Kein Grund zur Begeisterung: DKW „Schwebeklasse“

Freunden der sächsischen Marke DKW wird der heutige Blogeintrag möglicherweise Ungemach bereiten.

Normalerweise machen die kleinen Zweitakter aus Zwickau auf alten Fotos ausgesprochen gute Figur – vor allem in der mondänen Ausführung als „Front Luxus Cabriolet“, die wir hier bereits vorgestellt haben:

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DKW F5 Front Luxus Cabriolet; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Nie wieder sollte ein Kleinwagen mit bloß 20 PS Leistung solche Eleganz ausstrahlen.

Dabei profitierte DKW allerdings von der Zugehörigkeit zur Auto Union, die auch den Luxushersteller Horch umfasste. Das DKW Front Luxus Cabriolet war nicht nur im Horch-Werk gezeichnet worden, sondern wurde auch dort gebaut. Nicht ohne Grund hieß das Modell im Volksmund „Der kleine Horch“.

Doch einige Jahre zuvor, als DKW noch in Zschopau und Spandau produzierte, leistete man sich einen kapitalen Fehlgriff, der das sonst so erfolgreiche Unternehmen eine Menge Geld kostete.

So ließ man sich von der Anfang der 1930er Jahre grassierenden „Stromlinien“-Mode anstecken, die zeitweilig die Automobilgestaltung dominierte, obwohl damit kaum eine wirtschaftlich relevante Reduzierung des Luftwiderstands einherging.

Speziell in Deutschland entstanden damals monströse Gefährte, die rein formal der Stromlinie huldigten, aber tatsächlich nur eine Modeerscheinung waren. Ein Beispiel dafür war der Maybach-Stromlinienwagen von 1932:

Originales Zigaretten-Sammelbild aus Sammlung Michael Schlenger

Interessanterweise hatte DKW bereits 1933 Prototypen mit Heckmotor und Stromlinienkarosserie erprobt – das Konzept des späteren Volkswagens lag damals in der Luft und war keineswegs ein Plagiat, wie manche Tatra-Freunde gern verbreiten…

Doch verfolgte DKW diesen Ansatz nicht weiter, sondern entschied sich für eine konventionelle Konstruktion mit Frontmotor und Heckantrieb sowie von der Stromlinie „inspirierter“ Formgebung.

Dabei beging man gleich zwei Fehler: Zum einen verbaute man weiterhin den kapriziösen 4-Zylinder-Ladepumpenmotor des Vorgängers „Sonderklasse“, der durch hohen Kraftstoffverbrauch und mangelnde Drehzahlfestigkeit auffiel.

Zum anderen staffierte man das neue als DKW „Schwebeklasse“ beworbene Modell mit einer Karosserie aus, die man sich nicht schönsehen kann, egal wie flott die junge Dame daneben wirkt:

DKW „Schwebeklasse“; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Auch diese Aufnahme, die ab 1948 in der amerikanischen Besatzungszone Württemberg („AW“ auf dem Kennzeichen) entstand, haben wir bereits einmal präsentiert (hier).

Die Ähnlichkeit mit der Karosserie des oben gezeigten Stromlinienwagen von Maybach ist nicht zu übersehen.

Interessanterweise sind der sonst wünschenswert detaillierten Literatur („DKW Automobile 1907-1945“ von Thomas Erdmann, Verlag Delius-Klasing, 2012) keine Hinweise darauf zu entnehmen, wie es zu dieser Monstrosität gekommen ist.

Vermutlich will nachträglich niemand die Verantwortung dafür übernommen haben und eigenständige Autodesigner gab es in der Vorkriegszeit von Ausnahmetalenten wie Flaminio Bertoni abgesehen ohnehin noch nicht.

Machen wir es kurz: Die DKW Schwebeklasse wurde ein kolossaler Flop, der das Unternehmen enorme Summen für Garantiearbeiten und ständige Nachbesserungen (die die technischen Probleme lange Zeit nicht lösten) kostete.

Nach rund 7.000 Exemplaren war 1937 Schluss. Warum man so lange versuchte hatte, diese automobile Fehlgeburt am Leben zu halten, ist schwer zu begreifen.

Parallel setzte DKW nämlich die annähernd zehnfache Stückzahl des adretten und unproblematischen Frontantriebstyps F4 ab, den wir hier sehen:

DKW F4 Cabrio-Limousine aus Berlin; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Doch so wie es auf der Chefetage bei DKW Leute gegeben haben muss, die von den Qualitäten des Vierzylinder-Wagens mit der „modernen“ Karosserie überzeugt waren, scheint es auch Kunden gegeben haben, die das ebenso sahen.

Ob der einfache Wehrmachts-Soldat auf der folgenden Aufnahme wegen des DKW so begeistert war oder sich nur über ein paar Tage Heimaturlaub freute, wissen wir nicht:

DKW Schwebeklasse; Originalfoto aus Sammlung von Michael Schlenger

Der Wagen gibt aus dieser Perspektive wahrlich keinen Anlass zur Begeisterung.

Die Frontpartie schwankt unentschieden zwischen klassischer Trennung von Motorraum und Kotflügeln sowie Verschmelzung von Haube und Radhäusern, wie das bei modernen Pontonkarosserien Standard werden sollte.

Übrigens lässt sich der Wagen anhand der spitz zulaufenden unteren Frontscheibenecken als Vertreter der letzten Serie identifizieren, die 1936/37 gebaut wurde. Der Fairness halber sei angemerkt, dass man zu diesem späten Zeitpunkt die Motorprobleme in den Griff bekommen hatte.

Doch längst war die Automobilmode über diesen Stil hinwegegangen. Dennoch ist dieses Foto interessant. So ist es auf der Rückseite auf März 1940 datiert. Zu diesem Zeitpunkt war der 2. Weltkrieg längst im Gange.

Polen war besiegt und besetzt worden. Frankreich hatte Deutschland daraufhin zwar formal den Krieg erklärt, unternahm aber nichts, um den Aggressor zu bändigen.

So konnte man im Frühjahr 1940, als das Foto entstand, den trügerischen Eindruck relativer Ruhe im Westen gewinnen. Vielleicht war unser Heeressoldat deshalb so gut gelaunt, da die Sache für ihn bisher glimpflich ausgegangen war.

Wie aber passt ein DKW mit Kölner Zulassung ohne die seit Kriegsbeginn vorgeschriebenen Tarnscheinwerfer zu der Situation, noch dazu mit Birken am Wegesrand, die nicht gerade typisch für das Rheinland sind?

Könnte die Aufnahme irgendwo im Osten des Reichs entstanden sein, wohin gegnerische Flugzeuge nicht gelangen konnten, weshalb dort auf die Tarnbeleuchtung verzichtet werden konnte?

Aber was hatte der DKW aus Köln dort verloren? Weder verfügt er über den vorgeschriebenen Winkel auf dem Nummernschild, der weiterhin zivil bewegte Fahrzeuge kennzeichnete, noch besitzt er eine Kennung der Wehrmacht.

Während speziell hinter der Front etliche der zuverlässigen und anspruchslosen Frontantriebswagen von DKW unterwegs waren, scheint die anfällige Schwebeklasse nicht ins „Beuteschema“ des Militärs gehört zu haben.

Vielleicht war es schlicht so, dass jemand den Wagen nach Kriegsbeginn stillgelegt hatte und dieser nur als dekoratives Beiwerk auf das Foto gelangte.

Hat ein Leser vielleicht eine überzeugendere Erklärung für die Situation? Dann wäre das Foto am Ende ja doch ein Grund zur Begeisterung…

© Michael Schlenger, 2018. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and https://vorkriegs-klassiker-rundschau.blog with appropriate and specific direction to the original content.

4 Gedanken zu „Kein Grund zur Begeisterung: DKW „Schwebeklasse“

  1. I’ve had quite an interest in DKW lately, and have been consuming various online sources as prodigiously as 4 = 8 consumed gas and sparkplugs. As consequence, I consider myself a bit of a DKW enthusiast. So, it’s funny, perhaps, that my first comment on the topic goes to one of DKW’s most obscure (and unsuccessful) cars, instead to, say, the brilliant and iconic F series, or even P15.

    Forgive my lack of german (on a german speaking blog). But i am compelled to leave my first comment here, because the 4 = 8 has, in a weird way, become a temporary fascination of mine despite and because of the number of structural problems it had.

    I will argue that despite it’s faults, there is one distinct selling point that kept this design in game, not matter how troubled it was from the beginning.

    I note 5 big flaws in the 4=8 series.
    Construction
    Engine
    Design
    Timing
    Lack of improvement

    But let’s start from beginning. 4 = 8’s inherent limitation is that it’s a Slaby, pre-Schnuerle design, but one whose size and complexity stretched it way beyond of what the technical solutions applied could reliably support.

    Slaby design means (ofcouse) a plywood box, which, as is said, was stretched to its’ limits due to its’ bigger size. I can’t believe they didn’t just shove a chassis underneath, even a tube chassis, when this was already standard on F-series…. Seriously.

    Even worse is the God-awful squashed-in “aero” design of re-designed version. Had they went with something “normal” like clean aero design, or even something more subdues, like with ’36 Opel Olympia, it would have been a hit, instead a gutpunch. I can’t look at the things.

    Timing couldn’t have also been worse, especially since when released the engine itself, well, wasn’t fully tested. Remember F9’s development, they went all in and really ironed out the bugs before they wanted to start production. if they took half of that into developing the 4=8, it would have been a much better car off the starting line.

    I think the key for understanding the 4 = 8 is understanding it’s engine. As you mentioned, it had a number of problematic features including poor performance (only 20HP), poor fuel efficiency, vibration, and crank shaft failure. But to be fair, similar problems were experiences in development phase of DKW’S three cylinder engine as well.

    So, I think that the fail of this car was rushing the engine in production before bugs were ironed out.

    Because later as bugs WERE Ironed out, it was reported to have been a decent engine since. To quote the author of the linked post: Die Spaetere Variante galt Ubrigens im Gegensatz zu den fruhen Modellen als standfest. (Source: https://www.ostdeutsche-fahrzeuge.de/viewtopic.php?t=3381)

    Secondly, upon looking into that engine i came to the conclusion that it was actually a rather clever design.
    I have only two real comments about it; that it used a regular 4 stroke ignition system where 4 individual coils would have been more suitable. And, frustratingly, it remained a pre-Scnhuerle porting design well after Schnuerle design became the industry standard! This last point especially, i can’t forgive as a fault. Better technology was already available in 1930, so why this was tolerated is beyond me. But then again, the 4 = 8 is a weird car where clever and stupid mix according to Alice of Wonderland principle, so one has to accept hat.

    And in the same vein, I came to the conclusion that the same “troublesome” engine that was also the Schwebeklasse DKW’s strongest selling point.

    Do you know why? Because of the SOUND. That’s it. The sound and revving of the 4 = 8 is special of all the engines in the world.
    And that recalls its spiritual sibling, the Busso engine of Alpha Romeo. I know I know, it’s a long shot, but hear me out. Like the DKW, the Busso was known for being neither the strongest not most reliable, but it was absolutely the best sounding and that in eyes of ENTHUSIASTS compensated for all it’s shortcomings?
    I think it was the same for DKW enthusiasts of the 4=8. 4 = 8 is the Busso of DKW.

    LACK OF IMPROVEMENTS
    To be fair, this engine did iron out it’s kinks later on. But above and beyond that, the lack of improvement is both impossible to overlook and unforgivable.

    You’d think once plywood monocoque of a couple cars split in half, that SOMEONE in Auto-union would say “geez, you know, perhaps we COULD put a chassis underneath and call it a day”. But nope.

    You’d think once people’s eyes burnt from the God-awful design, that someone’d change it for something more normal without it taking YEARS.

    You’d think someone’d look at that 4 = 8 engine and order the R&D to develop a Scnhuerle porting version of it and see how that sticks. or slap together two 596ccm Reichsklasse workhorses and see how they perform. Say do one as inline-4 block and another as V-block, double carb, nothing fancy. Dump them in 3 small wanderers and take them across Germany to see how they perform.
    All of this could have been done relatively fast and with little money and effort. Because no matter how sweet the original 4=8 sounded, there’s no reason to believe that the Schnuerle porting engines wouldn’t purr just as nice.
    My point is, to my knowledge it wasn’t even tried, and it’s something that a better garage is capable of doing.
    And don’t even get me started on the 4th gear as a selling point!

    The Schwebeklasse is a car that brings in mixed emotions in me. For one, it has a gem of an engine sound, an engine with very interesting and unique (and in no way bad) technology, but packaged in the uglies and flimsiest possible package. it’s a shame this engine and it’s potential weren’t further developed, because I believe there was definitely potential.

  2. Besten Dank Herr Weigold! Zweifellos hatte auch die Schwebeklasse ihre Verdienste (wie Sie zurecht anmerken). Die Qualitäten eines Autos bemessen sich aber letztlich daran, ob es am Markt erfolgreich war – denn nur dafür wire es gebaut. Bei einem solchen für DKW unüblichen Flop wie diesem muss man die ausschlaggebenden Gründen aber klar benennen – und der Typ fiel bei den Kunden durch, weil es in der Gesamtbetrachtung einfach Besseres gab.

  3. Und noch ein Weiteres:
    Herr Schlenger – ich verfolge ihre Foto- Sam-mlung und Bildanalyse
    seit einiger Zeit mit steigendem Interesse !
    Im Besonderen natürlich
    alles was mit DKW zutun
    hat, da ich selbst seit meiner Kindheit mit der
    Marke befasst bin – erst als Mitfahrer in Großvat-ers F 89 Universal, dann
    als Erbe dessen un ab 1975/76 als Fahrer/Schrauber und letztlich 15 Profi- Restaurator u. A. für die
    AUDI Tradition . Aus unserer Hand stammt auch die im IN- Museum
    Mobile präsentiere 36er
    Schwebekl. Limousine .
    Die hier durchgängig m.E. zu Unrecht negative
    Darstellung des Typs, der für damalige Verhältnisse zwar unge- wöhnliche Formgebung, (das Wort Design wäre wohl fehl am Platz) ermöglichte aber mit sog. „Kurzhauben“- Bauweise und der gerade
    vorn reichlichen Innen-
    breite für damalige Ver-
    hältnisse eine geradezu
    revulutionäre Raum- verhältnisse! Noch dazu
    mit integriertem, von außen zugänglichen Kof-
    der Raum (der seinen Namen verdiente).
    soweit- so gut. Die weitere Analyse würde hier zuweist führen!
    Gruß von Dieter Weigold

  4. Da es früher mehr noch als heute üblich war zum
    Anlass besonderer Ereignisse für „fotogra- phische Aufnahmen zu
    posieren liegt es m.E. nahe, eine solche zu ver-
    muten. Etwa die Aktivierung es stillge- legten Wagens anlässlich
    seiner Übernahme durch
    die Wehrmacht. Dies würde auch den „unge- tarnten“ Fundzustand
    plausibel machen. Die Verdunklungsvorschrift-en und das Führen eines
    Tarnscheinwerfers auf dem linken Kotflügel galt
    natürlich generell, unab-
    gängig von der realen
    Luftgefährdung !

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