Sie bekommen hier Vorkriegs-Klassiker präsentiert aus einer bisweilen eigenwilligen Perspektive – nicht anhand restaurierter Exemplare der Gegenwart, sondern anhand Fotos originaler Fahrzeuge aus der Zeit, als diese noch in täglichem Einsatz waren.
Dabei wird einem klar, dass das Bestehen auf dem fabrikneuen Zustand, den keiner von uns noch selbst erlebt hat, eine rein willkürliche Einengung des Horizonts darstellt.
Vorkriegswagen waren oft jahrzehntelang im Einsatz, bevor sie Liebhaber- und Sammlerobjekte wurden. Sie wurden in dieser Zeit mit Accessoires ausgestattet, umlackiert, modifiziert, vom Militär genutzt und wieder der zivilen Nutzung zugeführt.
Welches dieser historischen Stadien genau soll nun „original“ sein? Für mich ist die Antwort klar: jedes davon, bevor das Fahrzeug zum überwiegenden Stehzeug wurde in privaten Sammlungen, Museen oder unterwegs auf dem Trailer zur nächsten Ausstellung.
Nachdem wir das geklärt haben – abweichende Sichtweisen dürfen im Kommentarbereich dargelegt werden, denn wir mögen Vielfalt der Auffassungen – wenden wir uns nun der kaum weniger komplexen Frage zu, was ein Auto eigentlich zum Klassiker macht.
Wie so oft pflege ich es mir einfach zu machen und sage: Klassisch ist alles, was sich zeitlos in jedem Umfeld einfügt, ohne als fremd empfunden zu werden.
Ein klassischer Konzertflügel adelt jeden noch so banalen Bauhaus-Betonbunker. Es gibt daran nichts zu verbessern (an dem Flügel, vesteht sich) und wohl niemand hätte etwas an seiner Formgebung auszusetzen – und wenn er auf einer Blumenwiese stünde.
Ok, mögen Sie jetzt sagen – so ein Flügel ist ja auch das Ergebnis von Jahrzehnten oder gar Jahrhunderten der Entwicklung, kein Wunder, dass sich in seiner Form zeitlose Prinzipien manifestieren.
Aber ist es nicht einigermaßen kühn, solches von einem banalen Großserien-PKW wie dem frühen Ford „Eifel“ von 1935-37 zu behaupten?
Ja, ich kann verstehen, wenn hier einer den Kopf schüttelt. Bin ja selbst kein Enthusiast, was dieses technisch anspruchslose 1,2 Liter-Gefährt angeht – auch wenn es die Leistung des späteren 34-PS Käfers um fast 25 Jahre vorwegnahm:

Aber, Hand auf’s Herz, ist die Wiedergabe des Ford auf diesem Foto nicht bereits ein Klassiker, der mit Wagen der Moderne unmöglich wäre?
Die Dame ist nicht mehr die jüngste, aber sie hat die klassische Pose noch drauf, wie sie nur bei Vorkriegsautos funktioniert. Wohl kurz nach dem Krieg entstand (evtl. in Ostdeutschland) dieses schöne Foto, an dem der Klassikerfreund nichts vermisst.
Tja, mag jetzt einer sagen, das war halt noch die Vorkriegsgeneration, welche den Stil jener Zeit verinnerlicht hatte und so zu verkörpern wusste.
Ich will dem gar nicht widersprechen, behaupte aber, dass der klassische Look ein zeitloser ist, welcher auch der jüngeren Generation offenstand.
Und tatsächlich – ebenfalls kurz nach dem 2. Weltkrieg sehen wir hier zwei Buben, welche ebenfalls neben so einem frühen Ford Eifel posieren – freilich auf Jungsart:
Das Kennzeichen „KB“ verweist auf „Kommandantur Berlin“ und ist typisch für die frühe Nachkriegszeit, aber wir werden gleich sehen, dass der Wagen irgendwo auf dem Land aufgenommen wurde – in klassischem Umfeld.
Wiederholt habe ich die These aufgestellt, dass Vorkriegsautos sich nahtlos in wirklich historische Umfelder einfügen – also solche vor dem Kulturbruch der brutalen Sachlichkeit, welcher die Seelenlosigkeit unserer nach dem Krieg aufgebauten Städte geschuldet ist.
Selbst ein teilweise mit Wellblech neu bedachtes, wohl im Krieg beschädigtes Bauernhaus basiert noch immer auf denselben Formengrundsätzen, welche über Jahrhunderte dominierten und unser Empfinden geprägt haben, was wohlgestaltete Bauten betrifft.
Und genau vor so einem klassischen Hof wurde nach dem krieg der Ford „Eifel“ in gekonnter Weise positioniert und abgelichtet:
Warum harmoniert der in die Jahr gekommene Ford der Vorkriegszeit so gut mit dem schätzungsweise rund 100 Jahre älteren Hof?
Nun, weil sein Kühlerausschnitt das prächtige Holztor zu rechten wiederspiegelt oder weil seine gerundete Windschutzscheibe mit den Fenstern des Hofs korrespondiert oder weil der Karosseriekörper von abwechslunsgreich vor- und zurückspringenden Elementen geprägt ist, – anders gesagt: weil organische, gewachsene Formen dominieren anstatt plump geometrischer oder bewusst progressiv wirkender.
Das ist es aus meiner Sicht, was selbst ein so simples Massenprodukt wie den frühen Ford „Eifel“ zum Klassiker macht, der sich vollkommen in jedes Umfeld einfügt, während sein extravaganter gestalteter Nachfolger schon stärker dem momentanen Zeitgeist huldigte.
Dieser modernisierten Variante widmen wir uns wohlwollend gelegentlich wieder – denn auch sie hat durchaus ihren Reiz…
Michael Schlenger, 2025. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and https://vorkriegs-klassiker-rundschau.blog with appropriate and specific direction to the original content.