Gruß aus Neu-Holland: Ein Hudson 112 von 1939

Haben Sie schon einmal von den Catskill-Mountains gehört? Nun, jeder Katzenfreund wird natürlich etwas mit „cat skills“ verbinden – also den phänomenalen Fähigkeiten von Katzen. Auch „cats kill“ gehört zum Erfahrungsspektrum – denn manchmal bricht auch beim bravsten Stubentiger die Mordlust durch.

Doch das Stichwort „Catskill“ begegnet uns heute in einem ganz anderen Zusammenhang, und zwar als Aufnahmeort eines Autos, das die Bezeichnung „Vorkriegswagen“ in besonderer Weise verdient. Das Fahrzeug wurde nämlich kurz vor Ausbruch des Zweiten Weltkriegs gebaut und fotografiert – der Abzug ging dann per Post über den Atlantik nach Deutschland.

Solche Bezüge sind oft von besonderem Reiz – denn wir Nachgeborenen verbinden mit solchen Dokumenten etwas, was die darauf abgebildeten Personen nicht wissen konnten: ihre Welt sollte binnen kurzem pulverisiert werden.

Das galt vermutlich auch für diese deutschen Auswanderer, die den Angehörigen in der alten Heimat 1939 folgendes Foto zusandten – mit dem handschriftlichen Zusatz „In den Catskill Mountains, 1939“:

Hudson 112, Modelljahr 1939; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Das Besitzerpaar hat sich hier auf dem Trittbrett eines ziemlich eindrucksvoll wirkenden Wagens niedergelassen, der seine Identität praktischerweise auf den Radkappen preisgibt: „Hudson 112“ ist dort zu lesen.

Während US-Automobile der späten 1920er und frühen 1930er Jahre im damaligen Deutschland sehr verbreitet waren, wird es wohl kein Hudson des Modelljahrs 1939 mehr auf gängigem Weg ins Deutsche Reich geschafft haben. Daher gehe ich davon aus, dass auch intime Kenner der Vorkriegsszene in deutschen Landen diesem Wagen noch nie begegnet sind.

Für amerikanische Verhältnisse war der Hudson recht konservativ gestaltet. Während bei anderen Herstellern 1939 bereits die Pontonform der Nachkriegszeit zu ahnen ist, haben wir hier noch freistehende Kotflügel und außerhalb des Karosseriekörpers montierte Scheinwerfer.

Das galt allerdings auch nur für die kleinste Version des 1939er Hudson. Das Modell 112, das wir hier als zweitüriges Cabriolet haben, verfügte nämlich über den kürzesten Radstand und den kleinsten Motor mit 86 PS. Daneben gab es stärkere Sechs- und Achtzylinder mit 96 bzw. 122 PS. Nicht schlecht für einen Wagen der gehobenen Mittelklasse vor 80 Jahren…

Auch die Basisversion Hudson 112 besaß die neumodische Lenkradschaltung, außerdem hydraulische Bremsen und synchronisiertes Getriebe wie die stärkeren und größeren Ausführungen. Ein weiteres zeitegmäßes Detail war die nach vorn aufklappbare Motorhaube. Über 80.000 Exemplare entstanden insgesamt vom 1939er Hudson.

Erst nach Ausbruch des 2. Weltkriegs scheint der Hudson des Modelljahrs 1939 auch für deutsche Fahrer „in Reichweite“ gekommen zu sein – nämlich als Beutefahrzeug an der Westfront. Dem bunt zusammengewürfelten Wehrmachts-Fuhrpark wurden solche Fahrzeuge vermutlich in Frankreich oder in Holland einverleibt.

Holland ist auch das geeignete Stichwort, um am Ende das Rätsel der Catskill-Mountains aufzulösen. Wie Spanier, Franzosen und Briten gehörten unsere niederländischen Nachbarn nämlich zu den europäischen Kolonialmächten, die sich ab 1500 die übrige Welt untertan machten – ausnahmsweise hat sich Deutschland in dieser Hinsicht wenig vorzuwerfen…

So gab es im 17. Jahrhundert an der amerikanischen Ostküste eine Kolonie Nieuw Nederland, die sich auf die späteren US-Bundesstaaten New York, New Jersey, Delaware und Connecticut konzentrierte. Auf dem Territorium des heutigen Bundesstaats New York ist auf alten Landkarten das Landt van Kats Kill verzeichnet. „Kats kill“ bedeutet im Niederländischen „Katzenbach“ – nach der Übernahme der holländischen Kolonien durch die Briten wurde daraus „Catskill Creek“.

Dieses keine 50 Meilen lange Flüsschen entspringt in den malerischen „Catskill Mountains“, wo 1939 der Hudson Typ 112 für die Nachwelt festgehalten wurde und dessen Konterfei es trotz der Verheerungen des 2. Weltkriegs in Europa bis in unsere Tage geschafft hat. Möglicherweise existiert auf der anderen Seite des Atlantiks ja noch eine Entsprechung davon.

Ein hübscher Zufall will es, dass der „Catskill Creek“ am Ende ausgerechnet in den Hudson River mündet. Auch solche oft nebensächlichen Zusammenhänge sind es, die für mich die Beschäftigung mit Vorkriegswagen so reizvoll machen…

© Michael Schlenger, 2021. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and https://vorkriegs-klassiker-rundschau.blog with appropriate and specific direction to the original content.

2 Gedanken zu „Gruß aus Neu-Holland: Ein Hudson 112 von 1939

  1. Danke für die hübsche Geschichte aus Ihrer Familie! Meine Story bezog sich aber speziell auf den 1939er Hudson und ich glaube nicht, dass davon einer seinerzeit noch in Deutschland verkauft wurde. Ältere Hudson-Modelle waren natürlich auch in deutschen Landen vertreten und überlebten teilweise den Krieg wie der Ihres Opas. Ein Bild mit dem 6-Zylinder-Reihenmotor des Hudson im Wartburg würde mich interessieren.

  2. Also das mit dem Hudson in Deutschland kann ich so nicht stehen lassen.
    Mein Opa hatte in Mühlhausen/Thüringen einen 2 Sitzer mit Schwiegermuttersitz als Cabrio mit einem 6 Zylinder Motor.
    Fotos habe ich auch.
    Mein Opa fiel mit dem Huson in der DDR auf und baute den Motor in einen Wartburg (Bilder vorhanden) und verkaufte ihn an die Polizei.

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