Eleganz mit „Sechs-Appeal“: Citroen C6 von 1928

Französische Vorkriegsautos sind auf diesem Oldtimerblog eher seltene Gäste.

Das liegt aber nicht daran, dass der Verfasser sich nicht für die einstige Automobilbaukunst unserer westlichen Nachbarn erwärmen könnte. Vielmehr besitzt er selbst zwei französische Klassiker der 1930er Jahre.

Der Grund ist der, dass hier Autos anhand von Originalfotos vorgestellt werden, die überwiegend aus dem deutschsprachigen Raum stammen. Der Import französischer Wagen bzw. deren Produktion auf deutschem Boden hielt sich aber in Grenzen, sodass Bilder französischer Autos eher selten sind.

Lediglich Citroen fertigte ab 1927 im Kölner Stadtteil Poll in größerer Zahl seine Modelle. Den Anfang machte der Typ B14, den wir hier vor längerer Zeit anhand einer schönen Aufnahme bereits präsentiert haben (Bildbericht).

Auch vom Nachfolgemodell C4 wurden ab 1929 in Köln annähernd 5.000 Exemplare montiert. Eines davon versteckt sich auf folgender Aufnahme:

Citroen_C4_um_1930_Ausschnitt

Citroen C4; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Viel sieht man zwar nicht von dem Wagen, aber genug, um ihn als Citroen C4 aus deutscher Produktion anzusprechen.

Neben dem Haarschopf des etwas schüchtern dreinschauenden Herrn ist gerade noch das Markenemblem und ein Kennzeichen mit weißem Grund erkennen, also ein Citroen mit deutscher Zulassung.

Vom Vorgängermodell B14 unterscheidet sich das Auto durch seinen deutlich stämmigeren Auftritt, die weiter ausladenden Vorderschutzbleche und die leicht geschwungene Haltestange für die Scheinwerfer.

So unscheinbar das Modell hier wirkt, so solide waren seine inneren Werte. Der Vierzylinder mit 1,6 Liter leistete 32 PS, was für eine Höchstgeschwindigkeit von 90 km/h ausreichte.

Zum Vergleich: Der ähnlich dimensionierte und etwas stärker motorisierte Adler Favorit kam lediglich auf 80 km/h Spitze und war deutlich teurer. Allerdings verfügte er bereits über hydraulische Bremsen.

Während Adler von 1929-33 keine 15.000 Wagen des Typs Favorit an den Mann brachte, entstanden vom Citroen C4 im gleichen Zeitraum weit über 100.000 Stück. Dazu muss man anmerken, dass der französische Automobilmarkt damals wesentlich weiter entwickelt war als der lange Zeit rückständige deutsche.

Mehr wollen wir an dieser Stelle gar nicht vom Citroen C4 erzählen. Der Typ dient uns lediglich als Aufhänger für die Präsentation des daraus abgeleiteten Citroen C6, den wir auf folgender Aufnahme sehen:

Citroen C6; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Ja, meine Herren, da weiß man gar nicht was man zuerst loben soll – den perfekt getroffenen großzügigen Wagen oder die dekorativ daneben platzierte junge Dame im strengen Kostüm mit hochgeschlossener Blümchenbluse…

Dieses Foto hätte sich auch in einem Werbeprospekt von Citroen gut gemacht, denn mit diesem Modell sprach man eine Klientel an, die Wert auf stilvollen Auftritt und ein gewisses Prestige legte, ohne dabei angeberisch zu wirken.

Dazu hatte Citroen das Konzept des C4 auf eine höhere Stufe gehoben. Der Typ C6 war größer und eleganter proportioniert und verfügte über eine reichere Ausstattung – außen wie innen.

Den Motor hatte man bei vergleichbarer Konstruktion um zwei Zylinder erweitert. 45 PS leistete das 2,4 Liter große Aggregat nun, was für ein Höchsttempo von rund 100 km/h reichte (die Angaben dazu variieren).

Ziehen wir wieder den Vergleich zum entsprechenden Modell von Adler, dem Standard 6. Bei identischer Leistung, ähnlichen Abmessungen und deutlich höherem Preis waren auch hier die Hydraulikbremsen der Hauptvorteil.

Der Citroen C6 mit „Sechs“-Appeal scheint aber zumindest in Frankreich weit mehr Kunden (über 60.000) überzeugt zu haben als der Adler Standard 6 in Deutschland (ca. 20.000).

Dass der elegante Citroen C6 aus französischer Sicht dennoch als Misserfolg galt, unterstreicht erneut den Entwicklungsstand des dortigen Markts.

Nach fast 90 Jahren sehen wir die Dinge ein wenig anders und erfreuen uns an diesem höchst ansehnlichen „Miss-Erfolg“…

© Michael Schlenger, 2017. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and http://www.klassiker-runde-wetterau.com with appropriate and specific direction to the original content.

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