Einst ein „Ideal“: Brennabor Typ N 7/30 PS von 1929

Heute haben wir das Vergnügen, uns anhand eines historischen Automobilfotos einem „Ideal“ der späten 1920er Jahre anzunähern – das ist keineswegs im übertragenen Sinne, sondern wortwörtlich gemeint.

Vermutlich wird jetzt auch bei Kennern der Vorkriegsszene nicht sofort der Groschen fallen. Dabei geht es offiziell um ein Massenprodukt, zumindest nach den bescheidenen Maßstäben der deutschen Autoindustrie jener Zeit.

Ideal aus Sicht eines Freundes von Vorkriegsautos ist schon einmal die Aufnahmesituation – genau so stellt man sich einen Veteranenwagen zur Zeit der Weltwirtschaftskrise vor:

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Brennabor „Ideal“ Typ N 7/30 PS; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Gemessen an den Proportionen und dem üppigen Chromeinsatz an Kühler, Scheinwerfern und Stoßstangen könnte das in der Tat irgendein amerikanischer Großserienwagen der zweiten Hälfte der 1920er Jahre sein.

Das Nummernschild mit der seit 1906 gängigen Kennung für die Hansestadt Bremen spricht keineswegs gegen ein US-Fahrzeug. Der Marktanteil amerikanischer Automobile in Deutschland war in der zweiten Hälfte der 1920er Jahre kolossal.

Doch tatsächlich haben wir es mit einem Produkt eines deutschen Herstellers zu tun, der sich kurz nach dem 1. Weltkrieg die US-Autoindustrie zum Vorbild nahm und zeitweise Deutschlands größter PKW-Fabrikant war: Brennabor aus Brandenburg.

Das „B“ im Kühleremblem spricht diesbezüglich eine eindeutige Sprache, auch wenn manche Anbieter solcher Fotos etwas von „Bentley“ fabulieren…

Der luxuriöse Eindruck des Wagens wird von dem verchromten Steinschlaggitter vor den Kühlerlamellen unterstützt, das als passgenaues Zubehör für viele damalige Modelle verfügbar war.

Auch bei der Doppelstoßstange hat man an Chrom nicht gespart – im Zusammenspiel mit der glänzenden Zweifarblackierung war das Auto eine „blendende Erscheinung“.

Man sollte meinen, dass es bei einer solchen Aufnahme aus günstiger Perspektive und in guter Auflösung ein Kinderspiel sei, den Typ zu identifizieren. Dem ist aber nicht so.

Die dem Verfasser zugängliche – im wahrsten Sinne des Wortes „dünne“ – Literatur zeigt zwar eine Reihe ähnlicher Brennabor-Wagen der zweiten Hälfte der 1920er Jahre.

Einen davon haben wir bereits näher besprochen (Bildbericht):

Brennabor Typ Z 6/25 PS

Dieser Brennabor Typ Z 6/25 PS weist aber einige formale Unterschiede auf.

Entscheidend sind nicht etwa die fehlenden Chromelemente, diese waren oft ausstattungsabhängig. Vielmehr ist es die starke Profilierung der Vorderschutzbleche, die auf ein älteres Modell verweist.

Der eingangs gezeigte Brennabor verfügt dagegen bereits über elegant geschwungene Kotflügel „aus einem Guss“ mit schwächer ausgeprägter umlaufender Sicke.

Alles übrige erscheint dagegen sehr ähnlich ausgeführt, auch die in zwei Gruppen angeordneten Luftschlitze. Allerdings besaß der Brennabor Typ Z 6/25 PS nur zweimal fünf Luftschlitze pro Seite, wie hier zu sehen ist:

Brennabor Typ Z 6/25 PS; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Der Brennabor, dem dieser Blogeintrag gewidmet ist, verfügt aber über zweimal zehn Luftschlitze, wenn nicht alles täuscht. Dies spricht für eine stärkere Motorisierung.

Dumm nur, dass sich in der Literatur bislang kein einziges Vergleichsfoto auftreiben ließ, auf dem ein Brennabor mit genau diesen Details zu sehen ist. Im Netz gibt es immerhin ein historisches Foto eines solchen Brennabor (hier).

Der dort abgebildete Wagen wird als Brennabor „Ideal“ angesprochen, das ist die Verkaufsbezeichnung des Typs N 7/30 PS, der als Nachfolger des Typs Z 6/25 PS von 1929-33 gebaut wurde. Könnte er das gesuchte Modell sein?

Tatsächlich findet sich auf der Website der Brennabor-IG eine zeitgenössische Prospektabbildung, die einen „Ideal“ 7/30 PS mit denselben Merkmalen zeigt, die auch „unser“ Wagen aufweist.

Nach der Lage der Dinge ist das heute präsentierte historische Originalfoto eines der ganz wenigen, die einen Brennabor „Ideal“ zeigen. Dabei entstanden von dem Typ einst angeblich rund 10.000 Exemplare.

Allerdings werden für etliche Brennabor-Modelle der 1920er Jahre auffallend runde Produktionszahlen wie 10.000 oder 20.000 genannt. Dies lässt vermuten, dass es sich um grobe Schätzungen, vage Erinnerungen oder schlicht Mutmaßungen handelt.

Einigermaßen gesichert scheinen die wichtigsten technischen Daten des Brennabor „Ideal“ sein: Bei leicht vergrößertem Hubraum (1,6 Liter) leistete der Vierzylinder 5 PS mehr als der Vorgänger, das Spitzentempo stieg auf 75 km/h.

Dass er aber eine geringere Batteriekapazität und schwächere Leistung von Anlasser und Lichtmaschine als der Vorgänger aufgewiesen haben soll (vgl. Werner Oswald: Deutsche Autos 1920-1945, S. 74), dürfte ein Irrtum sein.

Mit stehenden Ventilen war der Brennabor Typ N 7/30 PS um 1930 nicht ganz „Ideal“. Überhaupt scheint Brennabor damals nicht mehr ganz auf der Höhe gewesen zu sein, wenn man von der erstaunlichen (und unwirtschaftlichen) Modellvielfalt absieht.

Angesichts der äußerst raren Fotos des Typs – wir haben hier schon seltenere Wagen jener Zeit anhand mehrerer Originalaufnahmen besprochen – könnte die genannte Produktionszahl von 10.000 für den Brennabor „Ideal“ zu hoch gegriffen sein.

Vielleicht erbarmt sich einmal jemand aus der Automobilhistorischen Gesellschaft (AHG) und liefert die ausstehende Gesamtschau der Automobilproduktion eines der bedeutendsten deutschen PKW-Hersteller der Zwischenkriegszeit.

Der Verfasser stellt gern Brennabor-Originalfotos aus seinem Fundus zur Verfügung. Andere Sammler sollten dasselbe tun, anstatt ihre Schätze unpubliziert zu horten…

© Michael Schlenger, 2018. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and https://www.klassiker-runde-wetterau.com with appropriate and specific direction to the original content.

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