Von der Bastille nach Bautzen: Ein Amilcar „Berline“

Keine Sorge: bei der Lektüre meiner heutigen Epistel droht kein Gefängnis, auch wenn der Titel so klingt und ich auch noch „Revolte“ als Zwischenstation einfügen werde. Wer weiß, was sich einer dabei denkt, der berufsmäßig auffällige Typen ausfindig zu machen sucht.

Doch den Job erledigen wir hier schon selbst, dafür braucht es keine auf Benzin und Öl trainierte Schnüffler. Wir machen uns die Hände nicht schmutzig, vielmehr wird hier sauber vom Schreibtisch aus nach dem Handbuch gearbeitet, sofern vorhanden – ansonsten mit Erfahrung und dem wertvollsten Leitfaden überhaupt: dem kritischen eigenen Verstand.

Beginnen wir mit der Bastille, dem berüchtigten Staatsknast im Paris der Vorrevolutionszeit.

Dort praktizierte man eine besondere Form der Vorbeugungs- oder Untersuchungshaft an unbescholtenen, aber unliebsamen Bürgern, gern auch über mehrere Jahre.

Stadteinwärts zur Bastille führte von altersher der „Grüne Weg“ – der Chemin Vert. Darauf konnte man praktischerweise die im ländlichen Umfeld des Pariser Ostens residierenden, für das Staatswohl als „gefährlich“ geltenden Individuen zu ihrem Aufbewahrungsort transportieren. Den Aufenthalt dort durften sie selbst bezahlen – très charmant…

Warum erzähle ich das alles? Das ist einfach, denn ebendort, unter der Adresse Chemin Vert in Paris, befand sich von 1921 bis 1924 die erste Fertigungsstätte des französischen Herstellers Amilcar, der vor allem für seine Cyclecars bekannt war.

Der Markterfolg der kleinen leichten Sportwagen mit Hubräumen bis 1100ccm fiel im Fall von Amilcar dergestalt aus, dass man schon bald in eine große Fabrik im Pariser Stadtteil St. Denis umzog. Die Adresse lautete in unfreiwilliger Anknüpfung an die Bastille und die dortigen Zustände „Rue de la Revolte“.

Etwa zu dieser Zeit vollzog sich bei Amilcar eine kleine Revolution, denn zum einen stieß man in höhere Hubraumgefilde vor – mit den Typen E (1500ccm) und J (1900ccm). Zum anderen bot man nun auch Limousinenaufbauten an.

Und irgendwann ab diesem Zeitpunkt führte der weitere Weg zumindest einen solchen Amilcar ins sächsische Bautzen, wo es zwar schon ein Gefängnis gab, aber noch keines für politische Gegner wie im NS-Staat sowie später im Arbeiter- und Bauernparadies DDR.

Wir können diesen Bautzener „Insassen“ also ohne unangenehmen Beigeschmack irgendwo unterwegs auf ihrem gänzlich harmlosen „chemin vert“ begegnen:

Amilcar Limousine um 1928; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Die Ansprache als Amilcar wäre auch ohne den Markenschriftzug anhand der Form des Kühlergehäuses problemlos möglich.

Weniger klar ist, um was für einen Typ es sich hier genau handelt. Die Limousine auf Basis des Typs G (1924-27), der den 1100ccm-Motor des Sportwagenmodells CGS besaß, hatte eine ähnliche Silhouette – was auch sonst aus dieser Perspektive?

Ich meine aber, dass die Gestaltung der Vorderkotflügel auf eine spätere Version verweist. In Frage kommen die Typen L und M mit 1200 ccm-Motoren, von den zwischen Herbst 1927 und Ende 1928 über 2500 Exemplare gebaut wurden.

Das sind die Ergebnisse meiner Schreibtisch-Recherche im formidablen wie gewichtigen Amilcar-Standardwerk von Gilles Fournier. Wer es ganz genau oder besser weiß, ist aufgefordert, seine Sicht im Kommentarbereich kundzutun.

Wir werfen unterdessen einen letzten Blick auf den Amilcar mit „Berline“-Aufbau, so die französische Bezeichnung – hier wohl eine leichte Ausführung nach Weymann-Patent:

Amilcar Limousine um 1928; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Wie mag es diesen zum Aufnahmezeitpunkt ahnungslosen Leuten auf ihrem weiteren Weg ergangen sein? Hoffentlich blieb ihnen ein unfreiwilliger Halt irgendwo zwischen Bastille und Bautzen erspart.

Schwere Zeiten hatten sie so oder so in den nächsten 10 Jahren zu gewärtigen…

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Warum so bescheiden? Mercedes 460 „Nürburg“ ab 1929

Bescheidenheit ist eine Zier, doch besser lebt man ohne ihr“ – dieses ironische Bonmot hörte ich erstmals aus dem Mund meiner Mutter – die wenig Grund zur Bescheidenheit hatte, doch zeitlebens von einem Mangel an Selbstbewusstsein geplagt war.

Unter anderem daraus habe ich einiges gelernt – und plädiere dringend für den unbescheidenen Auftritt, sofern man es sich leisten kann. Das unverblümte Herzeigen von persönlichen Vorzügen, aber auch materiellem Wohlstand ist mir sympathisch.

Herrje, warum soll man sich seinen Mitmenschen nicht möglichst vorteilhaft präsentieren? Soll eine schöne Frau ihre Aktiva verbergen, nur weil andere weniger opulent ausgestattet sind? Niemand wird dadurch beeinträchtigt – es sei denn, eine(r) ist von Neid besessen.

Dasselbe gilt für das Herzeigen von Luxusgütern – welchen Nachteil erfahre ich dadurch, dass andere mit einem Aston Martin in der Tiefgarage glänzen?

Im Gegenteil, da halte ich inne und drücke mir die Nase an der Seitenscheibe platt, um das Edelholz der Mittelkonsole zu bestaunen. Tatsächlich steht so ein Gerät in der Klassikerhalle eines Bekannten, in dem auch mein MGB GT residiert, und natürlich finde ich das großartig.

Sie denken jetzt vielleicht, dass ich mich für den gestrigen Auflug in die Niederungen bescheidener Automobilität in Gestalt des Hanomag 2/10 PS kompensieren muss. Möglich, es kann aber auch bloßer Zufall sein.

Jedenfalls ist die Limousine auf dem folgenden Foto, das schon eine Weile auf die Vorstellung wartet, auf den ersten Blick das ganze Gegenteil von Bescheidenheit:

Mercedes-Benz Typ 460 „Nürburg“ ab 1929; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Mit knapp 5,40 Meter Gesamtlänge ist diese repräsentative Pullman-Limousine das genaue Gegenteil des „kurzen Vergnügens“, welches der kleine Hanomag darstellte.

Zufälligerweise wurde dieser mächtige Wagen fast zeitgleich mit dem „Kommissbrot“ eingeführt – nämlich 1929 – und markiert gewissermaßen das andere Ende der Skala.

Woher ich das weiß? Nun, weil es sich – ganz unbescheiden formuliert – offensichtlich um einen Mercedes-Benz Typ 460 Nürburg in der ab 1929 gebauten Version handelt.

Die Form der Trittschutzbleche unterhalb der Türen gab den ersten Hinweis auf einen großen Mercedes der zweiten Hälfte der 1920er Jahre.

Auf dem Originalabzug lässt sich der Mercedes-Stern auf den Nabenkappen erahnen und die niedrige Schwellerpartie ist typisch für die überarbeiteten Version der ab 1926 bzw. 1928 gebauten 6- bzw. 8-Zylindertypen Mannheim bzw. Nürburg.

Dabei deutet hier die selbst aus diesem Winkel enorme Länge der Frontpartie auf den großen Reihenachtzylinder hin, der noch auf Ferdinand Porsches Mist gewachsen war.

Die despektierliche Formulierung erlaube ich mir, weil Porsche mit diesem simplen Seitenventiler hinter seinen Möglichkeiten zurückblieb. Das machten die Amis damals nicht anders, bloß verlangten sie für ihre hubraumstarken Achtzylinder keine Mercedes-Preise.

Der Grund für diese konstruktionsmäßige Bescheidenheit war wohl der Umstand, dass man zwei Jahre lang dem Erfolg der 8-Zylinder-Modelle von Horch untätig zugeschaut hatte und auf einmal bemerkt, dass die Sachsen das Marktsegment zunehmend dominierten.

So wählte Porsche den einfachsten Weg – mit 4,6 Liter Hubraum ließen sich ohne anspruchsvolle Konstruktion damals 80 PS produzieren. Nicht ganz das, was man vom angeblichen Spitzenhersteller erwarten würde, aber das war Mercedes damals auch nicht.

Technisch die Nase vorn hatte Horch mit seinen effizienten 8-Zylindern. Dank hängender Ventile und obenliegender Nockenwellen leistete das Zwickauer Aggregat schon bei 3,9 Litern Hubraum die 80 PS, welche die Schwelle zur Luxusklasse markierten.

Die 8-Zylinderwagen von Mercedes blieben daran gemessen ziemlich bescheiden. Immerhin hätte man doch dem weniger effizienten Motor des 460 „Nürburg“ ein größeres Tankvolumen spendieren können.

Denn bei an die 25 Liter Verbrauch auf 100 km/h war auf längeren Reisen sonst häufiges Tanken angesagt – nicht in allen Regionen so einfach wie heute. Doch blieb der Tankinhalt mit nur 85 Litern unnötig bescheiden.

Der deutlich sparsamere Horch war dagegen mit einem 90 Liter-Tank ausgestattet und kam damit auf fast 500 km Reichweite.

Warum so bescheiden?„, mag sich schon damals mancher gefragt haben. Darauf gab es eine einfache Antwort- weil Mercedes-Käufer es so schätzten: Nicht Maximalleistung, aber mit Mercedes-Stern und das Ganze zum Premium-Preis.

Tatsächlich wurde für den Typ 460 Nürburg ziemlich genau derselbe Preis verlangt wie für die weit raffinierteren Horch-Achtzylinder. Da war man plötzlich unbescheiden…

Entsprechend selbstbewusst präsentierte man sich als Eigner – ob tatsächlich oder nur gestellt – vor diesem Prachtexemplar eines Mercedes 460 „Nürburg“:

Mercedes-Benz Typ 460 „Nürburg“ ab 1929; Originalfoto: Sammlung: Matthias Schmidt (Dresden)

Angeberei auf diesem Niveau ist mir durchaus sympathisch – ich glaube, es fällt weder unter die Zehn Gebote noch ist es (nach gegenwärtigem Stand) justiziabel.

Es sollte nur eine gewisse Substanz vorhanden sein, die überzeugt. Genau das ist hier eindeutig der Fall – ganz gleich, ob hier einer etwas hochstaplerisch unterwegs war oder nicht… Vielleicht ein Motto für das Neue Jahr: Weniger Bescheidenheit Wagen!

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Wirklich nur ein kurzes Vergnügen? Hanomag 2/10 PS

Mit dem 21. Dezember ist für mich jedes Jahr eine wichtige Wegmarke erreicht – ab hier werden die Tage allmählich wieder länger. Doch wenn man am 21. etwas draußen vorhat, wird das bestenfalls ein kurzes Vergnügen.

Egal, anhaltender Frost ist angesagt und das mögen die noch im Hof an der Hauswand verbliebenen mediterranen Kübelpflanzen nicht – also sind die wenigen Stunden Tageslicht schon zum Gutteil verplant.

Der Hauptaufwand besteht darin, in dem angrenzenden über 100 Jahre alten Ziegelbau, in dem meine Fahrzeuge „wohnen“, Platz zu schaffen. Gar nicht so einfach, denn ein ungeschriebenes Gesetz will es, dass Sammler alter Sachen über kurz oder lang jeden freien Platz mit ihren Schätzen okkupieren.

Der vergnügliche Teil beschränkt sich angesichts dieser Herausforderung darauf, die Pflanzen zuvor draußen noch auf ein verträgliches Maß zurückzuschneiden. Sodann gilt es die schweren Töpfe nebst Inhalt in irgenwelche Nischen zu bugsieren.

Die am 21. Dezember besonders knapp bemessene Helligkeit brachte mich darauf, mich heute im Blog dem vermutlich kürzesten Vergnügen im Sektor Vorkriegsautos zu widmen – dem Hanomag 2/10 PS, auch als Kommissbrot bekannt.

Das von 1925 bis immerhin 1928 gebaute minimalistische Gefährt war in meinen Augen kein vollwertiger Kleinwagen – wie das aussah, war mit Citroen 5CV, Fiat 501 und Austin Seven bereits Anfang der 20er Jahre definiert.

Ich würde den Hanomag eher als Spaßmobil für Leute bezeichnen, die sich auch einen kaum teureren Opel 4 PS hätten leisten können, aber sich bewusst für die provokante Optik entschieden und die Abwesenheit von Komfort bei dem 1-Zylinder-Gerät wie ein Motorradfahrer heroisch nahmen.

Die folgende Aufnahme aus dem Raum Berlin illustriert das für mich beinahe ideal:

Hanomag 2/10 PS; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Was hier nur ansatzweise ersichtlich ist, ist der Umstand, dass der Hanomag selbst in der geschlossenen Version als „Limousine“ ein ebenso kurzes Vergnügen darstellte wie die offene Variante.

Wie kurz, das wird deutlich, wenn man sich die nächste Aufnahme betrachtet, die ich – wie die meisten der folgenden Fotos – noch nicht gezeigt habe.

So ein langer Lulatsch vor der Loreley lässt selbst mit abgeschnittenen Unterschenkeln den Hanomag genauso winzig erscheinen, wie er tatsächlich war.

Hanomag 2/10 PS; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Speziell die geschlossene Ausführung wirft die Frage auf, wo bei diesem Kasten auf vier Rädern eigentlich vorne und hinten waren. Nur die unterschiedliche Größe von Front- und Heckscheibe gibt einen Hinweis.

Den einen Scheinwerfer, auch das im wahrsten Sinn ein Unikum in jener Zeit, könnte man hier auch für eine großgeratene Rückleuchte halten.

Kenner des Konzepts werden einwenden, dass die senkrechten Luftschlitze an der Flanke doch klar die Richtung vorgeben, denn der Hanomag besaß einen Heckmotor.

Eindeutig die Frontpartie zeigt auch aus Sicht des Laien die folgende Aufnahme. Hier wird zudem deutlich, dass die bisweilen aufgestellte Behauptung, der Hanomag sei mit seinem Verzicht auf freistehende Kotflügel wegweisend gewesen, ziemlich kühn ist:

Hanomag 2/10 PS; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Diese am breiten Markt nicht vermittelbare Primitiv-Gestaltung blieb natürlich ohne Nachfolger – selbst Hanomag kehrte 1929 mit dem anschließenden Typ 3/16 PS zu etablierten Formen zurück.

Den Weg zur letztlich obsiegenden Pontonkarosserie wiesen erst diverse US-Großserienmodelle ab Ende der 1930er Jahre.

In was für Kreisen der skurrile Zweisitzer Anklang fand, das wird deutlich, wenn man sich die Insassen betrachtet – hier haben wir Foto Nr. 2 desselben Wagens am selben Ort:

Hanomag 2/10 PS; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Die Aufnahme zeigt ganz offensichtlich keinen abgekämpften Malocher nach getaner Arbeit auf der Heimfahrt – hier präsentieren sich gutsituierte Leute.

Dem für die breite Masse der Deutschen völlig unerschwinglichen Hanomag 2/10 PS anzudichten, er sein ein frühes „Volksautomobil“ gewesen, erweist sich bei Betrachtung der Fakten als Humbug.

Das war in Wahrheit ein netter Zweitwagen für Betuchte oder der Erstwagen zu Geld gekommener Paare, die (noch) keine Kinder hatten.

Es dürfte auch vereinzelt Geschäftsleute ohne großen Anspruch gegeben haben, die sich so etwas für Kundenbesuche auf dem Land zulegten.

An so etwas mag man denken, wenn man sich den Herrn mit Melone auf dem folgenden Foto ansieht – vielleicht hatte er seine Sekretärin dabei, die das Foto machte:

Hanomag 2/10 PS; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Übrigens muss diese Aufnahme in den 1930er entstanden sein, als doppelte Scheinwerfer bei PKW vernünftigerweise vorgeschrieben wurden – auch das bizarre Monokel am Hanomag war also nur ein kurzes Vergnügen.

Wir kurz das Vergnügen in Sachen Karosserie beim Hanomag 2/10 PS war, das vermittelt die nächste der bis dato unveröffentlichten Aufnahmen aus meiner Sammlung.

Es entstand offenbar vor einem großzügigen Bauernhaus, das ich in Norddeutschland verorten würde – vielleicht kann jemand den Stil regional zuordnen:

Hanomag 2/10 PS; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Vergnüglich sieht das ja schon aus, sofern man sich nur kurz mit diesem Gefährt den Unbilden des Wetters aussetzen musste.

Aber das kann doch niemand ernsthaft als Beitrag zur Volksmotorisierung bezeichnen. Das taten in Deutschland damals in Wahrheit die Zweitakt-Mopeds von DKW, während bei den „Cowboys“ in den Staaten jeder einfache Arbeiter schon einen Ford oder Chevrolet fuhr.

So wäre auch der Ausflug des Maschinenbauers Hanomag in die Welt des Automobils nur ein kurzes Vergnügen geblieben, hätte man an diesem Nischenkonzept festgehalten. Die großartigen Kreationen auf Basis der Hanomag-Volumenmodelle „Rekord“ und „Sturm“ der 1930er Jahre hätte es nie gegeben:

Hanomag „Sturm“ Roadster; Originalfoto: Sammlung Peter Steenbuck

Das wäre doch schade gewesen, nicht wahr? Denn der einzigartige Charakter von Vorkriegsautos resultiert gerade aus der organischen Gestaltung jedes Bauteils – das kennen wir heute nicht mehr (von der britischen Firma Morgan einmal abgesehen).

Dass wir im 21. Jahrhundert immer noch von Kot“flügel“, Motor“haube“ und Stoß“stange“ sprechen, obwohl es das alles strenggenommen an modernen Autos nicht mehr gibt, das ist das anhaltende Echo der gestalterischen Gesetze der Vorkriegszeit.

Seien wir unterdessen nicht so streng mit der (aus meiner Sicht) automobilen Verirrung in Gestalt des Hanomag 2/10 PS von Ende der 1920er Jahre.

Immerhin bereitete er seinen einstigen Besitzern ein Vergnügen, das in einigen Fällen vielleicht gar nicht so kurz war.

Hanomag 2/10 PS; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Die beiden könnten – wenn sie Glück hatten – miteinander altgeworden sein und vielleicht konnten sie dabei sogar ihren kleinen Hanomag über die Zeiten retten.

Denn eine bemerkenswerte Zahl dieser Minimalmobile war noch in der Nachkriegszeit zugelassen – sie fraßen keinen Platz und für den irren Krieg Deutschlands gegen die halbe Welt war der Zwerg nicht zu gebrauchen.

Wenn Sie einem überlebenden Exemplar begegnen und sich mit den heutigen Besitzern unterhalten, dann werden Sie bei allen Schwächen des Entwurfs eines feststellen – das war wie bei jeder echten Liebe am Ende doch mehr als nur ein kurzes Vergnügen…

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Hier ist einiges sagenhaft! Auburn Cabriolet von 1931/32

Schon auf dem Weg hin zum Hersteller des heutigen Objekts der Betrachtung begegnete mir etwas Sagenhaftes: das Schiff des mythologischen Helden Iason mit Batterieantrieb!

Lachen Sie nicht – das gab es in den USA zwischen 1912 und 1916 in Gestalt des „Argo Electric“ – eines der letzten neu eingeführten amerikanischen Elektroautos, bevor sich die Verbrennertechnologie am breiten Markt durchsetzte.

Zum Glück gab es damals keine Bürokraten, die es besser zu wissen meinten und den Pfad der technischen Entwicklung gern ihren beschränkten Vorstellungen unterwerfen wollten.

Zurück zu den sagenhaften Verhältnissen von einst – die legendären Argonauten der alten Griechen werden uns dabei auf überraschende Weise wiederbegegnen.

Sagenhaft zu nennen ist schon einmal das folgende Foto von Leser Klaas Dierks, das ich hier vorstellen durfte:

Auburn Cabriolet von 1931/32; Originalfoto: Sammlung Klaas Dierks

Dieses Cabriolet hatte ich seinerzeit als Auburn von 1931/1932 identifiziert – und daran gibt es auch heute keinen Zweifel.

Der Wagen der altehrwürdigen US-Marke aus dem Bundesstaat Indiana war mit in seiner Klasse üblichem 8-Zylindermotor ausgestattet, der an die 100 PS Leistung hatte. Auch der x-förmig versteifte Leiterrahmen und die hydraulischen Stoßämpfer waren damals in den Staaten „State of the Art“.

Nicht ganz so sagenhaft finde ich an diesem Exemplar die schwerfällig wirkenden Räder. An so ein Gerät gehören filigrane Drahtspeichenräder und elegante Weißwandreifen.

Das letztere in der Vorkriegszeit unüblich waren, ist schlicht ein Mythos – natürlich gab es das und die folgende Aufnahme (wiederum aus Sammlung Klaas Dierks) belegt dies:

Auburn Cabriolet von 1931/32; Originalfoto: Sammlung Klaas Dierks

Sagenhaft gut sieht der Auburn hier aus, finden Sie nicht? Dazu trägt auch das seitlich montierte Ersatzrad bei, das eine Abdeckung in Wagenfarbe trägt, die obendrein chromverziert ist.

Durchgestaltete Details wie diese tragen zum stimmigen Gesamtbild des Wagens bei und entlarven einmal mehr die These „form follows function“ als pure Ideologie. Der gesamte Charakter des Wagens beruht auf dem sehr durchdacht auf Wirkung angelegten Design.

Kein Mensch hätte damals so einen Achtyzlinderwagen mit simplem Schuhkasterl-Aufbau und mit mönchischem Verzicht auf glanzvolle Effekte gekauft. Auch funktionelle Produkte müssen sich letztlich am Markt bewähren – er ist der einzige wirklich objektive Maßstab für Qualität und Erfolg, alles andere sind moderne Mythen.

Der Aurburn erscheint uns hier so sagenhaft souverän, wie er es von der Kraftentfaltung damals auch war – hatte man einmal den höchsten Gang erreicht, in dem man dank des enormen Drehmoments des Motors überwiegend bleiben konnte.

Ein wenig verhalten posiert unterdessen die Dame aus gutem Hause (aus einem im Hintergrund). Ihre Haltung ist etwas schüchtern, aber ihr gelingt das Lächeln, das so vielen Zeitgenossen auf deutschen Autofotos jener Zeit so schwerfällt.

War es weniger die Situation mit dem Auburn-Cabriolet als vielleicht ihr Name, mit dem sie sich etwas unwohl fühlte? „Althea“ ist auf dem Abzug selbst überliefert – auch in den USA, wo man eine enorm lässige Vielfalt an Vornamen pflegt, eher selten.

Wusste die Dame etwas Sagenhaftes in fragwürdiger Hinsicht, was ihre Eltern offenbar nicht bedacht hatten? Mir jedenfalls kommt Althea nicht wie ein glücklich gewählter Name vor.

Sie erinnern sich an den „Argo Electric“, der nach dem mythischen Schiff des (wie meist bei den alten Griechen) tragischen Helden Iason benannt ist?

Nun, an Bord der Argo auf der Reise nach Kolchis (zur Erbeutung des Goldenen Vlieses) war neben Iason auch ein gewisser Meleagros. Sie wissen schon – der, der etwas mit Atalante hatte, nach dem Bugatti eine sagenhafte Version des Typs 57 benannte.

Der Mutter von Meleagros war nach seiner Geburt prophezeit worden, dass ihr Sohn so lange leben werde, wie ein Holzscheit in ihrem Ofen nicht verbrannt sei. Sie löschte diesen daraufhin und bewahrte ihn auf. Als Meleagros im Streit seine Onkels – die Brüder seiner Mutter getötet – hatte, holte sie den Holzscheit wieder hervor und setzte ihn in Brand.

Eine sagenhafte Geschichte, wie sie die alten Griechen in unerschöpflichen Varianten zu erzählen wussten. Fast immer enden diese Stories tragisch – der griechische Geist hatte ein besonderes Verhältnis zu Tragik des Menschen in seiner Gebundenheit an irrationale Affekte.

Wenn Sie jetzt wissen wollen, wie diese tragische Mutterfigur hieß – dann steht sie auf dem heute vorgestellten Foto geschrieben. Denn Althea ist die englische Version von Althaia, die in der griechischen Sage ihren Sohn durch das Wiederentzünden eines Holzscheits tötete.

Man sieht daran – ohne dass es des Beispiels unbedingt bedurft hätte – der Mensch ist eine geniale und zugleich von diabolischen Kräften beseelte Kreatur. Der Auburn von 1931/32 gehört zweifellos zu seinen besseren Schöpfungen, aber das Abgründige ist bei allem Menschenwerk immer ganz nah – damals wie heute…

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Commerz braucht Eisenerz: Opel Typ 80 10/40 PS

Im Zeitalter der allumfassenden Digitalisierung gerät eines gern in Vergessenheit:

Die Basis unserer Ökonomie ist nach wie auch die „Hardware“ in Form von Grundstoffen für Bau und Betrieb der Kraftwerke, welche die Energie zum Rechnen liefern, für die Roboter, welche in „Dark Factories“ rund um die Uhr am arbeiten sind, sowie für die Chips und Platinen, auf denen sich die Operationen mit Nullen und Einsen vollziehen.

Während heute eher Uran, Kupfer und Silber gefragt sind, war es die letzten 3.000 Jahre das Eisen, welches „den“ Rohstoff für die Wirtschaft lieferte – für Werkzeug und Waffen, Fahrzeugachsen und -federn, Nägel und Nieten, Kessel und Ketten, Kardanwellen und Kastenbrücken…

Ganz gleich, was auch am Ende für ein kommerzielles Produkt daraus entstand, die Basis von alledem war Eisenerz und seine energieintensive Weiterverarbeitung.

Das zumindest hat sich nicht geändert: Kein Commerz ohne Eisenerz – dumm nur, wenn man die Wirtschaft deindustralisiert, eigene Rohstoffe wie Erdgase, Kohle und Uran in der Erde lässt, teuer von Dritten bezieht und obendrein mit zusätzlichen Steuern belegt.

Vor 100 Jahren war in Deutschland fast alles schlechter als heute (Ausnahmen: Alpabetisierung, Grundschulbildung, Bauqualität ), aber so dumm war man nicht, die heimischen Ressourcen nicht zu nutzen und zwecks Commerz zu veredeln.

Wenn Sie sich fragen warum, der Blogwart so altertümlich schreibt, dann finden Sie die Antwort auf dem Foto, mit dem ich Ihnen heute zeigen will, wie Eisen den Rohstoff für Wohlstand schafft und wie man ein Auto identifiziert, bei dem das unmöglich erscheint:

Ha, da steht ja tatsächlich „Commerz“ auf der Fassade des Bankhauses und das passenderweise direkt neben dem Eisenwarengeschäft. So einfach kommt man auf die Idee zu einer Story – sie ist eigentlich immer in den Bildern angelegt, die ich vorstelle.

Der abgebildete Tourenwagen steht gezielt vor dem Eisenhandel – aber nicht, weil der Besitzer dort ein benötigtes Werkzeug erstanden hat. Dann würde man nicht so ein Foto machen.

Und wäre es der Bankdirektor von nebenan, würde er vermutlich nicht so einen Wagen fahren – oder doch? Das entscheiden wir, wenn wir herausgefunden haben, was das für ein Fabrikat war.

Unmöglich mag man jetzt denken – diese Tourer der 1920er Jahre sahen doch von hinten alle gleich aus. Nun, das stimmt in vielen Fällen, doch diesmal nicht.

Werfen Sie zum Vergleich einen Blick auf das folgende Fahrzeug:

Opel Typ 80 10/40 PS; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Hier sieht man in voller Pracht und diesmal mit Opel-Schriftzug das glänzende Trittschutzblech auf dem Schweller unterhalb der Tür, welches auf dem eingangs gezeigten Foto nur zu ahnen ist. Die Form war typisch für die Opels Mitte der 20er Jahre.

Das findet sich auch auf der folgenden Ansicht wieder:

Opel Typ 80 10/40 PS; Originalfoto: Sammlung Klaas Dierks

Beginnt sich hier an der Heckpartie ein einheitiches Bild abzuzeichnen, die Gestaltung der Räder mit sechs Bolzen inklusive?

Gewiss, es gibt auch Abweichungen – so sinddie Türgriffe beim zuletzt gezeigten Exemplar nicht außen montiert und die Motorhaube weist nicht das Profil wie auf dem ersten Foto auf.

Der Grund ist der, dass wir es mit einer frühen Ausführung des Opel-Modells zu tun haben, um das es geht – den Typ 10/40 PS – bezugnehmend auf die Höchstgeschwindigkeit auch als Opel Typ 80 bezeichnet.

Der 1925 eingeführte Vierzylindertyp (2,6 Liter Hubraum) war gewissermaßen der große Bruder des erfolgreichen „Laubfroschs“ – des von Citroen „inspirierten“ 4 PS-Modells.

Die sechs statt vier Radbolzen spiegeln die weit höhere Antriebskräfte wieder und das lange Chassis erlaubt geräumige viertürige Aufbauten.

1927 geschah etwas für die genaue Ansprache Wichtiges: Opel ersetzte den bis dahin oben gerundeten Kühler durch einen nach Vorbild der US-Luxusmarke Packard geschwungenen, dessen Profil sich in der Motorhaube fortsetzte:

Opel Typ 80 10/40 PS; Originalfoto: Sammlung Klaas Dierks

Das hat uns nur scheinbar weit weg vom Ausgangsfoto gebracht, welches nicht wie hier am Ostseestrand entstand, sondern in Sachsen – dem Kennzeichen nach zu vermuten in Zwickau.

Schauen Sie sich jetzt den dort abgelichteten Opel noch einmal an und achten speziell auf die Silhouette der Frontpartie, so wenig auch davon zu sehen ist:

Sind Sie auch überzeugt, dass der Eisenwarenhändler ebenfalls einen Opel Typ 80 10/40 PS in der späten Ausführung mit „Packard“-Kühler ab Sommer 1927 fuhr?

Für deutsche Verhältnisse war der Wagen mit einigen tausend Exemplaren in punkto „Commerz“ ein Erfolg, wenngleich er so teuer war, dass ihn sich nur Leute mit hohem Einkommen leisten konnten- etwa ein angestellter Bankdirektor.

Unser Eisenwarenmann scheint ebenfalls dazu gehört zu haben, was die eingangs skizzierte These unterstreicht, wonach die physischen Grundlagen einer Ökonomie geschäftlich durchaus lukrativ sein können, wenn man kaufmännisches Geschick besitzt.

Ob die beiden jungen Damen am Eingang des Geschäfts zur Familie gehörten oder Angestellte waren, das können wir nur vermuten. Eine davon erlaubte sich eine sommerlich leichte Bekleidung, wie sie damals selten war.

Der Kontrast zum Fahrer könnte kaum größer sein – ich vermute, dass es sich um einen angestellten Chauffeur handelte, von dem man einen disziplinierten Auftritt erwartete.

Der junge Herr auf dem Trittbrett erscheit mir einen Hauch zu lässig für den Juniorchef – er hätte den Wagen der Firma vielleicht auch eher selbst gesteuert.

Fehlt nur der Chef vom Janzen – vermutlich war er es, der den Opel vor seinem Geschäft und der günstig platzierten eventuellen Hausbank fotografierte.

Vielleicht verhielt es sich aber auch ganz anders – wer eine andere plausible Interpretation liefern kann, ist aufgerufen, dies mittels der Kommentarfunktion zu tun.

Nur bei der Ansprache des Wagens als Opel 10/40 PS bin ich mir sicher – und dass man wie einst im Fall von Eisen die Grundlagen der modernen Ökonomie nicht geringschätzen sollte – gute Verfügbarkeit von Rohstoffen, möglichst billige Energie sowie qualifiziertes Personal.

Zumindest das war vor knapp 100 Jahren reichlich vorhanden. Heute scheint das zunehmend selten hierzulande wie auch die einst gut verkauften Opels des 10/40 PS Typs…

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Gegen den Strom oder nicht? Chrysler Airstream von 1935

Was meinen Sie, ist man mit der konsequenten Beschäftigung mit Autos der Vorkriegszeit „gegen den Strom“?

Nein, das wäre auch irrational. Zum einen: Mit elektrischem Strom betriebene Automobile waren vor allem in den USA vor dem 1. Weltkrieg sehr verbreitet. Es gab unzählige Hersteller und die anstrengungslos zu startenden Elektrowagen waren vor allem bei Frauen aus vermögenden Familien gefragt.

Wer einmal einen 120 Jahre alten Detroit Electric in Betrieb erlebt hat, versteht warum. Die Leichtigkeit der Fortbewegung und die Eleganz des Aufbaus begeistert.

Auch der Blogwart ist ein entschiedener Verfechter der Elektromobilität. Nicht nur bei Kettensägen oder Schlagschraubern schätzt er den Akkubetrieb. Auch auf seiner Scalextric-Rennbahn lässt er gern historische Verbrennermodelle sausen. Dort kann er sich all die Geräte leisten, die ansonsten völlig unerreichbar sind wie Jaguar E-Type & Co.

Ja, aber wie hält er es mit Elektrofahrzeugen im Maßstab 1:1? Nun, ich finde sie ganz großartig – solange jemand sie ganz aus dem eigenen Portemonnaie bezahlt

Über die gutsituierten Zeitgenossen, die sich ihr Batteriefahrzeug aus den Steuergeldern der Verkäuferin und des Bauarbeiters bezuschussen lassen, habe ich eine sehr klare Meinung…

Was den eigenen Fuhrpark angeht, gehört dazu eine Elektro-Vespa, die ich für Fahrten in der näheren Umgebung nutze und wunderbar finde. Das Teil schafft knapp Tempo 50, hat mit zwei herausnehmbaren Akkus 80 km Reichweite und sieht herrlich „retro“ aus.

Natürlich stammt das Ding vom Chinamann, ist entsprechend günstig und im Betrieb völlig unkompliziert. Mit ein paar Anpassungen habe ich dem Teil die Optik einer Vespa der 50/60er Jahre verpasst. Es sind sogar originale Piaggio-Teile daran verbaut.

Bisher ist noch jeder darauf hereingefallen, auch das bereitet mir Spaß. Natürlich sind die teuersten Teile die Akkus – solange die mehr kosten als ein Benzintank und sich nicht in drei Minuten zu 100 % befüllen lassen, wird das nichts mit der Elektromobilität in der Breite.

Sie sehen: wirklich gegen den Strom bin ich gar nicht, auch wenn es bisweilen so scheinen mag. Man sollte halt nicht nur nach dem Bauchgefühl beurteilen, etwa diese Leute:

Chrysler „Airflow“ Modelljahr 1935; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Na, was würden Sie über diese Leute aus dem Deutschland der späten 1930er Jahre denken, die hier neben ihrem Auto mit Zulassung in Recklinghausen posieren?

So richtig sympathisch wirken sie erstmal nicht, oder? Aber wir wissen nichts über sie außer einer Sache: Sie hatten sich einen neuen amerikanischen Wagen gekauft.

Das war an sich nichts ungewöhnliches in der Zwischenkriegszeit, da die deutsche Autoindustrie mit ihren überwiegend veralteten Modellen und rückständigen Fertigungsmethoden unfähig war, die ständig steigende Nachfrage zu bedienen.

So ist es zu erklären, dass diejenigen, denen nicht die Propaganda von der einzigartigen „deutschen Werkmannsarbeit“ das Urteilsvermögen trübte, die günstigeren, moderneren und besser ausgestatteten Modelle ausländischer Hersteller kauften.

Vor allem Ende der 1920er Jahre war das der Fall. Jede vierte Neuzulassung in Deutschland entfiel auf US-Fabrikate sowie italienische und österreichische Marken.

Der Anteil solcher „vaterlandslosen Gesellen“ unter den Käufern ging in den 1930er Jahren zurück, als die deutsche Autoindustrie aufholte und ein eigenständiges Profil entwickelte.

Doch ganz offenbar gab es auch im national-sozialistischen Kollektiv immer noch unverbesserliche „Volksgenossen“, die sich gegen den Strom entschieden.

Und das tat dieses Paar ganz offensichtlich mit dem Kauf eines 1935er Chrysler „Airstream“, der zumindest dem Namen nach dem Strom entgegengesetzt war – nämlich den Fahrtwind, durch dem man sich möglichst geschmeidig hindurchbewegen wollte.

Das 1935er Modell von Chrysler verkörperte dieses „gegen den Strom“ gerichtete Ideal nicht so radikal wie der am Markt gescheiterte Vorgänger, aber der Anspruch war noch da.

Im Zweifel half die Motorisierung, locker gegen den Strom zu schwimmen. Die 8-Zylinderversionen leisteten zwischen 105 und 150 PS, doch auch die Basisversion mit 6 Zylindern war mit gut 90 PS für deutsche Verhältnisse extraordinär.

Das heute vorgestellte Foto weist Elemente des 8-Zylinder-Typs auf wie die Doppelfanfaren an der Front, während der einfache Scheibenwischer eher auf einen Sechszylinder verweist.

Wie es sich auch verhielt, mit so einem Chrysler bewegte man sich Mitte der 30er Jahre abseits des Mainstreams, was mir das Besitzerpaar am Ende doch sympathisch macht.

Wer die beiden waren und was aus ihnen wurde, das wissen wir leider nicht. Ich weiß aber, was aus den fast 300 Deutschen wurde, die damals in meiner Heimatstadt Bad Nauheim lebten und ermordet wurden, weil sie „jüdischer Herkunft“ waren.

Das waren fast durchweg gut situierte Bürger, deren wirtschaftlicher Erfolg und kultivierter Lebenstil den Neid der Minderbemittelten weckten – nebenbei eine Erklärung, weshalb ihre Entrechtung reibungslos und in aller Öffentlichkeit am hellichten Tag geschehen konnte.

Auf der Website von Dr. Thomas Schwab (AG Geschichte Bad Nauheim) wird der Bericht des NS-Bürgermeisters von 1937 wiedergegeben:

„Die Anzahl der jüdischen Geschäfte ist im Laufe dieses Jahres zurückgegangen. Es sind noch einige wenige jüdische Geschäfte in Bad Nauheim vorhanden,die aber im Laufe der Zeit verschwinden werden. Besonders angenehm wird es empfunden, daß die Zahl der jüdischen Kurgäste zurückgegangen ist, die früher in Bad Nauheim sehr hoch war. Inzwischen hat sich genügend Ersatz für die ausgefallenen jüdischen Gäste gefunden“.

Es gab auch damals Menschen, deren Tun gegen den Strom gerichtet war und sie verdienen unsere Sympathie. Leider waren es zu wenige und leider bleiben viele Namen ungenannt. Wer sich in der Nachkriegszeit damit befasste, bewegte sich gegen den Strom.

Jetzt sehen Sie, was aus dem eingangs lässigen Wortspiel geworden ist. Man blickt auf einmal anders auf manche Menschen auf den Fotos von damals, über die man nicht mehr weiß als im besten Fall den Hersteller eines darauf abgebildeten Automobils.

Hüten wir uns vor einfachen Zuschreibungen und Bekundungen von Zuneigung und Abneigung anhand purer Äußerlichkeiten, die gerade heute in einer Zeit unbegrenzter Verfügbarkeit von Bildmaterial scheinbar leicht fallen.

Auch in der Hinsicht ist man gut beraten, sich gegen Strom zu wenden – mit ausreichend positiver Energie ausgerüstet, fällt das ganz leicht…

Copyright: Michael Schlenger, 2025. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and https://vorkriegs-klassiker-rundschau.blog with appropriate and specific direction to the original content.

Im Gegenlicht – meisterlich: Adler „Trumpf“ von 1932/33

Wer meinen Blog schon eine Weile verfolgt, dürfte bemerkt haben, dass ich gern eine eigene Sicht der Dinge einnehme – sowohl, was aktuelle Geschehnisse angeht, als auch die Beurteilung automobilhistorischer Phänomene betreffend.

Die Freiheit zur anderen Sicht gibt mir das Blog-Format, das ein völlig subjektives ist.

Ich kann darin frei von Verpflichtungen meinen Blick darlegen – ich habe keinen akademischen Ruf zu verlieren, ich muss auf keine Werbekunden Rücksicht nehmen, ich habe keine Vorgesetzten und keine Parteivertreter in einem Aufsichtsgremium.

Das heißt nicht, dass meine Perspektive zwangsläufig besser oder „richtiger“ ist – sie ist aber unabhängig und kennt keine Scheu vor angeblichen oder tatsächlichen Auto-Ritäten.

Das Widerständige, der Wille zur eigenen Meinung – das wurde mir nicht in die Wiege gelegt. In meiner Familie wurde man erst zum Gehorsam und dann zum Denken erzogen.

Ich habe meine Skepsis und das Bedürfnis, den Dingen selbst auf den Grund zu gehen, noch als Teenager irgendwann entdeckt, praktiziert und über die Jahre kultiviert.

Mir gefällt der Leitsatz „Im Zweifel für den Zweifel“, den ich mir von einem eigenwilligen deutschen Konservativen der Nachkriegszeit geborgt habe – Joachim Fest (1926-2006).

Wie alle interessanten Menschen war Fest „umstritten“ – wie sich das für jede wissenschaftliche Hypothese, theologische Konzepte und ästhetische Ideale gehört.

Fest begegnete mir erstmals, als ich mich Ende der 1980er Jahre für Italien zu interessieren begann. Abseits des Mainstreams den Facetten menschlicher Kultur nachzuspüren, das war das Thema von Joachim Fests meisterlichem Italienbuch „Im Gegenlicht“ (1988).

Fest hatte sich seinerzeit Italien „gegen den Strich“ vorgenommen – von Sizilien nach Norden reisend und aus einem Alltag berichtend, den ich auf meinen frühen Italienfahrten selbst noch ansatzweise erleben konnte, der aber über 30 Jahre später Geschichte ist.

Wie komme ich nun vom Fest’schen „Gegenlicht“ von anno 1988 zum Adler des Frontantriebstyps „Trumpf“ aus den Jahren 1932/33? Das ist einfach, auch wenn das Gegenlicht mit das Anspruchsvollste ist, das einem Fotografen begegnen kann.

Wie bei jeder guten Übung für Körper und Geist beginnen wir mit den einfachen Dingen, die leicht von der Hand gehen und einen ersten schönen Erfolg bescheren:

Adler „Trumpf“ Limousine von 1932/33; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Was soll man hier schon falschmachen? Das Licht ist ausreichend, drei prächtige Individuen schauen gut gelaunt und zwanglos in die Kamera und den Hintergrund gibt ein moderner Frontantriebswagen ab.

Wie am Kühleremblem ersichtlich handelt es sich um einen Adler aus Frankfurt am Main, wobei die Gestaltung der Frontpartie (noch ohne Kotflügelschürzen) verrät, dass wir es mit einem frühen Exemplar des Modells „Trumpf“ von 1932/33 zu tun haben.

Damit folgte Adler dem Trend zu Fronttrieblern, den in Deutschland Stoewer und DKW initiiert hatten, gefolgt von Audi. Im Fall von Adler steckte dahinter Hans-Gustav Röhr mit seinem Team von Selberdenkern.

Röhr, der sich mit starren Strukturen und Hierarchien schwertat, verdankt Adler seinen größten Erfolg überhaupt. Die Fronttriebler „Trumpf“ und ab 1934 „Trumpf Junior“ zählten zusammen mit den DKWs und Opels bis zum 2. Weltkrieg zu den meistverkauften deutschen Autos.

Dem Erfolg nicht im Weg stand, dass man Adlers „Trumpf“ anfangs eine ziemlich bieder anmutende Karosserie verpasst hatte – jedenfalls die Limousine betreffend. Die besaß eine Ganzstahlkarosserie von Ambi-Budd (nebenbei: wo wurde diese noch verbaut?), die noch ganz im Stil der späten 20er Jahre gehalten war:

Adler „Trumpf“ Limousine von 1932/33; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Allenfalls das Fehlen eines Trittbretts – kurioserweise ohne die naheliegende Konsequenz, den Passagierraum breiter zu gestalten – deutet hier auf die frühen 30er hin.

Die Stärke der äußeren Erscheinung des Adler Trumpf mit seinem konventionellen 1,5 Liter-Motor (32 PS) lag zweifellos auf der Frontpartie.

Hier haben wir den passenden Bildbeweis (Dank an Leser Marcus Bengsch), wobei dieses Exemplar über einen nachgerüsteten Nebelscheinwerfer an dem mittigen Bügel verfügt:

Adler „Trumpf“ Limousine von 1932/33; Originalfoto: Sammlung Marcus Bengsch

Auch wenn die Sonne von oben scheint, deutet sich das Thema „Gegenlicht“ bereits leise an – der Hintergrund wirkt grell und stört die Balance etwas.

Aber mit den Filmen der 30er Jahre war das kaum vermeidbar – speziell wenn das eigentliche Objekt dunkel gehalten war.

Noch schwieriger war es damals, einen solchen Wagen im Schnee abzulichten. Nicht, dass sich unsere Altvorderen dann nicht vor die Tür wagten – gerade der frontgetriebene Adler konnte unter winterlichen Bedingungen seine Stärken entfalten.

Doch der extreme Kontrast zwischen weißem Schnee und wiederum dunkler Lackierung überforderte das damalige Filmmaterial häufig:

Adler „Trumpf“ Limousine von 1932/33; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Bei aller Kunst des Fahrers und der Konstrukteure des Frontantriebs ist hier doch zu konstatieren, dass die Kunst des Fotografen nicht daran heranreicht.

Dennoch: So ein Dokument bekommt man nicht alle Tage zu sehen, und unter anderem deshalb finden Sie ja auch den Weg hierher, nicht wahr?

Und zurecht erwarten Sie, am Ende durch das belohnt zu werden, was die hohe Kunst der Automobilfotografie im Gegenlicht auszeichnet.

Einen ersten Vorgeschmack mag diese Aufnahme vermitteln:

Adler „Trumpf“ Limousine von 1932/33; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Zwar kommt auch hier das Sonnenlicht von oben, aber der helle Himmel überstrahlt fast alles im Hintergrund, was diesen umso geheimnisvoller erscheinen lässt.

Vielleicht vermag ja einer von Ihnen, liebe Leser, diese Flusslandschaft zu identifizieren. Zu dem Auto muss ja nichts sagen – so schnell lernt man den Adler „Trumpf“ als Limousine in der frühen Ausführung von 1932/33 selbst aus seitlicher Perspektive (er)kennen.

Bleibt die Frage, wie sich ein bis zur Erschöpfung dokumentierter Adler „Trumpf“ mit Limousinenaufbau von Ambi-Budd darstellt, wenn man ihn mal im Gegenlicht betrachtet.

Beantworten kann ich das anhand einer Aufnahme, die ich erst kürzlich erworben habe.

Sie zeigt den Adler vordergründig aus konventioneller Perspektive, bettet den Wagen aber in ein ungewohntes Umfeld ein, das den Blick in die Ferne gehen lässt – in ein geheimnisvolles Gegenlicht, vor dem sich eine wie Käpt’n Nemos „Nautilus“ anmutende Insel abzeichnet – und statuenhaft die Silhouette einer Frau, die entrückt ins Weite blickt:

Adler „Trumpf“ Limousine von 1932/33; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

DAS ist nach meiner unmaßgeblichen, aber nicht minder festen Überzeugung meisterlich.:

Der Mensch in seiner Vergänglichkeit und seine vordergründigen Schöpfungen vor der Kulisse einer Welt, die zuvor schon Milliarden von Jahren existierte und die nach uns ebenso ungerührt und für uns unergründlich fortbestehen wird.

Ob Sie nun meine Sicht der Dinge teilen oder nicht – heute haben Sie etwas vermeintlich Vertrautes gesehen wie nie zuvor – zunächst gewohnt gefällig, zuletzt hart im Gegenlicht. So sind die Realitäten und wir sollten Sie aus beiden Blickwinkeln betrachten und annehmen.

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Kommt mir spanisch vor… Hudson Tourer von 1925/26

Mein Fundus an Vorkriegs-Autofotos umfasst unzählige Fahrzeuge, deren Identität mir absolut rätselhaft ist.

Dazu passend stellte heute ein Mitglied meiner internationalen Vorkriegsauto-Gruppe auf Facebook einen faszinierenden Wagen vor, der einst in Bukarest zugelassen war und eine spektakuläre Karosserie aus der Zeit um 1930 besaß.

Das Auto vereint Elemente, die einem von anderen Fahrzeugen der Zeit vertraut sind, dann wiederum verweist einiges auf eine frühere Entstehung. All das kommt einem ziemlich spanisch vor, würde man landläufig sagen, wenn etwas rätselhaft erscheint.

Dermaßen rätselhaft geht es auf der Aufnahme, die heute präsentiere, zwar nicht vor. Tatsächlich lässt sich das abgebildete Auto ziemlich präzise ansprechen. Und doch kommt mir das Ganze etwas spanisch vor:

Hudson Tourer von 1925/26; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Die hell gestrichenen, abweisend wirkenden Mauern im Hintergrund mit barocken Fenstern würde ich auf jeden Fall im Süden Europas verorten. Da es das in Italien so nur sehr vereinzelt gibt und die Kennzeichen dort anders aussahen, würde ich sagen:

Das kommt mir ziemlich spanisch vor!“ Ein Kenner wird es gewiss anhand der Gestaltung des Nummernschilds genau ermitteln können.

Sicher bin ich mir jedenfalls, was den im harten Licht der Mittagssonne aufgenommenen Tourenwagen angeht – das ist ein Modell von 1925/26 des US-Herstellers Hudson.

Die Kühlergestaltung mit den horizontalen Lamellen und dem dreieckigen Markenemblem ist typisch für die Hudsons von Mitte der 20er Jahre. Die Autos der Schwestermarke Essex wiesen einige Ähnlichkeit auf, waren aber kleiner.

Beim Hudson von 1925/26 – als „Super Six“ bezeichnet – handelte es sich um einen Mittelklassemodell, das in den Staaten nach Verkaufszahlen gleich hinter den Volksautomobilen von Ford und Chevrolet kam.

Rund 180.000 Stück dieses Modelljahrgangs brachte Hudson in der amerikanischen Mittelschicht an den Mann. Aus europäischer Hinsicht unvorstellbar ist, dass es sich um ein 70 PS-Sechszylindermodell handelte – das war diesseits des Atlantiks Luxusklasse.

Und dennoch landeten einige dieser Wagen auch bei solventen Käufern in Europa – so das heute vorgestellte – das müssen wir uns näher anschauen:

US-Fabrikate waren in Südeuropa neben Fiats praktisch die einzigen in größerer Anzahl verfügbaren Automobile. Die vor dem 1. Weltkrieg in ganz Europa präsenten deutschen Fabrikate vermochten diesen brachliegenden und wachsenden Markt nicht zu nutzen.

Während sich deutsche Kapitalgeber heillos mit der Finanzierung Dutzender Kleinstwagenhersteller verzettelten, für die es gar keinen Markt in Deutschland gab, blieb die Gelegenheit ungenutzt, durch Skalierung etablierter Fabrikate im Ausland zu expandieren, wenn schon das heimische Absatzpotenzial so gering war.

Diese enorme Geschäftschance erkannten die US-Hersteller und sie eroberten vor allem die Märkte in Europa, die keine eigene Autoproduktion besaßen. Auch das würde zu meiner These passen, dass der hier abgelichtete Hudson in Spanien unterwegs war.

Aber eines kommt mir an dem Auto spanisch vor:

Sahen die Nabenkappen der Räder bei Hudson damals nicht anders aus? War statt eines eingetieften Sechsecks dort nicht ein erhabenes Dreieck zu sehen wie an dem folgenden Hudson-Tourer der frühen 1920er Jahre, den ich vor langer Zeit vorgestellt habe?

Hudson Tourenwagen der frühen 1920er Jahre; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Merkwürdig, nicht?

Ich kann mir dies nur damit erklären, dass Hudson bei den optional erhältlichen Drahtspeichenräder eine andere Gestaltung bevorzugte – warum auch immer. Aber vielleicht weiß es jemand unter Ihnen besser oder genauer.

Übrigens: Bei der Vorstellung des zuletzt gezeigten Fotos war mir seinerzeit aufgefallen, wie klein der Herr daneben erscheint. Das kann im Einzelfall natürlich einem „Ausreißer“ nach unten geschuldet sein.

Doch bei der Beschäftigung mit dem 1925/26er Hudson bemerkte ich heute, dass dieser Mittelklassewagen (nach US-Maßstäben) beeindruckende Proportionen aufwies.

Das können Sie anhand des Exemplars im folgenden Video aus den USA nachvollziehen. Der dort vorgestellte Wagen besaß zwar eine geschlossene Karosserie, dennoch werden die Dimensionen des Hudson Super Six deutlich.

Neben der repräsentativen äußeren Erscheinung dieses Exemplars ist die offenbar originale Innenausstattung hervorzuheben – es lohnt sich also, einmal hineinzuschauen.

Der Sprecher spricht recht klares Ostküstenamerikanisch – zumindest das sollte Ihnen bei solidem (und nicht völlig eingerostetem) Schulenglisch also nicht spanisch vorkommen…

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Millionär, aber bodenständig: Chevrolet von 1928

Aus eigener Erfahrung weiß ich: Die erste Million ist am schwersten. Denn egal wie ich rechne – ich bin immer noch weit davon entfernt und auch die schöne Zeit der Lire-Scheine ist leider vorbei, in der das Millionärsdasein relativ leicht war.

Das ist aber nicht weiter schlimm, denn wirklich leicht wird das Leben ohnehin erst ab der zweiten Million – das Foto, das ich Ihnen heute präsentieren will, bestätigt das.

Ford brauchte mit seinem Model T von 1908 bis 1920, bis erstmals die Produktion von 1 Million Fahrzeugen pro Jahr gelang. Leichter war dann der Weg bis zu 2 Millionen, diese Zahl schaffte man nämlich 1923.

Man nimmt das so gelassen zur Kenntnis, aber wenn man einmal darüber nachdenkt, ist das aus heutiger Sicht unglaublich. 1 Million Wagen pro Jahr, das waren bei sechs Arbeitstagen pro Jahr über 3.000 Stück pro Tag.

Möglich war das nicht nur dank der Fließbandmontage, sondern insbesondere durch intelligente Verteilung der Produktion auf über 20 Standorte in Nordamerika. Die Organisation einer identischen Fabrikation an so vielen Orten gleichzeitig mit demselben Standard bleibt angesichts der damaligen Mittel eine bewundernswerte Leistung.

Fords schärfster Konkurrent Chevrolet brauchte für die erste Million deutlich länger – 1927 überschritt man die Marke. Die zweite Million war dann ein Kinderspiel, sie gelang anno 1928. Und mit jeder weiteren Million – also jährlich – änderte sich auch das Erscheinungsbild des Chevy geringfügig, doch so markant, dass man die Jahrgänge unterscheiden kann.

Die Exemplare des Modelljahrs 1928 lassen sich gut an dem in einem ovalen Feld eingefassten Kühleremblem erkennen:

Chevrolet von 1928, aufgenommen vor Schloss Solitude; Originalfoto: Sammlung Plag

Technisch ist dieses Foto, das mir Michael Plag bereits vor einigen Jahren in digitaler Form zur Verfügung gestellt hat, ganz hervorragend.

Allerdings ist zu konstatieren, dass es den beiden Herren aus Provinz Starkenburg im südlichen Hessen doch erkennbar an Bodenhaftung mangelte. Auch die Inszenierung vor Schloss Solitude in Stuttgart wirkt etwas neureich.

Dass sich so ein Millionär mit vier Rädern auch viel bodenständiger in Szene setzen lässt und das Ergebnis gleichwohl sehr reizvoll ist, das will ich Ihnen heute beweisen.

Tatsächlich macht sich genau so ein 1928er Millionseller aus dem Hause Chevrolet auch in einem weit moderat erscheinenden Umfeld ganz ausgezeichnet. Er war ja genau für solche braven Leute gemacht, die in adretten Holzhäusern lebten.

Das war allerdings im vorliegenden Fall nicht irgendwo in den Staaten, sondern auf dem Lande wohl im Umfeld von Berlin, wo dieses Exemplar zugelassen war:

Chevrolet von 1928; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Hier finden sich – vom Misthaufen abgesehen – alle Elemente wieder, die ich im letzten Blog-Eintrag hervorgehoben hatte und die uns heute wie angekündigt wieder begegnen, wenn auch in abgewandelter Form.

Die Damen sind hier zwar in höheren Sphären angesiedelt, doch steht bei Bedarf eine Leiter zur Verfügung, sollte jemand das Bedürfnis verspüren, eine von ihnen auf dem kürzesten Wege aus ihrer „Miss-lichen Lage“ zu befreien.

Natürlich wäre das nur einem ausgewiesenen Gentleman erlaubt, der sich zu benehmen weiß, solange das gewünscht wird. Er sollte zudem über gewisse Mittel verfügen, um als attraktiv wahrgenommen zu werden.

Ein wackerer Schäferhund, der ganz verliebt dreinschaut, weist den einwandfrei gekleideten Herrn schon einmal als sensiblen Kenner des Animalischen aus. Der Besitz eines bodenständigen Wagens lässt zudem einen wirtschaftlich soliden Zeitgenossen vermuten:

Habe ich etwas vergessen in der Aufzählung dessen, was ein perfektes Autofoto der Vorkriegszeit ausmacht?

Vermissen Sie technische Details wie den Hubraum (2,8 Liter) des Vierzylindermotors (Seitenventiler) oder die PS-Zahl (35)? Vermutlich kaum – denn die Wirkung dieser Aufnahme beruht auf anderen Elementen.

Ergänzen möchte ich nur, dass dieses Auto in den USA für die breite Masse erschwinglich war – praktisch für jedermann, der einer regelmäßigen Arbeit nachging. Im armen Deutschland der 1920er Jahre sah das ganz anders aus – dort war selbst so ein Chevy nur für weit überdurchschnittlich Verdienende erreichbar.

Für die wenigen, die sich hierzulande so etwas leisten konnten, war das meist das erste eigene Auto und entsprechend bodenständig präsentierte man sich, auch wenn man zu einer internationalen Millionärsschicht gehörte – den Besitzern des 1928er Chevrolet!

Dass man in der deutschen Oldtimerszene des 21. Jh. dieses Fahrzeug praktisch nicht findet, obwohl es einst durchaus einige Käufer fand, finde ich merkwürdig. So etwas ist repräsentativer für den Markt im Vorkriegsdeutschland als das meiste, was man sonst an ausländischen Fabrikaten zu Gesicht bekommt.

Ich gönne ja jedem Millionär seinen Bentley oder Bugatti, aber so ein bodenständiger Vertreter seiner Art aus dem Hause General Motors von 1928 dürfte heute an Seltenheit hierzulande alles in den Schatten stellen.

In den Staaten bekommt man so ein Gerät immer noch für deutlich weniger als 10.000 Dollar – vielleicht eine Idee für jemanden, der sich einen bezahlbaren US-Klassiker zulegen will und dem die Fords jener Zeit zu allgegenwärtig sind.

Ein bisserl abheben mag man sich dann ja doch ganz gerne, wobei die Bodenhaftung mit so einem Vertreter einer einstigen US-Millionärsdynastie immer noch gegeben ist…

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Ob die Miss den Mist vermisst? Citroen B2 Tourer

Die Betätigung als Blogger ist anspruchsvoll, wenn man sich an einem nicht ganz trivialen Thema abarbeitet und wenn man von der überschaubaren Zahl derer wahrgenommen werden will, die sich im deutschen Sprachraum noch für Vorkriegsautos erwärmen.

Man muss ständig etwas Neues bieten und das bei einem Gegenstand, der von manchen als abgeschlossenes Kapitel betrachtet wird. Tatsächlich ist das Feld aber noch fruchtbar und in weiten Teilen unbeackert, gerade in Bezug auf deutsche Marken.

Die Vorteile des Formats überwiegen für mich. Da ich für keine ernsthafte Publikation schreibe und mich zudem unentgeltlich mit meinen Betrachtungen exponiere, kann ich wie ein freischaffender Künstler so ziemlich alles machen, was ich will.

Was mir nicht gefällt oder was mich nicht interessiert, wird entsprechend stiefmütterlich behandelt – die Freunde des Hanomag 2/10 PS „Kommissbrot“ wissen ein Lied davon zu singen. Sie sollen trotzdem ihren Spaß mit dem skurrilen Minimalgefährt haben.

Auch muss ich keine „Gebote“ politischer Korrektheit beachten – ohnehin ein albern-autoritäres Konzept in einer sich liberal dünkenden Gesellschaft. Ich kann beliebige subjektive Standpunkte einnehmen und mehr oder weniger fundierte Werturteile abgeben. Ich kann mich vom Tagesgeschehen in einer zunehmend irren Zeit inspirieren lassen oder ins Grundsätzliche, Überzeitliche, Philosophische gehen.

Und bei alledem kann ich wissentlich oder unwissentlich auch den größten „Bullshit“ von mir geben, wie die unverblümt redenden Amerikaner es zu formulieren pflegen. Im Deutschen würde man sagen: Mist erzählen.

Damit wären wir beim Thema, das Sie so vermutlich nicht ganz so konkret erwartet hätten. Denn heute gehe ich tatsächlich genau der Frage nach, ob die Miss den Mist vermisst, den jemand hier angerichtet hat:

Citroen Typ B2; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Man muss schon ein Faible für für das Landleben haben, um sich mit seinem Auto ausgerechnet vor dem Misthaufen anderer Leute ablichten zu lassen.

Dass diese Herrschaften (m/w/d…) die Besitzer des unübersehbar rustikalen Anwesens waren, wage ich zu bezweifeln.

Auszuschließen ist es zwar nicht, sofern wir es mit einem lukrativen Gutshof zu tun haben. Doch ich tippe hier eher auf Besucher aus der Stadt beim Verwandtenbesuch auf dem Land.

Als „feine“ Leute ausgerechnet so zu posieren, das bedarf eines gewissen abseitigen Humors, der mir sympathisch ist. Die Daheimgebliebenen sollten sehen, was für einen Haufen Mist die bodenständig gebliebene bucklige Verwandschaft angerichtet hatte.

Dabei scheint es auf den ersten Blick so, als ob die Miss in der Mitte mit der ausgestreckten Hand die Höhe des Haufens misst: „So hoch ist hier der Mist!„.

Doch tatsächlich hat sie nur die Hand auf den Scheibenrahmen gelegt. Dass sie den Mist solchermaßen vermisst, ist daher ebenso unwahrscheinlich wie dass sie ihn nach der Heimkehr in die Stadtvilla vermisst.

Genug der fragwürdigen Wortspiele. Ein wenig Fakten können nicht schaden, wenngleich die Versierten unter Ihnen bereits erkannt haben dürften, dass der abgelichtete Tourenwagen ein Citroen der frühen 1920er Jahre war.

Die Kühlerform, der Tankdeckel vor der Frontscheibe und der langestreckte Vorderkotflügel waren typisch für das Volumenmodell B2 – mit 1,5 Liter-Vierzylinder und 20 PS Leistung ein solides Auto der unteren Mittelklasse.

Fast 90.000 Exemplare wurden davon zwischen 1921 und 1926 gebaut, etliche wurden auch in Deutschland abgesetzt. Ich meine aber, dass wir es hier eher mit einem Exemplar zu tun haben, das Besitzern in Frankreich gehörte.

Nicht unerwähnt bleiben soll, dass mir hier das Nebeneinander aus Mensch, vierrädriger Maschine und seit Jahrtausenden treuem vierbeinigen Begleiter besonders gefällt.

Genau diese in immer neuen Varianten reizvolle Konstellation wird Ihnen beim nächsten Blog-Eintrag begegnen. Und wieder werden Sie feststellen, dass auch automobile Massenware ganz großartige Wirkung entfalten kann, wenn man sie gekonnt als Familienmitglied inszeniert – in dieser Hinsicht hat damals selten einer „Mist gebaut“…

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Ganz einfach ist am schwersten: Presto F/G von 1927/28

Wer wie ich – viel zu spät – als Kind das Klavierspielen (leidlich) lernte, der hatte seine ersten Erfolgserlebnisse vermutlich bei Werken von Meister Mozart.

Technisch sind seine Pianosonaten selten anspruchsvoll, man beherrscht sie rein mechanisch recht schnell. Doch ihnen ihre eigentliche musikalische Qualität zu entlocken, das ist so schwer, dass es einem erst mit viel Erfahrung gelingt (vielleicht).

Aber herrje, Fremdsprachen sprechen lernt man bekanntlich auch nicht in der Schule trotz jahrelanger Bemühungen. Später gelingt es dann meist binnen kurzem mühelos – wenn man sich möglichst vielen Eindrücken aussetzt und selbst praktiziert.

Einen ähnlichen Fall will ich Ihnen heute vorstellen – anhand eines Wagens der späten 1920er Jahre, der so verflixt simpel gestaltet ist, dass es zunächst verdammt schwerfällt, ihm seine Identität zu entlocken:

Presto Typ F 10/50 PS oder G 12/55 PS; Orignalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Den Vergleich mit Mozarts Werken würde man hier nicht ziehen wollen, wenngleich wir es mit einer beeindruckenden Komposition aus Stahl, Holz, Leder und Gummi zu tun haben.

Auch macht der Herr davor durchaus den Eindruck, gesellschaftsfähig zu sein – nur geht ihm die oft ans Unverschämte grenzende Lässigkeit ab, die den in seiner Tiefe unterschätztesten der großen deutschsprachigen Komponisten auszeichnet.

„Miet-Wagen“ steht auf der 6-Fenster-Limousine geschrieben – ein Attribut, das so irreführend ist wie die Bezeichnung „Sonata facile“ im Fall von Mozarts Pianosonate Nr. 16.

Das war kein Auto für in prekären Verhältnissen am Prenzlauer Berg lebende Presseleute, die zum Besuch bei den herrlich abgelegen im Oderbruch residierenden Eltern widerwillig eine dieser kapitalistischen Benzinkutschen ausleihen mussten.

Nein, so einen Repräsentationswagen mit zeitgemäßem 6-Zylindermotor und gut 50 PS ließ man nebst Fahrer kommen, wenn man es sich leisten konnte und es etwas Großes zu feiern gab – eine Hochzeit oder auch eine lukrative Scheidung (kleiner Scherz).

Da hatte man nun so ein Prestigegerät geordert und es war auch alles fein daran. Aber was um Himmels willen sollten die Nachbarn denken? Die konnten doch bei einer so simplen Linienführung gar nicht erkennen, was man sich da Prächtiges geleistet hatte!

Tja, genau so verhält es – alles, was man sieht, sieht einfach genauso aus wie bei einem x-beliebigen Wagen jener Zeit. Doch während andere Fabrikate immer irgendwo einen Markenakzent zu setzen wussten, fehlt dieser hier vollkommen.

Die vollkommene Einfachheit ist es, die am Ende den Schlüssel zur Erkenntnis in diesem scheinbar so schweren Fall liefert. Mit einiger Erfahrung öffnen sich die Augen und man stellt fest, dass sich alles wunderbar zusammenfügt und alles seinen rechten Platz hat.

Man braucht nur den Maßstab dafür, den einem die Erfahrung liefert – hier in Form dieses Fotos:

Presto Typ F 10/50 PS oder G 12/55 PS; Orignalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Diesen Typ F bzw. G der sächsischen Traditionsmarke Presto – weiß der Himmel, warum man zwei Motoren mit gerade einmal 5 PS Leistungsunterschied anbot – habe ich hier vor einigen Jahren vorgestellt.

Jedenfalls bin ich sicher, dass es nun ganz leicht ist, die Schwierigkeit der einfach beliebig erscheinenden Limousine auf dem ersten Foto zu meistern.

Kleine Unterschiede sind vorhanden, aber insgesamt fügt sich alles zu einem stimmigen Bild zusammen. Auch der eingangs gezeigte Wagen war mit hoher Wahrscheinlichkeit so ein Presto F/G – übrigens das letzte Modell dieser einst weithin berühmten Marke überhaupt.

Damit wären wir im wahrsten Sinne des Wortes am Ende – doch wenn es Ihnen gefällt, hätte ich noch einen Beitrag in Sachen „so einfach und doch so schwer“. Damit kehren wir zu Meister Mozart zurück – und dem Pianisten, der für meine Begriffe dessen Klavierwerk die feinsten Facetten abgewonnen hat: Friedrich Gulda (1930-2000).

Als Wanderer zwischen den Welten der Klassik und des Jazz war er „umstritten“ – für mich ein Adelsprädikat in einem auf Konformität und Unterordnung bedachten Umfeld.

Guldas bemerkenswerteste Hinterlassenschaft sind die „Mozart Tapes“. Das sind von ihm privat auf Kassette aufgezeichnete Sonaten Mozarts, bei deren Spiel er ganz bei sich ist.

Sie wurden vor einigen Jahren veröffentlicht und sind meiner Meinung nach eine großartige Annäherung an die Klaviersonaten des Meisters. Auf dem Papier ganz einfach, für den ernsthaften Pianisten unendlich schwer, doch für einen Punk wie Gulda ganz leicht…

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Wenn Zwerge groß rauskommen: Stoewer D2 6/18 PS

Der sprichwörtliche „kleine Mann“ pflegt so lange auf „die da oben“ zu schimpfen, bis er sich selbst auf erhöhtem sozialen Podest wiederfindet. Dann findet er den herausgehobenen Status eigentlich ganz angenehm und irgendwann sogar selbstverständlich.

Das Phänomen lässt sich nach einem Lottogewinn ebenso beobachten wie beim auffallend oft qualifikationsarmen Aufstieg in hochdotierte politische Positionen. Wie einst bei kleingeratenen Herren ein ziviler Zylinder oder eine aufgetürmte militärische Kopfbedeckung Größe vortäuschte, ließ sich im automobilen Zeitalter derselbe Effekt erreichen, wenn man sich in einem möglichst knapp bemessenen Fahrzeug zeigte.

Waren die Dimensionen des Wagens so wie bei diesem Stoewer des Typs D3 6/24 PS von Anfang der 1920er Jahre, dann mag man als Otto Normalinsasse darin weder klein noch groß erscheinen – hier stimmen einfach die Proportionen:

Stoewer Typ D3 6/24 PS; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Man erkennt hier recht gut, was die frühen Typen der Stettiner Traditionsmanufaktur nach dem 1. Weltkrieg auszeichnete – ein nach vorne leicht geneigter Spitzkühler mit oben flach aufgesetztem Markenemblem und eine schräggestellte, mittig unterteilte Windschutzscheibe.

Diese Elemente finden sich sowohl am rund 2.000mal gebauten Vierzylindertyp D3 als auch am größeren Sechszylindermodell D5 mit knapp 40 PS Leistung, von dem immerhin 1.200 Fahrzeuge entstanden.

Der letztgenannte ist vor allem an der längeren Motorhaube zu erkennen. Gelegentlich kann ich eine außergewöhnliche Aufnahme zeigen, die beide Typen gegenüberstellt.

Heute bleiben wir aber ganz in den Gefilden der kleinen Leute, die auch einmal groß herauskommen wollen. Das scheint hier eindeutig der Fall zu sein:

Stoewer Typ D2 6/18 PS; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Man sieht zwar die erwähnten Elemente, doch dieser Stoewer wirkt ein ganzes Stück kompakter als der zuvor gezeigte D3.

Laut Markenexperte Manfried Bauer, dessen Sammlung sich inzwischen in Stettin befindet, handelt es sich bei diesem Exemplar wahrscheinlich um das Übergangsexemplar D2 6/18 PS, das mit gleichen Motorabmessungen, aber weniger Leistung und auf etwas kleinerem Chassis nur 1919-20 angeboten wurde.

Leider kenne ich keine Abbildung eines sicher als D2 identifizierten Wagens. Sollte ein Leser hier helfen können, wäre ich für eine Kontaktaufnahme sehr dankbar.

Unterdessen muss ich mich auf weitere an die Proportionen anknüpfende Überlegungen beschränken, wenn ich ähnliche Stoewer in die damalige Typenhierarchie einzuordnen versuche.

Das folgende Auto würde ich wieder als D3 ansprechen – man beachte etwa das Größenverhältnis der Räder zur Karosserie und das großzügigere Platzangebot im Innenraum:

Stoewer Typ D3 6/24 PS; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Sicher werden Sie bemerkt haben, dass die Gestaltung des Aufbaus in allen drei Fällen demselben Muster folgt: die Flanke ist oben nach innen geneigt (als Schulter bezeichnet) und das Verdeck ist in einem umlaufenden Kasten integriert, der genau diese Form fortführt.

Dieser Entwurf findet sich meines Wissens nur bei deutschen Wagen kurz nach dem 1. Weltkrieg und geht auf den enorm vielseitigen Künstler und Autoenthusiasten Ernst Neumann-Neander zurück, wenn ich mich recht entsinne.

Wie markant dieser Aufbau aus dem richtigen Winkel betrachtet wirkt, das ist auf der folgenden Aufnahme zu sehen: Der zunächst wie eine Blüte sich entfaltende Karosseriekörper neigt sich oben entlang einer scharfen Kante abrupt nach innen:

Stoewer Typ D2 6/18 PS; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Hier lässt sich zudem die beeindruckende Kühlerpartie der damaligen Stoewer-Wagen in seltener Klarheit studieren.

Schön auch, wie hier durch die knapp bemessene Schärfentiefe die Frontpartie des Wagens hervorgehoben wurde, während der Hintergrund vorbildlich verschwimmt.

Dennoch kann man erkennen, dass das Foto entlang einer Bahnstrecke entstand, die an einem Mischgebiet mit großen Villen des späten 19. Jh und dahinterliegenden Fabrikanlagen entlangführte.

Wir dürfen vermuten, dass der Besitzer des Stoewer in einem besonderem Verhältnis zu alledem stand und keineswegs zu den kleinen Leuten zählte. Die waren dennoch mit von der Partie und hatten es sich auf der Rückbank gemütlich gemacht.

Ob es nur an den lustigen Zipfelmützen liegt, dass die beiden Zwerge in dem Wagen so groß herauskommen oder auch daran, dass wir es abermals mit dem frühen kleinen Stoewer-Typ D2 6/18 PS zu tun haben?

Ich tendiere dazu, wenngleich ich mir nicht 100%ig sicher bin. Was sagen die mit den Stoewer D-Typen besser vertrauten Leser?

Überhaupt bin ich an weiterem Material zu der einst weithin berühmten Marke vom Ostseestrand interessiert.

Stoewer zählte unter den deutschen Herstellern zahlenmäßig zu den Zwergen, kam aber über 30 Jahre lang groß heraus und während das auch mit dem Majestätischen mancher Modelle zu tun hatte, waren es letztlich die ehrlichen inneren Werte eines Familienunternehmens, die den Rang und das Ansehen dieses Fabrikats ausmachten.

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Fund des Monats: Graham 110 „Supercharged“ von 1936

Vermeintliche Kenner der US-Automobil-Hierarchie der 1930er Jahre mögen jetzt schmunzeln – ein Mittelklasse-Sechszylinder von einem Anbieter der zweiten Reihe schafft es, hier als Fund des Monats präsentiert zu werden?

Nun, wir werden spätestens am Ende sehen, warum ich mich wohl mit gutem Grund für den Graham „Supercharged“ des Modelljahrs 1936 entschieden habe.

Dem einen oder anderen schießt jetzt der Gedanke durch den Kopf: „Supercharged“ – das bedeutet doch „aufgeladen“ – also ein Auto mit einem Kompressor, der die Ansaugluft verdichtet, bevor sie im Vergaser mit Kraftsstoff angereichert wird!

War das nicht das, was Mercedes seit langem an einzelnen extrem teuren Modellen zur temporären Leistungsteigerung anbot? Hatte das in den Staaten nicht auch Duesenberg im Programm – ebenfalls für weit mehr als nur eine handvoll Dollars?

Und so etwas in einem Sechszylinder, der in den USA in der mittleren Preisklasse angesiedelt war? Ist es das, was so sensationell am 1936er Graham ist?

Nun, nicht ganz. Denn der Kompressor den Graham entwickeln ließ, hatte mit den Geräten der genannten Luxusautomobile nur bedingt etwas zu tun.

Er sollte bezahlbar sein und vor allem: Er sollte ohne das lästige Geräusch des Verdichterrads auskommen, das nur eingefleischten Fans der teutonischen Brachial-Kompressoren gefällt. Im Graham sollte er dagegen permanent unauffällig mitlaufen.

Das erforderte eine Neukonstruktion des Verdichterrads und der zugehörigen Antriebsräder, was Graham mit Bravour gelang.

Nicht nur war das nervige Heulen Geschichte, auch wurde das Teil von herein so konstruiert, dass es preisgünstig hergestellt werden konnte – nebenbei eines der „Geheimnisse“ der US-Massenfabrikation, die das Auto demokratisierte.

Eingeführt wurde der Graham-Kompressor nicht erst 1936, sondern schon 1934 beim optisch sensationellen Achtzylindermodell „Blue Streak“ das ich hier bereits gewürdigt habe.

1936, als eine neue Generation des Graham „Supercharged“ auf den Markt kam, hatte sich das „Kompressor“-Konzept vollauf bewährt – wesentlich mehr Leistung, höhere Kraftstoffeffizienz, Geräuscharmut im Betrieb und besseres Kaltstartverhalten.

Neu war 1936 nur, dass dieses Konzept nun auch bei einem Sechyzlinder zum Einsatz kam. Neben den 80 bzw. 90 PS starken nicht aufgeladenen Versionen konnte man also den „Supercharged“ bekommen, der satte 110 PS schaffte.

Äußerlich erkennbar war diese Variante an der Gestaltung der seitlichen Entlüftungsschlitze in der Motorhaube und einem dort angebrachten Schriftzug „Supercharged“.

Genau so ein Gerät hatte sich einst in Deutschland der Herr beschafft, den wir auf dem folgenden Foto sehen – er ist offenbar gerade nach Hause gekommen und wird von seinen Hunden begrüßt:

Graham 110 „Supercharged“ von 1936; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Was diese schöne Aufnahme so besonders macht, ist weniger der Graham – auch in den 1930er Jahren gab es in Deutschland noch viele Käufer, die das amerikanische Styling, die souveräne Leistung und die komfortable Ausstattung von US-Modellen schätzten.

Bemerkenswert ist vielmehr, dass dieser spezielle Wagen – den Tarnleuchten nach zu urteilen – mitten im 2. Weltkrieg von einem offenkundigen Zivilisten bewegt wurde.

Dessen Erscheinungsbild hat nichts mit dem zu tun, was man sonst aus dieser Zeit auch an der „Heimatfront“ gewohnt ist. Mit Poloshirt und nicht gerade „schneidiger“ Frisur wirkt dieser Graham-Fahrer wie das perfekte Gegenbild zu den Klischees jener Zeit.

Das Kennzeichen mit dem für im Krieg zivil bewegte Autos typischen Winkel über dem Trennstrich zwischen Regionalcode und Ziffernfolge für den konkreten Ort verweist auf eine Zulassung im Raum Hessen. Genauer konnte ich es nicht herausfinden – wie es scheint, haben wir es mit einem Überführungskennzeichen zu tun (da beginnend mit Ziffer 0).

Rätselhaft ist auch die matte Lackierung des Wagens. Ein Wehrmachts-Fahrzeug ist das nicht, sonst fände sich ein Hinweis auf die Truppeneinheit auf dem Kotflügel aufgemalt.

Könnte es sich um ein Beutefahrzeug aus dem Feldzug gegen Frankeich handeln, vielleicht ein von britischen Truppen in Dünkirchen 1940 zurückgelassenes Fahrzeug?

Doch wie war das Auto dann in zivile Hände gekommen? Hatte die Wehrmacht den eher seltenen Wagen verschmäht, zumal ihr damals vieltausendfach gängige französische Modelle in die Hände gefallen waren, mit denen man sich auskannte und für die sich eine sinnvolle Ersatzteilbevorratung aufziehen ließ?

War der Graham daher quasi als Armee-Überschuss angeboten und von einem Privatmann gekauft worden?

Und nicht zuletzt die Frage: Was machte dieser offenbar gutsituierte Herr mit schöner Villa und gepflegtem Garten beruflich? Als erstes fällt einem natürlich ein Landarzt ein, der nicht an die Front musste – aber vielleicht kommt noch etwas anderes in Frage.

Sehen Sie jetzt, was mich an diesem Kriegsfoto so fasziniert, dass ich es als Fund des Monats präsentiere?

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Borduhr? Bei Sonne überflüssig! Horch 350 Cabriolet

Auf meinen Touren nach Italien und zurück sind vor allem zwei Instrumente an Bord wichtig: Die Geschwindigkeitsanzeige und die Uhrzeit.

Erstere, um stets gerade so weit über dem Tempolimit unterwegs zu sein, dass es im Zweifelsfall nicht teuer wird. Besonders wichtig ist das in der Schweiz – wobei mir die Fahrweise der Einheimischen im Tessin verrät, dass man das dort nicht so militant sieht wie nördlich der Alpen.

In Italien orientiert man sich ohnehin am besten an dem, was die Ortsansässigen mehrheitlich praktizieren. Abgesehen von wenigen Lokalitäten wie rund um Bologna hat das meist wenig mit den aufgestellten Schildern zu tun.

Begegnet einem unterwegs doch einmal ein Vorschriftsgläubiger, der am Wochenende durch eine inaktive Schnellstraßen-Baustelle mit 40-50 km/h fährt und eine endlose Kette an Autos hinter sich hat, ist das nach meiner Erfahrung in 99 % der Fälle ein Deutscher…

Die zweite Anzeige ist die Borduhr – bzw. um genau zu sein – die digitale Uhrzeit, die ich zusammen mit dem Tempo auf einem Zusatzinstrument angezeigt bekomme. Dieses habe ich auf dem Armaturenbrett so montiert, dass ich die Augen nicht von der Straße nehmen muss, um beide Daten jederzeit ablesen zu können.

Das dank GPS absolut präzise, vielfach einstellbare und bei jeder Beleuchtung gut ablesbare Teil stammt natürlich vom Chinamann und ist über die vielgeschmähte amazon-Plattform erhältlich. Dort gibt es aber nun einmal die unzähligen praktischen, durchdachten und günstigen Sachen, die man hierzulande verschlafen hat – wie so ziemlich alles, was Elektronik enthält, einfach zu bedienen ist und dabei oft noch schick aussieht.

Warum aber ist mir die Borduhr so wichtig? Nun, damit kann ich bei einer regelmäßig absolvierten Strecke gut abschätzen, wie ich vorwärtskomme bzw. dass ich eine Schippe drauflegen muss, wenn ich unterwegs Zeit verloren habe.

Auf dem Weg nach Italien will ich ja möglichst schnell am Ziel sein und auf dem Weg zurück werde ich von allerlei Mitbewohnern erwartet – das muss als Erklärung genügen.

Ansonsten komme ich im Alltag ganz gut ohne Uhr klar, die biologische ist erstaunlich gut. Versuchen Sie mal, ohne groß darüber nachzudenken, die Uhrzeit zu raten – auf eine Viertelstunde genau kann man es oft aus dem Bauch heraus sagen.

Dabei hilft speziell auf dem Land, wo man noch Sonne, Mond und Sterne kennt, bisweilen der Blick zum Himmel. Der war und ist auch ein verlässlicher Gehilfe, wenn man im Cabrio unterwegs ist und das Verdeck niedergelegt ist.

Genau aus diesem Grund brauchte der prächtige Horch-Achtzylinder von Ende der 1920er Jahre auf folgender Aufnahme keine Borduhr:

Horch „8“ Typ 350 Cabriolet; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Zu den heute noch begehrten 8-Zylindermodellen, die Horch damals baute – hier noch stark an das US-Vorbild Cadillac angelehnt – muss ich nicht viel sagen.

Ich habe bereits x Varianten davon vorgestellt und in meiner Horch-Galerie finden Sie mehr historische Fotos davon als in irgendeiner anderen Publikation.

Heute geht es mir vor allem um das Thema Borduhr, wobei ich mir vorstellen kann, dass die sächsische Automarke ihre Spitzenprodukte bereits in den 1920er Jahren damit austattete.

Doch – wie dargelegt – wenn man in einem Cabrio unterwegs ist und die Sonne lacht, brauchte man das eigentlich nicht. Das hier abgelichtete Horch-Exemplar illustriert das in schwer überbietbarer Weise.

Das ist eine These so steil wie die Weinberge in der prächtigen Landschaft entlang einer Flußschleife, die hier gerade von einer Fähre überquert wird:

Schön, nicht wahr? Und – was im Deutschland des 21. Jh. nicht selbstverständlich ist – diese grandiose Szenerie bietet sich einem heute noch genauso dar.

Man muss nicht einmal dagewesen sein, um zu wissen: so hochdramatisch sind die Weinberge in deutschen Landen nur an der Mosel angelegt.

Ergo brauchte ich nicht lange, um den Aufnahmeort mit der Präzision meines kleinen GPS-Instruments im Auto zu bestimmen: Der Horch hatte vor dem Ortseingang von Ürzig gehalten, das sich zwischen Bernkastel-Kues und Traben-Trarbach befindet.

Jetzt mögen Sie sich fragen, weshalb ich mir so sicher bin – Moselschleifen mit Weinbau in Steillagen gibt es immerhin einige.

Nun, die Antwort findet sich auf folgendem Bildausschnitt:

Hier sehen wir nicht nur den Achtzylinder-Horch mit dem mutmaßlichen Wunschkennzeichen „8-1000“, darüber erkennt man auch die monumentale Ürziger Sonnenuhr, die dort an einer Turmruine des Mittelalters prangt.

Zwecks Bestimmung der Uhrzeit hatte der Horch dort gewiss nicht gehalten, selbst wenn er keine Borduhr besaß. Es ist schlicht eine beeindruckende Szenerie, wenngleich die heutige Bundesstraße 53 dort – wie die darauf verkehrenden Autos – etwas prosaischer erscheint.

Doch der Schönheit dieses Orts tut das keinen Abbruch. Übrigens: Schon vor 2000 Jahren bot sich auf der damaligen Römerstraße dieselbe Szenerie dar, nur ohne Achtzylinder. Auch die Weinberge gab es schon, wie die beiden unweit gelegenen römischen Kelteranlagen in der steilen Südlage „Erdener Treppchen“ beweisen.

Die wurden aber erst in den 1990er Jahren entdeckt, schlummerten also noch ihrer Wiederentdeckung entgegen, als „unser Horch“ dort einst halt machte. Wenn Sie mal in der Nähe sind, können Sie die konservierten und gut erläuterten Kelteranlagen besuchen.

Dann überlassen Sie sich der segensreichen Wirkung der Sonne und träumen Sie sich in eine Epoche ihrer Wahl zurück – vielleicht begegnet Ihnen dann ja der Horch im Tagtraum.. Jedenfalls können Sie an dem Ort Zeit vergessen – eine Borduhr braucht man dort nicht…

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Perfekt durch die Kurve(n): Buick „Coach“ von 1925

Ganz gleich wie Ihr Tag heute auch war – es gibt ja immer etwas, was schiefläuft oder einen vom Kurs abbringt – hier kriegen sie auf jeden Fall noch die Kurve(n), und zwar so, wie sich das ausgezeichnet zur Ablenkung vom korrekten Weg eignet.

Perfekt durch die Kurve – wie das im Fall des 1925er Buick mit seinem traditionellen Fahrwerk möglich gewesen sein soll, daran haben Sie womöglich leise Zweifel.

Immerhin war der Sechszylinder mit 50 PS („Standard Six“) bzw. 70 PS beim längeren Master Six achtbar motorisiert. Mit im Zylinderkopf hängenden Ventilen waren das durchaus drehfreudige und effiziente Aggregate.

Doch tatsächlich: schnelle Kurvenfahrt war nicht das Metier dieser großzügig dimensionierten Wagen. Entsprechend behäbig posiert dieser Herr neben seinem Exemplar:

Buick „Sedan“ von 1925; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Ob wir hier einen Standard Six oder einen Master Six vor uns haben? Sofern der Wagen 24 und nicht 27 Haubenschlitze hatte, haben wir es mit dem stärkeren Master Six zu tun (Hinweis von Eirik Bøle). Sicher ist auf jeden Fall, dass wir es mit einer 6-Fenster-Limousine mit vier Türen zu tun haben, nach amerikanischer Konvention als „Sedan“ bezeichnet.

Ja, hat denn eine Limousine nicht immer vier Türen, mag sich jetzt einer fragen? In der Nachkriegszeit war das in der Tat so – zwei Türen fanden sich nur an sportlich ausgelegten Coupés oder Cabriolets.

Doch bei Vorkriegswagen ist vieles verwirrend anders und unter anderem deshalb ist die Beschäftigung damit so faszinierend. Vor 100 Jahren war so ein Buick in Deutschland ein Luxusautomobil – eine Heizung hatte der Wagen aber serienmäßig nicht, das war damals völlig unüblich. Eine andere Welt tut sich schon in solchen Details auf.

Eine andere Welt offenbart sich auf wunderbare Weise auch auf der folgenden Aufnahme – und hier kriegen Sie wie angekündigt die Kurve(n), wenn auch vielleicht anders als erwartet:

Buick „Sedan“ von 1925; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Der Blick gilt hier ganz professionell den Kurven – nämlich denjenigen, welche vom hinteren Ende der Motorhaube nach oben gehen und den Übergang zur A-Säule herstellen.

Dieser kleine Kunstgriff nimmt dem Aufbau die Strenge, wie sie Mitte der 1920er Jahre bei vielen Herstellern üblich war, bevor man sich wieder auf insgesamt raffiniertere und individuellere Linien besann.

Es sind genau diese Kurven, die uns ermöglichen, das Auto überhaupt als 1925er Buick ansprechen zu können. Sie finden diese an der Limousine auf der ersten Aufnahme wieder, nicht aber bei offenen Aufbauten.

Bei der Gelegenheit werden Sie bemerkt haben, dass dieses Exemplar nur zwei Fenster pro Seite besitzt. Auch weist es nur zwei Türen auf. Wir würden das im deutschen Sprachraum als zweitürige Limousine ansprechen – für die Amis ist das ein „Coach“ – kurios nicht wahr?

Kurios waren auch die kurzem Damenkleider jener Zeit – nicht, dass ich an der Kürze etwas auszusetzen hätte, bloß die unter der Taille sitzenden Gürtel waren keine glückliche Idee.

Dementsprechend wirken die meisten Ladies von damals, die sich dieser Mode unterwarfen – ich wüsste gerne, welche hässliche Hexe sich das ausgedacht hat – wenig weiblich darin.

Eine seltene Ausnahme stellt jedoch unsere perfekt proportionierte und ebenso posierende junge Dame dar, deren Kurven hier genau die subtile Unterstützung kriegen, die man(n) sich wünscht.

Perfekt durch diese Kurve(n) finde ich das heute vorgestellte Modell, dieses zweideutige Statement kann ich mir erlauben. Denn nicht nur bin ich ein Fachmann für solche Betrachtungen, ich bin hier auch der Chef und darf alles kommentieren, wie mir das passt, mag es noch so oberflächlich erscheinen…

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Luxus serienmäßig! Zwei Adler Landaulets um 1907

Traditionell wird Luxus mit Verschwendung in Verbindung gebracht – typischerweise von Leuten, die wenig einschlägige Praxiserfahrung haben.

Das ist ähnlich wie bei Zeitgenossen, die sich für eine Besteuerung von Vermögen in die Bresche werfen – nicht etwa, weil der Fiskus so klamm wäre, sondern weil es sie stört, dass andere ihnen etwas voraus haben. Nach dem Gewinn des Jackpots im Lotto wird diese Auffassung allerdings zuverlässig eine fundamentale Korrektur erfahren…

Meine Einstellung zum Luxus ist eine uneingeschränkt positive. Nicht nur meine ich, dass jenseits alltäglicher Notwendigkeiten der Spaß am Leben erst beginnt – ich gönne mir (und Ihnen) auch selber regelmäßig einigen Luxus.

Während sich das nicht auf meinen Geschmack bei klassischen Autos im Maßstab 1:1 bezieht – dort beschränke ich mich von jeher auf das untere Preissegment – gebe ich mich in diesem Blog gern hemmungslos dem schieren Überfluss hin.

Nicht nur ist die Beschäftigung als solche bereits eine Verschwendung von Zeit und Geld, auch mit den Gegenständen der Betrachtung gehe ich fahrlässig großzügig um.

Ein besonders verwerfliches Beispiel dafür bringe ich heute – denn diesmal präsentiere ich ungeheuren Luxus aus der Frühzeit des Autos gleich in Serie.

Ich kann mir diesen Luxus nicht nur leisten, ich bin hier paradoxerweise auch von blanker Not getrieben. Denn gerade bei den Wagen der Marke Adler aus Frankfurt am Main gehe ich förmlich in sehenswerten zeitgenössischen Fotos unter.

Das gilt nicht nur für die üblichen Verdächtigen der Frontantriebs-Fraktion der 1930er Jahre („Trumpf“ und „Trumpf Junior“) oder die ebenfalls sehr zahlreich dokumentierten „Ami“-Konkurrenten der späten 1920er Jahre („Standard 6“ und „Favorit“).

Nein, auch andernorts praktisch nicht oder nur sehr dürftig vertretene Adler-Modelle der Zeit vor 1925 finden sich auf hunderten Aufnahmen aus meiner Sammlung und aus denen von Gleichgesinnten, deren Schätze ich hier ebenfalls präsentieren darf.

Warum sonst keiner etwas aus der schieren Materialfülle bei dieser einst enorm bedeutenden deutschen Marke macht? Ich weiß und verstehe es nicht. Ich bin kein Adler-Spezialist und besitze nur ein Fahrrad der Marke von ca. 1950 (in ziegelrot, sonst sprechen mich die Adler-Räder weniger an als andere jener Zeit).

Dennoch ist meine nebenher in den letzten 10 Jahren aufgebaute Adler-Galerie die weltweit größte allgemein zugängliche ihrer Art. Sie ist weder vollständig noch vollkommen, was die Ansprache speziell der frühen Modelle angeht, aber es gibt sie und sie wächst stetig.

So bin ich in der komfortablen Lage, Ihnen heute Luxus aus dem Hause Adler gleich serienmäßig nachzubringen. Den Anfang macht dieses Landaulet nebst Chauffeur:

Adler Landaulet um 1907; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Dieser Wagen bot einst seinen sehr vermögenden Besitzern nicht nur den Luxus eines prinzipiell geschlossenen Passagierabteils, das am Heck jedoch ein zu öffnendes Verdeck für Fahrten bei schönem Wetter besaß.

Das Auto war auch mit seiner Dachreling darauf ausgelegt, Reisegepäck (und nicht nur Reservereifen) aufzunehmen. Der Chauffeur hingegen war bei allem Chic der „Uniform“ in dieser Klasse kein Luxus, sondern quasi serienmäßig, denn Selbstfahrer waren damals noch die Ausnahme.

Aber was ist denn unter diesem „damals“ zu verstehen?

Nun, bei üblicher Analyse lässt sich wie folgt vorgehen: Gasscheinwerfer bedeuten: vor 1920, rechtwinklig auf die Windschutzscheibe stoßende Haubenpartie bedeutet: vor 1910 und die hier wirklich noch passend benamten Kotflügel, die nicht direkt insTrittbrett übergehen, bedeutet ganz grob: vor 1908.

Unterstützt wird diese Datierung auf geradezu luxuriöse Weise. Denn auf der Rückseite des Originalabzugs sind Aufnahmeort und -jahr von alter Hand vermerkt: „Wandlitz 1908“.

Ist das nicht großartig? Jetzt müssen wir anhand von Vergleichsfotos „nur“ noch das frühestmögliche Baujahr dieses Wagens bestimmen. Auch das geht mit einiger Erfahrung.

Ab etwa 1906 findet sich bei Adler-Wagen diese Gestaltung der Vorderpartie – weitgehend unabhängig von der Motorisierung. Dass wir es mit einem Adler zu tun haben, verrät die Kühlerform in Verbindung mit dem damals markentypischen Einfüllstutzen (kein Witz).

Auch wenn der wohl recht großgewachsene Fahrer den Wagen eher moderat dimensioniert erscheinen lässt, deutet etwas auf einen Adler mit deutlich gehobener Leistung hin. Die Räder besitzen 12 statt nur 10 Speichen bei den schwächeren Modellen. Das ist ein HInweis auf einen stärkeren Motor, der bei dem schweren Aufbau auch ratsam war.

Ich würde hier auf ein Aggregat der 30 bis 40 PS-Klasse tippen (es gab noch weit stärkere von Adler, aber sie blieben sehr selten). Das war für einen ernstzunehmenden Reisewagen durchaus angemessen, speziell wenn man Touren in bergigen Regionen vorhatte.

Vergessen wir nicht: Wer so ein in monatelanger Handarbeit gebautes Landaulet orderte, der gab damals dafür den Gegenwert eines kleinen Hauses aus. Im Unterschied zu einem Arzt oder Geschäftsmann brauchte ein auf Repräsentation und Reisen erpichter reicher Besitzer nicht am Detail zu sparen, er konnte sich das volle Programm leisten.

Vor diesem Hintergrund mag es verwundern, dass ich heute Luxus aus dem Hause Adler „serienmäßig“ angekündigt hatte. Nun, zum einen kann ich mich herausreden, da bei einem solchen Landaulet aller erdenklicher Luxus ohnehin serienmäßig war.

Doch steckt wie immer mehr als nur ein Körnchen im Titel meines Blog-Eintrags – so ziemlich das einzige, worüber ich einen Moment nachdenke, den Rest schreibe ich meist herunter inspiriert von den Fotos selbst und in der Regel mit musikalischer Begleitung.

Tatsächlich scheint Adler diese majestätisch anmutenden Luxuswagen in gewisser Weise serienmäßig hergestellt zu haben. Darauf kam ich, nachdem ich das eingangs gezeigte Foto mit dem folgenden verglich:

Adler Landaulet um 1907; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Ignorieren wir für einen Moment die mächtigen Frontscheinwerfer – die Beleuchtungsausstattung war vor dem 1. Weltkrieg hochindividuell und wurde vom Käufer oft erst nach Erwerb des Wagens selbst ergänzt.

Aber ansonsten sehen wir jede Menge Übereinstimmungen, oder? Selbst die Speichenzahl der Räder und die Gestaltung von Trittbrettkästen und Dachreling stimmt überein.

Könnte es sich um denselben Wagen handeln? Das wäre nach bisheriger Erfahrung nicht auzuschließen. Wiederholt habe ich mit erheblichem Zeitabstand Fotos erworben, die ein identisches Auto zeigen.

Im vorliegenden Fall ist die Sache aber klar: Der Adler auf dem zweiten Foto war ein anderes Fahrzeug, weil er einen auch am Heck geschlossenen Aufbau besaß – als Chauffeur-Limousine würde man diese Ausführung ansprechen.

Aufgenommen wurde das Exemplar in Hückeswagen -. einem Ort, von dem ich zuvor noch nie gehört hatte. Davor präsentiert sich offenbar der stolze Besitzer – im Unterschied zum Chauffeur auf dem ersten Foto neben der Einstiegstür zum Passagierabteil.

Wir machen uns im 21. Jh. keine Vorstellung davon, wie exklusiv der Besitz eines derartigen Automobils vor bald 120 Jahren war. Auf heutige Verhältnisse übertragen entsprach ein solcher Wagen einem modernen Geschäftsflugzeug mit eher zwei Triebwerken als einem.

Man mag die ökonomischen Unterschiede der Gegenwart beklagen- sinnlos, wie ich meine, da sie eine Konstante in allen Gesellschaften sind, auch den angeblich egalitären.

Aber eines betone ich immer wieder. Mit dem Automobil für jedermann, das wir der amerikanischen Industrie verdanken, verfügen wir alle heute serienmäßig über einen Luxus, der einst Superreichen und gekrönten Häuptern vorbehalten war.

Denken Sie daran, wenn Sie das nächste Mal ihren Wagen starten, die Sitzheizung einschalten und am servounterstützten Lenkrad drehen. Vollgetankt an die tausend Kilometer Reisefreiheit – das ist der pure Luxus serienmäßig in unserer Zeit…

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Selbstgemalt oder von der Kunst gestreift? Mathis P 5CV

„Ist das jetzt Kunst oder Werk eines Amateurs?“

Diese Frage stellt sich mir nach dem Ende der klar abgegrenzten Kunstepochen nach dem 1. Weltkrieg oft, auch wenn in der Art Déco-Epoche in den 1930er/40er Jahren noch einmal erkennbar an das Formenvokabular des späten Jugendstils angeknüpft wurde.

Vielleicht lässt sich die Trennlinie heute dort ziehen, wo man noch intensive Arbeit am Werk sieht und ein ernstes Bemühen um Ausdruck menschlicher Welterfahrung erkennt.

Nur mit Farbbeuteln um sich werfen oder wild Metallschrott zusammenlöten, genügt beiden Anforderungen nicht – auch wenn das Ergebnis chaotischen Zeitgenossen zusagen mag.

Vielleicht finden sich die Künstler der Moderne eher in Nischen wie der Tätowierei, wenn mir dazu auch jeder Zugang fehlt. Auch die Kreationen mancher „Hotrod“-Handwerker scheinen mir durchaus Kunstcharakter zu haben.

Sicher bin ich mir eigentlich nur bei der Fotografie, wo auch im Digitalzeitalter besonderes handwerkliches Können und der Blick auf den Menschen und seine Schöpfungen sowie die Natur und ihre Bewohner das Banale vom Beeindruckenden scheiden.

Was aber ist davon zu halten, wenn einer mit seinem Zweisitzerauto der 1920er Jahre daherkam und die Karosserie mit farblich abgesetzten horizontalen Streifen präsentierte?

Mathis Type P 5CV; Originalfoto: Sammlung Klaas Dierks

War das rasch nach Gusto selbst gepinselt oder ist dieses Auto zumindest in Teilen von der hehren Kunst gestreift worden?

Leser Klaas Dierks, dem wir dieses sehr gekonnte Foto verdanken, teilte mir seinerzeit mit, dass diese Art des Streifendekors auf eine Kunstrichtung der 20er Jahre zurückging, die sich auch an anderen Wagen der Zeit niederschlug.

Ich meine mich zu erinnern, dass sich auch kühne expressive Muster mit geometrischen Elementen auf einigen Karossen wiederfanden.

Vorläufer waren eventuell die oft eigenwilligen Bemalungen von Jagdflugzeugen im 1. Weltkrieg, die keiner Vorschrift folgten und die meines Erachtens ähnliche Funktion wie die Kriegsbemalung angeblich „primitiverer“ Völker hatte: Wiedererkennung im Getümmel, Verwirrung des Gegners und glückbringende Funktion für einen selbst.

Nun ist ein solcher Streifendekor nicht einfallsreicher als ein gut gemachter „Rallyestreifen“ – eine sympathische Sitte der 70/80er Jahre, die weitgehend vergessen ist – sie würde bei den meist ungeschlachten Karosserieformen der Gegenwart auch nicht „funktionieren“.

Nur bei nach 2000 entstandenen Retroautos wie dem Fiat 500 und dem Mini findet sich das bisweilen, teilweise sogar ab Werk.

Im vorliegenden Fall müssen wir es also offenlassen, ob sich hier einer von zeitgenössischen Tendenzen hat inspirieren lassen und in der Garage selbst den Pinsel schwang oder ob wir tatsächlich einen von Künstlerhand gestreiften Wagen sehen.

Der Herr am Steuer mit dem Barett wirkt selbst ein wenig so, als sei er von der Muse angehaucht worden – aber wer hier einen französischen „Artisten“ sieht, könnte am Ende enttäuscht werden.

Französisch war auf jedenfall die Herkunft des Wagens – denn es handelt sich um einen „Mathis“ aus dem seit 1919 wieder zu Frankreich gehörigen Elsass.

Jedenfalls war die Marke Mathis nach dem 1. Weltkrieg mit dem Problem konfrontiert, dass ihr einstiges Hauptabsatzgebiet mit einem Mal im Ausland lag. Letzteres, also Deutschland, hatte zur Begrenzung von Abflüssen wertvoller Devisen Importe streng reglementiert.

Für einst auf den deutschen Markt ausgerichtete, nunmehr zu Frankreich gehörige Hersteller fand man rasch Ausnahmeregelungen. So erklärt es sich, dass Mathis-Automobile bis Ende der 1920er Jahre zahlreich in deutschen Landen Absatz fanden.

Verkaufsfördernd wirkte dabei, das Mathis eine Typenvielfalt bot, die auch das Segment der damals gefragten Kleinstwagen abdeckte – sogenannte Cyclecars und Voiturettes.

Mit so einem Minimalmobil haben wir es hier zu tun – nämlich einem Mathis Type „P“ mit 5 Steuer-PS (daher 5CV). Das von 1921 bis 1925 gebaute Auto besaß einen traditonellen Vierzylindermotor mit knapp 800ccm, der gut 10 PS leistete.

Spitze 60 km/h waren das höchste der Gefühle, was erklären mag, weshalb einer seinen Mathis 5CV einst zumindest optisch schneller machen wollte. Vielleicht war der Besitzer auch der Ansicht dass der kompakte Zweisitzer (frz. „torpedo 2 places“) damit länger wirkte.

Wie dem auch sei, an den Limitierungen des zwar adrett wirkenden, aber wenig agilen Wagens ließ sich auch durch Linierungen wenig ändern.

Immerhin hatte der Fahrer das Auto dank des riesigen Lenkrads bestens im Griff und die Beleuchtung wirkt mit Hauptscheinwerfer und darunterliegenden Kurvenausleuchtern erstaunlich erwachsen:

Mathis Type P 5CV; Originalfoto: Sammlung Klaas Dierks

Aber ach, der gemutmaßte französische Künstler war offenbar gar keiner, denn dieser Mathis war im Raum München zugelassen (danke an Leser Andreas Streitberg, denn mein Kennzeichen Handbuch von Andreas Herzfeldt habe ich nicht im Reisegepäck).

Doch ein wenig frankophil wirkt der Herr hier schon, finden Sie nicht auch? Diese Baskenmütze findet sich jedenfalls unter den vielfältigen Kopfbedeckungen, mit denen unsere Altvorderen damals in ihren meist offenen Autos unterwegs waren, nur ganz selten.

So mag auch für diesen Mathis-Jünger die Frage gelten: Matisse-Freund und selber Künstler oder doch nur Motorfreak mit gesundem Abgrenzungsbedürfnis?

Vielleicht war der Herr im Krieg sogar Pilot gewesen und hatte eine Maschine mit einer solchen Bemalung geflogen. Vielleicht hatte aber auch seine kunstsinnige Frau diese Sonderlackierung bei einem mittellosen jungen Maler geordert, um mit der Zeit zu gehen.

Dass wir das alles nie mehr herausfinden werden, das gehört zu den schönen, da auf immer geheimnsvollen Seiten der Beschäftigung mit vermeintlich ordinären Gegenständen wie den Automobilen der Vorkriegszeit…

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Ein kleines Meisterwerk: Steyr Typ 50 „Baby“

Bislang war ich der Auffassung, dass die Versuche, in den 1930er Jahren im deutschsprachigen Raum einen tauglichen Kleinstwagen zu bauen, allesamt gescheitert sind.

Ob nun der Hansa 400/500 von 1933/34, der Framo Stromer bzw. Piccolo von 1933-35 oder der Standard Superior (ebenfalls 1933-35) – alle diese Konzepte krankten an denselben Problemen: zu wenig Platz für eine Familie, zu wenig Leistung für bergige Regionen und zu hoher Preis im Vergleich zu vollwertigen Autos.

Einen gewissen Achtungserfolg erzielte allenfalls der Brennabor 4/20 PS von 1931-33 – aber mit rund 2000 Exemplaren blieb auch er eine Randerscheinung. Vom späteren Volkswagen, der zumindest die Kriterien Familientauglichkeit und Steigfähigkeit erfüllte, bekam man in deutschen Landen als Zivilist vor dem Krieg keinen einzigen zu kaufen.

Das, woran im großen Deutschland alle Hersteller scheiterten, gelang indessen im kleinen Österreich. Dazu mag die außerordentlich reiche Automobiltradition beigetragen haben, aber auch ein anspruchsvoller Markt, an dem Chancen nur der hatte, der dem Terrain angemessene Fahrleistungen bot.

Vor diesem Hintergrund entstand ein kleines Meisterwerk zu einer Zeit, als die österreichische Autoindustrie ihre beste Zeiten vielleicht schon hinter sich hat.

Und genau dieses wurde einst meisterhaft auf folgendem Foto festgehalten:

Steyr Typ 50 „Baby“; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Wer etwas Sinn für Gestaltung hat, wird mir zustimmen: Das ist ein meisterhaft aufgebautes Bild, aufgenommen mit Sinn für eine malerische Perspektive, bei der das Auge von vorne die Biegung der Straße entlang auf die Kirche im Hintergrund gelenkt wird.

Die leichte Überbelichtung am Rand – wohl einem nicht ganz dicht schließenden Kameargehäuse oder einem kurzen unbeabsichtigten Öffnen bei eingelegtem Film geschuldet – beeinträchtigt die Qualität kaum.

Der Aufnahmeort – eine hügelige Landschaft an einem Fluss – ist leider nicht überliefert. Die offenbar am Rand eines Dorfes oder außerhalb stehende Kirche scheint im Kern eine alte Wehrkirche aus romanischer Zeit mit später aufgestocktem Turm in einem sehr schlichten gotischen Stil zu sein – auch sie ein kleines Meisterwerk ihrer Zeit:

Ich könnte mir vorstellen, dass dieses Foto im Süden Deutschlands entstanden ist, aber ich würde auch eine Region in Südosteuropa mit von deutschen Traditionen geprägten Orten in Betracht ziehen.

Vielleicht weiß einer von Ihnen es genauer – dann bitte die Kommentarfunktion nutzen.

Sicher ist indessen eines – diese schöne Aufnahme ist nicht nur selbst ein kleines Meisterwerk, es ist darauf auch ein solches mit vier Rädern zu sehen.

Die Rede ist vom fabelhaft gelungenen Steyr Typ 50, der 1936 auf den Markt kam und von dem immerhin über 13.000 Exemplare entstanden.

Ganz billig war dieser Kleinstwagen nicht, aber ansonsten bot er alles, was sich eine Familie mit begrenztem Budget wünschen konnte: ausreichend Platz, Komfort und solide Fahrleistungen, die einen Ausflug wie den hier festgehaltenen zum Vergügen machten:

Der Zweitürer mit Ganzstahlkarosserie bot auch auf der Rückbank ordentlich Platz. Der Gepäckraum war nur von innen zugänglich – vielleicht das einzige Manko.

Ansonsten war der Steyr 50, der rasch den Spitznanmen „Baby“ erhielt, eine rundum überzeugende Konstruktion: Der wassergekühlte 1-Liter-Vierzylinder-Boxer leistete 22 PS (bei der letzten Ausführung Typ 55 mit 1,2 Liter-Motor dann 25 PS).

Wichtiger als die Höchstgeschwindigkeit von 90 km/h war für österreichische Käufer die Bergtauglichkeit – hier trennte sich die Spreu vom Weizen. Das Steyr „Baby“ wurde den Anforderungen mit Bravour gerecht, auch Überhitzungsprobleme blieben aus.

Unabhäng aufgehängte Räder an Querblattfedern sorgten für zeitgemäße Straßenlage und ausreichenden Federkomfort – jedenfalls fand ich in der Literatur nichts Gegenteiliges.

Ein spektakuläres Detail ist auch auf dem heute gezeigten Foto zu sehen – das Stahlschiebedach, das sich sehr weit nach hinten schieben ließ. Das mag dazu beigetragen haben, dass der Baby-Steyr recht teuer geriet.

In Deutschland wurden dafür 2950 Mark aufgerufen. Dafür bekam man beispielsweise auch den geräumigeren Hanomag „Kurier“, der indessen in punkto Fahrleistungen unterlegen war. Ein gefährlicherer Konkurrent war der gleichteure, 27 PS starke Hansa 1100, der als schicke Cabrio-Limousine erhältlich war. Deutlich billiger war der Opel 1,2 Liter, der aber von Leistung, Fahrwerk und Anmutung nicht mithalten konnte.

Im Niedrigpreissegment machten letztlich Opel und auch die Fronttriebler von DKW das Rennen – doch wem es mehr um die Steigfähigkeit und Solidität der Konstruktion ging, für den war der Steyr Typ 50 „Baby“ die bessere Wahl.

Das unverwüstliche kleine Meisterwerk aus Österreich sollte nach dem Krieg seinen Besitzern noch eine ganze Weile Freude machen und die überlebenden Exemplare bezaubern nach bald 90 Jahren immer noch.

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Das richtige Modell für den Winter? Mannesmann 5/20 PS

Vor rund einer Woche wurde in den Wetternachrichten von frühlingshaften Temperaturen bis 20 Grad fabuliert – immerhin zwei Tage mit Sonnenschein und 12-15 Grad wurden dann daraus.

Ganz vergessen vor Begeisterung hatte man indessen, dass wir dem Winter entgegengehen. So fielen die Temperaturen vor zwei Tagen in der Wetterau mit ihrem historisch milden Mikroklima unter null und gestern früh fiel der erste Schnee.

Ich hatte ich die anrückende Kälte gerochen, doch die „Wettermodelle“ wussten nichts davon. Erst spät wurden die Computerszenarien von echten Wetterfröschen korrigiert.

Das kommt davon, wenn „vergessen“ wird, die üblichen frühen Winteranklänge im November einzuprogrammieren. Alternativ könnte man sich auf die altbewährten Methoden verlassen oder ab und zu einfach vor die Tür gehen.

Jedenfalls fällt mir seit Jahren auf, dass die Wettervorhersage immer unzuverlässiger wird. Ich bin der letzte, der etwas gegen Computermodelle hat, man sollte sie nur nicht mit der stets komplexeren Realität verwechseln – speziell bei Phänomenen mit chaotischem Charakter wie dem Wetter.

Nachdem ich Platz für die empfindlichen englischen Geranien vor der Haustür und in den Blumenkästen an der alten Backsteinhalle geschaffen hatte, in der meine Altmetallbestände frostsicher und trocken residieren, machte ich mir heute abend Gedanken darüber, welches Modell eher den Tatbeständen des Winters gerecht sein könnte.

Da fiel mein Blick auf folgendes Foto, das mir Leser Klaas Dierks in digitaler Kopie hat zukommen lassen und dessen Zeit nun gekommen zu sein scheint:

Mannesmann Typ WII 5/20 PS Tourer; Originalfoto: Sammlung Klaas Dierks

Als ich meinen Blog vor rund 10 Jahren begann, hätte mich dieses Modell noch vor Probleme gestellt – aber nicht wegen der fehlenden Vorderradbremsen oder des Schnees.

Damals hatte ich noch keine Ahnung davon, welche Vielfalt an vergessenen Automarken auf solchen historischen Fotos (und manchmal nur dort) fortlebt.

So hätte ich im Unterschied zu heute nicht sofort erkannt, dass wir es mit einem Wagen der deutschen Mannesmann-Werke aus der ersten Hälfte der 1920er Jahre zu tun haben.

Inzwischen ist meine Online-Fotodokumentation von Vorkriegswagen soweit gediehen, dass ich für Vergleichszwecke nicht mehr die gerade bei einheimischen Nischenherstellern oft dürftige Literatur konsultieren muss.

Im Fall eines als exotisch anzusehenden Herstellers wie Mannesmann befinde ich mich in der komfortablen Situation, inzwischen in der eigenen Markengalerie mehr Referenzmaterial vorzufinden als sonst irgendwo.

So bestätigte sich meine Vermutung, dass wir es mit einem Typ W2 5/20 PS zu tun haben durch Vergleich mit dem folgenden Exemplar (Foto aus Sammlung Matthias Schmidt, Dresden), das ich bereits vorgestellt habe:

Mannesmann Typ WII 5/20 PS Tourer; Originalfoto: Sammlung: Matthias Schmidt (Dresden)

Aus dieser Perspektive ist das Kühleremblem von Mannesmann besser zu erkennen – in den meisten Fällen ist es das einzige Detail, was die Identifkation des Herstellers erlaubt.

Lassen Sie sich nicht von dem Fahrtrichtungsanzeiger am Scheibenrahmen oder dem im Fond sitzenden Hund ablenken – wir haben es mit dem gleichen Modell WII 5/20 PS zu tun, das ab 1923 gebaut wurde.

Bemerkenswert waren an den Mannesmann-Wagen eigentlich nur die gelungenen Roadster-Versionen, ansonsten waren sie vollkommen konventionell wie Dutzende andere deutsche Fabrikate, denen erwartungsgemäß ein größerer Erfolg versagt blieb.

Man sieht: Auch ohne Computermodelle kann man danebenliegen, wenn man nicht den praktischen Hausverstand aktiviert und sich fragt, weshalb ein Auto erfolgreich sein soll, das keinen Vorteil gegenüber dem Stand der Technik aufweist und teurer ist als die Konkurrenz.

Aber vielleicht weiß ein Leser zumindest zu sagen, ob so ein leichter 20 PS Tourer mit schmalen Reifen und Heckantrieb vom fehlenden Komfort abgesehen ein geeignetes Modell für den Winter war, sofern die Reifen noch ordentlich Profil besaßen.

Ich würde sagen: mit etwas Geschick und Erfahrung ließ sich so ein Gerät durchaus auch im Schnee gut und vor allem vergnüglich bewegen. Bei der Gelegenheit wage ich die modellunabhängige Prognose, dass dieser Winter wieder etwas strammer wird…

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Von Playboys und Playmates: Ein „Jordan“ von 1923

Keine Sorge, auch heute geht es völlig jugendfrei zu (wobei ich meine Zweifel habe, dass dies noch jemanden interessiert). Selbst wenn man das von 1953 bis 2020 erschienene US-Magazin Playboy zugrundelegt, war dort nie etwas zu finden, was „anstößiger“ wäre als der Besuch in einem Museum für antike Kunst mit nackten Helden und Göttinnen.

Sich für den Playboy zu entblättern und sich von Fotografen der obersten Hubraumklasse ablichten zu lassen, galt über Jahrzehnte als Mittel der Wahl für prominente Damen, die sich auf diese Weise für eine maximales Publikum vorteilhaft verewigen lassen wollten und nebenher üppige Gagen einstreichen konnten.

Wie kommt der Blogwart nur auf dieses Thema? Nun, gewiss nicht durch den heute bekannt gewordenen Freitod der deutschen Kessler-Zwillinge, die sich in den 70er Jahren ebenfalls im Playboy herzeigten.

Nein, schuld ist ein Leser meiner Facebook-Gruppe für Vorkriegswagen auf alten Fotos, in der ich nicht nur die Aufnahmen aus diesem Blog spiegele, sondern bisweilen auch Aufnahmen zur Diskussion stelle, die mir Rätsel aufgeben.

Speziell bei US-Fabrikaten liegt die Lösung meist innerhalb weniger Stunden vor, doch bei diesem Beispiel lagen die US-Kommentatoren ausnahmsweise daneben:

Jordan „Playboy“ von 1923 (links); Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Der geduckt dastehende Wagen links mit nach unten breiter werdendem Kühler war weder ein Nash, noch ein Studebaker oder Chrysler, wie einige vorschlugen.

Könnte es sich um einen Jordan handeln?„, fragte indessen Claus Wulff aus Berlin mit schwer überbietbarem Understatement. Denn als „der“ Spezialist für Kühlerembleme hatte er sich nicht von den Herr- und Frauschaften nebst Bierkrügen ablenken lassen, sondern zielsicher das schemenhaft erkennbare Markenemblem anvisiert.

Tatsächlich findet sich in seiner online vorbildlich zugänglichen Sammlung von Kühleremblemen auch eines der erst 1916 von Ned Jordan gegründeten US-Marke.

Durch geschickte Heirat hatte sich Jordan in die komfortable Lage versetzt, Werbechef beim Autohersteller Jefferey zu werden. Dort sammelte er die Erfahrung und Kontakte, die ihm bei der Gründung seiner eigenen Marke zupass werden sollten.

Jordan verfocht die Ansicht, dass der technische „State of the Art“ in den Staaten so hoch war, dass man sich als Hersteller vor allem auf das Styling konzentrieren sollte. So bestanden seine Autos hauptsächlich aus zugekauften Komponenten bewährter Konstruktion und Qualität – verbunden mit sportlicher Anmutung.

Das Rezept brachte ihm schon im ersten Jahr einen Absatz von rund 1800 Wagen ein. Zwar blieb Jordan mit seinen recht teuren Automobilen stets ein Nischenhersteller, doch seine Werbekampagnen sorgten stets für Furore.

Direkt nach dem 1. Weltkrieg brachte Jordan den durchaus passend benamten „Playboy“ heraus. 1923 sah der offene Zweisitzer dann genauso aus wie auf unserem heutigen Foto:

Mit seinem vier Liter großem Sechszylinder (von Continental), der 55 PS leistete und dank des Hubraums einen enorm souveränen Antritt gehabt haben dürfte, machte der „Playboy“ gute Figur, speziell in Verbindung mit dem Aufbau als Roadster.

Sollten Sie Zweifel an diesem Playboy hegen, schauen Sie sich ganz unverklemmt die übrigen „Aktfotos“ auf der verlinkten Seite an – speziell in der Frontansicht erkennt man explizite Details wie die Kühlerform und die Gestaltung des unteren Abschlusses der ab 1923 einteiligen Windschutzscheibe wieder.

Fast 7.000 Exemplare des 1923er Jordan „Playboy“ entstanden, sodass der Typ nicht als wirklich selten anzusehen ist – sonst hätte ich ihn eher als Fund des Monats präsentiert. Ebenfalls nicht in die Kategorie passen würden die ab 1925 gebauten Achtzylinder der Marke, die auch in Deutschland vermarktet wurden.

Nur die 1930 angebotene sportliche Variante Speedway Ace, die selbst mit Limousinenaufbau 150 km/h schnell war, wäre dem wahren Playboy Anlass gewesen, sich damit ausgiebiger zu vergnügen. Dem setzte die Wirtschaftskrise jedoch ein Ende und 1931 war es mit Ned Jordans Firma ebenso vorbei wie 2020 mit dem Playboy-Magazin…

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