestätigt das.

Ford brauchte mit seinem Model T von 1908 bis 1920, bis erstmals die Produktion von 1 Million Fahrzeugen pro Jahr gelang. Leichter war dann der Weg bis zu 2 Millionen, diese Zahl schaffte man nämlich 1923.

Man nimmt das so gelassen zur Kenntnis, aber wenn man einmal darüber nachdenkt, ist das aus heutiger Sicht unglaublich. 1 Million Wagen pro Jahr, das waren bei sechs Arbeitstagen pro Jahr über 3.000 Stück pro Tag.

Möglich war das nicht nur dank der Fließbandmontage, sondern insbesondere durch intelligente Verteilung der Produktion auf über 20 Standorte in Nordamerika. Die Organisation einer identischen Fabrikation an so vielen Orten gleichzeitig mit demselben Standard bleibt angesichts der damaligen Mittel eine bewundernswerte Leistung.

Fords schärfster Konkurrent Chevrolet brauchte für die erste Million deutlich länger – 1927 überschritt man die Marke. Die zweite Million war dann ein Kinderspiel, sie gelang anno 1928. Und mit jeder weiteren Million – also jährlich – änderte sich auch das Erscheinungsbild des Chevy geringfügig, doch so markant, dass man die Jahrgänge unterscheiden kann.

Die Exemplare des Modelljahrs 1928 lassen sich gut an dem in einem ovalen Feld eingefassten Kühleremblem erkennen:

Chevrolet von 1928, aufgenommen vor Schloss Solitude; Originalfoto: Sammlung Plag

Technisch ist dieses Foto, das mir Michael Plag bereits vor einigen Jahren in digitaler Form zur Verfügung gestellt hat, ganz hervorragend.

Allerdings ist zu konstatieren, dass es den beiden Herren aus Provinz Starkenburg im südlichen Hessen doch erkennbar an Bodenhaftung mangelte. Auch die Inszenierung vor Schloss Solitude in Stuttgart wirkt etwas neureich.

Dass sich so ein Millionär mit vier Rädern auch viel bodenständiger in Szene setzen lässt und das Ergebnis gleichwohl sehr reizvoll ist, das will ich Ihnen heute beweisen.

Tatsächlich macht sich genau so ein 1928er Millionseller aus dem Hause Chevrolet auch in einem weit moderat erscheinenden Umfeld ganz ausgezeichnet. Er war ja genau für solche braven Leute gemacht, die in adretten Holzhäusern lebten.

Das war allerdings im vorliegenden Fall nicht irgendwo in den Staaten, sondern auf dem Lande wohl im Umfeld von Berlin, wo dieses Exemplar zugelassen war:

Chevrolet von 1928; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Hier finden sich – vom Misthaufen abgesehen – alle Elemente wieder, die ich im letzten Blog-Eintrag hervorgehoben hatte und die uns heute wie angekündigt wieder begegnen, wenn auch in abgewandelter Form.

Die Damen sind hier zwar in höheren Sphären angesiedelt, doch steht bei Bedarf eine Leiter zur Verfügung, sollte jemand das Bedürfnis verspüren, eine von ihnen auf dem kürzesten Wege aus ihrer „Miss-lichen Lage“ zu befreien.

Natürlich wäre das nur einem ausgewiesenen Gentleman erlaubt, der sich zu benehmen weiß, solange das gewünscht wird. Er sollte zudem über gewisse Mittel verfügen, um als attraktiv wahrgenommen zu werden.

Ein wackerer Schäferhund, der ganz verliebt dreinschaut, weist den einwandfrei gekleideten Herrn schon einmal als sensiblen Kenner des Animalischen aus. Der Besitz eines bodenständigen Wagens lässt zudem einen wirtschaftlich soliden Zeitgenossen vermuten:

Habe ich etwas vergessen in der Aufzählung dessen, was ein perfektes Autofoto der Vorkriegszeit ausmacht?

Vermissen Sie technische Details wie den Hubraum (2,8 Liter) des Vierzylindermotors (Seitenventiler) oder die PS-Zahl (35)? Vermutlich kaum – denn die Wirkung dieser Aufnahme beruht auf anderen Elementen.

Ergänzen möchte ich nur, dass dieses Auto in den USA für die breite Masse erschwinglich war – praktisch für jedermann, der einer regelmäßigen Arbeit nachging. Im armen Deutschland der 1920er Jahre sah das ganz anders aus – dort war selbst so ein Chevy nur für weit überdurchschnittlich Verdienende erreichbar.

Für die wenigen, die sich hierzulande so etwas leisten konnten, war das meist das erste eigene Auto und entsprechend bodenständig präsentierte man sich, auch wenn man zu einer internationalen Millionärsschicht gehörte – den Besitzern des 1928er Chevrolet!

Dass man in der deutschen Oldtimerszene des 21. Jh. dieses Fahrzeug praktisch nicht findet, obwohl es einst durchaus einige Käufer fand, finde ich merkwürdig. So etwas ist repräsentativer für den Markt im Vorkriegsdeutschland als das meiste, was man sonst an ausländischen Fabrikaten zu Gesicht bekommt.

Ich gönne ja jedem Millionär seinen Bentley oder Bugatti, aber so ein bodenständiger Vertreter seiner Art aus dem Hause General Motors von 1928 dürfte heute an Seltenheit hierzulande alles in den Schatten stellen.

In den Staaten bekommt man so ein Gerät immer noch für deutlich weniger als 10.000 Dollar – vielleicht eine Idee für jemanden, der sich einen bezahlbaren US-Klassiker zulegen will und dem die Fords jener Zeit zu allgegenwärtig sind.

Ein bisserl abheben mag man sich dann ja doch ganz gerne, wobei die Bodenhaftung mit so einem Vertreter einer einstigen US-Millionärsdynastie immer noch gegeben ist…

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Ob die Miss den Mist vermisst? Citroen B2 Tourer

Die Betätigung als Blogger ist anspruchsvoll, wenn man sich an einem nicht ganz trivialen Thema abarbeitet und wenn man von der überschaubaren Zahl derer wahrgenommen werden will, die sich im deutschen Sprachraum noch für Vorkriegsautos erwärmen.

Man muss ständig etwas Neues bieten und das bei einem Gegenstand, der von manchen als abgeschlossenes Kapitel betrachtet wird. Tatsächlich ist das Feld aber noch fruchtbar und in weiten Teilen unbeackert, gerade in Bezug auf deutsche Marken.

Die Vorteile des Formats überwiegen für mich. Da ich für keine ernsthafte Publikation schreibe und mich zudem unentgeltlich mit meinen Betrachtungen exponiere, kann ich wie ein freischaffender Künstler so ziemlich alles machen, was ich will.

Was mir nicht gefällt oder was mich nicht interessiert, wird entsprechend stiefmütterlich behandelt – die Freunde des Hanomag 2/10 PS „Kommissbrot“ wissen ein Lied davon zu singen. Sie sollen trotzdem ihren Spaß mit dem skurrilen Minimalgefährt haben.

Auch muss ich keine „Gebote“ politischer Korrektheit beachten – ohnehin ein albern-autoritäres Konzept in einer sich liberal dünkenden Gesellschaft. Ich kann beliebige subjektive Standpunkte einnehmen und mehr oder weniger fundierte Werturteile abgeben. Ich kann mich vom Tagesgeschehen in einer zunehmend irren Zeit inspirieren lassen oder ins Grundsätzliche, Überzeitliche, Philosophische gehen.

Und bei alledem kann ich wissentlich oder unwissentlich auch den größten „Bullshit“ von mir geben, wie die unverblümt redenden Amerikaner es zu formulieren pflegen. Im Deutschen würde man sagen: Mist erzählen.

Damit wären wir beim Thema, das Sie so vermutlich nicht ganz so konkret erwartet hätten. Denn heute gehe ich tatsächlich genau der Frage nach, ob die Miss den Mist vermisst, den jemand hier angerichtet hat:

Citroen Typ B2; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Man muss schon ein Faible für für das Landleben haben, um sich mit seinem Auto ausgerechnet vor dem Misthaufen anderer Leute ablichten zu lassen.

Dass diese Herrschaften (m/w/d…) die Besitzer des unübersehbar rustikalen Anwesens waren, wage ich zu bezweifeln.

Auszuschließen ist es zwar nicht, sofern wir es mit einem lukrativen Gutshof zu tun haben. Doch ich tippe hier eher auf Besucher aus der Stadt beim Verwandtenbesuch auf dem Land.

Als „feine“ Leute ausgerechnet so zu posieren, das bedarf eines gewissen abseitigen Humors, der mir sympathisch ist. Die Daheimgebliebenen sollten sehen, was für einen Haufen Mist die bodenständig gebliebene bucklige Verwandschaft angerichtet hatte.

Dabei scheint es auf den ersten Blick so, als ob die Miss in der Mitte mit der ausgestreckten Hand die Höhe des Haufens misst: „So hoch ist hier der Mist!„.

Doch tatsächlich hat sie nur die Hand auf den Scheibenrahmen gelegt. Dass sie den Mist solchermaßen vermisst, ist daher ebenso unwahrscheinlich wie dass sie ihn nach der Heimkehr in die Stadtvilla vermisst.

Genug der fragwürdigen Wortspiele. Ein wenig Fakten können nicht schaden, wenngleich die Versierten unter Ihnen bereits erkannt haben dürften, dass der abgelichtete Tourenwagen ein Citroen der frühen 1920er Jahre war.

Die Kühlerform, der Tankdeckel vor der Frontscheibe und der langestreckte Vorderkotflügel waren typisch für das Volumenmodell B2 – mit 1,5 Liter-Vierzylinder und 20 PS Leistung ein solides Auto der unteren Mittelklasse.

Fast 90.000 Exemplare wurden davon zwischen 1921 und 1926 gebaut, etliche wurden auch in Deutschland abgesetzt. Ich meine aber, dass wir es hier eher mit einem Exemplar zu tun haben, das Besitzern in Frankreich gehörte.

Nicht unerwähnt bleiben soll, dass mir hier das Nebeneinander aus Mensch, vierrädriger Maschine und seit Jahrtausenden treuem vierbeinigen Begleiter besonders gefällt.

Genau diese in immer neuen Varianten reizvolle Konstellation wird Ihnen beim nächsten Blog-Eintrag begegnen. Und wieder werden Sie feststellen, dass auch automobile Massenware ganz großartige Wirkung entfalten kann, wenn man sie gekonnt als Familienmitglied inszeniert – in dieser Hinsicht hat damals selten einer „Mist gebaut“…

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Ganz einfach ist am schwersten: Presto F/G von 1927/28

Wer wie ich – viel zu spät – als Kind das Klavierspielen (leidlich) lernte, der hatte seine ersten Erfolgserlebnisse vermutlich bei Werken von Meister Mozart.

Technisch sind seine Pianosonaten selten anspruchsvoll, man beherrscht sie rein mechanisch recht schnell. Doch ihnen ihre eigentliche musikalische Qualität zu entlocken, das ist so schwer, dass es einem erst mit viel Erfahrung gelingt (vielleicht).

Aber herrje, Fremdsprachen sprechen lernt man bekanntlich auch nicht in der Schule trotz jahrelanger Bemühungen. Später gelingt es dann meist binnen kurzem mühelos – wenn man sich möglichst vielen Eindrücken aussetzt und selbst praktiziert.

Einen ähnlichen Fall will ich Ihnen heute vorstellen – anhand eines Wagens der späten 1920er Jahre, der so verflixt simpel gestaltet ist, dass es zunächst verdammt schwerfällt, ihm seine Identität zu entlocken:

Presto Typ F 10/50 PS oder G 12/55 PS; Orignalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Den Vergleich mit Mozarts Werken würde man hier nicht ziehen wollen, wenngleich wir es mit einer beeindruckenden Komposition aus Stahl, Holz, Leder und Gummi zu tun haben.

Auch macht der Herr davor durchaus den Eindruck, gesellschaftsfähig zu sein – nur geht ihm die oft ans Unverschämte grenzende Lässigkeit ab, die den in seiner Tiefe unterschätztesten der großen deutschsprachigen Komponisten auszeichnet.

„Miet-Wagen“ steht auf der 6-Fenster-Limousine geschrieben – ein Attribut, das so irreführend ist wie die Bezeichnung „Sonata facile“ im Fall von Mozarts Pianosonate Nr. 16.

Das war kein Auto für in prekären Verhältnissen am Prenzlauer Berg lebende Presseleute, die zum Besuch bei den herrlich abgelegen im Oderbruch residierenden Eltern widerwillig eine dieser kapitalistischen Benzinkutschen ausleihen mussten.

Nein, so einen Repräsentationswagen mit zeitgemäßem 6-Zylindermotor und gut 50 PS ließ man nebst Fahrer kommen, wenn man es sich leisten konnte und es etwas Großes zu feiern gab – eine Hochzeit oder auch eine lukrative Scheidung (kleiner Scherz).

Da hatte man nun so ein Prestigegerät geordert und es war auch alles fein daran. Aber was um Himmels willen sollten die Nachbarn denken? Die konnten doch bei einer so simplen Linienführung gar nicht erkennen, was man sich da Prächtiges geleistet hatte!

Tja, genau so verhält es – alles, was man sieht, sieht einfach genauso aus wie bei einem x-beliebigen Wagen jener Zeit. Doch während andere Fabrikate immer irgendwo einen Markenakzent zu setzen wussten, fehlt dieser hier vollkommen.

Die vollkommene Einfachheit ist es, die am Ende den Schlüssel zur Erkenntnis in diesem scheinbar so schweren Fall liefert. Mit einiger Erfahrung öffnen sich die Augen und man stellt fest, dass sich alles wunderbar zusammenfügt und alles seinen rechten Platz hat.

Man braucht nur den Maßstab dafür, den einem die Erfahrung liefert – hier in Form dieses Fotos:

Presto Typ F 10/50 PS oder G 12/55 PS; Orignalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Diesen Typ F bzw. G der sächsischen Traditionsmarke Presto – weiß der Himmel, warum man zwei Motoren mit gerade einmal 5 PS Leistungsunterschied anbot – habe ich hier vor einigen Jahren vorgestellt.

Jedenfalls bin ich sicher, dass es nun ganz leicht ist, die Schwierigkeit der einfach beliebig erscheinenden Limousine auf dem ersten Foto zu meistern.

Kleine Unterschiede sind vorhanden, aber insgesamt fügt sich alles zu einem stimmigen Bild zusammen. Auch der eingangs gezeigte Wagen war mit hoher Wahrscheinlichkeit so ein Presto F/G – übrigens das letzte Modell dieser einst weithin berühmten Marke überhaupt.

Damit wären wir im wahrsten Sinne des Wortes am Ende – doch wenn es Ihnen gefällt, hätte ich noch einen Beitrag in Sachen „so einfach und doch so schwer“. Damit kehren wir zu Meister Mozart zurück – und dem Pianisten, der für meine Begriffe dessen Klavierwerk die feinsten Facetten abgewonnen hat: Friedrich Gulda (1930-2000).

Als Wanderer zwischen den Welten der Klassik und des Jazz war er „umstritten“ – für mich ein Adelsprädikat in einem auf Konformität und Unterordnung bedachten Umfeld.

Guldas bemerkenswerteste Hinterlassenschaft sind die „Mozart Tapes“. Das sind von ihm privat auf Kassette aufgezeichnete Sonaten Mozarts, bei deren Spiel er ganz bei sich ist.

Sie wurden vor einigen Jahren veröffentlicht und sind meiner Meinung nach eine großartige Annäherung an die Klaviersonaten des Meisters. Auf dem Papier ganz einfach, für den ernsthaften Pianisten unendlich schwer, doch für einen Punk wie Gulda ganz leicht…

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Wenn Zwerge groß rauskommen: Stoewer D2 6/18 PS

Der sprichwörtliche „kleine Mann“ pflegt so lange auf „die da oben“ zu schimpfen, bis er sich selbst auf erhöhtem sozialen Podest wiederfindet. Dann findet er den herausgehobenen Status eigentlich ganz angenehm und irgendwann sogar selbstverständlich.

Das Phänomen lässt sich nach einem Lottogewinn ebenso beobachten wie beim auffallend oft qualifikationsarmen Aufstieg in hochdotierte politische Positionen. Wie einst bei kleingeratenen Herren ein ziviler Zylinder oder eine aufgetürmte militärische Kopfbedeckung Größe vortäuschte, ließ sich im automobilen Zeitalter derselbe Effekt erreichen, wenn man sich in einem möglichst knapp bemessenen Fahrzeug zeigte.

Waren die Dimensionen des Wagens so wie bei diesem Stoewer des Typs D3 6/24 PS von Anfang der 1920er Jahre, dann mag man als Otto Normalinsasse darin weder klein noch groß erscheinen – hier stimmen einfach die Proportionen:

Stoewer Typ D3 6/24 PS; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Man erkennt hier recht gut, was die frühen Typen der Stettiner Traditionsmanufaktur nach dem 1. Weltkrieg auszeichnete – ein nach vorne leicht geneigter Spitzkühler mit oben flach aufgesetztem Markenemblem und eine schräggestellte, mittig unterteilte Windschutzscheibe.

Diese Elemente finden sich sowohl am rund 2.000mal gebauten Vierzylindertyp D3 als auch am größeren Sechszylindermodell D5 mit knapp 40 PS Leistung, von dem immerhin 1.200 Fahrzeuge entstanden.

Der letztgenannte ist vor allem an der längeren Motorhaube zu erkennen. Gelegentlich kann ich eine außergewöhnliche Aufnahme zeigen, die beide Typen gegenüberstellt.

Heute bleiben wir aber ganz in den Gefilden der kleinen Leute, die auch einmal groß herauskommen wollen. Das scheint hier eindeutig der Fall zu sein:

Stoewer Typ D2 6/18 PS; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Man sieht zwar die erwähnten Elemente, doch dieser Stoewer wirkt ein ganzes Stück kompakter als der zuvor gezeigte D3.

Laut Markenexperte Manfried Bauer, dessen Sammlung sich inzwischen in Stettin befindet, handelt es sich bei diesem Exemplar wahrscheinlich um das Übergangsexemplar D2 6/18 PS, das mit gleichen Motorabmessungen, aber weniger Leistung und auf etwas kleinerem Chassis nur 1919-20 angeboten wurde.

Leider kenne ich keine Abbildung eines sicher als D2 identifizierten Wagens. Sollte ein Leser hier helfen können, wäre ich für eine Kontaktaufnahme sehr dankbar.

Unterdessen muss ich mich auf weitere an die Proportionen anknüpfende Überlegungen beschränken, wenn ich ähnliche Stoewer in die damalige Typenhierarchie einzuordnen versuche.

Das folgende Auto würde ich wieder als D3 ansprechen – man beachte etwa das Größenverhältnis der Räder zur Karosserie und das großzügigere Platzangebot im Innenraum:

Stoewer Typ D3 6/24 PS; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Sicher werden Sie bemerkt haben, dass die Gestaltung des Aufbaus in allen drei Fällen demselben Muster folgt: die Flanke ist oben nach innen geneigt (als Schulter bezeichnet) und das Verdeck ist in einem umlaufenden Kasten integriert, der genau diese Form fortführt.

Dieser Entwurf findet sich meines Wissens nur bei deutschen Wagen kurz nach dem 1. Weltkrieg und geht auf den enorm vielseitigen Künstler und Autoenthusiasten Ernst Neumann-Neander zurück, wenn ich mich recht entsinne.

Wie markant dieser Aufbau aus dem richtigen Winkel betrachtet wirkt, das ist auf der folgenden Aufnahme zu sehen: Der zunächst wie eine Blüte sich entfaltende Karosseriekörper neigt sich oben entlang einer scharfen Kante abrupt nach innen:

Stoewer Typ D2 6/18 PS; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Hier lässt sich zudem die beeindruckende Kühlerpartie der damaligen Stoewer-Wagen in seltener Klarheit studieren.

Schön auch, wie hier durch die knapp bemessene Schärfentiefe die Frontpartie des Wagens hervorgehoben wurde, während der Hintergrund vorbildlich verschwimmt.

Dennoch kann man erkennen, dass das Foto entlang einer Bahnstrecke entstand, die an einem Mischgebiet mit großen Villen des späten 19. Jh und dahinterliegenden Fabrikanlagen entlangführte.

Wir dürfen vermuten, dass der Besitzer des Stoewer in einem besonderem Verhältnis zu alledem stand und keineswegs zu den kleinen Leuten zählte. Die waren dennoch mit von der Partie und hatten es sich auf der Rückbank gemütlich gemacht.

Ob es nur an den lustigen Zipfelmützen liegt, dass die beiden Zwerge in dem Wagen so groß herauskommen oder auch daran, dass wir es abermals mit dem frühen kleinen Stoewer-Typ D2 6/18 PS zu tun haben?

Ich tendiere dazu, wenngleich ich mir nicht 100%ig sicher bin. Was sagen die mit den Stoewer D-Typen besser vertrauten Leser?

Überhaupt bin ich an weiterem Material zu der einst weithin berühmten Marke vom Ostseestrand interessiert.

Stoewer zählte unter den deutschen Herstellern zahlenmäßig zu den Zwergen, kam aber über 30 Jahre lang groß heraus und während das auch mit dem Majestätischen mancher Modelle zu tun hatte, waren es letztlich die ehrlichen inneren Werte eines Familienunternehmens, die den Rang und das Ansehen dieses Fabrikats ausmachten.

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Fund des Monats: Graham 110 „Supercharged“ von 1936

Vermeintliche Kenner der US-Automobil-Hierarchie der 1930er Jahre mögen jetzt schmunzeln – ein Mittelklasse-Sechszylinder von einem Anbieter der zweiten Reihe schafft es, hier als Fund des Monats präsentiert zu werden?

Nun, wir werden spätestens am Ende sehen, warum ich mich wohl mit gutem Grund für den Graham „Supercharged“ des Modelljahrs 1936 entschieden habe.

Dem einen oder anderen schießt jetzt der Gedanke durch den Kopf: „Supercharged“ – das bedeutet doch „aufgeladen“ – also ein Auto mit einem Kompressor, der die Ansaugluft verdichtet, bevor sie im Vergaser mit Kraftsstoff angereichert wird!

War das nicht das, was Mercedes seit langem an einzelnen extrem teuren Modellen zur temporären Leistungsteigerung anbot? Hatte das in den Staaten nicht auch Duesenberg im Programm – ebenfalls für weit mehr als nur eine handvoll Dollars?

Und so etwas in einem Sechszylinder, der in den USA in der mittleren Preisklasse angesiedelt war? Ist es das, was so sensationell am 1936er Graham ist?

Nun, nicht ganz. Denn der Kompressor den Graham entwickeln ließ, hatte mit den Geräten der genannten Luxusautomobile nur bedingt etwas zu tun.

Er sollte bezahlbar sein und vor allem: Er sollte ohne das lästige Geräusch des Verdichterrads auskommen, das nur eingefleischten Fans der teutonischen Brachial-Kompressoren gefällt. Im Graham sollte er dagegen permanent unauffällig mitlaufen.

Das erforderte eine Neukonstruktion des Verdichterrads und der zugehörigen Antriebsräder, was Graham mit Bravour gelang.

Nicht nur war das nervige Heulen Geschichte, auch wurde das Teil von herein so konstruiert, dass es preisgünstig hergestellt werden konnte – nebenbei eines der „Geheimnisse“ der US-Massenfabrikation, die das Auto demokratisierte.

Eingeführt wurde der Graham-Kompressor nicht erst 1936, sondern schon 1934 beim optisch sensationellen Achtzylindermodell „Blue Streak“ das ich hier bereits gewürdigt habe.

1936, als eine neue Generation des Graham „Supercharged“ auf den Markt kam, hatte sich das „Kompressor“-Konzept vollauf bewährt – wesentlich mehr Leistung, höhere Kraftstoffeffizienz, Geräuscharmut im Betrieb und besseres Kaltstartverhalten.

Neu war 1936 nur, dass dieses Konzept nun auch bei einem Sechyzlinder zum Einsatz kam. Neben den 80 bzw. 90 PS starken nicht aufgeladenen Versionen konnte man also den „Supercharged“ bekommen, der satte 110 PS schaffte.

Äußerlich erkennbar war diese Variante an der Gestaltung der seitlichen Entlüftungsschlitze in der Motorhaube und einem dort angebrachten Schriftzug „Supercharged“.

Genau so ein Gerät hatte sich einst in Deutschland der Herr beschafft, den wir auf dem folgenden Foto sehen – er ist offenbar gerade nach Hause gekommen und wird von seinen Hunden begrüßt:

Graham 110 „Supercharged“ von 1936; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Was diese schöne Aufnahme so besonders macht, ist weniger der Graham – auch in den 1930er Jahren gab es in Deutschland noch viele Käufer, die das amerikanische Styling, die souveräne Leistung und die komfortable Ausstattung von US-Modellen schätzten.

Bemerkenswert ist vielmehr, dass dieser spezielle Wagen – den Tarnleuchten nach zu urteilen – mitten im 2. Weltkrieg von einem offenkundigen Zivilisten bewegt wurde.

Dessen Erscheinungsbild hat nichts mit dem zu tun, was man sonst aus dieser Zeit auch an der „Heimatfront“ gewohnt ist. Mit Poloshirt und nicht gerade „schneidiger“ Frisur wirkt dieser Graham-Fahrer wie das perfekte Gegenbild zu den Klischees jener Zeit.

Das Kennzeichen mit dem für im Krieg zivil bewegte Autos typischen Winkel über dem Trennstrich zwischen Regionalcode und Ziffernfolge für den konkreten Ort verweist auf eine Zulassung im Raum Hessen. Genauer konnte ich es nicht herausfinden – wie es scheint, haben wir es mit einem Überführungskennzeichen zu tun (da beginnend mit Ziffer 0).

Rätselhaft ist auch die matte Lackierung des Wagens. Ein Wehrmachts-Fahrzeug ist das nicht, sonst fände sich ein Hinweis auf die Truppeneinheit auf dem Kotflügel aufgemalt.

Könnte es sich um ein Beutefahrzeug aus dem Feldzug gegen Frankeich handeln, vielleicht ein von britischen Truppen in Dünkirchen 1940 zurückgelassenes Fahrzeug?

Doch wie war das Auto dann in zivile Hände gekommen? Hatte die Wehrmacht den eher seltenen Wagen verschmäht, zumal ihr damals vieltausendfach gängige französische Modelle in die Hände gefallen waren, mit denen man sich auskannte und für die sich eine sinnvolle Ersatzteilbevorratung aufziehen ließ?

War der Graham daher quasi als Armee-Überschuss angeboten und von einem Privatmann gekauft worden?

Und nicht zuletzt die Frage: Was machte dieser offenbar gutsituierte Herr mit schöner Villa und gepflegtem Garten beruflich? Als erstes fällt einem natürlich ein Landarzt ein, der nicht an die Front musste – aber vielleicht kommt noch etwas anderes in Frage.

Sehen Sie jetzt, was mich an diesem Kriegsfoto so fasziniert, dass ich es als Fund des Monats präsentiere?

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