Fund(e) des Monats: Hanomag „Sturm“ Roadster

Der Fund des Monats Oktober fällt in mehrfacher Hinsicht aus dem Rahmen: So ist es nicht nur ein außergewöhnliches Auto, das ich ins Rampenlicht stelle, es sind gleich mehrere.

Diese wiederum repräsentieren grundsätzlich denselben Typ, unterscheiden sich aber in etlichen Details. Nicht zuletzt bleibt bei einem der Wagen die Identität unsicher, was einmal mehr sachkundige Leser auf den Plan rufen könnte.

Beginnen möchte ich mit einem Traumwagen, den langjährige Freunde meines Blogs sicher nicht vergessen haben – diesen offenen Hanomag des Sechszylindertyps „Sturm“:

Hanomag „Sturm“, offener Zweisitzer; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Der hinreißend gezeichnete Wagen wurde im August 1936 an der Ostsee fotografiert. Unglaublich, dass sich bis heute nicht klären ließ, wer der Hersteller dieser rassigen Karosserie war – leider ist es um die Hanomag-Traditionspflege nicht gut bestellt.

Gewiss, man begegnet auf zeitgenössischen Aufnahmen bisweilen Sport-Zweisitzern, die auf den ersten Blick ähnlich erscheinen.

Die dünne Literatur zur PKW-Prroduktion von Hanomag nennt und zeigt immerhin einen Roadster auf Basis des Hanomag „Sturm“, der von Hebmüller gefertigt wurde, auch Gläser-Ausführungen sind bekannt.

Hier haben wir vermutlich ein solches Exemplar, aufgenommen beim Tankstellenhalt an der Autobahn im Alpenraum:

Hanomag „Sturm“ Sport-Zweisitzer; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Doch dieser Wagen und auch weitere auf zeitgenössischen Abbildungen überlieferte Sport-Zweisitzer auf Basis des Hanomag „Sturm“ besitzen zwei Reihen schrägstehende Luftschlitze in der Haube – ganz anders als das an der Ostsee aufgenommene Exemplar.

Dort ist auch der eigentlich roadster-typische Türausschnitt nur angedeutet. Das unter einer Persenning untergebrachte dünne Notdach weist den Wagen dennoch der Gattung Roadster zu.

Vielleicht lässt sich ja irgendwann noch klären, wer den mysteriösen, aber wunderbaren Hanomag am Ostseestrand einst so vorteilhaft abgelichtet hat.

Wer mit meinem Tankstellenfoto nicht ganz zufrieden ist und genau wissen will, wie ein von Hebmüller in sinnlich fließendes Blech eingekleideter Hanomag „Sturm“ Roadster aussah, dem kann geholfen werden. So sandte mir Peter Steenbuck vor längerer Zeit das hier zu:

Hanomag „Sturm“ Roadster (Karosserie Hebmüller); Originalfoto aus Sammlung Peter Steenbuck

Man mag von der konservativen Technik der Hanomag-Personenwagen halten, was man will – stilistisch war das eines der attraktivsten deutschen Autos der 30er Jahre.

Gerade weil die Marke aus Hannover nicht annähernd das Prestige von Horch oder Mercedes-Benz besaß, ist es interessant zu sehen, dass man offenbar eine Marktnische für ein solchen „Feger“ sah – ich hätte ihn ebenfalls jedem etablierten Luxuswagen vorgezogen.

Doch wer meint, dass man damit nur auf den Boulevards einen glänzenden Auftritt hinlegen konnten, kennt dieses großartige Pressefoto noch nicht, das im Sommer 1938 bei der Ostpreußenfahrt entstand:

Hanomag Roadster (Karosserie Hebmüller); Fotograf: Schmeling, 15.8.38, Nr. AV 5752.11; originales Pressefoto aus Sammlung Michael Schlenger

„Nasse Herausforderung für den Sportwagen“ steht auf der Rückseite des Abzugs und das bringt es treffend auf den Punkt.

Bei der Durchfahrt dieser Fuhrt galt es schnell zu sein, bevor Wasser in den Motorraum eindringen konnte und in die Nähe von Zündverteiler oder Ansaugtrakt gelangen konnte.

Der Kommentar hebt eigens die „Fahrerin der NSKK-Motorgruppe Ostland“ hervor, welche die Ostpreußenfahrt 1938 ausrichtete. Dabei handelte es sich um eine der zahlreichen Langstrecken- und Geländeprüfungen, an denen damals alle wichtigen deutschen Hersteller teilnahmen.

Heroischer Einsatz von Mensch und Maschine kamen der Propaganda des nationalsozialistischen Regimes sehr entgegen, und so nahmen in der Regel auch Vertreter des Militärs daran teil.

Einen ernsthaften Beitrag zur Entwicklung kriegstauglicher PKW erwartete freilich niemand – dazu war das Reglement zu beliebig. Für den Bedarf der Armee arbeitete man längst an standardisierten Konzepten mit Allradantrieb, Vierradlenkung und großer Bodenfreiheit.

So stellte auch der Einsatz von seriennahen Wagen wie dem Hanomag-Roadster bei der Ostpreußenfahrt letztlich ein prestigeträchtiges Spektakel dar – vergleichbar etwa der traditionsreichen Rallye Monte Carlo mit einigen Anleihen beim britischen Trial-Sport.

Übrigens erlaubt die Pressaufnahme nur die Ansprache des Wagens als Hanomag. Der genaue Typ – „Sturm“ oder „Rekord“ – muss aus meiner Sicht offenbleiben, da der Typenschriftzug auf dem Kühler nicht sichtbar ist.

Zwar mag man argumentieren, dass Hanomag hier wohl eher mit dem 50 PS leistenden „Sturm“ antrat als mit dem weit schwächeren Vierzylindermodell „Rekord“. Doch ausweislich der Literatur gab es diesen zumindest 1934 ebenfalls als Sport-Zweisitzer.

Allerdings ist mir noch nie ein Foto davon begegnet. So darf man wohl als Arbeitshypothese den „Sturm“ als wahrscheinlichsten Kandidaten ansetzen, der sich äußerlich vor allem durch seine wesentlich längere Motorhaube vom „Rekord“ unterschied.

Das ist natürlich nur bei Aufnahmen nachvollziehbar, bei denen der Wagen von der Seite zu sehen ist.

Auch damit kann ich aufwarten, und zwar auf einem Foto, das seinesgleichen sucht. Denn hier sehen wir, was sich auf dem anlässlich der Ostpreußenfahrt aufgenommenen Hanomag unter der Wasserlinie verborgen haben könnte:

Hanomag „Sturm“ Roadster (Karosserie Hebmüller); Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Die eleganten Linien dieses Hanomag „Sturm“-Roadsters mit endlos wirkender Motorhaube stehen in denkbar großem Gegensatz zu den wuchtigen Reifen mit (vor allem hinten) ausgeprägtem Stollenprofil.

Wer auch immer der Besitzer dieser Schöpfung war, meinte es offenbar ernst, was die Geländetauglichkeit angeht.

Ein Spritzlappen am Ende des Vorderkotflügels sollte verhindern, dass Schlamm oder Schotter den Innenraum erreichen (oder den glänzenden Lack ruinieren). Ein massives Blech an der Front sorgte für den Schutz von Kühler, Lenkgestänge und Vorderrädern.

Was so martialisch daherkommt, weist sich durch die Chromradkappen und sonstigen Zierrat als ansonsten unverändertes Zivilfahrzeug aus – man könnte sich vorstellen, dass der Besitzer den Hanomag für Sportveranstaltungen eigens so herrichtete und ansonsten den eleganten Auftritt pflegte.

Ob die beiden Buben im Auto zur Familie gehörten oder für einen Moment so tun durften, als gehörten sie dazu, wissen wir ebensowenig wie den Namen des Besitzers dieses Exemplars oder auch der übrigen heute präsentierten Wagen des Typs Hanomag „Sturm“ Roadster.

Dabei müssen doch speziell die sportlich eingesetzten Ausführungen mehr Spuren hinterlassen haben als diese paar Fotos.

Meines Wissens gibt es zu dem zeitgeschichtlichen Phänomen der Geländesport- und Langstreckenfahrten im Dritten Reich keine umfassende literarische Aufarbeitung, obwohl zeitgenössische Illustrierte vermutlich jede Menge Material dazu bieten.

Bald 100 Jahre später ist es vielleicht an der Zeit, die deutsche Vorkriegsgeschichte betreffenden Neurosen allmählich hinter sich zu lassen und Historie als solche zu behandeln. Ich sehe jedenfalls keinen Grund, weshalb man sich mit diesen populären und zugleich politisch unterstützten Materialschlachten nicht in allen Facetten nähern sollte.

Die Teilnehmer dürften ungeachtet der hinreichend bekannten Zeitumstände ihren Spaß daran gehabt haben, warum sollte das heute nicht heute auch erlaubt sein?

© Michael Schlenger, 2021. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and https://vorkriegs-klassiker-rundschau.blog with appropriate and specific direction to the original content.

7 Gedanken zu „Fund(e) des Monats: Hanomag „Sturm“ Roadster

  1. Als ständiger Leser dieser interessanten Abhandlungen möchte ich hierzu auch noch einige Anmerkungen hinterlassen:

    Der erste abgebildete Wagen scheint ein Kurier (auf Grund der Proportionen der Fahrerin) – eventuell auch Rekord zu sein.
    Dafür markant ist die von 1934 bis 1936 verwendete Kühlermaske mit oben liegendem Emblem. Zudem besitzt der Wagen Scheibenräder (auch hier bis 1936 mit eingerolltem Horn), die sonst nie bei Sturm-Roadstern zu sehen sind.

    Bild 2 und 3 sind eineindeutig.

    Den vierten abgebildeten Wagen würde ich als Rekord bezeichnen. Zu erkennen an der ab 1938 eingeführten Karosserie, die dem Sturm ähnelt. Man erkennt aber eine leicht nach vorn gezogene Linie im Kühlergrill und im Vergleich zu den anderen Modellen wesentlich geringere Anzahl von Kiemen in der Haube.

    Der fünfte abgebildete Wagen (zufälligerweise liegt mir hier auch ein Originalabzug mit größerem Bildausschnitt vor) zeigt vermutlich einen rot lackierten Gelände-Roadster.
    Zu sehen ist die Zulassung in Hannover – ich nehme an, daß er von der Reichspost zu Veranstaltungen eingesetzt wurde.

    Weiterhin spannende Geschichten wünscht allen
    Sven Heering

  2. Leider liefert meine in solchen Fällen bevorzugte Quelle (Coachbuild.com) unter der Marke „Deutsch“ keinen vergleichbaren Wagen von Hanomag, was nicht heißen muss, dass wir es hier nicht mit einem solchen Einzelstück zu tun haben – jedenfalls ist das ein extrem rares Fahrzeug.

  3. Hallo Hr. Schlenger,

    Bei der Karosserie unbekannter „Abstammung“ des 1. abgebildeten „Roadsters“ weisen aus meiner Sicht einige Merkmale auf die Fa. Deutsch, Köln hin. Die Kühlerhaube besitzt keine Luftschlitze sondern im oberen Bereich diesen langen Lüftungsausschnitt, man kann auch ein typisches verchromtes Innengitter erkennen. Außerdem befindet sich umlaufend an den Kotflügeln eine Sicke, offensichtlich zur Versteifung. Weiterhin ist der typische Roadsterschwung der Türen,wie von Ihnen beschrieben, nur leicht angedeutet, die Karosserielinie ist fast gerade durchlaufend, weshalb die Karosserie z.B. beim Ford Eifel als Sportcabriolet bezeichnet wurde. Auch die Winker nicht in der A-, sondern in der B-Säule lassen an Fa. Deutsch denken, wie auch die 3 Gummizierleisten der relativ breit angesetzten und sich dann sich verjüngenden Trittbretter.
    Vielleicht liege ich völlig falsch, aber die Ähnlichkeit in diesen Punkten mit meinem Eifel lassen mich an Deutsch denken.

    Mit freundlichen Grüßen
    ihr fleißiger Leser
    Dr. Michael Rapp

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