DAS muss Liebe sein! Ein DKW „Sonderklasse“

Warum verbringt einer seine knappe Zeit damit, irgendwelche Vorkriegsautos auf alten Fotos zu identifizieren und mitunter ausschweifend zu besprechen?

Nun, die Erklärung ist zweigeteilt:

Erstens verschwende ich meine Zeit nicht mit Fernsehen. Ich kenne die Flimmerkiste seit meiner Studenten-WG vor 35 Jahren nur als Bildschirm, auf dem sich nach Wunsch Videos und später DVDs schauen lassen, die man sich selbst ausgesucht hat.

Was dagegen in Endlosschleife zur Belehrung oder Sedierung des Publikums gesendet wird, davon habe ich keine Ahnung und es interessiert mich auch nicht.

Sich nicht über fremdgesteuerte Bilder und Geschichten beeinflussen zu lassen, hatte schon immer den Vorteil, dass man sich ein auf Fakten, Erfahrungen und eigenen Überlegungen basiertes Urteil bilden muss, was mühsam sein kann.

Zweitens: Es muss einfach Liebe sein, wenn man etwas tut, was nicht nützlich ist, Geld und jede Menge Zeit kostet – aber einem schlicht ein Bedürfnis und Belohnung zugleich ist.

Das muss für heute als Einleitung genügen. Die Aufnahme, die ich zur IIlustration meiner Behauptung „DAS muss Liebe sein“ heute zeige, war bis gestern noch ein Kandidat für meine Rubrik „Fotorätsel des Monats“.

Doch bei nochmaliger Betrachtung fiel plötzlich der Euro-Cent. Ich hatte zuvor x-mal versucht, der folgenden Aufnahme ihr Geheimnis zu entlocken, hatte trotz einiger Übereinstimmungen Aspiranten wie den Hanomag „Kurier“ und den Fiat 508 verworfen.

Na, was sagen Sie hierzu? Ist hier der Wagen nicht völlig zweitrangig?

Wie sich dieses nicht mehr ganz jugendfrische Paar in die Augen schaut, die Anwesenheit einer Kamera ebenso vergisst wie die unbequeme Sitzunterlage – DAS muss Liebe sein!

Das Automobil als das Vehikel, das uns die Menschen der Vorkriegszeit so nahebringt, als seien sie direkt vor uns – das Auto als Ausdruck von besonderer Lebensart, Individualität und tiefer Zuneigung – selten habe ich ein Foto gesehen, das dies so perfekt transportiert.

Ich will die Messe nicht weiter stören, trage nur rasch noch ein paar Fakten nach. Das abgebildete Auto war ein DKW des Typs Sonderklasse – ein konventionelles Modell der sonst für ihre agilen kleinen Fronttriebler berühmten sächsischen Marke.

Hier ein Vergleichsfoto mit den gängigeren Drahtspeichenrädern:

DKW Typ 1001 Sonderklasse; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Nur etwas mehr als rund 5.000 Exemplare dieses Heckantriebmodells mit Vierzylinder-Zweitakter (26 PS) entstanden von Anfang 1933 bis Frühjahr 1935.

Das auf dem eingangs gezeigten Foto abgelichtete Exemplar war im hessischen Kreis Friedberg zugelassen, also vor meiner Haustür. Der Aufnahmeort könnte ein Gutshof mit Herrenhaus in der Wetterau gewesen sein, dafür kommt dummerweise einiges in Frage.

Vielleicht haben wir es mit einer Dependance meiner Nachbarn zu tun – den von Löws, die außer in Bad Nauheim-Steinfurth auch in Florstadt und Staden solche Anwesen besaßen.

Vielleicht frage ich Christoph Freiherr von Löw einfach selbst, ob ihm der Aufnahmeort etwas sagt. Seit einigen Jahren kümmert er sich um die heruntergekommene Domäne seiner Vorfahren nebenan und man muss auch hier sagen: DAS muss Liebe sein…

Copyright: Michael Schlenger, 2025. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and https://vorkriegs-klassiker-rundschau.blog with appropriate and specific direction to the original content.

Massenphänomen vom Feinsten: Auto-Union Sonderschau

So sehr ich gelungene Auto-Exoten mag, so wenig bin ich darauf festgelegt.

Ich kann mit dem Auto als Massenware sehr gut leben, vorausgesetzt es handelt sich um ein nützliches und ansehnliches Gefährt wie etwa mein Peugeot 202 UH.

Peugeot 202 UH, aufgenommen 2015; Bildrechte: Michael Schlenger

Wenn man schon Städte und Straßen verstopft, sollte wenigstens das Auge nicht zu kurz kommen dabei.

Deshalb ist mir auch die Vorstellung einer reinen Radlerstadt ein Graus, sofern die Leute diese unförmigen modernen Rahmen aus Verbundstoffen fahren und mit schreiend bunten Kunstfaser-Klamotten die Umwelt erst visuell und später auf der Müllkippe verpesten.

Auf dieses Thema kam ich wie so oft auf Umwegen.

So war ich heute wieder in Oberitalien auf dem Weg nach Umbrien unterwegs. Hinter dem Grenzübergang in Chiasso führt die Schnellstraße Richtung Milano an Como vorbei.

Man erhascht dabei nur einen kurzen Blick auf die prächtige Stadt am Südende des Comersees. Von der am Hafen gelegenen Piazza Cavour aus bot sich in die Gegenrichtung (die moderne Straße fehlt hier noch) einst dieser Blick:

Ansichtskarte aus Como (Oberitalien) um 1950; Original: Sammlung Michael Schlenger

Neben den schönen Dampfern erfreuen hier die vielen Autos der 1930er bis ganz frühen 1950er Jahre das Herz des Altblechliebhabers. Ganz vorne stellvertreten ein Fiat „Topolino“ der Vorkriegszeit – ein immer noch erschwingliches Automobil für Ästheten.

Wie es der Zufall wollte, überholte ich wenig später kurz hinter Como den Nachfolger des Fiat Topolino – den 500 Nuova, der ab 1957 in gigantischen Stückzahlen entstand und bis heute in Italien oft anzutreffen ist.

Der Kleine hoppelte mit Tempo 80-90 auf der rechten Spur, während ich mit 130 Sachen vorbeizog. Ein Kontrollblick auf den aktuellen Verbrauch bei dem Tempo ergab übrigens 6,8 Liter – nicht schlecht für einen 150 PS starken Benziner-SUV, meine ich.

Wer moderne Verbrenner immer noch als gravierende Umweltbelastung wahrnimmt, dem sei empfohlen, in die Abgasschwaden der wenigen Autos von einst einzutauchen.

Anno 1914 wie hier im französischen Seebad Deauville – mag das gerade noch akzeptabel gewesen sein:

Ansichtskarte aus Deauville (Frankreich) um 1914; Original: Sammlung Michael Schlenger

Eine frische Meeresbrise löste hier unangenehme Gerüche rasch auf, die damals auch noch von den vielen Pferdegespannen produziert wurden, was gern vergessen wird.

Ebenfalls nicht reproduzieren lässt sich hier das Geräusch der damaligen Motoren – im Einzelfall heute reizvoll und tolerabel, vor über 100 Jahren dagegen von wenigen wirklich leisen Konstruktionen abgesehen innerorts nur lästig.

Delage, Renault und Citroen ab Mitte der 1920er Jahre; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Die beste Figur gaben noch in den 1930er Jahren massenhaft versammelte Automobile eher im Stand ab.

Auf der folgenden Aufnahme von 1934 sehen wir eine Ansammlung in Stresa am Westufer des Lago Maggiore in Oberitalien:

Ansichtskarte aus Stresa (Oberitalien) von 1934; Original: Sammlung Michael Schlenger

Ich könnte noch weitere solche Auto-Massenphänomene bringen, aber einige davon sind für andere Gelegenheiten besser geeignet.

Fast zeitgleich kam es in Deutschland zu dem Massenauflauf, auf den ich heute eigentlich hinauswill.

Dabei versammelten sich – wenn ich nicht daneben liege – ausschließlich Automobile der unter dem Dach der Auto-Union zusammengefassten sächsischen Hersteller Audi, DKW, Horch und Wanderer.

Sehen Sie selbst nach, ob ich vielleicht doch ein Fremdfabrikat übersehen habe. Lassen Sie sich nicht von dem mit „Reichswehr“-Kennzeichen versehenen Horch im Vordergrund ablenken – alle übrigen Wagen scheinen zivile Nummernschilder zu tragen:

Auto Union-Sonderschau, Foto um 1934; Original: Sammlung Michael Schlenger

Die Datierung dieses aus zwei Fotos zusammenklebten Originalabzugs lässt sich recht genau vornehmen.

Die deutsche „Reichswehr“ wurde im Frühjahr 1935 in „Wehrmacht“ umbenannt, warum auch immer, und der neben dem Horch in vorderster Reihe zu sehende Audi kann erst 1933/34 entstanden sein.

Eventuell erlauben weitere hier zu sehende Autos eine noch genauere Eingrenzung. Da ich auf Reisen keinen Zugriff auf meine Literatur habe, überlasse ich diese Recherche gern den in Sachen DKW & Co versierten Lesern.

Was mich hier nachdenklich macht, ist der militärische Kontext. Man sieht im Hintergrund einige Schirmmützenträger und die Hallen könnten zu einer Kaserne gehört haben.

Gewiss, der Krieg lag noch ein paar Jahre in der Zukunft, aber ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, dass schon einmal das Thema „Zivilwagen an die Front“ geprobt wurde.

Bei besonders regimetreuen Volksgenossen sollte es bald eine Frage der Ehre sein, den eigenen Wagen zur kriegsmäßigen Verwendung abzuliefern. Skeptischere Vertreter wurden mehr oder weniger subtil mit Angeboten überredet , die man nicht ablehnen sollte.

Übrigens landeten auch Fronttriebler massenhaft bei der Truppe – man denke nur an die Adler Trumpf-Wagen oder die in Frankreich geraubten Citroens des Typs „Traction Avant“.

Citroen Traction Avant, aufgenommen bei Troyes 1940; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Die schwächer motorisierten DKWs finden sich im Krieg in heimatnahen Verwendungen wie der Ausbildung weiteren Kanonenfutters dienenden Kasernen oder Flugplätzen.

Von den ebenfalls frontgetriebenen Audis finden sich nur wenige Aufnahmen bei der Truppe, was aber schlicht daran liegt, dass diese edlen Wagen ohnehin nur in sehr geringen Stückzahlen gebaut wurden.

Mehr will ich für heute gar nicht erzählen, ich meine, dass ich genügend Material aufgefahren habe, anhand dessen Sie sich vertieft mit dem Reiz des Massenphänomens Automobil befassen können – bin gespannt, was ich alles übersehen habe…

Michael Schlenger, 2025. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and https://vorkriegs-klassiker-rundschau.blog with appropriate and specific direction to the original content.

Endlich mal was Neues! DKW P 15 PS Cabrio-Limousine

Die Sonntage immer den Künsten – so stellt man es sich als Schöngeist gerne vor, wenn das Wochenende ansteht.

Doch sollte es anders kommen. Ich hatte mit den Nachbarn in der angrenzenden 350 Jahre alten Domäne erörtert, wie man die alte Weide zurechtstutzt, deren Äste schon wieder auf dem Dach meiner Autohalle auflagen.

Da der Sonntag prächtig zu werden versprach, gingen wir am frühen Nachmittag zu dritt ans Werk – mit Säge für’s Grobe, dann Astschere und schließlich der klassischen „Löwe“-Amboßschere, die ich jedem Gartenbesitzer ans Herz lege.

Bei der Arbeit unterhielten wir uns über dies und das, ließen uns vom Kater Karlo und Besuchern ablenken. Zwischendurch gab es eine Improvisation am verstimmten Flügel im Haupthaus, einen Espresso und im übrigen: tiefblauen Himmel und Sonne satt.

Nach drei Stunden Handarbeit am Sägebock und reicher Brennholz-Beute für den übernächsten Winter ging es heim. Endlich wieder draußen, dachte ich, endlich mal was Neues nach drei Monaten Abstinenz. Die Müdigkeit nach getaner Arbeit, herrlich!

Solchermaßen beschwingt wollte ich auch im Blog etwas Neues bringen – mir kam eine Fotoserie in den Sinn, in der es nur um gutgelaunte Autobesitzer und ihre Wagen geht.

Bei zwei Marken bzw. Modellen werde ich diesbezüglich immer wieder fündig – bei den Adler-Frontantriebswagen und den DKW-Zweitaktern der 1930er Jahre.

In Sachen Adler will ich schon seit langem eine Serie mit den schönsten Aufnahmen bringen, doch bisher fehlte die Zeit dazu. Hier ein Vorgeschmack darauf:

Adler „Trumpf“ Roadster; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Heute abend fiel mir bei der Durchsicht der noch nicht eingescannten DKW-Fotos auf, dass es dort ebenfalls zu viele sind, um schnell aufbereitet zu werden.

Keine Sorge, eines Tages bringe ich dieses Verwöhnprogramm, bei dem Typen, Technik usw. keine Rolle spielen – alleine die gelungene Inszenierung soll zählen.

Als ich das Material sichtete, stieß ich indessen auf etwas anderes, welches mit einem Typ zu tun hat, den ich inzwischen als „abgehakt“ betrachtete, so oft ist er inzwischen vertreten.

Die Rede ist vom ersten DKW-Serienauto überhaupt, dem ab 1928 gebauten Typ P 15 PS. Dieser einfache, aber attraktiv gestaltete Wagen besaß einen Zweizylinder-Zweitaktmotor mit 600ccm Hubraum – eine naheliegende Wahl für den bisher mit Zweitakt-Motorrädern enorm erfolgreichen Hersteller.

Wie meine DKW-Galerie zeigt, wurde der Wagen meist als offener Zweisitzer gekauft. Einer davon ist auf der folgenden Aufnahme zu sehen:

DKW Typ P 15 PS Roadster; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Ich dachte mir, dass ich hier endlich mal etwas Neues in der Hinsicht zeigen muss – denn die Abdeckung des Innenraums mutet doch sehr merkwürdig an, oder?

Man hätte auch einfach das Verdeck aufspannen können. Hat jemand eine Idee, was wir hier sehen? Und: wo die Aufnahme entstand?

Das Barockschloss im HIntergrund erinnert zwar stark an die Würzburger Residenz, aber es scheint sich doch um eine andere Örtlichkeit zu handeln.

Wenn den DKW-Kennern unter den Lesern meines Blogs auch das noch zu konventionell ist, dann sei ihnen gesagt. Gleich gibt es endlich mal etwas Neues in Sachen DKW P 15 PS.

Wir werden dabei mit Berliner Damenmode um 1930, schlesischem Drogenhandel, einer geheimisvollen Doppelbelichtung und einer Rarität aus Sachsen konfrontiert.

Den Anfang macht diese schöne Aufnahme:

DKW Typ P 15 PS, Cabrio-Limousine; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Ein hübsches Dokument, das wohl irgendwann Anfang der 1930er Jahre auf einer Chaussee entstand.

Wenn Ihnen der DKW Typ P 15 PS hier so beeindruckend dimensioniert erscheint, dann liegt das allein daran, dass die freundliche junge Dame daneben kaum 1,60 Meter maß, das war nämlich die Höhe des Autos.

Sie macht ja durchaus gute Figur, aber wer um Himmelswillen hat ihr in Berlin – dort war der DKW zugelassen – dieses unmögliche Kleid geschneidert? Ich dachte bisher, dass die Sackkleider mit unter der Taille angebrachtem Gürtel eine kurzlebige Geschmacksverirrung der 1920er Jahre waren, aber offenbar wird hier immer noch eines getragen.

Immerhin hat unser Fotomodell noch eine zweite Chance bekommen und da wirkt sie gleich ganz anders, auch wenn dafür andere Sachen schiefgelaufen sein mögen.

So ließ man sich mit demselben Wagen in einer unbekannten Stadt irgendwo in Schlesien ablichten – ausgerechnet vor dem Haus des örtlichen Drogenhändlers:

DKW Typ P 15 PS, Cabrio-Limousine; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Mir gefällt dieses Foto trotz einiger Fragwürdigkeiten ganz außerordentlich. Die Drogenhandlung „Silesia“ nehme ich als Schlesierkind mit einem Lächeln zur Kenntnis. Vielleicht findet ja jemand den Aufnahmeort heraus.

Auch die Doppelbelichtung aufgrund versäumten oder nicht funktionierenden Filmtransports in der einst verwendeten Kamera stört mich nicht im geringsten.

Denn das Wesentliche ist hier in erfreulicher Klarheit festgehalten. Dieser DKW P 15 PS war nämlich ein Exemplar von nur gut 230 Stück, die 1929/30 als viersitzige Cabrio-Limousine gebaut wurden.

Der großzügige Aufbau war eigentlich für das neue Vierzylindermodell von DKW vorgesehen, dessen Fertigstellung sich jedoch verzögerte. Das zusätzliche Gewicht der Karosserie war natürlich der Agilität des Autos nicht zuträglich.

Eine echte Verkaufsbremse war auch der heftige Preis von 3.200 Reichsmark. Denn für dasselbe Geld – bzw, ab 1930 für 500 Mark weniger – bekam man eine Limousine von Opel mit 20 PS leistendem Vierzylindermotor.

Das einzige Argument für den DKW mag damals noch der geringe Hubraum und die daran anknüpfende niedrige Steuer sowie die Einfachheit des Motors gewesen sein. Der als Nachfolger 1930er herausgebrachte Vierzylinder-DKW 4=8 hatte zwar mehr Leistung, war aber im Wettbewerb ebenfalls unterlegen.

Erst mit den meisterhaft gezeichneten Fronttrieblern lief DKW zu großer Form auf und hinterließ bis lange nach Ende des 2. Weltkriegs Spuren. Denen gehen wir bei anderer Gelegenheit nach…

Michael Schlenger, 2025. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and https://vorkriegs-klassiker-rundschau.blog with appropriate and specific direction to the original content.

Ganz schön behämmert: DKW „Sonderklasse 1948“

Noch ist es wohl erlaubt, zumindest sich selbst durch den Kakao zu ziehen, ohne sich eine Klage wegen Majestätsbeleidigung einzuhandeln, wie das neuerdings bei humoristischen Äußerungen über die leitenden Angestellten unsere Republik droht.

Also bleiben wir besser schön in den niederen Sphären der augenzwinkernden Auseinandersetzung mit den nicht wirklich wichtigen Dingen im Dasein eines abgesehen von Tempoüberschreitungen sonst nicht weiter auffälligen Nettosteuerzahlers.

Wie immer hoffe ich, von meinem jüngsten Aufenthalt südlich der Alpen ohne „Ticket“ davongekommen zu sein. Ganz sicher ist das nicht, denn die bizarren Hinweise „100 bei Nässe“ auf der A5 zwischen Basel und Freiburg habe ich glatt übersehen, obwohl die Fahrbahn benetzt erschien und sich besser abgerichtete „Volksgenossen“ daran hielten.

Man muss schon etwas bekloppt sein – oder auch behämmert – um sich regelmäßig den wilden Wechsel absurder Tempoanweisungen auf dieser Strecke anzutun. Man schafft es kaum, rechtzeitig zu verarbeiten, ob die Regelung nur „bei Nässe“, zwischen 6 und 21 Uhr oder zwischen 21 und 6 Uhr oder am Ende doch nur für LKW gilt.

Vergleichbarer Nonsens ist mir aus keinem europäischen Nachbarland bekannt, auch die grotesken Drohungen an Autobahnbrücken „Rennraser – nächste Ausfahrt Gefängnis“ aus dem Handbuch des „Gaslighting“ kenne ich nur aus dem Mutterland von „German Angst“.

Bekloppt oder behämmert muss ich auch selbst sein, wenn ich zu vorgerückter Stunde noch schnell etwas zur DKW „Sonderklasse“ in der letzten Ausführung ab 1937 schreiben will.

Denn angeblich war diese mit über 10.000 Exemplaren die häufigste Version der oft übersehenen heckgetriebenen DKWs mit 4-Zylindermotor. Dumm nur, wenn man arg spät feststellt, dass man unter hunderten DKW-Fotos keine Vorkriegsaufnahme dieses Modells im Fundus hat.

Das früheste Dokument verdanke ich Leser und Sammlerkollegen Klaas Dierks – es wurde der Tarnbeleuchtung nach zu urteilen, mitten im 2. Weltkrieg aufgenommen und zeigt den Wagen eines Doktors mitsamt dessen besserer Hälfte:

DKW „Sonderklasse“, Bauzeit: 1937-1940; Originalfoto: Sammlung Klaas Dierks

Das ist ein so schönes Foto, dass man die bedrückenden Zeitumstände vergessen könnte.

Man müsste behämmert sein, um den damaligen Zeitgenossen, die sich die fatalen Verhältnisse keineswegs mehrheitlich herbeigewählt hatten, nicht das Recht zuzugestehen, dennoch das Beste aus ihrem Dasein zu machen, sofern es nicht auf Kosten anderer ging.

Dieses Foto erzählt vom kleinen privaten Glück inmitten eines irrwitzigen großen Geschehens, und man kann vielleicht daraus etwas für’s Hier und Jetzt mitnehmen.

Nun aber zu dem DKW, der hier völlig anders wirkt, als man das von der sächsischen Marke gewohnt ist. Merkwürdigerweise sind – zumindest nach meiner Wahrnehmung – diese späten Versionen mit der robusten stahlbeplankten Karosserie heute kaum noch bekannt.

Der solide Aufbau war weitgehend vom Wanderer W24 übernommen, der ebenfalls unter dem Dach der Auto-Union gebaut wurde. Mit ein paar Anpassungen hatte man die Frontpartie ganz anders gestaltet – man fühlt sich an das moderne Erscheinungsbild des Fiat 1100 erinnert, der ebenfalls 1937 erschien.

Lag es an dem in der Literatur als problembehaftet beschriebenen Motor, der eine für Zweitakter ungewöhnliche Komplexität aufwies, dass die nach dem ungeschlachten Vorgänger „Schwebeklasse“ gelungen gestaltete „Sonderklasse“ so wenige Spuren hinterlassen hat?

Vielleicht kann es einer der in Sachen DKW bewanderten Leser erklären. Ich bin noch einmal einen ganzen Stapel unbearbeiteter Fotos dieser Marke durchgegangen – völlige Fehlanzeige, was die späte „Sonderklasse“ ab 1937 angeht.

Doch zum Glück hatte ich mir schon vor längerer Zeit eine einschlägige Aufnahme gesichert, welche den Wagen von seiner besten Seite zeigt, wenn auch „ganz schön behämmert“ und in der Spezialausführung „Sonderklasse 1948“:

DKW „Sonderklasse“, Bauzeit: 1937-1940; Originalfoto: Michael Schlenger

Wie man sieht, hat das Auto mit Zulassung in der sowjetischen Besatzungszone ab 1948 einiges erlebt. Einer der Vorderkotflügel hatte wohl in irgendeiner Form „Feindkontakt“, während des Kriegs als Fahrzeug der Wehrmacht oder bei einer späteren Gelegenheit.

Aber er kam tüchtig „behämmert“ wieder halbwegs in Form und das genügte damals vollauf.

Man vergisst gerne, dass es im Osten Deutschlands nach 1945 noch eine ganze Weile viele Leute gab, die sich einen gewissen Wohlstand bewahrt hatten, sofern sie nicht von den Westalliierten ausgebombt worden waren. Dieses Foto lässt etwas davon ahnen.

Bis das Wirken der sozialistisch beseelten Kleingeister im Politbüro in Ostberlin so weit „gediehen“ war, dass es auch damit vorbei war, sollte es noch bis in die 70er Jahre dauern.

Belassen wir es daher heute dabei, uns an diesem Dokument zu erbauen. Wie das zuvor gezeigte ist es eines, welches vom Triumph des Lebenswillens und dem Bedürfnis kündet, sich für einen Moment im Fluss des großen Ganzen als Individuum zu inszenieren – nicht als beliebige Nummer in einem straff durchorganisierten Ameisenstaat…

Michael Schlenger, 2024. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and https://vorkriegs-klassiker-rundschau.blog with appropriate and specific direction to the original content.

Von oben alles gut bedacht? DKW F7 Luxus-Cabrio

Haben Sie sich schon einmal gefragt, warum hier bisweilen Blog-Einträge täglich erscheinen und dann einige Tage gar keine?

Die Antwort ist einfach: Die meisten davon entstehen binnen weniger Stunden, doch einige wenige brauchen ein ganzes Leben lang und manche zumindest ein paar hundert Kilometer.

Heute ist eine Mischung aus den beiden letzten an der Reihe. Dabei komme ich mehr noch als sonst auf Abwegen zum Thema – besser: zum Foto, welches das Thema illustriert.

Von oben gut bedacht – das klingt doch irgendwie auch ein bisserl nach „von himmlischen Mächten beschützt“, nicht wahr? Ja, das könnte ich fast meinen.

Denn seit ich mein Dasein selbst bestimme, ist mir alles geglückt, auch wenn’s das eine oder andere Mal knapp war. Lassen wir den üblichen Liebeskummer, an dessen Verarbeitung man weiterwächst.

Heute habe ich alles, was einen glücklichen Menschen ausmacht: keine materiellen Sorgen, einen fordernden, aber erfüllenden Beruf, private Verhältnisse, wie ich sie mir nicht schöner vorstellen könnte, robuste Gesundheit und: eine zweite Heimat im italienischen Umbrien.

Nun könnte ich aus alledem schließen, dass es irgendjemand außerhalb meiner Lebenssphäre besonders gut mit mir meint. Ach was! Mein Dasein ist Ergebnis von: ein Drittel Erziehung, ein Drittel Eigenleistung und ein weiteres Drittel pures Glück.

Letzteres schreibe ich gern ironisch der Göttin Fortuna zu, weil ich die pragmatischen antiken Personifizierungen der Mächte mag, die in unser Leben hineinwirken. Doch bei aller Eitelkeit fehlt mir das Selbstbewusstsein zu dem Glauben, dass ausgerechnet mein unmaßgebliches Dasein von irgendwoher wohlwollend „gut bedacht“ wird.

Wenn irgendwer „wie durch ein Wunder“ entgegen alle Wahrscheinlichkeit mit dem Leben davongekommen ist, höre ich meine Mutter spotten, dass die anderen leider Pech hatten, weil der Schutzengel gerade nicht aufgepasst hat. Sie glaubte nicht an höhere (Schutz)Mächte.

Gestern war aber so ein Moment, in dem ich dachte: hier kommt alles zusammen, hier ist alles wie von oben gut bedacht.

Ich war mit dem Auto am Morgen unterwegs in Italien Richtung Bologna. Gerade befand ich auf der Höhe von Cremona, als die Sonne die Nebel aus der Po-Ebene vertrieb. Und just in dem Moment wurde im Radio auf meinem Standardsender „RAI Musica Tutta Italiana” eine Sondersendung zu “La Tigra di Cremona“ angekündigt.

Damit ist die legendäre Sängerin Mina gemeint, die in den 1960er und 70er Jahren in Italien Furore machte, bis sie von der Bildfläche verschwand. Sie hatte diese enorm voluminöse, verrucht klingende Stimme, wie sie der naive deutsche Schlagerzirkus nie hervorbrachte.

Da gab es nun eine halbe Stunde einige ihrer Lieder (nur nicht dieses, das man „sehen“ muss…). Doch das Glück war damit noch nicht vollkommen und nun nähern wir uns dem Thema. Denn mit einem Mal merkte ich, wie üblich mit dem Strom der Einheimischen schwimmend, wie sich der Verkehr verlangsamte.

Der Grund war der: Auf der rechten Spur fuhr mit gut 100 km/h eine Reihe Cabrios mit flach auslaufender Dach- und Hecklinie. Beim Näherkommen erkannte ich, dass es sich um eine Ausfahrt von gut einem Dutzend italienischer Mercedes des Typs 190 SL handelte.

Alle hatten das Verdeck geschlossen, was dem Wagen (wie den meisten Cabrios aus meiner Sicht) ausgezeichnet steht. Ich hatte ganz vergessen, wie filigran und elegant gezeichnet dieser klassische Mercedes war, der aufregendere Motoren verdient hätte.

Aber letztlich war hier alles gut bedacht worden, niemand erwartete von diesem schicken Auto Sportwagenleistungen. Und auch von oben gut bedacht waren die Insassen, dank mit der Wagenfarbe kontrastierendem Verdeck. Darunter durchweg Paare, wobei „er“ am Steuer saß.

Ich genoss diese völlig unwahrscheinliche Zeitreise zurück in die frühen 60er begleitet von den zeitlich perfekt passenden Klängen von Mina und fuhr beglückt an der Kolonne vorbei. Ganz vorne gab es noch einmal eine Überraschung: Denn hier saß „sie“ am riesigen Lenkrad, der Kopf eingerahmt von prächtigen roten Locken – Fortuna hatte es wirklich gut gemeint…

Dieses beflügelnde Erlebnis klang noch lange in mir nach. Ich war allein im Wagen und hatte noch über vier Stunden bis ans Ziel zu fahren. Während ich das Gesehene und das dabei Empfundene Revue passieren ließ, ergab sich das Thema wie von selbst und auch dieser Text entstand entgegen meiner Gewohnheit in weiten Teilen bereits in meinem Kopf.

Mir kam bald auch ein passendes Foto in den Sinn, das mich schon lange Zeit bewegt, weil auf ihm Glück und Elend auf unauflösbare Weise nebeneinander festgehalten sind – obwohl doch scheinbar alles „von oben gut bedacht“ scheint:

DKW F7 Front Luxus-Cabriolet, 4-Sitzer; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Hier haben wir den wohl schönsten deutschen Kleinwagen der späten 1930er Jahre – das im Horch-Werk aufwendig gebaute Luxus-Cabriolet auf Basis des Zweitakt-Fronttrieblers F7.

Die schiere Qualität und die Eleganz von Form und Farbgebung standen zwar in Kontrast mit der moderaten Leistung – soweit ich weiß, waren diese teuren und raren Modelle mit Standardmotoren ausgestattet. Doch vielleicht war ja das gerade das Geheimnis – Sonderwege waren und sind offenbar eine Spezialität der Deutschen.

Und nun schauen Sie, was von diesem Gefährt übriggeblieben ist – ein schwer gezeichneter Gebrauchtwagen in einer städtischen Trümmerumgebung kurz nach dem 2. Weltkrieg.

Die Frauen im Hintergrund hatten damals anderes im Kopf als Autos, teils schauen sie nach vorn, teils drehen sie halbherzig den Kopf in Richtung Kamera.

Der kriegsversehrte DKW muss aber jemanden am Herzen gelegen haben, der sich noch Benzin und Öl leisten konnte. Denn wenn ich mich nicht irre, wurde der Wagen „neu bedacht“. Jedenfalls sieht das Verdeck neu aus, allerdings fehlt die seitliche Sturmstange.

Wir haben es hier mit der viersitzigen Ausführung zu tun, die neben dem Zweisitzer verfügbar war, den wir hier sehen:

DKW F7 Front Luxus-Cabriolet 2-Sitzer; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Ich bin nicht ganz sicher, ob es sich hier ebenfalls um eine frühe Nachkriegsaufnahme handelt – doch in jedem Fall scheint hier noch alles gut bedacht zu sein, jedenfalls was das DKW-Verdeck angeht. So ein Front-Luxus Cabrio hatte schon etwas, oder?

Aber werfen Sie noch einmal einen Blick auf den Fahrer auf dem ersten Foto mit dem DKW als „neu bedachtes“ 4-Sitzer-Cabriolet. Sieht so ein glücklicher Mensch aus?

Zwar hatte er das rein materielle Privileg, sich einen kriegsversehrten Wagen leisten und sogar in ein neues Verdeck investieren zu können.

Doch mit den Frauen im Hintergrund und den meisten Landsleuten teilte er das Unglück in einem zerstörten, verarmten und besetzten Land zu leben, das durch industriellen Massenmord an eigenen Bürgern und denen in eroberter Staaten das gepflegte Selbstbild als herausragende Kulturnation quasi selbst ausgelöscht hatte.

Und das alles zusammen mit den katastrophalen Folgen auch für die Deutschen selbst soll „von oben gut bedacht“ gewesen sein? Nein, es reichte nach 1945 allenfalls für ein neues Verdeck – und jeder war auf sich selbst zurückgeworfen, was gut bedacht sein wollte….

Michael Schlenger, 2024. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and https://vorkriegs-klassiker-rundschau.blog with appropriate and specific direction to the original content.

Beinah‘ ein kleiner Rolls… DKW Typ P 15 PS

Heute trägt er aber besonders dick auf, unser „Blog-Wart“ – um die Wortschöpfung eines geschätzten Lesers zu verwenden. So mag jetzt der eine oder andere unter Ihnen denken.

Und die DKW-Freunde werden ohnehin der Meinung sein, dass ihre zweitaktenden Lieblinge solche Vergleiche gar nicht nötig haben. „Macht er sich am Ende lustig über DKWs erstes Serienautomobil?“

Nein, mit Spott bedenke ich regelmäßig nur das von manchen für ein Auto gehaltene „Kommissbrot“ von Hanomag – was mich nicht davon abhält, demnächst wieder einige Fotos auch dieser abwegigen Konstruktion zu zeigen, denn das verlangt die Chronistenpflicht.

Wie man vom 1928 vorgestellten DKW Typ P 15 PS ausgerechnet auf Rolls-Royce kommt, das will ich heute vorführen und vielleicht verstehen Sie am Ende, wie diese Idee entstand.

Beginnen wir zunächst mit einem schönen Dokument, welches mir Leser und DKW-Spezialist Volker Wissemann in digitaler Form zur Verfügung gestellt hat. Es zeigt den vierrädrigen Erstling des renommierten Motorradherstellers in der Ausführung als zweisitziges Cabriolet:

DKW Typ P 15 PS, 2-Sitzer-Cabrio; Originalfoto: Sammlung Volker Wissemann

Man mag die Motorisierung des DKW mit gerade einmal 600ccm messendem Zweizylindermotor belächeln – Ende der 1920er Jahre war das an sich nicht mehr zeitgemäß.

Doch die Zeiten waren schwer und mit diesem Gerät konnte man die höhere Hubraumsteuer konkurrierender Modelle von Opel, Hanomag und Dixi unterbieten.

Hinzu kam die extreme Einfachheit der Zweitaktmotoren, welche vom Motorrad her kommenden Erstkäufern entgegenkam. Ansonsten sprach eigentlich nichts für den kleinen DKW – weder beim Kaufpreis noch in der Leistung bot er Vorteile.

Nicht einmal einen soliden Stahlrahmen bot er – die Karosserie bestand aus einem selbsttragenden Holzkorpus. Bei DKW wusste man wohl um die Nachteile des Konzepts und so scheint man besondere Sorgfalt auf die Gestaltung gelegt zu haben.

Tatsächlich war der kleine DKW – wie die meisten seiner Nachfolger – durchaus attraktiv gezeichnet. Kein anderer deutscher Hersteller sollte in der Kleinstwagenklasse Autos bauen, die so erwachsen und wohlproportioniert wirkten.

Speziell die einfachste Version – der offene Zweisitzer mit leichtem Roadsterverdeck – erschien geradezu sportlich:

DKW Typ P 15 PS Roadster; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Hier haben wir übrigens ein ganz frühes Exemplar, bei dem das DKW-Emblem noch nicht auf einer etwas vorspringenden Fläche auf dem Kühlergehäuse angebracht ist.

Dass hier bei allen Qualitäten gestalterisch noch Luft nach oben war, das mag der ein odere andere Besitzer schon damals festgestellt haben.

Tatsächlich hatte sich ein unbekannter DKW-Fahrer vorgenommen, seinen kleinen 15 PS-Wagen gleich um mehrere Klassen aufzuwerten.

Vermutlich hat er unter der Haube alles beim alten gelassen, doch mit geschickten Modifikationen hat er dafür gesorgt, dass sein Wagen auf den ersten Blick wie ein kleiner Rolls-Royce daherkam:

DKW Typ P 15 PS, modifizierter Zweisitzer; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Wäre da nicht immer noch das DKW-Logo auf dem Kühler, könnte man dieses offene Exemplar doch glatt für eine Miniaturausgabe des Rolls-Royce Phantom I halten, von dem es damals auch Roadster-Ausführungen gab.

Dieser Effekt ist vor allem auf zwei Elemente zurückzuführen:

Das eine sind die riesigen Chrom-Scheinwerfer, welche sicher von einem weit größeren Fahrzeug stammten. Das andere ist die schräggestellte Frontscheibe, die ich so noch nie beim DKW 15 PS gesehen habe.

Die beiden Damen sitzen weit hinten auf der ausklappbaren Rückbank, welche sich ganz am Ende befindet – noch hinter der Dachabschluss. Dadurch erscheint das Auto weit größer, als es wirklich war.

Wie sich die tatsächlichen Verhältnisse darstellten, wird einem schlagartig klar, wenn man das Originalfoto in seiner Gesamtheit betrachtet:

Man ist beinahe enttäuscht – die Illusion eines Rolls-Royce „en miniature“ war doch zu schön und nun hält die schnöde Wirklichkeit wieder Einzug.

Dennoch meine ich, dass dies ein sehenswertes Beispiel für meine These ist, dass es bei historischen Fahrzeugen nicht nur „den“ einen Originalzustand gibt, welchen ein Auto beim Verlassen der Fabrikationshalle für ohnehin meist nur kurze Zeit aufwies.

Nein „original“ im Sinne von historisch authentisch ist daneben auch jeder Zustand, in welchem die Wagen einst nachweislich im Alltag unterwegs waren – also mit zeitgenössischen Extras, individuellen Umbauten, nutzungsbedingten Beschädigungen und späteren Veränderungen, die einem Mangel an Ersatzteilen oder neuen Vorschriften geschuldet waren.

Jedenfalls würde ich den heute vorgestellten DKW – wenn er sich denn so erhalten hätte – auch genau in diesem Zustand belassen, nicht zuletzt deshalb weil er dadurch ein ganzes Stück nobler wirkt als die serienmäßige Variante.

Erwähnt sei abschließend noch die „geknickte“ Scheinwerferstange, die ebenfalls nicht der Serie entsprach. Ob diese selbst fabriziert oder von einem anderen Wagen „ausgeliehen“ war, das sei dahingestellt.

Bei einer Frage können Sie mir aber vielleicht noch helfen: War dieser DKW denn nun ein Roadster – dafür würde die einteilige Frontscheibe sprechen – oder ein zweisitziges Cabrio – worauf eine ansatzweise zu erkennenden Sturmstange an der Seite hindeutet?

Und wie immer gilt: Jeder Kommentar auch zu Aspekten, die ich übersehen oder falsch interpretiert habe, ist willkommen. Nur was den Titel „Beinah‘ ein kleiner Rolls…“ angeht, bin ich unbelehrbar – das Teil wirkt einfach so auf mich, und das ist als Kompliment gemeint…

Michael Schlenger, 2024. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and https://vorkriegs-klassiker-rundschau.blog with appropriate and specific direction to the original content.

Herummäkeln zwecklos! DKW PS 600 Roadster

Die zwecklosen Dinge sind die Würze des Lebens, meine ich.

Ein früherer Vorgesetzter von mir fragte bei allen möglichen Gelegenheiten: „Ist das wirklich notwendig?“ – Meine genervte Antwort war irgendwann, dass man mit der Notwendigkeit als Maßstab über kurz oder lang wieder in der Steinzeit landet.

Wer an Automobile – das teuerste Konsumgut für die meisten – ohne Not mit einer reinen Zweckbetrachtung herangeht, ist ein armer Tropf. Selbst ein praktischen Verwendungen dienendes Gefährt sollte gefällig daherkommen, gern auch etwas angeberisch.

Manche meinen zu wissen, wieviel(e) Auto(s) man braucht, wie groß es sein darf, was es verbrauchen soll usw. Diese Bevormunderei ist in Deutschland mit seiner Kontroll- und Neidkultur leider besonders ausgeprägt.

Doch was geht es andere an, wenn ich mir einen großen Spritsäufer mit V8 zulege, der völlig unzweckmäßig ist, wenn ich damit pro Jahr nur einige hundert Kilometer fahre?

Die automobile Realität sah und sieht für die breite Masse in Deutschland doch in Wahrheit prosaisch aus. Für angebliche Exzesse fehlt es den meisten am Spielgeld – „Vater“ Staat muss vorrangig gemästet werden, das wollten die Deutschen schon immer so.

Die automobile Bescheidenheit sehe ich jeden Tag selbst hier im Speckgürtel von Frankfurt/Main. Fast alle Leute, die selbst dafür bezahlen müssen, fahren banale Gebrauchtwagen, überwiegend von günstigen Herstellern aus Asien oder Frankreich.

Neue deutsche „Premiumautos“ sind die Domäne von Dienstwagenfahrern oder Möchtegerns, welche sich zwar keinen Wagen kaufen, aber leasen können. Beides war in der Vorkriegszeit weitgehend unbekannt, und ein Auto zu besitzen, war in Deutschland ein Privileg an sich.

Man kann sich kaum vorstellen, dass das erste DKW-Automobil – der simple Zweitakttyp P 15 PS von 1928 – seinerzeit einen exklusiven Besitz darstellte, den man mit Stolz präsentierte:

DKW Typ P 15 PS, 2-sitziges Cabriolet; Originalfoto: Volker Wissemann

So gefällig dieser Kleinwagen auch aussah, war er doch in technischer Hinsicht noch von nackter Notwendigkeit geprägt.

Der 600ccm messende Zweizylindermotor war aus einem Motorradaggregat abgeleitet, die Karosserie war zwar selbsttragend, aber weitgehend aus Holz.

Das wohl einzige Komfortmerkmal waren die mittig an der Vorderachse angebrachten Reibungsstoßdämpfer, die man auf dem Foto von Volker Wissemann gut erkennen kann.

Gestalterisch indessen – das muss man DKW lassen – war dieses Gefährt ausgesprochen gelungen, was übrigens auch für die späteren Modelle gilt. Von der ungeschlachten „Schwebeklasse“ abgesehen, sah ein DKW stets mindestens eine Klasse besser aus, als es seinen Fahrleistungen entsprach.

Nicht ganz 5.000 Exemplare seines automobilen Erstlings P 15 PS brachte DKW in dreieinhalb Jahren (Juni 1928 bis Dezember 1931) an den Mann. Diese extrem niedrige Zahl für einen Kleinwagen kündet von der erschütternden Armut im Deutschland jener Zeit.

Und dennoch gab es auch damals eine Minderheit, der bei aller Ungemach der Sinn nach radikal Unvernünftigem stand – diese Leute verdienen unsere besondere Sympathie.

So bot DKW neben der 15 PS-Standardausführung eine um sagenhafte 3 Pferdestärken leistungsgesteigerte Sportversion an. Sie mögen jetzt lächeln, aber in Verbindung mit weniger Gewicht (ca. 500 kg) und echter Roadster-Optik war das schon ein Lichtblick.

Das als PS 600 firmierende Gerät wurde parallel zum P 15 PS in weit geringeren Stückzahlen gefertigt – ganze 500 Wagen entstanden bis 1931.

Nicht zufällig hat dieses unvernünftige Fahrzeug erstaunlich viele Spuren hinterlassen. Die eine oder andere Aufnahme habe ich über die Jahre bereits hier vorgestellt.

Erst vor kurzem stieß ich wieder auf ein Exemplar, und das in einem durch und durch bürgerlichen Umfeld, wo es ansonsten im Alltag eher zweckmäßig zuzugehen hatte:

DKW PS 600 Roadster; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Klar, hier haben wir es nicht gerade mit einer Arbeitersiedlung zu tun, die hohen Sprossenfenster deuten auf einen gewissen Wohlstand hin. Aber selbst so zweckmäßige Dinge wie einen Kühlschrank oder einen Staubsauger gab es auch dort noch meist nicht.

Wie kam da jemand auf die Idee, sich ausgerechnet so ein unvernünftiges Gefährt ohne jeden praktischen Nutzen vor die Tür zu stellen? Nun, weil es jemand wollte und vielleicht dafür bereit war, auf anderes zu verzichten oder etliche Extraschichten einzulegen.

Leider wissen wir nichts über den Besitzer dieses DKW PS 600 mit Zulassung in Herford (Westfalen). Immerhin konnte er seine Freundin, Schwester oder die charmante Nachbarin überreden, doch einmal auf dem Fahrersitz zu posieren.

Gar nicht so schlimm, dieses unpraktische Automobil, stellt man bei näherer Betrachtung fest:

Hier ist alles Herummäkeln zwecklos – den kleinen Sportwagen würde kaum jemand wieder aus der Garage schubsen, wenn sich einer der wenigen Überlebenden dorthin verirren würde.

Ohne solche Dinge, die einen über das rein Zweckmäßige erheben, sind wir einfach nur arme Wichte, die auf Erden freudlos ihre Zeit absitzen und ein Dasein als Sklaven vorgeblicher Notwendigkeiten führen…

Michael Schlenger, 2023. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and https://vorkriegs-klassiker-rundschau.blog with appropriate and specific direction to the original content.

Alles im Eimer? Ein DKW P15 „Kübelwagen“

Militärfahrzeuge sind normalerweise eine ernsthafte Angelegenheit und sie spielen in meinem Blog allenfalls am Rand eine Rolle.

Wer selbst noch zu Zeiten des Kalten Kriegs gedient hat, weiß aber auch, dass Soldaten berufsbedingt einen speziellen Humor haben – schon deshalb verbietet sich übrigens die Anwesenheit von „Frauensvolk“ (Filmzitat, nicht bös gemeint…) beim Militär.

Dieser Humor speist sich aus unterschiedlichen Quellen, wie ich als einstiger Panzergrenadier weiß: dem schwer erträglichen Gehabe komplexbehafteter Unteroffiziere, evident sinnlosen Befehlen und absurden am Schreibtisch ersonnenen Vorschriften, nicht zuletzt dem Auseinderklaffen zwischen dem maßlosen Anspruch deutscher Exzellenz und dem praktischem Versagen von Kriegsgerät schon bei moderater Inanspruchnahme.

Ging es anno 1988/89 auf eigener Kette zu einer Übung, so waren die ersten unserer „Marder“-Schützenpanzer schon kurz hinter dem Rotenburger Kasernentor „im Eimer“. Ganz so lachhaft wie heute war der Zustand der Truppe damals aber wohl noch nicht.

Vom „Eimer“ ist der Weg nicht weit zum „Kübel“ – und um diese eigentümliche Fahrzeuggattung geht es heute. Im offiziellen Sprachgebrauch nannte man die auf Zivil-PKW basierenden offenen Militärfahrzeuge „Kübelsitzwagen“.

Diese Bezeichnung bezog sich auf die Sitze, die besonderen Seitenhalt bieten sollten, im Idealfall in Kombination mit offenen Türausschnitten. Hier haben wir ein typisches Exemplar in Form eines Stoewer M12 RW:

Stoewer M12 RW Kübelwagen; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Dieses 1940 in der Normandie aufgenommene Fahrzeug habe ich vor längerem hier ausführlich präsentiert.

Solche Wagen mit Kübelsitzaufbau boten praktisch alle deutschen PKW-Hersteller an – in der Hoffnung, an lukrative Aufträge der Reichswehr (später Wehrmacht) zu gelangen.

Die Initiative ging also häufig von den Firmen selbst aus und man scheute sich nicht, auch mit schwach motorisierten Modellen anzutreten, wie etwa Hanomag mit dem Typ 3/20 PS.

Doch vielleicht im Vertrauen auf die Ahnungslosigkeit praxisferner Entscheider am Schreibtisch wagte sich mancher auch mit noch weniger Leistung in den Ring.

Wenn ich nicht völlig danebenliege, haben wir es hier mit so einem Fall zu tun:

DKW Typ P15 „Kübel“ (vermutlich); Originalfoto: Sammlung Klaas Dierks

An diesem Fahrzeug ist offenbar so ziemlich alles „im Eimer“ und es ist irgendwo neben einer Holzbaracke abgestellt worden.

Vier gutgelaunte Soldaten der Reichswehr hält das nicht davon ab, mit diesem Gefährt frohen Mutes und siegesgewiss an die Front zu „fahren“.

Das Gerät ist übrigens eine Beispiel für eine Variante des Kübelwagens, die einfache Türen aufweist – welche freilich ebenso leicht zu entfernen waren, wie man sieht.

Der Zustand mit platten Reifen, ausgeschlachteten Scheinwerfern und geöffneter Haube lässt darauf schließen, dass dieser Kübelwagen am Ende seiner Dienstzeit angelangt ist.

Das macht ihn freilich kaum weniger interessant. Denn dieses Exemplar fehlte bislang in meiner Kübelwagen-Galerie, die ich bis dato für ziemlich vollständig hielt.

Was könnte hier als Ausgangsbasis gedient haben? Das wollte auch der Besitzer der Originalaufnahme, Leser Klaas Dierks, von mir wissen.

Mir kam an der Frontpartie einiges auffallend bekannt vor:

Bitte prägen Sie sich folgende Details ein:

Kühlergehäuse, trommelförmige Scheinwerfer, optisch zweigeteilte und mit Sicken versehene Kotflügel, Scheibenräder mit vier Radbolzen – nicht zuletzt die Art und Weise, wie die gewölbte Blechpartie hinter der Motorhaube auf den unteren Windschutzscheibenabschluss trifft.

Nun werfen wir einen Blick auf einen DKW des Typs P15 PS, der 1928 als erstes Serienauto des bis dahin als Motorradproduzent bekannten sächsischen Herstellers eingeführt wurde.

Hier haben wir aus ähnlicher Perspektive festgehalten ein vollkommen ziviles Exemplar:

DKW Typ P 15 PS, Roadster, 1928/29; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Sicher sehen Sie die weitgehenden Übereinstimmungen, aber auch einige Unterschiede.

Abweichend ausgeführt sind beim serienmäßigen DKW Typ P 15 PS vor allem die seitlichen Luftschlitze in der Motorhaube. Doch auch der Kühler scheint anders gestaltet zu sein.

Dazu muss man allerdings wissen, dass der neuentwickelte DKW auch mit einem Kühler gebaut wurde, welcher dieselbe Ausbuchtung auf dem Oberteil aufwies wie der zuvor gezeigte „Kübelwagen“.

Ein besonders schönes Beispiel dafür zeigt diese Aufnahme aus dem Fundus von Leser und DKW-Experte Volker Wissemann:

DKW Typ P 15 PS, 1928/29; Originalfoto: Sammlung Volker Wissemann

Auf diesem Foto erkennt man außerdem klar eine oben ausstellbare Windschutzscheibe, wie sie auch das von Reichswehr-Männern „besetzte“ Fahrzeug aufweist.

Nicht irritieren lassen sollte man sich von den den mittig an der Vorderachse angebrachten Reibungsstoßdämpfern, die sich als Extra nicht an jedem Fahrzeug fanden.

Volker Wissemann kann auch diesbezüglich mit dem passenden Beweisfoto aufwarten:

DKW Typ P 15 PS, 1928/29; Originalfoto: Sammlung Volker Wissemann

Zwei Hauptunterschiede bleiben indessen: Die abweichenden Luftschlitze in der Motorhaube und nicht zuletzt die Länge des Chassis.

Den DKW gab es ausweislich der Literatur (Thomas Erdmann: DKW Automobile 1904-1945, Verlag Delius Klasing) nur als Zwei- oder Dreisitzer. Auch konnte ich in den mir zugänglichen Quellen keinen Hinweis auf eine Kübelwagenversion finden.

Aber: Die Prototypen des DKW P15 PS besaßen ebenfalls noch senkrechte Haubenluftschlitze, wie sie sich übrigens auch an der Sportversion PS 600 finden.

Ich vermute daher, dass der Reichswehr-Wagen, an dem so ziemlich alles „im Eimer“ war, ein speziell für die Truppenerprobung gebautes Fahrzeug auf Basis des DKW P15 mit verlängertem Chassis war.

Eine bessere Erklärung für die vielen auffallenden Übereinstimmungen mit dem zivilen Model bzw. dessen Prototyp habe ich nicht. Aber vielleicht weiß es ja jemand besser als ich und das Fahrzeug entpuppt sich als etwa ganz anderes.

Dann wäre zwar mein schöner Blog-Eintrag „im Eimer“, aber Niederlagen gehören nicht nur beim Militär zum Geschäft. Auf verlorenem Posten kämpfen, ist sinnlos, auch wenn es nur um eine harmlose Sache wie die Deutungshoheit bei alten Autofotos geht.

Daher gilt nun, liebe DKW-Experten: Feuer frei!

Michael Schlenger, 2023. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and https://vorkriegs-klassiker-rundschau.blog with appropriate and specific direction to the original content.

Das einfach Schöne…DKW F2 Meisterklasse von 1933

Auch wenn es um Vorkriegsautos geht, kommt man an Altmeister Goethe nicht vorbei. Was Shakespeare für das Englische ist – ein Lieferant von Lebensweisheit in allen Lagen – das war und ist der Weimarer Dichterfürst für uns Deutsche.

„Das einfach Schöne soll der Kenner schätzen…“, so sagt die adlige, doch uneheliche Eugenie zur Hofmeisterin in Goethes Werk „Die natürliche Tochter“ von anno 1803.

Natürlich kannte ich als Inhaber eines hessischen Schmalspurabiturs dieses Werk bis heute abend gar nicht. Die Klassiker kamen im Deutschunterricht viel zu kurz, wurden bestenfalls auszugsweise gelesen, stattdessen gab es „progressive“ Autoren, deren Namen und Werke ich vergessen habe.

Zum Glück lässt sich später alles nachholen. Denn das Großartige an unserer Zeit ist ja, dass jedermann das Wissen und die Weisheit, die Mythen und die Moden aller Epochen offenstehen – es ist alles aus zweieinhalb Jahrtausenden da, kostenlos verfügbar.

Und so genießen wir heute das von Goethe empfohlene „einfach Schöne“ anhand eines Produkts, von dem er nichts ahnen konnte – welches ihm aber vielleicht gefallen hätte, weil er damit entschieden leichter in sein geliebtes Italien gelangt wäre.

Dazu genügten vor rund 90 Jahren bereits 20 Pferdestärken aus einem Zweizylinder-Zweitaktmotor mit knapp 700ccm Hubraum – das war die Spezifikation des Wagens, den ich Ihnen heute unter dem Motto „Das einfach Schöne“ nahebringen will:

DKW F2 Meisterklasse von 1933; Originalfoto aus Schenkung von Helga Diettrich

Jeder Freund von Vorkriegsautos wird sofort ausrufen: „Das ist ein DKW!“ – niemand sonst baute Anfang der 1930er Jahre so „einfach schöne“ Kleinwagen.

Ich weiß nicht, wer für die Gestaltung der DKW-Zweitaktwagen verantwortlich war, jedenfalls wirken sie in allen bis zum 2. Weltkrieg gebauten Varianten einfach stimmig, geradezu vollkommen proportioniert.

Und das obwohl die Aufbauten mit einer Kombination aus Sperrholz und Kunstleder nicht sonderlich widerstandsfähig oder dauerhaft waren. Aus Blech waren an der Karosserie nur die Motorhaube, die Kotflügel und die Kühlermaske.

Trotz der Einfachheit der Konstruktion wirkt alles auf merkwürdige Weise richtig – man wüsste bei DKW-Wagen generell nicht, was man anders daran gestalten wollte (Ausnahme: die ungeschlachte „Schwebeklasse“ ab 1934).

Nun wissen die DKW-Freunde natürlich, wieviele Veränderungen es äußerlich an diesen adretten Autos gab, das ist fast eine Wissenschaft für sich. Doch zum Glück gibt es zwei Werke, die einem bei der Einordnung helfen:

Zum Einstieg empfehle ich das „DKW-Fotoalbum 1928-1942“ von Jörg Lindner, Verlag Kleine Vennekate, 2010. Zur Vertiefung ideal ist dann „DKW Automobile 1907-1945“ von Holger Erdmann, Verlag Delius-Klasing, 2012.

Damit munitioniert lässt sich der DKW auf obigem Foto wie folgt ansprechen: Die Motorhaubengestaltung gab es zwar noch beim Typ F5 anno 1935, doch die gerade Unterseite der Frontscheibe verweist auf das frühere Modell F2.

Dieses wurde 1932 als Nachfolger des ersten DKW-Fronttrieblers F1 eingeführt, doch erst 1933 gab es die hier abgebildete Variante mit von Chromleisten eingefassten Luftschlitzen in der Kühlermaske:

Eindrucksvoll ist das Profil des in Fahrtrichtung linken Vorderreifens, während der rechte völlig abgefahren ist – vermutlich handelt es sich um ein Ersatzrad, auf das man mangels Alternativen zurückgriff.

Das Nummernschild mit dem Kürzel „IIA2“ verweist auf eine Vorkriegszulassung im Raum Stuttgart. Darüber ist ein Nebelscheinwerfer zu sehen – dieser DKW war trotz aller Schönheit im Einfachen eindeutig kein Schönwettervehikel.

Leider wissen wir nicht, wozu der großgewachsene Herr den Wagen nutzte, der daneben abgelichtet ist. Der DKW F2 war 1,47 Meter hoch, sein Besitzer muss eine beeindruckende Erscheinung gewesen sein.

Wir kennen sogar seinen Namen – „Johannes Diettrich“ ist auf der Rückseite vermerkt.

Das für mich wirklich „einfach Schöne“ ist dies: Johannes Diettrich war der Großvater der Dame, die mir dieses Foto im Original übereignet hat. Heute fand ich es wohlbehalten in meinem Postfach vor, nachdem es in Flensburg auf die Reise geschickt worden war.

Die Enkelin war der Ansicht, dass dieses Dokument bei mir eine angemessene Würdigung erfahren würde, und ich muss sagen, dass mich das sehr rührt.

Dass einander fremde Menschen so selbstverständlich freundlichen Umgang miteinander pflegen – das mag ebenfalls das „einfach Schöne“ sein, was Meister Goethe einst meinte. Das gibt ein Vorbild für den Alltag ab, von dem wir auch heute lernen können.

So gewinnt am Ende das alte Foto eines Vorkriegsautos einen überzeitlichen Wert. Und die DKW-Experten sind hoffentlich einverstanden mit der Einordnung des Wagens…

Michael Schlenger, 2023. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and https://vorkriegs-klassiker-rundschau.blog with appropriate and specific direction to the original content.

Herr Doktor hat heut‘ Zeit! DKW F8 Luxus Cabriolet

Besuch beim Arzt oder Besuch vom Arzt – beides gehört normalerweise zu den Dingen, auf die man gern verzichtete. Wobei man heilfroh ist, dass es ihn gibt…

Ich kenne aus der Kinderzeit noch den Landarzt des alten Schlags. Dr. Gundermann war ein freundlicher älterer Herr, der seine Praxis in einer Jugendstilvilla am Ortseingang hatte.

Das war für mich als Kind aus einem der Neubaugebiete der 1960er Jahre (immerhin hatten wir einen großzügigen Bungalow) der früheste Kontakt mit Qualitätsarchitektur. Vertieft wurde der später durch die phänomenale Bausubstanz in meiner Geburtsstadt Bad Nauheim und in Friedberg/Hessen, wo ich das Augustiner-Gymnasium besuchte.

Das mag erklären, weshalb ich für die seit 100 Jahren immergleichen Schuhkasterlbauten der „Moderne“ nur Mitleid übrighabe. Zum Glück hat in Europa trotz der Verheerungen der Weltkriege genügend unseres baulichen Erbes überdauert, dass man dieses aufsuchen und darin eintauchen kann.

Dabei ist es keineswegs nur elegante, opulente oder repräsentative Architektur, die mich anzieht. Auch durchschnittliche Bauten auf dem Lande hatten in der Historie eine Qualität, die mich immer wieder fragen lässt: was ist bei uns eigentlich schiefgelaufen?

Ich meine, dass es nicht allein die Katastrophe des 2. Weltkriegs war, welche die Traditionslinien hierzulande unwiderbringlich gekappt war. Dass man sich speziell in Deutschland entschlossen hat, nur noch progressiv zu sein, das kam erst später.

Folgendes Foto aus meiner Sammlung illustriert, dass auf dem Lande eine zumindest äußerlich heile Welt überdauert hatte, auch wenn in jedem Dorf die Gefallenenmahnmale des 1. Weltkriegs eine traurige „Ergänzung“ erhielten.

Egal, wie Ihnen gerade zumute ist, ganz gleich was sie belastet, deprimiert oder erzürnt – versetzen Sie sich in die frühe Nachkriegszeit, nehmen Sie Platz und genießen diese Szene:

DKW F8 Front Luxus Cabriolet; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Ist das nicht wunderbar? Jetzt stellen Sie sich im Hintergrund einen Sichtbeton-Bau der Gegenwart vor und direkt neben Ihrem Tisch ein Nissan Micra Cabriolet…

Sehen Sie, was ich meine? Die Situation auf diesem Foto ließe sich mit modernem Material nicht wiederholen, stattdessen würde man sich hier sofort „sauwohl“ fühlen, nicht wahr?

Dabei ist diese Aufnahme in einer Zeit großer Not entstanden, und es stellte ein außerordentliches Privileg dar, einen solchen Moment „heile Welt“ genießen zu können.

„Herr Doktor hat heut‘ Zeit“ – so lautet das Motto, also nehmen wir uns ebenfalls Zeit und schauen, was dieses Dokument hergibt. Beginnen wir links mit dem offenen Wagen, der auf den ersten Blick kostspielig wirkt. Der zweite Blick offenbart, worum es sich handelt:

Gewiss, das war einmal ein ziemlich luxuriöses Fahrzeug. Der Kühlergrill erinnert tatsächlich stark an die sächsische Premiummarke Horch.

Dabei haben wir es mit einem 20 PS-Auto zu tun. Das verrät die Form des Kühleremblems, welche typisch für eine andere Marke aus dem Auto Union-Verbund war – DKW!

Die frontgetriebenen DKWs mit ihren sparsamen und zuverlässigen Zweitaktmotoren wurden nach ihrer Einführung anno 1931 im Lauf der Zeit äußerlich immer raffinierter.

Speziell das ab 1935 verfügbare Luxus-Cabriolet besaß eine Qualität, welche den Standardausführungen abging: Stahlkarosserie, reichlich Chrom und Ledersitze. Die Motorleistung blieb zwar dieselbe, aber das tat dem Prestige keinen Abbruch.

Unser Foto zeigt die letzte Variante des Front Luxus Cabriolets auf Basis des 1939 eingeführten DKW F8 – hier erkennbar an den senkrechten Streben im Kühlergrill.

Dieses Detail erlaubt die Ansprache sogar bei einem des Zierrahmens und Markenemblems auf dem Kühler beraubten Wagens wie diesem, der kurz nach dem 2. Weltkrieg in Chemnitz fotografiert wurde:

DKW F8 Front Luxus Cabriolet; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Der Wagen auf dieser Aufnahme hat untenliegende Scheibenwischer, während an dem oben gezeigten Fahrzeug die spätere Anordnung am oberen Scheibenrahmen zu sehen ist.

Die Karosserien dieser DKW F8 Front Luxus Cabriolets sollen erst im Horch-Werk entstehen, wurden aber aus Kapazitätsgründen von Baur in Stuttgart gebaut. Es handelte sich letztlich um teure Manufakturfahrzeuge, die alles andere als volkstümlich waren.

Aufgrund ihrer geringen Leistung wurden die DKW-Zweitakter im Krieg vom Militär nur fern der Front eingesetzt. Eingezogen wurden sie aber durchaus, sofern der zivile Besitzer keine Gründe dafür vorbringen konnte, dass er darauf angewiesen ist.

Hier haben wir einen F8 mit geschlossenem Aufbau, das bei einer Luftwaffenheit zum Einsatz kam – wie üblich mattgrau bzw. mattblau lackiert:

DKW F8 Front Luxus Cabriolet; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Nach einigen Jahren Militäreinsatz blätterte die Lackierung der Chromteile ab und schon ist man bei der Optik des oben gezeigten F8 Luxus Cabriolets.

Dieses Auto muss also im Krieg bei einer Militäreinheit unterwegs gewesen sein. Nach der Kapitulation der Wehrmacht im Mai 1945 gab es noch zahlreiche solcher PKW, die über Nacht herrenlos wurden.

Was die Sieger übrigließen, fand bald wieder neue Besitzer, denn neue Autos gab es erst einmal so gut wie keine. Dass ehemalige Wehrmachtsfahrzeuge auf neue Privatbesitzer zugelassen wurden, war an der Tagesordnung – das wurde pragmatisch gehandhabt.

Speziell Ärzte und Veterinäre auf dem Land gehörten zu den ersten, die wieder motorsiert waren – sofern sie nicht ohnehin den Krieg über ihre Autos behalten konnten.

Sie haben sicher das Schild mit dem Roten Kreuz und der Aufschrift „Arzt“ hinter der Windschutzscheibe des eingangs gezeigten DKW gesehen. Demnach gehörte dieser F8 in der Cabriolet-Ausführung nach dem Krieg einem Doktor – wobei ich das Nummernschild noch nicht einordnen konnte (Lösungsvorschläge willkommen!).

„Herr Doktor hat heut‘ Zeit!“ so mag einst die junge Dame gejubelt haben, die hier zusammen mit der Mutter(?) bei einem Arztbesuch der vergnüglichen Art abgelichtet wurde:

Die beiden gut gebräunten Herren scheinen das Wochenende zu einem Ausflug auf’s Land irgendwo im Mittelgebirge oder Alpenraum (vermute ich) genutzt zu haben.

Hier haben gerade vier Menschen viel Freude miteinander und aneinander, ganz wunderbar. Dabei liegt das Grauen des Kriegs noch nicht weit zurück. Ein Zeuge davon ist nicht nur der ziemlich mitgenommene ehemalige Wehrmachts-DKW.

Haben Sie das zweite Auto im Hintergrund bemerkt? Man darf sich nicht von den großen Scheinwerfern täuschen lassen: Das ist ein VW-Kübelwagen, der wie der DKW nach der Kapitulation auf verschlungenen Pfaden einen neuen Besitzer gefunden hat.

Was mögen die zwei Autos und die vier Menschen auf dieser Momentaufnahme in den Jahren davor erlebt haben? Wir wissen nichts davon, aber eines sagt uns dieses Foto: Der Mensch ist ein Überlebenskünstler.

Zum Überleben braucht es freilich im Zweifelsfall nicht nur einen guten Arzt, sondern auch die schönen Dinge im Leben, an denen man sich erfreuen oder auf die man sein Streben ausrichten kann.

„Herr Doktor hat heut‘ Zeit – vielleicht unternehmen wir ja eine Fahrt im Cabriolet!“. Das ist ein Arztbesuch der schönsten Art und mein Wort zum Sonntag: Lassen Sie sich vom Gang der Dinge nicht betrüben, machen auch Sie etwas draus!

Michael Schlenger, 2023. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and https://vorkriegs-klassiker-rundschau.blog with appropriate and specific direction to the original content.

Glück und Tragik: DKW F7 „Meisterklasse“ von 1937

Im Leben gehören Glück und Tragik untrennbar zusammen. Wir können das Dasein göttergleich genießen, solange uns das Glück uns hold ist – doch die Endlichkeit holt uns unweigerlich ein – irgendwann.

Diese Tragik versucht der Mensch seit Urzeiten immer neu zu verarbeiten, irgendwie erträglich zu gestalten, manchmal ihr gar einen Sinn abzuringen.

Die dem Leben zugewandten Griechen konstruierten ihre Mythologie ganz um dieses irdische Menschenschicksal herum – das Jenseits spielte nur eine unerbauliche Nebenrolle.

Der Maßstab für Kunst ist für mich, dem Spannungsverhältnis zwischen flüchtigem Glück und final triumphierender Tragik Ausdruck zu verleihen.

Während ich diesen Blog-Eintrag schreibe, höre ich eine Musik, die ich erst heute kennengelernt habe. So fand ich in der Post eine bestellte CD, die ich vergessen hatte. Darauf befinden sich zwei Werke des englischen Komponisten Henry Purcell (1659-1695).

Das erste strotzt vor Opulenz und Glanz – es ist die Ode „Come Ye Sons of Art“, die Purcell anlässlich des Geburtstags von Queen Mary im Jahr 1694 schrieb.

Das versetzt mich in die rechte Stimmung, um die Schönheit eines Automobils zu preisen, das für mich einen gestalterischen Gipfelpunkt in den späten 1930er Jahren darstellt:

DKW F7 „Meisterklasse“ von 1937; Originalfoto aus Sammlung Klaas Dierks

Nie zuvor und nie wieder danach wurde ein Kleinwagen von solcher klassischer Vollkommenheit gebaut. Dieses Auto, dessen Zweitaktmotor gerade einmal 20 PS leistete und das mit Mühe Spitze 85 km/h erreichte, besaß alle äußeren Attribute eines Luxusautomobils, bloß brilliant ins Kleinformat übertragen.

Normalerweise funktioniert so etwas nicht, aber die Gestalter der Auto-Union, welche damals für das Erscheinungsbild der vier unter diesem Dach vereinten Marken Audi, DKW, Horch und Wanderer zuständig waren, vollbrachten das Meisterstück.

So erhielt dieser DKW des Ende 1936 eingeführten Frontantriebstyps F7 verdientermaßen die Bezeichnung „Meisterklasse“ – wobei der Zusatz eigentlich nur auf die gehobene Ausstattung mit verchromtem Kühlergehäuse, Chromstoßstangen und Chromradkappen sowie Zweifarblackierung verweisen sollte.

Die ebenfalls verchromte Hutze am oberen Windschutzscheibenrahmen gab es so nur 1937, was eine entsprechend präzise Datierung solcher DKWs erlaubt.

Bevor wir in dieser Ode auf den DKW F7 „Meisterklasse“ zum nächsten Stück wechseln, sei noch angemerkt, dass mir bei der ersten Aufnahme das Fehlen von Menschen keinen Nachteil darzustellen scheint. Die ländliche Ruhe mit den grasenden Kühen in Verbindung mit diesem aus idealer Perspektive fotografierten DKW lässt keine Wünsche offen.

Dennoch stellt der DKW auch mit seinen einstigen Besitzern einen erfreulichen Anblick dar – dieses Foto verdanken wir ebenfalls Leser Klaas Dierks:

DKW F7 „Meisterklasse“ von 1937; Originalfoto aus Sammlung Klaas Dierks

Passend zur Purcell’schen Geburtstagsode für Queen Mary kommt mir diese adrette junge Dame tatsächlich wie ein kleine Königin vor – sie hat genau studiert, wie die feinen Damen aus altem Erb- und neuem Geldadel sich in der Öffentlichkeit gaben.

Sie macht ihre Sache so gut, dass man glatt vermuten könnte, dass sie auch für Modemagazine ihrer Zeit posierte. Dagegen sieht ihr Partner am Lenkrad etwas naiv in die Kamera, aber er ist hier nur unmaßgebliches Beiwerk.

Dass man besonders faszinierend erscheinen kann, wenn man gerade nicht in die Kamera blickt, das werden wir gegen Ende bestätigt finden.

Vorher werden wir allerdings noch Zeuge einer dritten Situation mit demselben DKW – und hier kündigt sich an, dass gerade dann, wenn alles nach unseren Wünschen zu gehen scheint, das Schicksal unheilvoll dazwischenfunken kann.

Unsere Altvorderen wussten damit freilich umzugehen, zumindest was die allfälligen Reifenpannen betrifft, die auch den bestpräparierten Automobilisten ereilten. Dann ging man(n) unaufgeregt an die Arbeit, während „sie“ die Situation fotografisch festhielt:

DKW F7 „Meisterklasse“ von 1937; Originalfoto aus Sammlung Klaas Dierks

Passend dazu ist soeben Purcell’s Geburtstagsode an Queen Mary zuendegegangen.

Das nun folgende zweite Werk ist ganz anderen Charakters. Es beginnt mit einem feierlichen Marsch in langsamem Schritt – um was genau es sich handelt, verrate ich zum Schluss.

Damit will ich überleiten zu einer abschließenden Aufnahme eines DKW F7 „Meisterklasse“. Sie zeigt wiederum ein Exemplar aus dem Jahr 1937, diesmal aber nicht als heitere Cabrio-Limousine, sondern als ernster daherkommende Limousine.

Davon abgesehen findet man an dem Wagen alle erwähnten Attribute – bloß der verchromte Kühler ist hier nicht erkennbar, denn ein ernst in die Ferne blickender Mann mit Akkordeon hat darauf Platz genommen:

DKW F7 „Meisterklasse“ von 1937; Originalfoto aus Besitz von Heidemarie Valentin

„In the midst of life“ – „Mitten im Leben“ so singt gerade der unvergleichliche englische Monteverdi Choir unter John Eliot Gardiner im Hintergrund.

Mitten im Leben, so scheint es, ist einst diese Aufnahme irgendwo im Fränkischen entstanden, das lässt die Zulassung im Raum Nürnberg jedenfalls vermuten. Irgendwann zwischen 1937 und 1939 muss das gewesen sein.

Der feierliche Ernst des Mannes auf dem Kühler verleiht dieser Aufnahme seine ganz besondere Aura. Zwar denkt man bei einem Akkordeon zunächst an heitere, gefällige Musikstücke – doch wer schon einmal etwas vom Bandoneon-Großmeister Astor Piazolla gehört hat, weiß dass solche Instrumente zu allem fähig sind.

Zudem wirkt der gebräunte und makellos gekleidete Mann mit der hohen Stirn nicht gerade wie irgendein zur Volksbelustigung aufspielender Musikus.

Gerade hat die letzte Nummer auf der CD begonnen, die mich heute begleitet hat. Wieder ist es ein feierlicher Marsch. Damit endet ein Werk, das Henry Purcell nach dem Tod von Queen Mary 1695 schrieb, also kurz nachdem er sie noch mit seiner Geburtstagsode gefeiert hatte.

Mitten aus dem Leben – mit nur 32 Jahren – riss damals der Tod diese faszinierende Frau. Henry Purcell starb kurz danach, mit Mitte Dreißig, auf dem Höhepunkt seines Könnens.

Mitten aus dem Leben riss der Tod auf dem Schlachtfeld 1944 in Frankreich auch den ernsten Musiker auf dem Kühler des DKW F7. Auf einem deutschen Soldatenfriedhof bei Versailles hat er seine letzte Ruhestätte gefunden, wie man zu sagen pflegt.

Dabei hätte er viel lieber nicht schon so früh geruht und stattdessen mit seiner Tochter noch einige glückliche Jahre gelebt. Sie wurde Ende 1944 geboren und hat ihn nie kennenlernt.

Ihre Mutter heiratete später einen anderen ehemaligen deutschen Soldaten, der nach der Kriegsgefangenschaft auf der Suche nach einer neuen Heimat war – die alte lag unerreichbar im verlorenen Schlesien. Er war der deutlich ältere Bruder meiner Mutter und so ist die Tochter des ernsten Musikanten auf dem DKW F7 „Meisterklasse“ meine Stiefcousine.

Streng genommen sind wir gar nicht miteinander verwandt, und doch verbindet uns ein herzliches Verhältnis – ein geheimnisvolles Band, an dem die Zeit unauffällig geknüpft hat. So überwiegt am Ende bei aller Tragik des Geschehenen vielleicht doch ein kleines Glück.

Die Musik dazu: Henry Purcell, Music for the Queen Mary, Monteverdi Choir & Orchestra, J.E. Gardiner, Erato/Warner Classics 1977/2014

Michael Schlenger, 2022. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and https://vorkriegs-klassiker-rundschau.blog with appropriate and specific direction to the original content.

Na gut – ein letztes Bild noch… DKW Typ P 15 PS

Eigentlich hatte ich das Kapitel des ersten DKW-Serienautos – des 1928 erschienen Typs P 15 PS- für mich als abgeschlossen betrachtet.

Nicht, dass ich keine Sympathien für das kleine Gefährt hegte. Es sah für seine geringe Größe geradezu elegant aus – auf jeden Fall wie ein richtiges Automobil, auch wenn die Karosserie weitgehend aus Sperrholz bestand, das mit Kunstleder bespannt war.

Das daraus resultierende geringe Gewicht – speziell bei den nur 500-600 Kilogramm wiegenden offenen Versionen – erlaubte akzeptable Fahrleistungen trotz gerade einmal 15 PS Höchstleistung des Zweizylinder-Zweitaktmotors.

Gerade im Vergleich zum etwas billigeren, aber primitiven Hanomag 2/10 PS bot DKW seinen Kunden ein durchaus flottes und auch optisch ansprechendes Einsteigerauto:

DKW Typ P 15 PS, 2-sitziges Cabriolet; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Dieses Exemplar verfügte sogar über ein richtiges Cabriolet-Verdeck, das innen gefüttert war und aufgespannt von einer Sturmstange in Form gehalten wurde wie bei den Großen.

Häufig wählten die oft vom Motorrad kommenden und mit den Eigenheit des Zweitaktantriebs vertrauten Kunden jedoch die einfachere Roadster-Ausführung, die nur über ein ungefüttertes Notverdeck verfügte und anfänglich nur einen Stoßdämpfer an der Vorderachse besaß (statt zwei wie beim Cabriolet).

Einige Fotos der Roadster-Ausführung habe ich bereits vorgestellt und in meine DKW-Galerie aufgenommen. Leser Klaas Dierks hat mir ein weiteres Exemplar aus seinem Fundus zur Verfügung gestellt, dass ich bei dieser Gelegenheit noch zeigen will:

DKW Typ P 15 PS, Roadster; Originalfoto aus Sammlung Klaas Dierks

Hier lässt sich die ansprechend gestaltete Flanke studieren, an der die weitgehend übereinstimmenden Proportionen von Motorhaube und Tür auffallen – sicher ein beabsichtigtes Element.

Die leicht ansteigende Vorderpartie und die waagerecht (statt sonst meist vertikal) ausgeführten Haubenschlitze geben dem Wagen eine gewisse Spannung und Dynamik.

Jetzt ist es aber auch gut mit diesem ersten DKW des Typs P15 PS – schließlich gibt es unzählige andere adrette und interessante Vorkriegsfahrzeuge zu betrachten.

Den viel besser informierten und sortierten DKW-Freunden in meiner Leserschaft kann ich ohnehin auf diesem Sektor wenig bieten – wenn es nicht gerade einmal wieder ein Exemplar der wunderbaren Front Luxus-Cabriolets der 1930er Jahre ist…

Doch dann fand ich kürzlich eine Aufnahme, die den Titel meines heutigen Blog-Eintrags rechtfertigt. Also gut, eine letzte Aufnahme noch vom DKW Typ P 15 PS!

DKW Typ P 15 PS, 3-sitziges Cabriolet; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Die technische Qualität und die ungewöhnliche Perspektive allein rechtfertigen schon die Präsentation dieses DKW Typ P 15 PS.

Tatsächlich ist auf keinem der bislang in meiner DKW-Galerie versammelten Exemplare die Frontpartie dermaßen gut zu erkennen. Hier sieht man in wünschenswerter Deutlichkeit das auf einem Vorsprung der Kühleroberseite angebrachte DKW-Emblem.

Frühe Exemplare dieses Typs verfügten dagegen nur über ein flach auf dem Kühler angebrachtes Markenemblem, das aus seitlicher Perspektive oft kaum erkennbar ist.

Insofern ist diese Aufnahme ein Novum in meiner Sammlung von Aufnahmen des DKW Typ P 15 PS, während der Aufbau als dreisitziges Cabriolet bereits in meiner DKW-Galerie vertreten ist.

„Na gut, ein letztes Bild noch“ – das mag auch die leicht genervt dreinschauende junge Dame gesagt haben, nachdem sie ihr fotobegeisterter Partner so lange bearbeitet hat, bis sie weich wurde. „Mitzie, ein Bild habe ich noch auf dem Film, und Du weißt doch, wie gern ich Dich zusammen mit unserem DKW sehe.“

Vermutlich hatte er die Kamera zuvor auf einem Stativ vor dem Wagen montiert, dabei aber irrtümlich den Selbstauslöser bereits ausgelöst. Während er noch auf sie einredet, erkennt sie die ausweglose Lage und macht die beste ihr gerade noch mögliche Miene:

Wir nehmen nach diesem letzten Foto Abschied vom DKW Typ P 15 PS – aber natürlich nur so lange, bis wieder eine Aufnahme dieses Typs auftaucht, die so sehenswert ist, dass man dafür alle Prinzipien über den Haufen wirft…

Michael Schlenger, 2022. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and https://vorkriegs-klassiker-rundschau.blog with appropriate and specific direction to the original content.

Heiß-Macher: DKW Kompressor-Renner von 1932

Was verbindet man landläufig mit einem Tuner? Die Hifi-Freunde bezeichnen damit ein sich bedeutend gebendes Radioempfangsgerät und die Gebrauchtwagen-Fraktion jemanden, der Serienautos mit lautem Auspuff und hartem Fahrwerk langsamer und instabiler macht.

Vor dem 2. Weltkrieg kannte man beides nicht – dafür gab es andere merkwürdige Leute, die brave Großserienmotoren „frisierten“ und „heißmachten“. Was ist von solchem Treiben zu halten? Nun, eine ganze Menge, wenn man die richtigen Männer ranlässt.

Vom Tun – nicht Tuning – eines dieser Heiß-Macher kann ich heute ein eindrucksvolles Dokument zeigen. Und wie es der Zufall will, hieß der Verantwortliche auch noch Gerhard Macher – manche Namen sind einfach Programm.

Das wäre mir allerdings nicht möglich, wenn mich Vorkriegsrennsport-Experte Michael Müller nicht auf die richtige Fährte gebracht hätte. Er hat das Foto, um das es geht, nach einigen Recherchen in seinem Fundus richtig einordnen können und am besten zitiere ich ihn selbst an den entscheidenden Stellen.

Die Welt des Vorkriegsrennsports ist mir zwar nicht völlig fremd, doch habe ich davon letztlich nur oberflächliche Kenntnis. Ab und zu läuft mir ein Foto zu, das an diese technisch und kulturhistorisch bedeutende Facette der Mobilität erinnert.

Die folgende Aufnahme, die mir Leser Volker Wissemann zur Verfügung gestellt hat, ist so ein Fall. Sie passt perfekt an den Anfang der Geschichte, die ich heute erzählen darf:

DKW PS 600 Rennversion; Originalfoto aus Sammlung Volker Wissemann

Der Renner, der hier dynamisch durchs Bild prescht, war der erste vom DKW-Werk gefertige Wagen mit ernshaften sportlichen Ambitionen – der Typ PS 600.

Basierend auf dem braven DKW P 15 PS hatte man damit eine leichtere und etwas stärkere (20 PS) Variante geschaffen, die ab 1929 zum Einsatz kam. Davon gab es übrigens auch eine Straßenversion mit 18 PS, etwas mehr Blech und Notverdeck.

Unterdessen arbeiteten die DKW-Rennleute längst an wirklich heißgemachten Sportwagen, die dem PS 600 nur noch äußerlich ähnelten.

O-Ton Michael Müller: „Auf Basis des PS entstanden 1929 vier Werkswagen, die beim Großen Preis von Deutschland auf dem Nürburgring zum Einsatz kamen. Die Autos hatten Vierzylinder-Motoren, die aus zwei Zweizylinder-Motorradagreggaten zusammengesetzt waren und eine Ladepumpe besaßen.“

Einen davon fuhr Gerhard Macher. „Macher war ein Zweitaktmann mit Leib und Seele, Werkstattleiter bei der großen Berliner DKW-Vertretung Bittrich.“ Er war 1928 von Dixi in Eisenach gekommen und hatte bereits mit dem Dixi 3/15 PS Sporterfahrung gesammelt.

Macher trat Anfang 1929 mit einem heißgemachten DKW P 15 bei der Rallye Monte Carlo an und regte anschließend im Spandauer DKW-Werk den Bau des PS 600 an. Er stand auch in Kontakt mit Arnold Zoller, dem damaligen „Zweitakt-Kompressor-Papst“.

1930 wurde wiederum auf Initiative Machers ein neuer DKW-Werksrennwagen gebaut – abermals mit Vierzylinder-Doppelmotor, nun aber mit 1100ccm und mit den Achsen des neuen Serienmodells DKW 4=8.

Ich zitiere wieder Michael Müller: „Das Auto wurde für die Saison 1932 erneut umgebaut, nun mit einem Bimotor mit zweimal 400ccm (bzw. 375 ccm, je nach Hubraumklassen der Veranstalter) und Zoller-Kompressor.“

Arnold Zoller war 1931 zu DKW gekommen, um den DKW-Motoren ordentlich Dampf zu machen, vor allem im Zweiradbereich. Seine Kompetenz wurde aber auch von Gerhard Macher geschätzt, der nun Zoller für die Autosparte einspannte.

Der mit Zoller-Kompressor ausgestattete DKW-Werksrenner von anno 1932 „wurde mit einer aerodynamischen Front versehen, und genau um den geht es bei dem Foto“. Das schrieb mir Michael Müller zu dieser Aufnahme:

DKW Werksrennwagen von 1932; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Bedingt durch Belichtung und Aufnahmequalität erscheint bei diesem Schnappschuss der Kühlereinlass heller, als er tatsächlich war.

Das tut aber der Tatsache keinen Abbruch, dass wir hier einen 1932er DKW-Werksrenner mit Zoller-Kompressor auf uns zurasen sehen, wie er unter anderem auf der AVUS in Berlin, aber auch bei lokalen Veranstaltungen wie dem Lückendorfer Bergrennen eingesetzt wurde (Quelle: Michael Müller).

Dass wir es bei diesem heißgemachten Zweisitzer mit einem sportlichen DKW-Derivat zu tun haben, hatte ich zwar aufgrund der Vorderachskonstruktion in Erwägung gezogen, doch wäre ich nicht imstande gewesen, dieses Fahrzeug zu identifzieren.

Genau dafür hat man Freunde und Gleichgesinnte in der Vorkriegsszene. Michael Müller konnte übrigens noch einen drauflegen und lieferte mir eine Aufnahme der nächsten Ausbaustufe des 1932er DKW-Rennwagens.

„Für die Saison 1933 wurde der DKW zum Monoposto umgebaut, er war der erste Renwagen mit den vier Auto-Union-Ringen. Der Motor soll 80 PS geleistet haben, was in Anbetracht des Kompressors und der Mitarbeit Zollers glaubhaft ist.“

Und genau dieses gemeinsame „Machwerk“ mit gerade einmal 800ccm Hubraum sehen wir anlässlich des Debüts beim AVUS-Rennen 1933:

DKW 800 Macher-Zoller-Rennwagen von 1933; Originalfoto via Michael Müller

Bei solchen Dokumenten und derartig genialen „Machenschaften“ könnte man glatt noch zum Rennsportfan werden – doch dafür bräuchte es ein zweites Leben.

Glücklich kann sich daher schätzen, wer sich auf Enthusiasten verlassen kann, deren Passion bereits die Renngeschichte ist und die ihren Wissensschatz nicht für sich behalten.

Michael Schlenger, 2022. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and https://vorkriegs-klassiker-rundschau.blog with appropriate and specific direction to the original content.

Sensation: Adler einst auch Teil der „Auto Union“!

Mit dem reißerischen Titel meines heutigen Blog-Eintrags sichere ich mir die Aufmerksamkeit von gleich zwei Fraktionen deutscher Vorkriegsauto-Freunde:

Die Fans der Frankfurter Traditionsmarke Adler kommen hier ebenso auf ihre Kosten wie diejenigen, deren Liebe den unter dem Dach der Auto-Union zusammengefassten Marken gilt. Dazu zählen nach herkömmlicher Auffassung Audi, DKW, Horch und Wanderer.

Wie soll Adler Teil dieses 1932 Konglomerats gewesen sein, ohne dass es jemand außer mir bemerkt hat? Das geht natürlich nur, wenn man „Auto-Union“ sehr großzügig auslegt.

So wurde bereits 1927 in Hamburg eine Firma mit der Bezeichnung „Selbstfahrer Union Deutschlands“ gegründet. Sie sollte die spätere Auto-Union überleben, denn sie existierte bis 1970.

Dass diese „Selbstfahrer Union“ in gewisser Weise auch eine Art „Auto Union“ war und mit dieser ganz erhebliche Überschneidungen aufwies, diese Erkenntnis hat mir folgender Zufallsfund beschert, der mir im Netz auf der Verkaufsplattform „eBay“ gelang:

Broschüre der Selbstfahrer Union Deutschlands; Original aus Sammlung Michael Schlenger

Dies ist das Deckblatt einer 1938 erschienenen kleinen Broschüre. Das Aufmacherbild macht noch heute Lust auf eine Landpartie im offenen Wagen, auch wenn man weiß, dass diese Reklame unter dem Regime der Nationalsozialisten entstand.

Über dessen Charakter ist alles bekannt und gesagt. Ich weigere mich aber, reflexartig alles für verwerflich zu erklären, was damals entstand. Beispielsweise wird die fabelhafte Autobahn-Infrastruktur jener Zeit nicht dadurch entwertet, dass der NS-Staat damit ältere Pläne umgesetzt und das vorhandene Können der Ingenieure und Arbeiter genutzt hat.

So muss man auch nicht dieses hervorragend gelungene Reklamefoto zwanghaft als Bekenntnis zu „arischen“ Idealen interpretieren. Die selbstbewusst in die Ferne deutende „Wasserstoff“blondine hätte man auch jenseits des Atlantiks zum Fototermin eingeladen.

Zurück zur Auto-Union – korrigiere: Autofahrer-Union, nein Selbstfahrer-Union. Diese war gewissermaßen ein früherer Vorläufer von „Car Sharing“-Konzepten.

Im Unterschied zu einer klassischen Autovermietung, die es ebenfalls bereits gab, musste man Mitglied sein und einen fixen Jahresbeitrag zahlen, um die verfügbaren Fahrzeuge nach Bedarf nutzen zu können.

Im gesamten Deutschen Reich gab es Stützpunkte, außerdem Niederlassungen in mehreren Nachbarstaaten:

Broschüre der Selbstfahrer Union Deutschlands; Original aus Sammlung Michael Schlenger

Voraussetzung für die Mitgliedschaft war der „Ariernachweis“ – man sieht: ganz kommt man an der Ideologie jener Zeit nicht vorbei.

Der reguläre Jahresbeitrag betrug 10 Reichsmark, Soldaten der Wehrmacht mussten nur 3 Mark berappen. Einen Sonderrabatt (5 RM) genossen zudem Mitglieder nationalsozialistischer Organisationen wie SA, SS, NSKK usw.

Je nach dem, welches Auto man auswählte, fielen dann individuelle Nutzungsgebühren an.

Diese staffelten sich nach Entfernung, Nutzung wochen- oder feiertags sowie natürlich nach Wagentyp. Auf jeden Fall war eine Kaution von 100 Reichsmark fällig, die zugleich der Selbstbeteiligung im Rahmen der separat zu zahlenden Versicherung entsprach.

Bemerkenswert ist nun, welche Wagen die Selbstfahrer-Union anbot. Blättern wir doch einfach durch die Broschüre durch und schauen, welche Typen verfügbar waren:

Broschüre der Selbstfahrer Union Deutschlands; Original aus Sammlung Michael Schlenger

Das Einsteigerangebot stellte kaum überraschend der obige DKW F7 mit Zweitaktmotor und Frontantrieb dar. Günstiger und zuverlässiger konnte man kaum vier Personen einigermaßen kommod und mit ordentlichem Landstraßentempo transportieren.

Sicher gab es noch kompaktere Wagen am deutschen Markt, doch das waren keine vollwertigen Automobile, weshalb sie reine Nischenexistenzen führten.

Den kleinen DKW – der übrigens die vier Ringe der Auto-Union auf dem Kühler trug – konnte man ausweislich der Broschüre als Cabrio-Limousine wie abgebildet oder als ganz geschlossene Ausführung „buchen“.

Ebenfalls aus dem Hause DKW gab es daneben dieses Schmuckstück:

Broschüre der Selbstfahrer Union Deutschlands; Original aus Sammlung Michael Schlenger

Technisch bot der DKW F7 in der Ausführung als Luxus-Cabriolet gerade einmal 2 PS mehr und eine etwas höhere Spitzengeschwindigkeit (die Literatur nennt 85 km/). Doch ästhetisch wie von der Verarbeitung her repräsentierte dieser Wagen eine Klasse für sich.

Die bei Horch gebaute Karosserie war mit Blech beplankt, nicht mit Kunstleder bespannt, serienmäßig gab es sportlich wirkende Drahtspeichenräder, Zweifarblackierung und reichlich Chrom. Besonders elegant war die wie ein Kometenschweif auslaufende seitliche Zierlinie.

Gestalterisch war der DKW von den großen Horch-Wagen aus dem Auto Union-Verbund inspiriert und mir fällt kein Kleinwagen ein, der jemals wieder diese formale Klasse erreicht hätte.

Bevor wir uns weiteren alten Bekannten aus dem Hause Auto-Union widmen, kommt als nächster tatsächlich ein Adler an die Reihe:

Broschüre der Selbstfahrer Union Deutschlands; Original aus Sammlung Michael Schlenger

Zumindest in der Selbstfahrer-Union führte der ebenfalls frontgetriebene, aber mit 4-Zylinder-Viertakter souveräner motorisierte Adler eine friedliche Koexistenz mit dem DKW der Auto-Union.

Dabei waren die beiden in der Praxis scharfe Konkurrenten. Solventere Käufer entschieden sich für den solideren und erwachsener wirkenden Frankfurter, an dem es gestalterisch nichts zu mäkeln gab, wenngleich der Verbrauch merklich höher war.

Dass bereits ein kleines Mehr an Spitzengeschwindigkeit damals allgemein mit deutlich höheren Verbräuchen erkauft wurde, zeigt der nächste Kandidat – wiederum ein Adler:

Broschüre der Selbstfahrer Union Deutschlands; Original aus Sammlung Michael Schlenger

Der ebenfalls frontgetriebene große Bruder des Adler Trumpf Junior kam zwar mit optisch windschnittiger erscheinender Frontpartie daher, doch unter dem Strich brachte das nicht viel.

Der Geschwindigkeitszuwachs war überschaubar – immerhin konnte jetzt die magische Marke von 100 km/h geknackt werden. Ansonsten fiel der weit stärkere Motor (38 statt 25 PS) durch erheblich höheren Verbrauch auf, war allerdings auch elastischer.

Nach diesem Adler-Intermezzo kehren wir wieder zur „echten“ Auto-Union zurück, und zwar in Form des Wanderer W 24:

Broschüre der Selbstfahrer Union Deutschlands; Original aus Sammlung Michael Schlenger

Man fragt sich in Anbetracht der Leistungsdaten, weshalb die Selbstfahrer-Union neben dem Adler Trumpf auch den in etwa gleichstarken Wanderer W24 im Programm hatte.

Ich kann mir das nur damit erklären, dass man in dieser Kategorie die Wahl zwischen Front- und Heckantrieb sowie zwischen progressiver und konservativer Formgebung bieten wollte.

Dabei bot jedoch ausgerechnet der Wanderer mit seinen traditionellen Trittbrettern zugleich einige Gestaltungsdetails, die vergleichsweise modern wirkten. Das hilt für die Kühlerpartie und die angedeutete Verbindung zwischen Vorderkotflügeln und Motorhaube.

Formal stimmiger kommt mir jedenfalls der Adler vor, wenngleich seiner Linie ein Trittbrett ebenfalls gutgetan hätte.

Nochmals teurer – und wesentlich – durstiger war der Sechszylindertyp Wanderer 40:

Broschüre der Selbstfahrer Union Deutschlands; Original aus Sammlung Michael Schlenger

Bei allen Qualitäten krankt dieses Modell an derselben formalen Unentschlossenheit, die irgendwo zwischen Tradition und Moderne umherirrt.

Vom größeren Kofferraum und der Laufkultur des Sechszylinders abgesehen bot diese Ausführung eigentlich nur Nachteile: Höhere Mietkosten als beim Adler Trumpf und dem Wanderer W24 sowie drastisch erhöhten Benzinverbrauch.

Nur die wesentlich bessere Elastizität des großen Motors, die schaltfaules Fahren ermöglichte und besondere Reserven im Gebirge bot, sprach für dieses Angebot.

Noch bemerkenswerter ist jedoch das „Spitzenmodell“, das die Mitglieder der Selbstfahrer-Union“ für ihre Zwecke ordern konnten:

Broschüre der Selbstfahrer Union Deutschlands; Original aus Sammlung Michael Schlenger

Mit diesem Adler stellte man den angebotenen Wagen der Auto-Union etwas zur Seite, was dort nicht zu haben war: ein Fahrzeug in der damals als besonders modern geltenden Stromlinienform.

Die behauptete Zahl der Insassen (bis zu sechs!) lassen wir einmal unkommentiert.

Legt man Hubraum, Leistung, Spitzengeschwindigkeit und Verbrauch zugrunde, scheint die Karosserieform zwar Effizienzgewinne gegenüber dem Wanderer W40 gebracht zu haben. Vergleichbare Leistungsdaten bot aber auch der Sechszylinder-Fiat 1500 bei erheblich kleinerem Hubraum, weniger exotischer Linienführung und geräumigerem Innenraum.

Ausgerechnet an dem scheinbar zukunftsweisenden „Stromlinien“-Adler Typ 2,5 Liter wird deutlich, wo ein Gutteil der Effizienzgewinne verborgen lag, die später erschlossen wurden.

Mein erstes Auto – ein simpler 1200 VW Käfer mit 34 PS-Motor – schaffte 120 km/h Spitze (und zwar als Dauertempo auf der Autobahn) und konnte im günstigsten Fall in der Ebene bei Tempo 100 mit gut 7 Liter Verbrauch gefahren werden, ansonsten mit 8-9 Litern (eigene Erfahrungswerte).

Der Volkswagen war ja ebenfalls eine Konstruktion der 1930er Jahre, weshalb es mir schleierhaft ist, wieso der fast 60 PS leistende Adler trotz „Stromlinien“form so lahm war.

Entweder war die Karosserie in Wahrheit aerodynamisch ungünstiger als sie aussieht, oder man traute dem Motor keine Dauer-Höchstleistung zu und begrenzte über die Übersetzung die Drehzahl im vierten Gang.

Für die Mitglieder der Selbstfahrer-Union Deutschlands dürfte jedenfalls nach der Lage der Dinge der „Stromlinien“-Adler wenig für sich gehabt haben außer der eigenwilligen Form. Vielleicht hatte Adler versucht, das Modell auf diese Weise in den Markt zu drücken.

Doch aus Nutzersicht werden die Modelle der Auto-Union die Nase vorn gehabt haben, wobei zumindest Adler „Trumpf“ und „Trumpf Junior“ diesen ebenbürtig waren.

Im Angebot der Selbstfahrer-Union Deutschlands waren jedenfalls einst Autos von Adler und der Auto-Union für kurze Zeit als Mitglieder eines illustren Clubs vereint. BMW, Hanomag, Opel und Mercedes waren dort dagegen nicht vertreten…

Michael Schlenger, 2022. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and https://vorkriegs-klassiker-rundschau.blog with appropriate and specific direction to the original content.

Unzulängliches wird zum Ereignis: DKW Schwebeklasse

„Oje“, werden die DKW-Freunde vielleicht denken, „heute zieht er wieder über die gute alte Schwebeklasse her“.

Doch auch wenn ich kein Freund dieses Gefährts mehr werde, dessen Malaisen der Hersteller lange nicht in den Griff bekam und dessen Pseudo-Stromlinienkarosserie auf mich grob behauen und unfertig wirkt, will ich heute gnädig sein.

Milde gestimmt hat mich eine unerwartete Wiederbegegnung mit dem Fahrzeug – und mit Meister Goethe (Faust, 2. Teil) kann ich daher heute dieses sagen:

Alles Vergängliche
Ist nur ein Gleichnis;
Das Unzulängliche,
Hier wird’s Ereignis.

Denn so unzulänglich die „Schwebeklasse“ in mancher Hinsicht war, hat sie tatsächlich das Zeug, zum Ereignis zu werden. So unwahrscheinlich das klingt, so leicht wird es zur Realität, wenn wir uns dazu verführen lassen – nochmals sei Goethe zitiert:

Das Unbeschreibliche,
Hier ist’s getan;
Das Ewig-Weibliche
Zieht uns hinan.

So war es eine alte Liebschaft, die mich wieder an den DKW „Schwebeklasse“ erinnert hat – hier ein Foto von ihr aus fernen Tagen:

DKW „Schwebeklasse“; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Bald sechs Jahre ist es her, dass ich sie hier gefunden habe, und ich fühlte mich sofort „hinangezogen“, um es in den Worten des Alten aus Weimar zu sagen.

Diese Magie ging freilich nicht von der „Schwebeklasse“ aus, die auf diesem Bild der späten 1940er bzw. frühen 1950er Jahre abgelichtet ist.

Schon damals konnte ich über die eigentümliche Gestaltung von Kühler und Motorhaube mühelos „hinwegsehen“ und mich der Anziehungskraft der jungen Dame ergeben, die in Tracht neben dem „Biest“ aus Blech (und viel Holz) steht und alles wiedergutmacht.

Dass alles wieder gut wird, nichts sehnlicher wünschten sich nach dem 2. Weltkrieg Millionen von Menschen. Für unzählige von ihnen sollte die Welt aber nie wieder heil werden, zu groß die Verluste an Familienmitgliedern, Freunden, Heimat und Gewissheiten.

Dieses Foto dagegen wirkt so, als ob es doch gelingen konnte – als seien bloß ein paar Jahre vergangen und außer dem Kennzeichen und frischem Lack sei alles beim alten.

Blendet man gut zehn Jahre zurück, deutet ebenfalls nichts darauf hin, dass weite Teile der Welt zwischenzeitlich durch die Hölle gehen würden und kein Gott ihnen half:

DKW „Schwebeklasse“; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Diese Aufnahme entstand im Juni 1936 irgendwo im Umland von Hildesheim, wo der DKW zugelassen war.

Über die Gelegenheit und die Insassen ist sonst nichts überliefert, aber fast könnte man meinen, es handele sich um den gleichen Wagen wie auf dem Nachkriegsfoto. Die junge Dame wäre dann freilich noch ein Kind gewesen.

Viel mehr fällt mir zu diesem bisher unveröffentlichten Dokument nicht ein – ich wollte es aber nicht der Vergessenheit anheimfallen lassen und es gibt ja heute noch ein paar Freunde dieses DKW-Modells, die darin mehr sehen als ich.

Wie aber war ich überhaupt darauf gekommen, es zu zeigen?

Nun, so unglaublich es klingt: Sechs Jahre nach unserer letzten Begegnung habe ich just heute meine „Flamme“ von einst wiedergefunden. Wiederum neben dem DKW „Schwebeklasse“ – hier ist sie!

DKW „Schwebeklasse“; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Das muss mit einem eigenen Blog-Eintrag gefeiert werden, dachte ich spontan.

Denn tritt das Ewig-Weibliche so wunderbar auf den Plan, wird selbst Unzulängliches wie die „Schwebeklasse“ auf einmal zum Ereignis und Vergängliches wie ein altes Autofoto wird zum Gleichnis des Menschlichen schlechthin.

Für Genießer solcher Dinge gibt es hier zum Abschluss den oben zitierten Goethe’schen Chorus Mysticus in der grandiosen Vertonung von Franz Liszt unter Leitung von Großmeister Leonhard Bernstein:

Videoquelle: YouTube; hochgeladen von: Andrea Politano

© Michael Schlenger, 2022. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and https://vorkriegs-klassiker-rundschau.blog with appropriate and specific direction to the original content.

Mit etwas Übung über die Alpen: DKW P 15 PS

Übung ist nicht in allen Lebenslagen ein Erfolgsgarant – für manches Vorhaben braucht man auch Talent, welches leider „ungerecht“ verteilt ist – doch in manchen Bereichen genügt bereits etwas Übung zur Überwindung der gröbsten Hindernisse auf dem Weg zum Ziel.

Heute gehen wir mit einigen wackeren Automobilisten ein Hindernis der besonders groben Art an – die Alpen. In der Vorkriegszeit, als es auf dem Weg in den Süden noch mit meist wenig PS Pässe zu bezwingen galt, konnte das durchaus eine Herausforderung sein.

Aus eigener Anschauung weiß ich, dass sich mit luftgekühlten 34 PS der Gotthardpass beispielsweise mühelos meistern lässt, wenn einem die dröge Fahrt durch den neuzeitlichen Tunnel nicht behagt und das Wetter dazu einlädt.

Mit einem 15 PS-Automobil wie dem ersten DKW Typ P von anno 1928 die Alpen bezwingen zu wollen, mutet dagegen schon kühn an, doch unsere Vorfahren waren aus einem anderen Holz geschnitzt als unsereins.

Bekanntlich haben die Alpen noch keine germanische Völkerschar davon abgehalten, ihre Sehnsucht nach dem Süden zu zügeln und so dachten sich einst auch einige Sachsen, dass so eine Italienfahrt mit dem Automobil gewiss eine schöne Sache sei.

Da man wusste, dass die Götter vor den Genuss südlicher Sonne die Alpen gesetzt haben, begab man sich zu Übungszwecken zunächst ins Mittelgebirge – und zwar ins schöne Vogtland, wo es sich auf rund 700 Meter Höhe entspannt mit dem DKW üben ließ:

DKW Typ P 15 PS; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

„Abwärts schiebt er sich besonders leicht!“ so scheint hier der Mann am Heck im Spaß zu rufen. „Stelle mich hiermit für die Partie hinter der Passhöhe zur Verfügung…“

Der Mann ganz vorn – mit Fahrermütze offenbar ein alter Hase – mag sich denken: „Warte ab, Du Milchgesicht, wirst Dich noch wundern, wenn’s erst mal ins Gebirge geht.“

Unterdessen scheinen die Insassen die Trockenübung ebenfalls auf die leichte Schulter zu nehmen. „Ist doch ganz gleich, wie wir vorwärtskommen mit 15 PS plus Schiebung von hinten, im offenen Wagen ist eine Fahrt in den Süden das reine Vergnügen.“

Da unsere sächsische Reisegruppe damals noch nicht dem Komfort von sechs Wochen Jahresurlaub genoss (die manchem Zeitgenossen immer noch zu wenig sind), entschloss man sich aber dann doch den Ernstfall beim Sturm auf die Alpen zu üben:

DKW Typ P 15 PS; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

„Verflixt, so schwer kann der Wagen doch gar nicht sein – ist doch fast nur Sperrholz und Kunstleder!“ – „Das müssen die 15 Pferde unter der Haube sein, die haben sich bei der Mittagsrast die Bäuche vollgeschlagen und verweigern jetzt die Mitarbeit…“

Dergleichen launige Dialoge könnte man sich bei dieser natürlich inszenierten Aufnahme vorstellen, schließlich brachte der DKW Typ P 15 PS gerade einmal gut 500 bis 600 kg auf die Waage – je nach Ausführung.

Nach dieser Trockenübung, die noch zur allgemeinen Belustigung beigetragen hatte, konnte es nun ernst werden. Irgendwann um 1930 müssen sich unsere sonnenhungrigen Sachsen aus Dresden auf den Weg gemacht haben – wie es scheint mit zwei Fahrzeugen.

Hier hat jemand aus Wagen 2 einen kurzen Halt fotografisch festgehalten, als der mächtige Alpenhauptkamm bereits in bedrohliche Nähe gerückt war:

DKW Typ P 15 PS; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Trotz einiger Übung bei eigenen Alpenüberquerungen muss ich sagen, dass ich bislang nicht ermitteln konnte, wo dieses Foto entstand.

Die Situation mit zwei gegenüberliegenden Burgen an dem sich verengenden Tabschnitt und majestätischen schneebedeckten Bergen im Hintergrund könnte sich in der Schweiz, aber auch in Österreich befinden.

Für Reisende aus dem Raum Dresden war natürlich die Brennerroute, die einst schon Goethe auf seiner augenöffnenden Italienreise nahm, die naheliegendere. Sie ist mir aus eigener Anschauung nicht bekannt, daher hoffe ich, dass ein Leser mehr dazu sagen kann.

Nachtrag: Leser Peter Oesterreich hat die Örtlichkeit identifiziert: Es handelt sich in der Tat um die alte Brennerroute, die zwischen den beiden Burgen Reifenstein und Sprechenstein hindurchführt (allerdings von Süden kommend, also auf der anderen Seite der Alpen…).

Bevor es weitergeht, werfen wir noch einen Blick auf das Kennzeichen des Wagen, der hier von hinten abgelichtet und aus dieser Perspektive nur schwer als DKW Typ P 15 PS zu identifizieren ist:

DKW Typ P 15 PS; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Das Kennzeichen lautet „II 6230“ und verweist auf die Zulassung im Raum Dresden. Darunter angebracht ist das im Ausland schon damals vorgeschriebene „D“-Schild. Ein solches, bloß kleiner, habe ich von meinem treuen Volkswagen aufgehoben, der mich vor gut 25 Jahren bis hinunter nach Mittelitalien gebracht hat.

Dort – in der bergigen Region Marken, die ich damals bereiste – sieht es ähnlich aus wie auf folgendem Foto, das unsere sächsischen DKW-Fahrer machten, nachdem sie offensichtlich erfolgreich die Alpen bezwungen hatten – offenbar hatte sich das Üben daheim ausgezahlt:

DKW Typ P 15 PS; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Auch hier stellt sich wieder die Frage, wo dieses schöne Panorama entstanden sein konnte. Von der Topographie kommt neben dem Apenninnengebiet, in das es mich einst mit 34 PS verschlagen hatte, vor allem Südtirol in Betracht – aber auch das Piemont.

Das wird sich wohl nicht mehr genau klären lassen, aber immerhin liefert uns diese Aufnahme die Bestätigung, dass der zuvor von hinten abgelichtete Wagen tatsächlich ein DKW Typ P 15 PS ist – das Kennzeichen stimmt nämlich überein und auf dem Kühler ist das bei diesem frühen Modell rechteckige DKW-Emblem zu erahnen:

Sonst fast immer vom Nummernschild abgedeckt ist die hier zu erkennende doppelte Abstützung der Vorderachse gegen die darüberliegende Querblattfeder – ein weiterer Hinweis auf das DKW-Modell P 15 PS.

Nach dieser Verschnaufpause für Mensch und Maschine muss es weiter an die Küste gegangen sein – bloß wohin genau? Wieder lässt uns ein Foto dieser Reise vor rund 90 Jahren mehrere Möglichkeiten in Betracht ziehen.

Im ersten Moment dachte ich, dass diese schöne Szene an der Via Partenope in Neapel mit Blick nach Westen auf den Stadtteil Mergellina aufgenommen sein worden könnte:

DKW Typ P 15 PS; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Doch ließ sich die Szene mit Neapel nach eingehendem Studium nicht zur Deckung bringen. Zudem erschien mir eine Reise so weit in den Süden dann doch zu unwahrscheinlich.

Nicht, dass ich dem kleinen DKW nicht das Durchhaltevermögen zugetraut hätte, doch selbst auf gut ausgebauten Landstraßen war damit nur eine Höchstgeschwindigkeit von 70-80 km/h möglich, während von Italienreisen mit weit stärkeren Tourenwagen bereits in den 1920er Jahren Spitzengeschwindigkeiten von an die 100 km/h überliefert sind.

Die Zeit für einen Abstecher an den Golf von Neapel wird unseren DKW-Insassen nach erfolgter Überwindung der Alpen kaum zur Verfügung gestanden haben. Naheliegendere Küstenstädte mit derartig großstädtischer Bebauung wären Triest an der Adria und Genua in Ligurien, vielleicht auch noch La Spezia.

Erkennt ein Leser die Situation wieder? So viel hat sich an Italiens historischen Orten seither nicht geändert, dass sich der stark bebaute Küsteabschnitt heute ganz anders darbieten würde:

Oder liege ich geografisch völlig falsch und wir befinden uns an einem der großen Seen in Oberitalien oder gar in der Schweiz?

Jedenfalls erkennen wir hier unseren DKW mit den tapferen Insassen aus Dresden wieder, die immer noch die zünftige Reisekleidung tragen, die bei der Fahrt im offenen Wagen über staubige Landstraßen angebracht war.

War dieser Ort der südlichste Punkt ihrer Reise? Ich kann mir das gut vorstellen, denn es existiert nur noch eine weitere Aufnahme aus dieser Serie, die den DKW wohl wieder auf der Heimfahrt zeigt:

DKW Typ P 15 PS; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Der Verkehr auf dieser gut ausgebauten Landstraße war offenbar so dünn, dass man mit offener Fahrertür für ein Foto haltmachen konnte.

Analog zur Hinfahrt stellt sich mir hier die Frage: Tessin oder Südtirol?

Bergen vielleicht die Begrenzungssteine einen Hinweis oder die markanten Strommasten, die rechts der Straße verlaufen? Sie kommen mir merkwürdig bekannt vor.

Wo auch immer genau diese Momentaufnahme entstanden ist – für den Italienreisenden gehören heute noch solche Szenerien zum Erlebnis dazu, der grandiosen Landschaft hat die Moderne kaum etwas anhaben können.

Wie lange mag unsere kleine Reisegesellschaft einst unterwegs gewesen sein? Was mag sie an erzählenswerten Begebenheiten mit nach Haus gebracht haben? Welche Reisen mögen noch mit dem kleinen DKW unternommen worden sein?

Nichts von alledem wissen wir. Alles vergessen und verweht bis auf diese paar übriggbliebenen Fotos, die uns im 21. Jahrhundert das Abenteuer einer Alpenbezwingung mit 15 PS – und die scherzhaften Übungen dafür – noch einmal nacherleben lassen.

© Michael Schlenger, 2021. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and https://vorkriegs-klassiker-rundschau.blog with appropriate and specific direction to the original content.

Panne am Weltfrauentag: DKW „Sonderklasse“

Am Weltfrauentag kommt man kaum vorbei – der 8. März ist für Anpasser aller Art ein Anlass mehr, Haltung zu zeigen. Manche Konzerne nötigen ihre Angestellten förmlich dazu.

Da die Tradition des Weltfrauentags aus der Vorkriegszeit stammt, widme ich mich ihr gern. Lange war der Weltfrauentag meiner Aufmerksamkeit entgangen. Es musste 2021 werden, um ihn erstmals in seiner globalen Bedeutung wahrzunehmen.

Da es mir unheimlich ist, wenn plötzlich alle das Gleiche tun, habe ich mich mit dem Hintergrund befasst – zumal mir Datum und Anlass irgendwie bekannt vorkamen…

Am 8. März wird in sozialistischen Ländern seit jeher der Internationale Frauentag begangen. So beschlossen 1921 auf einer kommunistischen Frauenkonferenz in Moskau.

Dass die Damen der Schöpfung ihre Interessen vertreten, ist eine gute Sache – die freilich entwertet wird, wenn es im Rahmen einer radikal antibürgerlichen Ideologie geschieht. Irgendwie hat man es aber geschafft, diese unselige Tradition zu übertünchen.

Noch zu DDR-Zeiten erlahmte der Sturm und Drang der roten Frauenbewegung. Da die Befreiung der Frau im Arbeiter- und Bauernstaat längst erreicht war, verkam der Internationale Frauentag zu einer Art sozialistischer Muttertag.

So putzten sich vermutlich auch diese Damen aus Berlin einst am 8. März kurz nach dem Krieg heraus, um an ihrem Ehrentag einen Ausflug mit dem Auto zu unternehmen:

DKW Sonderklasse; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Leider hatten die Männer wieder einmal versagt und den Wagen nicht ausreichend vorbereitet. So war man liegengeblieben, fieberhaft wurde der Fehler gesucht.

Dabei war so ein DKW nun wirklich nicht kompliziert – das wussten die beiden Damen – nennen wir sie aus Nostalgie einfach Rosa L. und Clara Z.

„Sag‘ mal Rosa, das kann doch nicht sein, dass die Männer das nicht alleine hinbekommen. Der DKW-Motor hat doch bloß drei Teile, das weiß doch jedes Kind.“

„Clara, ich kann es mir auch nicht erklären. So ein Zweitakter ist wirklich das Einfachste, was es gibt. Wir wären auch darauf gekommen, wenn man uns gelassen hätte.“

Damit hatten die beiden schlauen Frauen prinzipiell recht – an einem klassischen DKW-Zweitakter gibt es kaum etwas, was kaputtgehen kann. Selbst Männer können ihn ohne akademische Vorbildung reparieren.

Was Rosa und Clara allerdings nicht bedacht hatten, war die Tatsache, dass dieser aus der Vorkriegszeit übriggebliebene DKW so ziemlich das Komplizierteste war, was jemals an Zweitakttechnik auf Deutschlands Straßen unterwegs war.

DKW hatte hier zwar formal alles richtig gemacht und die gleiche stromlinienförmige Frontpartie gewählt, mit der der Fiat 1100 im alten NSU-Werk in Heilbronn gefertigt wurde:

Fiat 1100 in Westberlin; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Die Ähnlichkeit der beiden Wagen, die 1937 in Serie gingen, ist frappierend, aber wohl nicht Ergebnis eines Plagiats.

Wie in anderen Fällen auch, lagen gewisse formale Ideen in der Luft, wobei Fiat der Stromlinie konsequenter huldigte als DKW, wo man eine Lufthutze am oberen Abschluss der Frontscheibe verbaute, die strömungstechnisch verheerend war.

Die Neigung für abwegige technische Lösungen setzte sich beim DKW-Modell mit der Bezeichnung „Sonderklasse“ unter dem Blech fort. Dort fanden sich ein komplexer und durstiger V4-Zylinder-Zweitakter mit je einer Ladepumpe pro Zylinderbank.

Die auf dem Papier geniale Motorenkonstruktion war erstmals 1930 zum Einsatz gekommen. In der Praxis barg sie Tücken, die DKW nie in den Griff bekam bzw. die zu einem immer komplexeren Aufbau führten, der die Vorteile des Zweitaktmotors ins Gegenteil verkehrte, nämlich: wenige bewegte Teile, einfache Ölversorgung, geringer Verbrauch.

Ob es einst tatsächlich der vermaledeite Ladepumpenmotor war, der diesen DKW am Internationalen Frauentag zum Stillstand verdammt, ist schwer zu sagen:

Auf diesem Ausschnitt ist im Motorraum an der Stirnwand nämlich etwas zu sehen, was es dort eigentlich nicht geben sollte – ein oberhalb des Motors angebrachter Benzintank. Bei der ab 1937 gebauten DKW „Sonderklasse“ befand sich der nämlich im Heck des Wagens.

Vielleicht hat jemand eine Idee dazu. Unterdessen haben die Damen wieder das Wort:

„Wenn es nach uns Frauen gegangen wäre, hätte man einen Motor eingebaut, den wir selbst wieder in Gang hätten bringen können, nicht wahr, Clara?“

„Da hast Du völlig recht, Rosa. Das haben die Männer nur deshalb so kompliziert gemacht, um uns Frauen von der Technik fernzuhalten, so ist das nämlich!“

Nun ja, mir scheint, dass die beiden Damen eigentlich ganz zufrieden damit sind, dass sie beim Basteln im öligen Motorraum wieder einmal „ausgegrenzt“ werden. Daran hat sich bis heute wenig geändert – Ausnahmen bestätigen die Regel.

Forderungen am Weltfrauentag nach stärkerer Teilhabe des schönen Geschlechts an schmutzigen und gefährlichen Arbeiten sind mir noch nicht zu Ohren gekommen.

Damit sich wirklich etwas bewegt in Sachen Gleichbehandlung, muss der 8. März in mehr Ländern zum gesetzlichen Feiertag werden. In den freiheitlichen Musterstaaten Nordkorea, China und Uganda ist das bereits der Fall – im stets progressiven Berlin übrigens auch…

© Michael Schlenger, 2021. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and https://vorkriegs-klassiker-rundschau.blog with appropriate and specific direction to the original content.

Kontrastprogramm: DKW „Schwebeklasse“ im Schnee

Kontrastreich geht es zu im ersten Blog-Eintrag des Jahres 2021 – in mehrfacher Hinsicht:

Statt in den sonnigen Süden wie der letzte Ausflug in die automobile Vorkriegsgeschichte führt es uns ins winterliche Deutschland, statt 2.500 Jahren Geschichte sind es diesmal bloße drei Jahre und statt eines robusten Sport-Tourers der 1920er Jahre mit immerhin 45 PS Leistung müssen wir uns mit einem unzuverlässigen 30 PS-Vehikel begnügen.

Als wäre das alles nicht schon ernüchternd genug, kommt noch eine Gestaltung hinzu, die ich zu den schlimmsten Entgleisungen deutscher Automobilherhersteller zähle:

DKW „Schwebeklasse“, Ausführung von 1934/35; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Zugegeben: auf dieser Aufnahme sieht der DKW der ab 1934 gebauten „Schwebeklasse“ besonders gruselig aus.

Bedenkt man, dass die Zweitaktwagen der sächsischen Marke sonst stets mit sehr ansehnlichen Aufbauten daherkamen, die geschickt über die bescheidene Leistung hinwegtäuschten, ist umso schwerer verständlich, dass diese Monstrosität das Prototypenstadium je verlassen hat.

Dem Modell lag kein besonderes Marktbedürfnis zugrunde, sondern nur der Wille der DKW-Führung, partout auch einen Wagen mit der gerade modischen „Stromlinie“ im Programm zu haben. „Deutsch sein heißt, etwas um seiner selbst willen zu tun“ – an dieses berühmte Diktum von Richard Wagner fühlt man sich erinnert.

Das Ergebnis fiel entsprechend aus: In nur vier Monaten wurde der neue Wagen entwickelt, was erklären dürfte, weshalb die Karosserie wie grob zurechtgehauen wirkt. Da kann der Wehrmachtssoldat auf Urlaub im März 1940 noch so zuversichtlich grüßen, mit diesem Klotz war der Kampf um die Kundschaft nicht zu gewinnen:

DKW „Schwebeklasse“, Ausführung von 1936/37; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Bezeichnend für die unzureichende Planung war außerdem, dass der für den Wagen vorgesehene 36 PS-Motor nie fertig wurde. Hektisch griff man zum Vierzylinder-Aggregat der alten Sonderklasse – mit allen bekannten Schwachstellen.

Drei Jahre lang laborierten die DKW-Techniker nach dem Prinzip „Versuch und Irrtum“ an dem untypisch komplexen Zweitakter mit Ladepumpe herum, ohne die Probleme je ganz in Griff zu bekommen: zu hoher Verbrauch an Benzin und Öl, Neigung zum Festfressen, zu geringe Leistung für das gut abgestimmte Fahrwerk.

Die entsprechende Lektüre im Standardwerk „DKW Automobile“ von Thomas Erdmann (S. 68-82) ist deprimierend. Um die Schwächen des Antriebs zu kaschieren, wurde der Motor so weit gedrosselt, dass der Wagen nur noch 90 km/h Spitze erreichte, kaum mehr als die billigeren, robusten und adretten Zweizylindertypen von DKW.

So kam es, dass zwischen 1934 und 1937 nur 6.999 Fahrzeuge der „Schwebeklasse“ Käufer fanden. Offenbar wollten einige Automobilisten genau den Kontrast, den ein solcher „progressiv“ wirkender Wagen gegenüber konservativen Konzepten darstellte.

Wer partout zur Avantgarde gehören will, läuft Gefahr, zum Versuchskaninchen zu werde – das war damals so wie heute, nicht nur in punkto Automobil. Einen reizvollen Kontrast kann ich der DKW „Schwebeklasse“ am Ende aber doch noch abgewinnen:

DKW „Schwebeklasse“, Ausführung 1934/35; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Vor dem Hintergrund dieser verschneiten Winterlandschaft und in Gesellschaft gut aufgelegter Besitzer macht sich der DKW „Schwebeklasse“ gut. Vielleicht ist es aber bloß die Asssoziation mit einem Schneepflug, die den Wagen hier vorteilhaft wirken lässt.

Im Februar 1935 ist dieses Foto entstanden, die Zulassung verweist auf Hildesheim. Wie so oft bezieht die Aufnahme einen Teil ihres Reizes daraus, dass wir für einen Moment am Leben von Menschen aus vergangener Zeit teilhaben, von deren übrigem Weg wir nichts wissen. Doch die Jahreszeit und die Freude am Schnee verbindet uns mit ihnen.

Der DKW mit seinem wenig erbaulichen Äußeren und dem chronisch anfälligen Motor wird längst den Weg alles Vergänglichen gegangen sein – dieses Foto ist eines der wenigen, die heute noch an den Typ „Schwebeklasse“ erinnern.

So gesehen ist man als Freund von Vorkriegsautomobilen schon wieder dankbar für ein solches Kontrastprogramm – denn zuviel Schönheit ist auf Dauer auch nicht zu ertragen.

© Michael Schlenger, 2021. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and https://vorkriegs-klassiker-rundschau.blog with appropriate and specific direction to the original content.

Die Perspektive macht’s: DKW PS600 „Sport“

Was man unter Sport versteht, darüber gehen bisweilen die Meinungen auseinander.

Bei knüppelharten Herausforderungen wie der Tour de France, dem Ironman auf Hawaii oder – in früheren Tagen – der Targa Florio auf Sizilien ist man sich zwar einig. Doch neuerdings werden selbst kollektive Computerspiele als „E-Sports“ propagiert.

Wie immer im modernen Sportleben geht es dabei um „staatliche Förderung“, wie das Abgreifen hart erarbeiteter Steuergelder der Mitbürger bezeichnet wird. Auch Käufer von E-Automobilen hierzulande bedienen sich sehr gern dieser Methode…

Wo echter Sport beginnt, das war auch unter Automobilenthusiasten vor rund 90 Jahren keineswegs ausgemacht. Für die einen musste sich ein Sportwagen von der Leistungsentfaltung, Straßenlage und Handling klar von einem Alltagsauto unterscheiden, bei dem Komfort und Wirtschaftlichkeit im Vordergrund standen.

Anderen genügte eine bloß sportliche Anmutung, die bereits durch Verwendung gewisser formaler Elemente entstand, während Motor und Fahrwerk nicht wirklich sportlichen Ansprüchen gerecht wurde.

Was an Leistung und Fahrdynamik fehlte, ließ sich durch Einsatzbereitschaft oder auch eine kühne Perspektive ersetzen. Sehr schön illustriert diesen Ansatz eine Reihe historischer Originalaufnahmen des DKW PS600 „Sport“, die ich Markenkenner Volker Wissemann verdanke.

Für den perfekten Einstieg sorgt dieses Dokument aus seiner Sammlung:

DKW P15 Werkssportwagen (am Steuer: Walter Oestreicher); Originalfoto aus Sammlung Volker Wissemann

Wer würde bei diesem tollen Schnappschuss nicht an einen typischen Sportwagen um 1930 denken?

Minimalistische Kotflügel wie beim Motorrad (im Fachjargon „Cyclewings“), keine Windschutzscheibe und kein Trittbrett, außerdem – wie es scheint – ein Bootsheck mit Notverdeck (wenn überhaupt).

Der Hersteller dieses Wagens – DKW – hat hier stilistisch alles richtig gemacht und der Fotograf hat genau die Perspektive gewählt, aus der so ein Wagen ungemein sportlich daherkommt.

Tatsächlich haben wir es hier mit einem echten Sportwagen zu tun, auch wenn es von der Papierform her nicht so scheinen mag. Denn wenn nicht alles täuscht, ist das ein ab 1929 gebauter DKW-Werkssportzweisitzer mit einer auf 20 PS frisierten Version des 600 ccm messenden Zweizylinder-Zweitaktmotor des DKW Typs P15.

Besagter Typ P15 war der 1928 eingeführte PKW-Erstling von DKW, der sich mit 15 PS Leistung begnügte. Von der reduzierten Sportversion wurde eine auf den ersten Blick recht ähnliche Straßenausführung unter der Bezeichnung PS600 „Sport“ angeboten.

Hier ein aus ganz anderer, aber kaum weniger reizvoller Perspektive aufgenommenes Exemplar mit Zulassung in Sachsen:

DKW Typ PS600 Sport; Originalfoto aus Sammlung Volker Wissemann

Vom Werkssportwagen unterschied sich die Straßenversion äußerlich durch voll ausgebildete Kotflügel, Trittbrett und Windschutzscheibe.

Der Motor war gegenüber der Werkssportausführung auf 18 PS leistungsbegrenzt, besaß damit aber gegenüber dem Serientyp P15 immer noch 20 % mehr Leistung. 90 bis 100 km/ Spitze sollen mit dem nur 500 kg wiegenden Wagen erreichbar gewesen sein.

Für einen durchschnittlichen Fahrer war das auf den damaligen, oft nur teilweise befestigten Straßen ein beachtliches Tempo und so beginnt man zu verstehen, dass es eine Frage der Perspektive war, ob so ein Gefährt zurecht in die Kategorie „Sport“ fällt oder nicht.

Während für die Dame mit den kräftigen, zur Bändigung eines Boxers wie geschaffenen Oberarmen der DKW PS600 Sport einst lediglich als Sitzgelegenheit diente, zeigt sich ihre Geschlechtsgenossin auf einem weiteren Foto desselben Typs entschlossen, dem Wagen selbst ein sportliches Erlebnis abzugewinnen:

DKW Typ PS600 Straßenversion; Originalfoto aus Sammlung Volker Wissemann

Passend zur sportlichen Ambition hat man hier ganz auf das Roadsterverdeck verzichtet, wohl wissend, dass in dieser Leistungsklasse jedes überflüssige Kilogramm zählt. Ansonsten ist das Erscheinungsbild identisch.

Die Zweifarblackierung war übrigens serienmäßig – grün/weiß oder rot/weiß. Auf der obigen Aufnahme lässt sich außerdem nachvollziehen, was der Dame auf dem vorherigen Foto als Sitzgelegenheit diente – der Batteriekasten.

Und noch etwas sei festgehalten – das auf „22527“ endende Nummernschild. Ihm begegnen wir auf zwei weiteren Aufnahmen aus der Sammlung von Volker Wissemann. Auf der ersten haben die offenbar aus dem Raum Dresden (Kennung: „II“) stammenden Besitzer den DKW besonders verwegen in Szene gesetzt:

DKW PS600; Originalfoto aus Sammlung Volker Wissemann

Diesen DKW-Eignern war bewusst, dass Sportlichkeit eine Frage der Perspektive ist, und haben sich für einen Aufnahmewinkel entschieden, aus dem der Wagen schon im Stand schnell wirkt.

Mangels Sitzplatz für eine dritte Person wird dieses Foto wohl mit Selbstauslöser entstanden sein. Eine derartige Inszenierung eines solchen „Westentaschen“-Bugatti ist auch eher den stolzen Besitzern selbst als einem Unbeteiligten zuzutrauen.

Die Assoziation zu Bugatti ist bewusst gewählt- natürlich keineswegs mit Blick auf die Leistungsdaten. Doch müssen die Eigner dieses hübschen DKW PS600 etwas in der Richtung im Hinterkopf gehabt haben, als sie einst ihren Liebling aus drei unterschiedlichen Perspektiven in Szene setzten.

Denn auf der letzten Aufnahme könnte man im ersten Moment versucht sein, an einen Bugatti oder andere französische Sportwagen der späten 1920er Jahre zu denken:

DKW PS600 „Sport“; Originalfoto aus Sammlung Volker Wissemann

Hier haben wir den DKW PS600 auf einer wohl einzigartigen Aufnahme, die sein Bootsheck gerade so wirken lässt, als habe man einen echten Rennsportwagen vor sich. Man sieht: alles eine Frage der Perspektive!

Eines noch sei angemerkt: Wenn ich hier dank der Großzügigkeit von Volker Wissemann gleich vier Aufnahmen dieses außergewöhnlichen DKW-Modells zeigen kann, dann grenzt das an Verschwendung.

Bei aller Attraktivität des Typs PS600 wurden von 1929 bis 1933 nämlich nur rund 500 Stück gefertigt – kein Wunder angesichts eines Preises von anfänglich 2.750 Reichsmark. Dieser entsprach dem 1,3-fachen des durchschnittlichen Jahresgehalts eines sozialversicherungspflichtigen Angestellten im Jahr 1929.

Umgerechnet auf das Jahr 2020 (Durchschnittsgehalt eines gesetzlich Versicherten in Westdeutschland: 40.551 EUR) entspräche das einem Preis von weit über 50.000 EUR für einen Zweisitzer mit Notverdeck und den Fahrleistungen eines 125ccm-Motorrads.

Wer würde heute so etwas kaufen? Natürlich nur jemand, der so etwas nicht braucht, aber unbedingt haben muss – einfach weil es schick, rar oder verwegen ist – und dabei einfach ungemein sportlich aussieht

© Michael Schlenger, 2020. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and https://vorkriegs-klassiker-rundschau.blog with appropriate and specific direction to the original content.

Ein dringender Fall für den Friseur: DKW F8

Seit Beginn dieser Woche darf sich der gemeine Deutsche wieder frisieren lassen – offenbar ein Privileg, das während der Ausgangsbeschränkungen der letzten Wochen Politikern und Talkshow-Insassen vorbehalten war, an deren äußerem Erscheinungsbild es nicht mehr auszusetzen gab als sonst – wie war das nur möglich?

Egal, für den Untertan galten schon immer besondere Verhaltensregeln, und so dürften aktuell wieder einige Landsleute dringende Fälle für den Friseur sein wie der junge Mann auf dem folgenden Foto:

DKW F8 Front-Luxus Cabriolet; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Diese hübsche Aufnahme aus Chemnitz entstand zu einer Zeit, in der auch sonst der Gürtel enger zu schnallen war, nämlich kurz nach dem 2. Weltkrieg.

Während der Hunger ungestillt bleiben musste, ließ sich für einen kurzen Moment immerhin ein gewisser Appetit nach Luxus befriedigen – und sei es nur, indem man so tat, als gehöre einem das Auto mit der opulent verchromten Kühlermaske.

Vielsagend finde ich übrigens, dass „er“ mit der Hand den Wagen berührt, während „sie“ mit besitzergreifender Geste die Hand auf seine Schulter legt. „Das ist meiner!“, ist ihrem selbstbewussten Gesichtsausdruck zu entnehmen, während er mehr schlecht als recht versucht, den stolzen Autobesitzer zu geben.

Ob ihre perfekte Frisur ebenfalls auf Nähe zu politischen „Größen“ mit Sonderrechten schließen lässt, sei einmal dahingestellt – für mich ist sie jedenfalls ein Beispiel dafür, wie man auch unter materiell ärmlichen Umständen seine Würde bewahren kann.

Was das für ein schickes Auto ist, neben dem die beiden posieren, bewegt den Leser sicher ebenso wie einst mich. Möglicherweise kommen Markenkenner auf Anhieb darauf – mich hat es jedenfalls einige Zeit gekostet herauszufinden, dass es ein DKW ist.

Man möchte das erst nicht glauben, denn der Wagen wirkt nicht gerade wie ein schmalbrüstiger Zweitakter mit Holzkarosserie. Das Fehlen des Markenemblems und der vier Ringe, die auf die Zugehörigkeit von DKW zum Auto Union verwiesen, hat mich jedenfalls zunächst etwas anderes vermuten lassen.

Allerdings handelt es sich auch nicht um irgendeinen der so populären Frontantriebswagen der sächsischen Marke, sondern um die Sonderausführung „Front Luxus-Cabriolet“ mit Stahlkarosserie von Baur.

Dies zu beweisen, bedarf es einiger Schritte, bei denen das titelgebende Motto „Ein dringender Fall für den Friseur“ eine ganz eigene Bedeutung erlangt. Beginnen wir mit einem kleinen Detail, das mich letztlich auf die Spur des Herstellers DKW gebracht hat:

Bei genauem Hinsehen erkennt man, dass die seitlichen Luftschlitze in der Motorhaube links vom Scheinwerfer unterbrochen wirken. Das ist auch tatsächlich der Fall, wir haben es bei diesem Modell mit zwei übereinanderliegenden Reihen von Schlitzen zu tun.

Wer Zweifel hegt, kann sich gleich davon überzeugen, dass die Beobachtung zutrifft.

Vorher möchte ich aber noch auf ein anderes Detail hinweisen, das es im Hinterkopf zu behalten gilt – und zwar die unten durch die Frontscheibe geführten Achsen der Scheibenwischer. Wir werden ihnen später wiederbegegnen.

Nun aber zum angekündigten Vergleichsfoto, das ebenfalls nach dem Krieg in Ostdeutschland entstand:

DKW IFA F8 der frühen Nachkriegszeit; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Trotz der Unschärfe kann man die erwähnten beiden Reihen Haubenschlitze erkennen – ansonsten findet sich dieselbe Kühlermaske mit senkrechten Stäben, die Kennzeichen des DKW F8 von 1939 war.

Das rautenförmige Emblem in der Mitte der Scheinwerferstange und die profilierten Stoßecken sind jedoch Kennzeichen des ab 1949 in Zwickau weitergebauten F8. Motorenseitig war die Vorkriegskonstruktion übernommen worden.

Dabei hätte gerade diese Anlass zum „Frisieren“ gegeben, denn schon vor dem Krieg waren die 20 PS des DKW F8 arg knapp bemessen.

Dessen war man sich bei DKW durchaus bewusst war. Angesichts der drohenden Konkurrenz des von Ferdinand Porsche neuentwickelten Volkswagens entstand 1938 der erste Prototyp eines nunmehr dreizylindrigen Typs (F9).

Da mit dem Beginn der Serienfertigung des DKW F9 nicht vor 1940 gerechnet wurde, entwickelte man mit dem F8 ein Übergangsmodell, das 1939 den bisherigen Typ F7 ablöste. Zwar verzichtete man dabei auf ein „Frisieren“ des faktisch unveränderten Motors, doch bei beim Fahrwerk entschied man sich für einen grundlegend anderen „Zuschnitt“.

Das neue Chassis (mit Anleihen bei der Konzernschwester Wanderer) bedeutet nicht zuletzt dank verbesserter Bremsen einen deutlichen Fortschritt gegenüber dem F7. Auch die Geräuschdämmung wurde verbessert.

Bei unveränderter Karosserieform wurde der neue DKW F8 vom Markt gut aufgenommen, wie mehrmonatige Wartefristen nach Vorstellung Anfang 1939 bewiesen. Kriegsbedingt sollten aber nicht viele Käufer in den Genuss eines DKW F8 kommen.

Lediglich beim Militär erhielt man gegebenfalls Gelegenheit dazu, wie folgendes Foto illustriert:

DKW F8 (Luftwaffenfahrzeug); Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Wie das Kürzel „WL“ auf Kotflügel und Nummernschild verrät, gehörte dieser Wagen zu einer Einheit der deutschen Luftwaffe – über Ort und Entstehungszeitpunkt der Aufnahme ist mir nichts bekannt.

Sämtliche Chromteile sind matt überlackiert – im typischen Blaugrau von Luftwaffenfahrzeugen. Einer der beiden mit den typischen Tarnkappen versehenen Scheinwerfern ist hier merkwürdig verdreht. Evtl. sollte er auf schlechten Wegen den rechten Fahrbahnrand beleuchten.

Auf dieser Aufnahme sieht man außerdem die im Normalfall oben am Scheibenholm angebrachten Scheibenwischer. Dies war so bei allen gängigen Versionen des DKW F8 zu finden, je nach Ausstattung war mitunter nur ein Wischer serienmäßig.

Erinnern Sie sich an die unten an der Windschutzscheibe angebrachten Scheibenwischer des eingangs gezeigten DKW F8? Nun, diese sind der entscheidende Hinweis auf eine Sonderausführung mit der Bezeichnung „Front Luxus-Cabriolet“.

DKW F8 Front Luxus-Cabriolet; zeitgenössische Originalreklame aus Sammlung Michael Schlenger

Der Aufbau dieser äußerlich geschickt „frisierten“ Version wurde im Fall des DKW F8 vom Karosserielieferanten Baur gefertigt – und zwar im Unterschied zu den übrigen Ausführungen komplett mit Stahlblech statt Kunstleder beplankt.

Üppiger Chromschmuck und Ledersitze setzten luxuriöse Akzente, während unter der Haube weiterhin der vertraute 20-PS-Zweizylinder-Zweitakter werkelte. Wie opulent das Front Luxus-Cabriolet dabei wirkte, lässt sich hier bewundern:

DKW F8 Front-Luxus Cabriolet; Originalfoto aus Sammlung Marcus Bengsch

Diese reizvolle Aufnahme, die ich Leser Marcus Bengsch verdanke, zeigt das Spitzenmodell des DKW F8 aus ungewöhnlicher Perspektive, aber durchaus gekonnt.

An der Vorderpartie fallen die beiden Reihen Haubenschlitze ins Auge, außerdem kann man nun die untenliegenden Scheibenwischer von innen besichtigen. Der Scheibenwischermotor ist hinter dem linken Wischer montiert, der rechte wird über eine damit verbundene Stange betätigt.

Dieses Detail wurde noch vor Kriegsbeginn geändert – die Wischer wanderten wie bei den Normalausführungen nach oben, sodass diese Ausführung nur selten zu sehen ist.

Bekommen wir am Ende noch einmal die Kurve zurück zum Thema „Ein dringender Fall für den Friseur?“ Ja, nicht ohne dabei ein weiteres Detail ins Visier zu nehmen, das typisch für die bewunderten Front Luxus-Cabriolets von DKW war:

Hier haben wir zum einen die mächtige Sturmstange vor uns, die bei geschlossenem Verdeck einen eleganten Akzent setzte, zum anderen die wie ein Komentenschweif breit auslaufende seitliche Zierleiste, die das dunkel lackierte Oberteil von der hell gehaltenen und leicht wirkenden Flanke trennt.

Ob die Dame auf dem Beifahrersitz bereits ahnte, dass sie bei Fortsetzung der Fahrt bald ein dringender Fall für den Friseur sein würde? Ohne eine schützende Kappe, wie sie die vergnügte Nachbarin trug, oder ein Kopftuch, richtet der Fahrtwind bei damaligen Cabriolets früher oder später die robusteste Haarpracht zugrunde.

Die Frage, ob es das alles wert war, wird man zumindest im Fall des DKW F8 Front Luxus-Cabriolet – vom Volksmund nicht ohne Grund als „kleiner Horch“ bezeichnet – gewiss bejahen können…

© Michael Schlenger, 2020. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and https://vorkriegs-klassiker-rundschau.blog with appropriate and specific direction to the original content.