Wirklich nur ein kurzes Vergnügen? Hanomag 2/10 PS

Mit dem 21. Dezember ist für mich jedes Jahr eine wichtige Wegmarke erreicht – ab hier werden die Tage allmählich wieder länger. Doch wenn man am 21. etwas draußen vorhat, wird das bestenfalls ein kurzes Vergnügen.

Egal, anhaltender Frost ist angesagt und das mögen die noch im Hof an der Hauswand verbliebenen mediterranen Kübelpflanzen nicht – also sind die wenigen Stunden Tageslicht schon zum Gutteil verplant.

Der Hauptaufwand besteht darin, in dem angrenzenden über 100 Jahre alten Ziegelbau, in dem meine Fahrzeuge „wohnen“, Platz zu schaffen. Gar nicht so einfach, denn ein ungeschriebenes Gesetz will es, dass Sammler alter Sachen über kurz oder lang jeden freien Platz mit ihren Schätzen okkupieren.

Der vergnügliche Teil beschränkt sich angesichts dieser Herausforderung darauf, die Pflanzen zuvor draußen noch auf ein verträgliches Maß zurückzuschneiden. Sodann gilt es die schweren Töpfe nebst Inhalt in irgenwelche Nischen zu bugsieren.

Die am 21. Dezember besonders knapp bemessene Helligkeit brachte mich darauf, mich heute im Blog dem vermutlich kürzesten Vergnügen im Sektor Vorkriegsautos zu widmen – dem Hanomag 2/10 PS, auch als Kommissbrot bekannt.

Das von 1925 bis immerhin 1928 gebaute minimalistische Gefährt war in meinen Augen kein vollwertiger Kleinwagen – wie das aussah, war mit Citroen 5CV, Fiat 501 und Austin Seven bereits Anfang der 20er Jahre definiert.

Ich würde den Hanomag eher als Spaßmobil für Leute bezeichnen, die sich auch einen kaum teureren Opel 4 PS hätten leisten können, aber sich bewusst für die provokante Optik entschieden und die Abwesenheit von Komfort bei dem 1-Zylinder-Gerät wie ein Motorradfahrer heroisch nahmen.

Die folgende Aufnahme aus dem Raum Berlin illustriert das für mich beinahe ideal:

Hanomag 2/10 PS; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Was hier nur ansatzweise ersichtlich ist, ist der Umstand, dass der Hanomag selbst in der geschlossenen Version als „Limousine“ ein ebenso kurzes Vergnügen darstellte wie die offene Variante.

Wie kurz, das wird deutlich, wenn man sich die nächste Aufnahme betrachtet, die ich – wie die meisten der folgenden Fotos – noch nicht gezeigt habe.

So ein langer Lulatsch vor der Loreley lässt selbst mit abgeschnittenen Unterschenkeln den Hanomag genauso winzig erscheinen, wie er tatsächlich war.

Hanomag 2/10 PS; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Speziell die geschlossene Ausführung wirft die Frage auf, wo bei diesem Kasten auf vier Rädern eigentlich vorne und hinten waren. Nur die unterschiedliche Größe von Front- und Heckscheibe gibt einen Hinweis.

Den einen Scheinwerfer, auch das im wahrsten Sinn ein Unikum in jener Zeit, könnte man hier auch für eine großgeratene Rückleuchte halten.

Kenner des Konzepts werden einwenden, dass die senkrechten Luftschlitze an der Flanke doch klar die Richtung vorgeben, denn der Hanomag besaß einen Heckmotor.

Eindeutig die Frontpartie zeigt auch aus Sicht des Laien die folgende Aufnahme. Hier wird zudem deutlich, dass die bisweilen aufgestellte Behauptung, der Hanomag sei mit seinem Verzicht auf freistehende Kotflügel wegweisend gewesen, ziemlich kühn ist:

Hanomag 2/10 PS; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Diese am breiten Markt nicht vermittelbare Primitiv-Gestaltung blieb natürlich ohne Nachfolger – selbst Hanomag kehrte 1929 mit dem anschließenden Typ 3/16 PS zu etablierten Formen zurück.

Den Weg zur letztlich obsiegenden Pontonkarosserie wiesen erst diverse US-Großserienmodelle ab Ende der 1930er Jahre.

In was für Kreisen der skurrile Zweisitzer Anklang fand, das wird deutlich, wenn man sich die Insassen betrachtet – hier haben wir Foto Nr. 2 desselben Wagens am selben Ort:

Hanomag 2/10 PS; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Die Aufnahme zeigt ganz offensichtlich keinen abgekämpften Malocher nach getaner Arbeit auf der Heimfahrt – hier präsentieren sich gutsituierte Leute.

Dem für die breite Masse der Deutschen völlig unerschwinglichen Hanomag 2/10 PS anzudichten, er sein ein frühes „Volksautomobil“ gewesen, erweist sich bei Betrachtung der Fakten als Humbug.

Das war in Wahrheit ein netter Zweitwagen für Betuchte oder der Erstwagen zu Geld gekommener Paare, die (noch) keine Kinder hatten.

Es dürfte auch vereinzelt Geschäftsleute ohne großen Anspruch gegeben haben, die sich so etwas für Kundenbesuche auf dem Land zulegten.

An so etwas mag man denken, wenn man sich den Herrn mit Melone auf dem folgenden Foto ansieht – vielleicht hatte er seine Sekretärin dabei, die das Foto machte:

Hanomag 2/10 PS; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Übrigens muss diese Aufnahme in den 1930er entstanden sein, als doppelte Scheinwerfer bei PKW vernünftigerweise vorgeschrieben wurden – auch das bizarre Monokel am Hanomag war also nur ein kurzes Vergnügen.

Wir kurz das Vergnügen in Sachen Karosserie beim Hanomag 2/10 PS war, das vermittelt die nächste der bis dato unveröffentlichten Aufnahmen aus meiner Sammlung.

Es entstand offenbar vor einem großzügigen Bauernhaus, das ich in Norddeutschland verorten würde – vielleicht kann jemand den Stil regional zuordnen:

Hanomag 2/10 PS; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Vergnüglich sieht das ja schon aus, sofern man sich nur kurz mit diesem Gefährt den Unbilden des Wetters aussetzen musste.

Aber das kann doch niemand ernsthaft als Beitrag zur Volksmotorisierung bezeichnen. Das taten in Deutschland damals in Wahrheit die Zweitakt-Mopeds von DKW, während bei den „Cowboys“ in den Staaten jeder einfache Arbeiter schon einen Ford oder Chevrolet fuhr.

So wäre auch der Ausflug des Maschinenbauers Hanomag in die Welt des Automobils nur ein kurzes Vergnügen geblieben, hätte man an diesem Nischenkonzept festgehalten. Die großartigen Kreationen auf Basis der Hanomag-Volumenmodelle „Rekord“ und „Sturm“ der 1930er Jahre hätte es nie gegeben:

Hanomag „Sturm“ Roadster; Originalfoto: Sammlung Peter Steenbuck

Das wäre doch schade gewesen, nicht wahr? Denn der einzigartige Charakter von Vorkriegsautos resultiert gerade aus der organischen Gestaltung jedes Bauteils – das kennen wir heute nicht mehr (von der britischen Firma Morgan einmal abgesehen).

Dass wir im 21. Jahrhundert immer noch von Kot“flügel“, Motor“haube“ und Stoß“stange“ sprechen, obwohl es das alles strenggenommen an modernen Autos nicht mehr gibt, das ist das anhaltende Echo der gestalterischen Gesetze der Vorkriegszeit.

Seien wir unterdessen nicht so streng mit der (aus meiner Sicht) automobilen Verirrung in Gestalt des Hanomag 2/10 PS von Ende der 1920er Jahre.

Immerhin bereitete er seinen einstigen Besitzern ein Vergnügen, das in einigen Fällen vielleicht gar nicht so kurz war.

Hanomag 2/10 PS; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Die beiden könnten – wenn sie Glück hatten – miteinander altgeworden sein und vielleicht konnten sie dabei sogar ihren kleinen Hanomag über die Zeiten retten.

Denn eine bemerkenswerte Zahl dieser Minimalmobile war noch in der Nachkriegszeit zugelassen – sie fraßen keinen Platz und für den irren Krieg Deutschlands gegen die halbe Welt war der Zwerg nicht zu gebrauchen.

Wenn Sie einem überlebenden Exemplar begegnen und sich mit den heutigen Besitzern unterhalten, dann werden Sie bei allen Schwächen des Entwurfs eines feststellen – das war wie bei jeder echten Liebe am Ende doch mehr als nur ein kurzes Vergnügen…

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Etwas Farbe gefällig? Neues vom Hanomag „Sturm“…

Wer würde sich angesichts der näherrückenden dunklen und meist grauen Jahreszeit nicht etwas mehr Farbe im Alltag wünschen?

Nachdem das mit dem Goldenen Oktober dieses Jahr nichts mehr wird – in meiner Heimatregion, der hessischen Wetterau, regnet und windet es seit Wochen überwiegend – konnte ich mich dieser Tage immerhin an den Farben des wilden Weins am benachbarten Gartenhof von Löw erfreuen, dessen Blätter sich in unserer Einfahrt sammelten und ein herrliches Bild abgaben.

Fast tat es mir leid, die Pracht zusammenzufegen, aber irgendwann schlägt eine malerische Melange in Unordnung um, und das mag ich gar nicht – was nicht heißt, dass ich alles so in Ordnung zu halten vermag, wie ich mir das wünsche.

Immer wieder kommt mir bei meinen selbstgeschaffenen Aufgaben und vielfältigen Neigungen die Notwendigkeit zum Geldverdienen dazwischen. Kaum meint man, alles im Griff zu haben, kommen wieder einige eilige Aufträge herein und alles andere bleibt tagsüber stehen und liegen.

Auch das Wochenende muss mitunter dran glauben und sechs Wochen bezahltes Nichtstun kenne ich seit gut 10 Jahren nicht mehr – die Vorteile des Freiberuflerdaseins überwiegen indessen.

Ebenfalls seit rund 10 Jahren gelingt es mir immerhin, nebenher diesen Blog am Leben zu halten, der monatlich stabil rund 5.000 Besucher anzieht. Das dürfte in etwa das Potenzial derer im deutschen Sprachraum sein, die sich hauptsächlich für Vorkriegsautos interessieren und keine „German Angst“ vor dem Internet haben.

Mir genügt das, zumal es mir vor allem darauf ankommt, eine sonst nirgends zu findende markenoffene sowie kosten- und werbefrei zugängliche Fotodokumentation von Vorkriegswagen in Europa aufzubauen.

Zu den gar nicht mal so exotischen Marken, die merkwürdigerweise andernorts nicht annähernd so umfassend im Netz präsent sind wie in meinen Galerien, gehört der Maschinenbauer Hanomag aus Hannover.

Während viele damit vor allem das minimalistische „Kommissbrot“ – den Typ 2/10 PS von Ende der 1920er Jahre – verbinden, interessieren mich eher die richtigen Autos der Marke, die einigermaßen auf der Höhe der internationalen Entwicklung waren.

Mein Favorit ist das 6-Zylindermodell „Sturm“, das von 1934-39 gebaut wurde. Neben schicken Cabriolets dieses Typs begegnen einem vor allem Limousinenausführungen – aber auch diese Klassiker können je nach Aufnahmesituation extravaganten Reiz entfalten:

Hanomag „Sturm“; Originalfoto: Sammlung Klaas Dierks

Den prächtigen Pfau im Vordergrund erkennt man ohne Spezialwissen als solchen, doch benötigt man im Fall des geschlossenen Viertürers dahinter gewisse Vorkenntnisse.

Dass wir es mit einem Hanomag zu tun haben, das kann man dem Flügelemblem entnehmen, welches nur sehr entfernte Verwandschaft mit dem von „Adler“ aus Frankfurt am Main aufweist.

Während der parallel gebaute und ziemlich verbreitete Vierzylindertyp „Rekord“ nur vier der seitlichen Luftklappen in der Motorhaube besaß, waren deren fünf der 6-Zylinderversion „Sturm“ vorbehalten.

So beeindruckend dieser Wagen mit seinem gut 20 Zentimeter längeren Radstand auch daherkam, waren mit 50-55 PS aus 2,3 Litern keine großen Sprünge möglich. Das war in Ordnung, denn immerhin Dauertempo 100 auf den neuen und mangels Masse leeren Autobahnen war damit machbar – mehr bot auch der Mercedes-Benz 230 damals nicht.

Vielleicht hätte man bei der Namenswahl dieses durchaus repräsentativen Hanomag aber weniger reißerisch sein sollen. „Stürmisch“ unterwegs war man mit diesem Fahrzeug ebensowenig, wie man als Pfau Flugrekorde aufzustellen vermochte.

Dass kurze Strecken aber durchaus elegant im Fluge zurückgelegt werden können, das weiß ich aus eigener Anschauung, weil die Pfauendamen aus der Nachbarschaft schon einmal über den First unserer alten Ziegelsteinscheune geflogen kamen.

Schade, mag man beim eingangs gezeigten Foto denken, dass man den trefflich fotografisch eingefangenen Pfau nicht in Farbe bewundern kann. Die sonst so spannende Schwarz-Weiß-Ästhetik der Vorkriegsfotos hat bisweilen auch ihre Nachteile.

Doch zumindest was den Hanomag „Sturm“ angeht, kann ich dem verständlichen Wunsch nach etwas Farbe nachkommen. Ob nun im Original bereits so fotografiert oder nachkoloriert, hat dieses in der Vorkriegszeit abgelichtete Exemplar besonderen Reiz:

Hanomag „Sturm“; Originale Ansichtskarte aus Sammlung Michael Schlenger

Vor dem Café von Konditor Otto Winkler in Wernigerode im Harz stand in den späten 1930er Jahren ein Hanomag Sturm. Sein Konterfei und das des schönen Baus im Stil der frühen 20er wurde einst auf einer Ansichtskarte verewigt.

Mein Exemplar ging erst im Oktober 1959 im Osten unserer Republik auf die Reise, als ebenfalls Herbst war und die Landsleute noch nicht wussten, wie trüb die Aussichten waren und wie lang das Grau der sozialistischen Elendswirtschaft anhalten würde…

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Vielleicht der bessere Volkswagen? Hanomag 1,3 Liter

Eines vorab: Zum deutschen Volkswagen – also dem VW „Käfer“ – habe ich ein durch und durch nostalgisches Verhältnis. Ich kenne seine Schwächen, doch lasse ich nichts auf ihn kommen.

Der Grund ist einfach, denn ich bin in einem praktisch großgeworden. Bis zu meinem 18. Lebensjahr fuhr meine Mutter ihr wackeres 1963er Exportmodell mit den schicken Doppelstoßstangen und dem großzügigen Faltschiebedach.

Hier haben ein Foto aus den späten 1970er oder frühen 80er Jahren, das in meiner Geburtsstadt Bad Nauheim vor dem neoklassizistischen Kerckhoff-Institut entstand, welches hier schon einmal die beeindruckende Stafffage abgegeben hat:

VW Käfer, Exportmodell von 1963; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Der jahraus, jahrein genutzte Wagen – immer schön im Kurzstreckenverkehr – war genau 25 Jahre alt und hatte noch keine 120.000 Kilometer hinter sich, als er wegen einer modelltypischen Reparatur (Schweißarbeit am Rahmen vor der Hinterachse) für 1000 Mark für einen Opel Kadett Diesel in Zahlung gegeben wurde – der sich als ein in wirklich jeder Hinsicht miserables Auto entpuppte: lahm, laut, hässlich, rostanfällig.

Gerne hätte ich damals Mutters VW – den sie liebevoll „Muli“ nannte – übernommen, doch das stand gar nicht erst zur Debatte.

So kam es wie es kommen musste: Mein erstes eigenes Auto wurde ebenfalls ein VW Käfer, wieder ein 1200er mit 34 PS, aber Baujahr 1985 und nicht mausgrau, sondern knallrot.

Knapp 10 Jahre begleitete mich der Wagen durch den Alltag, bei jedem Wetter. Eine satte Ladung Unterbodenwachs pro Jahr verhalf meinem „Mexikaner“ dennoch zu einer rostfreien Karriere. Der erste Motor gab erst bei Kilometerstand 210.000 auf, akribische Ölwechsel alle 5000 Kilometer und häufige Vollgasfahrt auf der Autobahn waren das Lebenselixier.

Hier sehen wir „Hermine“, kurz bevor ich sie mit dem Motorschaden für 1.000 EUR verkaufte, vom Balkon meiner damaligen Wohnung in der Bad Nauheimer Luisenstraße aus:

VW Käfer, Mexikomodell von 1985; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Auch wenn ich am 1200er Käfer nie etwas vermisst habe, außer zuletzt vielleicht 10 km/h mehr Endgeschwindigkeit als Tempo 120, war mir stets klar, dass es schon zur Zeit seiner großen Erfolge bessere Autos in seiner Klasse gab – aber kein so Charmantes.

Tatsächlich war das Überleben des Volkswagens nach dem 2. Weltkrieg eher dem Zufall geschuldet – ohne die Initiative eines Offiziers der britischen Rheinarmee wäre auf die bis Kriegsende rein militärische Produktion in Wolfsburg keine zivile Auferstehung gefolgt.

Da ist der Gedanke reizvoll, ob nicht vielleicht ein anderer deutscher Wagen, der auf den ersten Blick ähnlich aussah, aber konzeptionell ganz anders ausfiel, anstelle des Käfers der deutsche Volkswagen hätte werden können.

Die Rede ist vom 1938 vorgestellten Hanomag 1,3 Liter, den ich hier anhand bisher noch nicht publizierter Dokumente vorstelle:

Hanomag 1,3 Liter; Originalreklame via Paul Hickney (USA)

Im Vergleich zum „Volkswagen“ fiel der Hanomag größer aus und war damit schon eher familientauglich. Auch bot er von Anfang eine auskömmliche Leistung an, wenngleich der Hubraum von 1,3 Litern damals auch bereits standfeste 40 PS statt nur etwas mehr 30 ermöglicht hätte.

Unter der optisch ähnlichen Karosserie verbarg sich ein gegenüber dem Volkswagen konventioneller Antrieb – vorne liegender Reihenverzylinder mit Wasserkühlung.

Dementsprechend brauchte der Hanomag natürlich auch einen Kühlergrill, äußerlich das Hauptunterscheidungsmerkmal gegenüber dem Volkswagen:

Hanomag 1,3 Liter; Originalfoto: Sammlung Klaas Dierks

Ein weiteres markantes Merkmal des Hanomag 1,3 Liter war die mittig unterteilte Frontscheibe und die sich über das Dach nach hinten ziehende „Rückenfinne“.

Die Gestaltung der Seitenpartie dagegen ähnelt sehr derjenigen des Volkswagens, wobei die Heckpartie nicht dessen Eleganz erreicht.

Dafür bekommt man hier einen Eindruck von den Größenverhältnissen des Hanomag, die ihn vielleicht zum besseren Volkswagen gemacht hätten:

Hanomag 1,3 Liter; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Für den Alltagsnutzen eher nachrangig war, dass die Türen des Hanomag in traditioneller Manier noch hinten angeschlagen waren, sich also nach vorne öffneten.

Das lässt sich auf diesem Foto gut nachvollziehen, das während des 2. Weltkriegs entstand, wie an den ab Sommer 1939 vorgeschriebenen Tarnscheinwerfern zu erkennen ist:

Hanomag 1,3 Liter; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Kriegsbedingt währte die Karriere des Hanomag 1,3 Liter nur kurz. Die Produktion endete 1941 und wurde danach nicht mehr aufgenommen.

Doch etliche überlebende Exemplare liefen unverdrossen noch einige Jahre weiter im Nachkriegsdeutschland mit seiner bis in die 1950er Jahre anhaltenden Knappheit an Personenwagen.

Die nächste Aufnahme ist ein typischer Beleg dafür. Sie zeigt einen mit Blinkern nachgerüsteten Hanomag 1,3 Liter, der im frühen Nachkriegs-Berlin zugelassen war und hier eine Kühlermanschette trägt, die in der kalten Jahreszeit für schnelleres Erreichen der Betriebstemperatur des Motors sorgte:

Hanomag 1,3 Liter; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Das hätte er also werden können – der vielleicht bessere Volkswagen. Doch es sollte anders kommen – so wie auch Mutters VW nicht meiner werden sollte.

So nehmen wir für heute Abschied vom Hanomag 1,3 Liter, so wie ich einst Abschied nahm von Mutters „Muli“, den sie an einem fahlen Herbsttag abseits der Landstraße südlich von Friedberg/Hessen ablichtete – ich war dabei und weiß es noch genau…

VW Käfer, Exportmodell von 1963; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

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Muss man doch mögen! Hanomag 2/10 PS Cabriolet

Nanu, wird der Blog-Wart nach 10 Jahren Kommentierung von Vorkriegsautos auf alten Fotos doch noch milde und kann dem 1925 eingeführten Minimal-Automobil von Hanomag – im Volksmund unter anderem als „Kommissbrot“ bekannt – etwas abgewinnen?

Ja und nein, lautet die differenzierte Antwort. Oder auch: Es kommt darauf an.

Was das Gefährt selbst angeht, bleibe ich hart: Wer im angeblichen Mutterland des Automobils anno 1925 noch mit einem 10 PS-Einzylinder-Vehikel ohne elektrischen Anlasser und mit Platz für ein kinderloses Paar aufwartete, hatte zwar eine Marktlücke für frühe „Hippies“ erkannt und besetzte diese auch recht erfolgreich bis 1928.

Nur: Ein ernsthafter Beitrag zur Demokratisierung des Automobils war das nicht. Wie man das machte, hatten nach dem 1. Weltkrieg bereits Ford mit dem Model T, Citroen mit dem 5CV, Fiat mit dem 501 und Austin mit dem Seven gezeigt.

Während diese vollwertigen Automobile zu hunderttausenden die Straßen Europas (bzw. zu Millionen in den USA) bevölkerten, beschritt der Maschinenbauer Hanomag aus Hannover mit dem 2/10 PS-Typ einen typischen deutschen Sonderweg in die Sackgasse -hier durchaus reizvoll illustriert:

Hanomag 2/10 PS; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Damit wir uns recht verstehen:

Ich will den Freunden der überlebenden Exemplare ihr Hobby nicht madig machen und natürlich schaue ich mir so ein Gerät gerne an, wenn man mal eins zu Gesicht bekommt. Schön auch, dass sich Enthusiasten um den Erhalt dieser Schöpfungen kümmern.

Aber: Man sollte die Kirche im Dorf lassen und dieser skurrilen Kreation nichts andichten, was einfach nicht zutrifft. Weder war es seiner Zeit voraus, noch hatte es das Pech auf ein unverständiges Publikum zu treffen, das seine Genialität bloß nicht erkannte.

Automobile wurden und werden – bei aller Liebe – zuallererst für den Markt gemacht. Was beim Käufer nicht verfängt und der allgemeinen Entwicklung keine neue Richtung gibt, ist schlicht eine Fehlkonstruktion.

Das gilt erst recht, wenn die Marktverhältnisse dergestalt sind, dass es nur eine dünne Schicht solventer Käufer für vollwertige Autos gibt und ansonsten 95 % arme Schlucker, für die schon ein simples Motorrad ein Luxus ist, wofür man lange ansparen muss.

So war es im Deutschland der 1920er Jahre aufgrund der Kriegsfolgen und der desolaten Einkommensverhältnnisse der breiten Masse schlicht zu früh, überhaupt irgendein richtiges Auto für jedermann in Betracht zu ziehen.

Jetzt kommt das große ABER, das bereits im Titel anklang.

In seltenen Fällen wie dem folgenden muss man sich fügen und den „rasenden Kohlenkasten“ aus Hannover doch mögen – das liegt dann aber nicht am Auto selbst:

Hanomag 2/10 PS Cabriolet; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Die beiden Damen, die hier auf dem Hanomag herumturnen, veranschaulichen nicht nur dessen spielzeughafte Dimensionen, sondern sind es auch, was mich zum Erwerb des Fotos veranlasste.

Normalerweise ist mir das „Kommmissbrot“ keine 5 EUR wert, nachdem es hinreichend in meiner Hanomag-Galerie dokumentiert ist. Doch im vorliegenden Fall gab das Kennzeichen den Ausschlag.

Denn die Abkürzung Sib. steht für den rumänischen Namen von Hermannstadt in der hauptsächlich deutschsprachigen Region Siebenbürgen, welche ab 1918 ohne sachlichen Grund und vor allem ohne Befragung der Bevölkerung Rumänien zugeschlagen wurde.

Die dort seit etwa 800 Jahren ansässigen Bürger deutscher Sprache mussten nun auch auch das rumänische Idiom erlernen. Das kam zum Hochdeutschen und dem Sächsischen hinzu, das dort seit dem Mittelalter gesprochen wird.

Mit Sachsen hat dieser Dialekt nichts zu tun. Vielmehr ist das in Siebenbürgen gesprochene Sächsisch verwandt mit deutschen Dialekten aus dem Moselraum.

Wie so vieles habe auch das nicht auf dem westdeutschen Augustiner-Gymnasium zu Friedberg/Hessen gelernt (dafür aber jede Menge tiefrote Propaganda in Sachen Marxismus-Leninismus, Kuba, Nicaragua usw.).

Mein Bezug zum Idiom der Siebenbürger Sachsen ist meine bessere Hälfte. Ihre Eltern stammen aus der Ecke, ohne selbst der deutschen Mehrheit angehört zu haben – sie sind Vertreter der gemischten Ethnien, wie sie zu KuK-Zeiten in der Region allgegenwärtig waren.

So spricht und/oder versteht man in der Familie mehr oder weniger gut Ungarisch, Rumänisch, Deutsch und Sächsisch. Mir ist vor allem das Sächsische lieb, mit dem sich die bessere Hälfte mit der Mutter unterhält, obwohl beide dem Volksstamm gar nicht angehören.

Einen bis ins späte Mittelalter zurückreichenden Dialekt zu hören (und nach einer Weile zu verstehen), das hat etwas von einer Zeitreise. Das muss man doch mögen, wenn man nicht völlig der Moderne hörig ist.

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Nur „Er“ allein… Ein Hanomag Roadster um 1930

Heute müssen Sie wieder etwas Geduld haben, bevor ich zur Sache komme. Denn es haben sich einige Dinge wunderbar zusammengefügt, dass ich sie zunächst für mich festhalten möchte.

Eines vorab: Das trübe Wetter und die noch trüberen Aussichten auf weitere Schuldenorgien für immer mehr Waffen, die hierzulande niemand bedienen kann bzw. oder will – das gehört gewiss nicht dazu.

Also gilt es weiterhin, unverdrossen an seinem eigenen Eiland der Glückseligkeit zu arbeiten. Ich befinde mich in der Lage, diesbezüglich über nahezu unerschöpfliche Quellen zu verfügen – gemeint sind nicht etwa infinite Geldmittel, sondern so vielfältige Interessen, dass ich nach getaner Arbeit überlegen muss, wovon ich mich nun ablenken lasse.

Neben den vielen Projekten in der Oldtimerhalle gibt es da noch einiges, was ich hier bislang nicht habe anklingen lassen.

So bin ich seit Teenie-Zeiten ein Hifi-Jünger und habe mir schon damals mit Ferienarbeiten teure Gerätschaften auf diesem Sektor geleistet. Zusammen mit einem Klassenkameraden war ich anno 1984 vermutlich einer der jüngsten Besitzer eines CD-Spielers, was damals das Non-Plus-Ultra genauer Musikwiedergabe galt.

Aus der damaligen Zeit ist mir eine Leidenschaft für inzwischen längst historische Hifi-Geräte geblieben. Speziell die Verstärker der 1970/80er haben es mir aufgrund ihrer Optik angetan. Eine kleine Sammlung solcher Geräte habe ich über die Jahre aufgebaut.

Heute abend nahm ich erstmals das älteste Teil dieser Kategorie in Betrieb – einen Verstärker der Mittsiebziger aus dem Hause Pioneer. Technisch nichts Spektakuläres, aber optisch ein Leckerbissen und mit über 500 DM damals sehr teuer.

Auch so etwas will übrigens restauriert werden, damit es wieder funktioniert wie einst. Korrodierte Kontakte sind zu reinigen und ausgetrocknete Elektrolyt-Kodensatoren müssen ersetzt werden. Kann man mit etwas Geduld selbst erledigen, muss man aber nicht.

Ich bevorzuge wie bei meinen Fahrzeuge technisch überholte Geräte – man kann nicht alles im Leben selbst machen. Jetzt läuft der Pioneer SA-500A erstmals im Hintergrund und zwar mit Bachs Kantate BWV 169 „Gott soll allein mein Herze haben…“.

Zwar zähle ich zur agnostischen Fraktion, glaube also nicht an Götter, schließe sie aber auch nicht aus. Um die Vollkommenheit der Bach’schen Musik erkennen und genießen zu können, bedarf es nur eines offenen Ohrs und Herzens – sowie langer Hörerfahrung.

Ich habe fast 30 Jahre gebraucht, um Bach lieben zu lernen. Nahegebracht hat mir diese Kunst leider niemand – soviel zum Stand von Erziehung und Bildung hierzulande.

Wenn ich die Wahl hätte unter allen Komponisten, würde ich im Sinne von BWV 169 ohne zu zögern sagen: „Bach – er allein soll mein Herz haben„.

Und, schon sind wir beim Thema! Denn im Hintergrund wie im Vordergrund geht es genau darum – um unbedingte Favoriten, wenn auch auf eher profanen Sektoren.

Das großartige Anschauungsmaterial dazu verdanke ich Leser Klaas Dierks, der mir vor einiger Zeit diese digitale Kopie eines seiner Beutestücke zusandte:

Hanomag Roadster um 1930; Originalfoto: Sammlung Klaas Dierks

Er allein soll mein Herz haben“ – das gilt schon einmal für diese aufregendste Version der kleinen Vierzylindertypen 3/16, 3/18 und 4/20 PS, mit denen der Maschinenbauer Hanomag aus Hannover ab 1929 der Konkurrenz begegnete.

Während die Serienmodelle – das zweisitzige Cabriolet, die drei- bis viersitzige Limousine und die Cabrio-Limousine – in der Literatur und in meiner Markengalerie erschöpfend dokumentiert sind, liegt mir zu dieser sportlichen Ausführung nichts vor.

Der Türausschnitt und das Notverdeck rechtfertigen die Ansprache als klassischen Roadster nach britischem Vorbild und was die Optik angeht, kann man nur sagen: „Er muss es sein!“.

Ich vermute, dass unter der Haube mindestens der 1,1 Liter-Motor zu finden war, der serienmäßig 20 bzw. 23 PS leistete, aber für sportliche Zwecke vermutlich auf mindestens 25 PS leistungsgesteigert werden konnte.

Vielleicht kann ein sachkundiger Leser mit Fundus an Materialien zu einschlägigen Sportveranstaltungen in der 1 Liter-Klasse um 1930 mehr zu diesem Exemplar sagen.

Die Identifikation als Hanomag ist übrigens durch das markentypische Pferdchen auf dem Kühlwassereinfüllstutzen gesichert. Auch entspricht der gesamte Vorderwagen den Serienausführungen.

Insofern darf man einen Werks“rennwagen“ ausschließen – dieser attraktiv gestaltete Roadster sieht eher nach einer Sportversion für den ambitionierten Hobbyfahrer aus.

Nur er allein“ kam für den sportlich veranlagten Hanomagfahrer in Betracht – dasselbe gilt für die Dame auf dem Werbeplakat im Hintergrund, die hier ihr Herz ganz dem „Metzeler„-Ballonreifen vermacht zu haben behauptet.

In Wahrheit war es natürlich anders. Die von Eros entzündete Dame von Welt schwärmte schon damals weniger für solche Schöpfungen aus der automobilen Sphäre, als für deren leicht zu erbeutende Besitzer.

Das Belegfoto dafür konnte ich vor einigen Jahren bereits vorstellen und bis heute konnte mir niemand Genaues zu diesem ebenfalls der Roadster-Fraktion angehörigen Hanomag desselben Typs sagen.

Während ich von der dünnen Dokumentation der an sich überschaubaren Auto-Palette dieses Herstellers ein wenig enttäuscht bin, findet dieses Filmfoto meine unbedingte Begeisterung – denn hier ist das Motto eindeutig: „Nur ER allein…“:

Hanomag „Roadster“ um 1930; Aufnahme aus dem Film „Spiel im Sommerwind“ von 1938; Archivfoto des Niederdeutschen Beobachters, Bildrechte: Terra-Filmkunst GmbH; Original: Sammlung Michael Schlenger

Damit kann man durchaus zufrieden sein, auch wenn sich die Identität dieses Hanomag „Roadster“ von ca. 1930 nicht mehr genau ermitteln lässt.

Zufällig liefert Meister Bach uns – wie ich meine – passend zu diesem herrlichen Foto in der eingangs erwähnten Kantate Opus BVW 169 den kurzen, aber schönen Schlusschoral „O süße Liebe, schenk uns Deine Gunst“:

Michael Schlenger, 2025. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and https://vorkriegs-klassiker-rundschau.blog with appropriate and specific direction to the original content.

Wagenden winkt der Weg gen Walhall: Hanomag „Garant“

Wer im Titel eine Anspielung an den Komponisten Richard Wagner wähnt, wagt wahrlich wenig.

Denn des Großmeisters der deutschen Romantik Neigung zu Alliterationen in den Texten zu seinen Werken – also aufeinanderfolgenden Wörten mit gleichem Anklang – ist unter Wissenden weithin während – und entsprechend leicht zu persiflieren.

Auf der Woge von Wagner über Wagen nach Walhall ist somit leicht zu surfen, wenn mir diese flapsige Wortwahl erlaubt ist.

Damit wir uns recht verstehen: Wagners Musik gehört für mich zu den wenigen singulären Großtaten deutscher Kultur – neben der Kunst von Bach und Dürer sowie der Bibelübersetzung Luthers und Goethes Faust.

Nicht zufällig finden sich diese Urheber in dem Bau wieder, um den es heute zumindest im Hintergrund geht – der „Walhalla“ an der bayrischen Donau. In dem klassizistischen Bau von Anfang des 19. Jahrhunderts sollten Größen aus dem (weitgefassten) deutschen Sprachraum einen Tempel zur Andacht finden.

Doch bevor wir uns der Walhalla nähern, möchte ich an ein Fahrzeug erinnern, das aufgrund seines bodenständigen Charakters von vornherein keine Chance hatte, in das Museum grandioser Germanen (und solcher, die man dafür hielt) aufgenommen zu werden.

Die Rede ist vom Hanomag „Garant“ – einem biederen Vierzylinderauto der unteren Mittelklasse, welches der Hersteller aus Hannover von 1934 bis 1938 fertigte. Mit 23 PS aus 1,1 Litern Hubraum war er ein direkter Konkurrent des Fiat 508 4m, dem er auch von Abmessungen und Erscheinungsbild zumindest ähnelte.

Hier haben wir die Ausführung des Hanomag „Garant“ als Cabrio-Limousine von 1935/36:

Hanomag „Garant“ Cabrio-Limousine; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Gegenüber den beeindruckenden Produktionszahlen des Fiat 508 4m mit über 70.000 Exemplaren (1934-37) blieb der Hanomag eher selten (ca. 12.000 Stück von 1934-38).

Doch bisweilen findet sich ein Foto eines dieser Fahrzeuge, die meines Wissens keinen internationalen Absatz fanden – eine Schwäche in einem noch unterentwickelten Heimatmarkt. DKW zeigte damals, wie man es besser macht.

Bei Hanomag hatte der Bau von PKWs allerdings generell nicht die Bedeutung wie bei anderen Herstellern. Die Nischenexistenz spiegelt sich im Fall des „Garant“ auch in der Abkehr von den Ganzstahl-Karosserien von Ambi-Budd wider, die 1935 einem von Karmann gefertigten Manufakturaufbau als Cabrio-Limousine wichen.

Diese kam anfänglich noch mit einem angesetzten Kofferraum daher, welcher auf diesem Foto zu erahnen ist:

Hanomag „Garant“ Cabrio-Limousine; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Diese Gestaltung der Heckpartie wich 1936 einer harmonischen Ausführung mit integriertem Kofferraum und gekonnt abfallender Linienführung – damals auch als Stromlinienheck bezeichnet.

Entsprechende Aufnahmen scheinen nach meiner Wahrnehmung allerdings Seltenheitswert zu haben.

Erst beim Studium eines Fotos, das ich vorrangig aufgrund der Szenerie erworben hatte, ging mir auf, dass hier genau so ein Wagen auf dem Weg gen Walhall zu sehen ist:

Hanomag „Garant“ Cabrio-Limousine (Karmann); Originalfoto: Michael Schlenger

So wirkungsvoll diese Aufnahme mit der „Walhalla“ im Hintergrund auch gestaltet ist, leidet sie doch unter den Mängeln derselben.

Ein weißer Marmorbau passt nun einmal nicht so gut vor eine deutsche Waldkulisse wie das Vorbild – der Parthenon-Tempel in Athen – auf die dortige Akropolis. Auch leidet die Wirkung der Walhalla unter der überdimensionierten Treppenanlage davor – sie lässt den Tempel in Relation unverdient klein erscheinen.

Was die Architekten Anfang des 19. Jahrhunderts zudem mangels eigener Anschauung nicht wussten, war der Umstand, dass die klassischen Tempel der Antike ihre Spannung aus der gezielten Abweichung von der Geraden in der Horizontalen wie der Vertikalen bezogen.

Die beeindruckendste Partie der Walhalla ist ohnehin der Innenraum mit einer vom kühlen Weiß abweichenden Farbfassung – man muss das gesehen haben.

Warum man bei der Bezeichnung dieses Tempels ausgerechnet auf die „Walhall“ der nordischen Tradition Bezug nahm, in der es weniger erhaben zuging und die germanischen Helden sich mit Bier und Wurst die Zeit vertreiben mussten, erschließt sich mir nicht.

Aber dieser ganze Germanenkult ging ohnehin nie an mich und als Freund der klassischen Antike finde ich die Verehrung haufenweise germanischer Barbarenführer in der Walhalla verstörend, die außer Zerstörung der Welt der Antike nichts Bleibendes zustandebrachten.

Genug davon, das deutsche Gemüt scheint zwischen primitivem Gefolgschaftsdenken und destruktivem Ausbreitungsfuror einerseits und der großbürgerlichen Sehnsucht nach der wohltemperierten Grandiosität mittelmeerischer Tradition nie eine Balance gefunden zu haben.

Dieses Problem gilt es aber heute auch nicht zu lösen – also zurück zum Ausgangspunkt:

Während ich die Zulassung dieses Wagens nicht ermitteln konnte – nur Oberbayern als Region ist gesichert – konnte ich der Identität von Hersteller und Typ auf die Spur kommen.

Das erste Indiz lieferte die Gestaltung der Stoßstange mit „Mittelrippe“ in Verbindung mit dem Scheibenrädern und Chromradkappen. Viele Kandidaten kommen da nicht in Betracht und rasch landete ich beim „Garant“ aus dem Hause Hanomag.

Die schön gestaltete Heckpartie hatte ich bis dato noch nie an dem Modell gesehen, aber in Verbindung mit der für meine Begriffe in Bild und Detailtiefe etwas sparsamen Literatur zu Hanomag-PKWs gelangte ich alsbald ans Ziel.

Indessen muss dem Wagen der finale Einzug nach Walhall versagt bleiben, denn dieser ist nur dem wirklich alles Wagenden verheißen – außerdem den Walküren, die der germanischen Sage nach im Kampf gefallene Recken zu ihrem Altersruhesitz brachten…

Michael Schlenger, 2025. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and https://vorkriegs-klassiker-rundschau.blog with appropriate and specific direction to the original content.

Der klebt auf der Straße! Hanomag 3/17 bzw. 4/23 PS

Ein griffiger Titel ist bei jedweder Publikation die halbe Miete – spontan fallen mir folgende Beispiele ein: „Freitags für Freizeit“, „Frust vom Frieren“ oder auch „Frechheit vor Freiheit“.

Wenn Sie nun glauben, ich machte es mir mit „Der klebt auf der Straße“ ebenso einfach und würde entgegen der Faktenlage eine zugkräftige Formulierung wählen, so irren Sie.

Selten war ich „der Wahrheit“ näher als heute, jedenfalls kann ich meine Behauptung schwarz auf weiß belegen. Keine Chance also für selbsternannte Faktenchecker – diese machtverliebten Hausmeistertypen der Internetära, jede Zeit hat ihre Plagen…

Wir sind ihm schon einmal begegnet – dem Hanomag des Typs 3/17 bzw. 4/23 PS von Anfang der 1930er Jahre. Er beerbte den 1930 eingeführten Vorgänger 3/16 bzw. 4/20 PS, dessen Aufbau noch etwas grobschlächtig wirkte:

Hanomag 3/16 PS oder 4/20 PS, Bauzeit: 1930-31; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Auf zwei Dinge möchte ich hier Ihr Augenmerk lenken:

Das eine ist der im Unterschied zur gewölbten Motorhaube waagerechte Verlauf des unteren Abschlusses der Windschutzscheibe, ein gestalterischer Rückfall in die Zeit vor 1920, möchte man meinen.

Die andere Sache ist der recht hochbeinige wirkende Auftritt – das Trittbrett befindet sich genau auf Höhe der Radmitte.

So, und jetzt schauen wir uns den noch 1931 eingeführten Nachfolger mit modernisierter Karosserie an:

Hanomag 3/17 PS oder 4/23 PS, Bauzeit: 1931-32

Sehen Sie die Unterschiede? Nicht nur verfügt dieser Hanomag über eine doppelte Chromstoßstange und ebenfalls verchromter Nabenkappe – er wirkt auch insgesamt verfeinert und: etwas tiefergelegt!

Zur Verfeinerung des Erscheinungsbilds tragen folgende Details bei: dem Profil der Motorhaube folgender Scheibenabschluss, filigraner gestaltete seitliche Zierleisten und das Rad stärker umfassender hinterer Kotflügel.

In der zugehörigen Reklame von 1931 heben die Werbeleute von Hanomag allerdings andere Dinge hervor – neben Selbstverständlichkeiten vor allem technische Aspekte:

Hanomag 3/17 PS bzw. 4/23 PS, Reklame von 1931; Original: Sammlung Michael Schlenger

Die hydraulischen Vierradbremsen verdienen in der Tat die Betonung, während die Behauptung, es sei nur in seltenen Fällen Schalten erforderlich, eine kühne These ist.

Das gilt speziell im Fall des untermotorisierten Typs 3/17 PS, dessen Vierzylinder mit gerade einmal 800ccm Hubraum an den knapp 750 kg Leergewicht schwer zu schleppen hatte.

Noch mehr dichterische Freiheit nahm man sich bei einer weiteren zeitgleichen Werbung, die dem Hanomag Kraftreserven zuschreibt, die man nie benötige – wozu sind sie dann da?

Es war schon Frechheit, sich gar mit Wagen der 35 bis 45 PS-Klasse vergleichen zu wollen:

Hanomag 3/17 PS bzw. 4/23 PS, Reklame von 1931; Original: Sammlung Michael Schlenger

Sicher haben Sie bei der amüsierten Lektüre bemerkt, woher ich die Inspiration für meinen heutigen Titel bezogen habe: „…klebt förmlich an der Straße…“ heißt es da.

Begründet wird das mit dem Tiefbettrahmen, der einen niedrigen Schwerpunkt des Wagens zur Folge hatte – man kann das auf dem oben gezeigten Foto tatsächlich nachvollziehen.

Somit kann ich schwarz auf weiß belegen, was ich so kühn im Titel behaupte – es geht doch nichts über eine Expertenmeinung, auf die man sich beziehen kann.

Allerdings nehme ich für mich in Anspruch, selbst zu überlegen, ob das alles so sein kann, wie es behauptet wird und wurde. Dazu bediene ich mich einerseits der altbewährten Praxis des Selberdenkens, andererseits präsentiere ich gerne Evidenz für meine Sicht der Dinge.

Was nun die Bodenhaftung tiefergelegter Exemplare betrifft, kann ich in Sachen Hanomag 3/17 bzw. 4/23 PS sogar das ultimative Beweisfoto anführen.

Der Wagen wirkt hier aufgrund eines Steinschlagschutzes vor dem Kühler etwas anders, aber auf ihn kommt es auch gar nicht an – sehen Sie selbst:

Hanomag 3/17 PS bzw. 4/23 PS von 1931/32; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

So nah am Boden der Tatsachen wie dieser tiefergelegte selbstbewusste Hund war einst offenbar auch der Hanomag – viel günstiger konnte man damals in Deutschland jedenfalls keinen Wagen dieser Klasse bekommen, der „förmlich auf der Straße klebte“.

Vielleicht hätte die Marke aus Hannover mit so einer Aufnahme für ihren Wagen werben sollen – dann hätte sie wohl noch mehr als die knapp 7000 Exemplare an den Mann und die Frau mit Faible für Vierbeiner bringen können, welche 1931/32 entstanden…

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Nichts für „Reflecktanten“: Hanomag 2/10 PS

Ich weiß nicht, wie oft ich in meinem Blog schon Bilder des ersten Automobil-Experiments der Firma Hanomag der zweiten Hälfte der 1920er Jahre gebracht habe – meine Markengalerie zeigt jedenfalls eine Auswahl dieser Gefährte mit Typbezeichnung 2/10 PS.

Ich weiß auch nicht, woher die Lust in der Literatur kommt, diese primitiven Schöpfungen als irgendwie fortschrittlich zu adeln und das Publikum, welches das einfach nicht einsehen wollte, für unverständig und überfordert zu erklären.

Anno 1925 ein vierrädriges Fahrzeug mit 1-Zylindermotor ohne Anlasser und ohne Differential anzubieten, zu einem für den Normalbürger unerschwinglichen Preis – das konnte nur ein schlechter Scherz sein.

Einen schlechten Scherz erlaube ich mir daher bereits in der Überschrift und wenn Sie bis ans Ende durchhalten, werden Sie verstehen, was es mit den „Reflecktanten“ auf sich hat.

Ich will immerhin versuchen, dem Hanomag 2/10 PS wenigstens am Anfang irgendetwas Positives abzugewinnen – dabei ist mir diese kecke junge Dame behilflich:

Hanomag 2/10 PS Cabriolet; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Das ist so ziemlich die beste Seite, die man diesem Wagen abgewinnen kann, dessen für die Zeit noch ungewöhnliche Pontonform manchem Automobilhistoriker Anlass für Lobeshymnen gab – als sei eine progressive Gestaltung der Zweck eines Kleinwagen.

Ob ein Einsteiger-Automobil tatsächlich populären Ansprüchen genügt oder nicht, darüber entscheiden icht irgendwelche Schreibtisch-Juroren, sondern die Käufer. Und die hatten sich bereits Anfang der 1920er Jahre für vollwertige Automobile ohne modernistisch daherkommenden Firlefanz entschieden.

Man muss dazu gar nicht das Model „T“ von Ford in den USA bemühen, dessen Rolle für die Demokratisierung individueller Mobilität ohnehin einzigartig ist. Schon in Europa gab es mit Fiat 501, Citroen 5CV und Austin 7 kurz nach dem 1. Weltkrieg hinreichend Beispiele dafür, wie ein massenmarkttauglicher Kleinwagen aussieht und was er können muss.

Die beindruckenden Stückzahlen dieser Modelle stehen in denkbar großem Kontrast zu den knapp 16.000 Wagen des Typs 2/10 PS welche Hanomag von 1925 bis 1928 absetzte.

Dass diese Zahl für deutsche Verhältnisse recht hoch erscheint, liegt schlicht daran, dass die hiesigen Hersteller ansonsten kaum Anstalten machten, im Kleinwagenbereich zu Großserienprouktion zu übergehen – einzige Ausnahme war Opel mit dem 4 PS-Typ.

Versetzen Sie sich einmal in die Situation eines Käufers in den späten 1920er Jahren. Bei Opel bekam man für 2700 Mark diesen flotten Zweisitzer mit 16 PS aus vier Zylindern und Spitze 70 km/h:

Opel 4/16 PS, Zweisitzer-Cabriolet; Originalfoto: Sammlung Klaas Dierks

Für knapp 2200 Mark konnte man jedoch auch auf all die Vorzüge des am bewährten Citroen-Vorbild orientierten Opel verzichten und sich einen ungemein eigenwilligen Hanomag-Zweisitzer des Typs 2/10 PS mit Motorrad-Leistung zulegen.

Hoch zu veranschlagen war beim Hanomag der Aufmerksamkeitswert, was im Volksmund für spöttische Bezeichnungen wie „Kommissbrot“ oder „Rasender Kohlenkasten“ sorgte.

Die erfahrenen Leser unter Ihnen wissen natürlich, dass ich hier gerne meine privaten Geschmacksurteile einfließen lassen – mein gutes Recht in einem Blog-Format, welches per se subjektiv und obendrein für die Konsumenten völlig kostenlos ist.

Der einzige Preis, welcher im übertragenen Sinn zu entrichten ist, besteht darin, meine persönliche Sicht ggf. ertragen oder ausblenden zu müssen. Ansonsten können Sie sich ja selbst ein Urteil über die Qualitäten der gezeigten Fahrzeuge bilden.

Dazu gibt es sogleich Gelegenheit am Beispiel des geschmähten Hanomag 2/10 PS:

Hanomag 2/10 PS Cabriolet; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Na, gefällt Ihnen dieses Exemplar mit seinem protoypenhaft anmutenden Nieten-Finish und würden Sie es dem etwas teureren Opel mit seiner „traditionellen“ Gestaltung vorziehen?

Gewiss, die beiden Herren an Bord mit pelzbesetzten Mänteln oder Jacken machen den Eindruck, als wären sie ganz begeistert.

Aber das verwahrloste Hinterhofambiente, der Backstein hinter dem Hinterrad und der mutmaßlich entsorgte Christbaum in der Ecke gibt Anlass zur Vermutung, dass dieser Wagen eher fragwürdige Hippie-Typen anzog.

Diese Klientel nahm vermutlich auch keinen Anstoß an einem Schreiben wie diesem von 1928, in welchem der damals schwer verkäufliche Hanomag 2/10 PS angepriesen wurde:

Hanomag 2/10 PS-Kundenanschreiben; Original: Sammlung Michael Schlenger

Das Beste an diesem zeitgenössischen Schreiben an einen Hanomag-Interessenten ist aus meiner Sicht der Verweis auf andere potenzielle Käufer – eine uralte Vertriebsmasche – welche sich noch in der Nachdenkphase befinden.

Die Bezeichnung angeblicher weiterer Kunden als „Reflektanten“ – also Leute, die noch über das Angebot reflektieren müssen – war der Sekretärin von Max Groitzsch offenbar ebenso neu wie mir und Ihnen. Also schrieb sie „Reflecktanten“, wie sie es für richtig hielt.

Man lernt nicht aus – auch bei einem vermeintlich abgeschlossenen Thema wie Vorkriegsautos in alten Dokumenten. Indessen bin ich sicher, dass „Reflecktanten“ anno 1928 zu dem Urteil gelangten, dass es bessere Alternativen zum Hanomag 2/10 PS gab.

Dazu gehörte damals neben dem Opel 4/16 PS ein weiterer Kandidat – der Dixi 3/15 PS, ein Lizenznachbau des bewährten Austin 7. Damit setzte sich letztlich auch am deutschen Markt das durch, was bei den europäischen Nachbarn längst Standard war und tatsächlich in die Zukunft wies…

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Leben in vollen Zügen: Ein Hanomag „Kurier“

Na, woran dachten Sie zuerst beim Titel meines heutigen Blog-Eintrags? Rhetorische Frage… Als ich noch Schüler, später Lehrling und sodann Student war, lag die Assoziation auf der Hand – das Leben in vollen Zügen genießen und genau das habe ich getan.

Zwar nutzte ich damals praktisch täglich die Bahn als Fortbewegungsmittel, doch an überfüllte Züge und entsprechende Unzuträglichkeiten kann ich mich kaum erinnern.

Irgendwann nach der Jahrtausendwende wurde aus dem Leben in vollen Zügen ein beinahe regelmäßiger Horror – auf der Strecke zum Arbeitsplatz in Frankfurt/Main waren Ausfälle, Umleitungen, defekte Heizungen, Klimaanlagen und Toiletten fast der Normalzustand.

Hinzu kamen notorisch falsche oder unterbleibende Durchsagen an den Bahnsteigen – alles Sachen, die nicht nur auf inkompetentes Führungspersonal beim Staatsbetrieb Deutsche Bahn oder gar eine angebliche Privatisierung zurückzuführen waren.

Nein, der Laden hatte und hat ein zunehmendes strukturelles Problem mit dem Arbeitsethos in der Breite der Belegschaft. Vor über zehn Jahren wurde mir das Leben in vollen (oder ausfallenden) Zügen zu bunt – ich machte mich selbständig und arbeite seither von zuhause oder von beliebigen Orten, an denen ich mich gerade aufhalte.

Mein Arbeitsleben ist dadurch zwar in gewisser Weise härter geworden – sechs Wochen bezahltes Nichtstun und Lohnfortzahlung bei oft selbstverschuldeten bis frei erfundenen Malaisen gibt es nicht, auch wird man mit der vollen Höhe der Vorsorgebelastungen konfrontiert, die Angestellten durch den angeblichen Arbeitgeberanteil vernebelt werden.

Doch die Vorteile überwiegen, und wenn andere sich dem Roulettespiel des Bahnfahrens aussetzen – ich habe wirklich Mitleid mit den Leuten bei allem, was man so hört – kann ich mich der Gartenarbeit hingeben, am alten Blech schrauben, mit dem Rad oder Moped fahren usw.

Nichtstun kenne ich übrigens nicht, und das wäre ja auch Verschwendung von Lebenszeit.

So, jetzt habe ich wieder viel zu lange meine subjektive Sicht auf das Leben in vollen Zügen dargelegt – höchste Zeit jemand anderem das Feld zu überlassen. Wer das war, weiß ich zwar nicht, seine Existenz bleibt geheimnisvoll schattenhaft…

Doch hat er eine Spur seines Wirkens hinterlassen, die ich Ihnen nicht vorenthalten will, und die ist ein wunderbar sympathisches Zeugnis des Lebens in vollen Zügen:

Hanomag „Kurier“, Zulassung Tilsit (Ostpreußen); Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Diese schöne Aufnahme entstand einst bei tiefstehender Sonne und erzählt vom Ende eines langen Sommertags in Ostpreußen – im Landkreis Tilsit, um genau zu sein.

Dort war nämlich der kleine Hanomag „Kurier“ mit zweitürigem Limousinenaufbau zugelassen, auf dem das junge Fotomodell sitzt, welches gerade das Leben in vollen Zügen mit der damals obligaten Zigarette in der Hand genießt.

Zu dem Auto ist nicht viel zu sagen – ein ab 1934 gebauter konservativ gehaltener Wagen der unteren Mittelklasse mit 1,1 Liter-Vierzylinder und 23 PS Leistung. Die Stärke der Hanomags lag in der sehr robusten Konstruktion, was die gemessen an der Stückzahl (gut 10.000 Stück) relativ vielen überlebenden Exemplare in der Nachkriegszeit erklärt.

Ohnehin fasziniert auf dieser Aufnahme wie so oft das menschliche Element:

Man könnte es bei dieser Betrachtung bewenden lassen und den Tag zufrieden mit sich und der Welt beschließen, wäre da nicht ein Makel.

Denn wir wissen, dass diese unbekannte Ostpreußin und ihr Fotograf im Winter 1944/45 die Heimat vor der näherrückenden Sowjetarmee verlassen mussten. Das konnten sie allerdings nicht in vollen Zügen tun, wie das anfangs noch meine Mutter im Februar 1945 tun „durfte“, als sie als 13-jährige aus dem schlesischen Liegnitz floh.

Nein, aus Ostpreußen mussten die Menschen überwiegend zu Fuß und mit Pferdefuhrwerken auf „unfreiwillige Wanderschaft“ gehen – ein zynisches „Bonmot“ eines sehr von sich eingenommenen ehemaligen deutschen Bundespräsidenten .

Ich erspare uns an dieser Stelle die auf Youtube verfügbaren Bordkameraaufnahmen sowjetischer Jäger, die damals Flüchtlingstrecks zusammenschossen – ein widerlicher „Sport“, an dem bekanntlich auch die damaligen „Kameraden“ der US-Luftwaffe Gefallen fanden, wenn sie keinen echten Gegner fanden.

Im vorliegenden Fall wissen wir immerhin, dass der jungen Dame auf dem Kotflügel des Hanomag wahrscheinlich die Flucht gelungen ist, sonst hätten wir kaum diese Aufnahme.

So bleibt am Ende nicht viel vom Leben in vollen Zügen übrig, außer einem Kloß im Hals, oder? Doch eine Sache: Dass wir alles tun sollten, um uns nicht in einen Krieg hineinziehen zu lassen. Dazu gehört glaubwürdig wehrhaft zu sein, was das eigene Territorium und die eigene Lebesweise angeht, aber sich ansonsten neutral zu verhalten.

Nicht umsonst pflegen die meisten, die an einem Krieg teilgenommen und das überlebt haben, zu sagen: „Krieg ist Scheiße“. Also sehen wir dazu, dass wir das Leben in vollen Zügen genießen, aber nicht in solchen an die Front bzw. im Zinksarg oder auf der Bahre zurück…

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Im Minirock dem Krieg entgegen: Hanomag „Rekord“

Wenn Sie jetzt irrtümlich gelesen haben: „Im Minirock dem Krieg entgehen“, dann haben Sie an sich guten Instinkt bewiesen.

Als noch im Kalten Krieg gedienter Panzergrenadier hing ich zwar der Devise an: „Kämpfen können, um nicht kämpfen zu müssen„. Wer sich der Sache verweigerte, mochte respektable Gründe haben, aber verhindern konnte er damit nichts.

Doch natürlich kann niemand, der bei Verstand ist und eine ungefähre Vorstellung davon hat, Krieg für erstrebenswert halten. Wehrfähig und abschreckend, gewiss – kriegstüchtig und gezielt Konfrontation suchen: definitiv nein.

Dabei gilt es genau darauf zu achten, von welcher Seite die aggressive Rhetorik kommt. Das sind oft Leute, die im Leben noch keinen Schuss abgegeben, noch keine scharfe Handgranate geworfen, noch keinen Häuserkampf geübt oder im Schützenpanzer das Gefecht der verbundenen Waffen trainiert haben (diese Auswahl ist nicht zufällig).

Aber die Geschichte zeigt auch, dass es ebenso eine Generation von alten Kriegern sein kann, die mit dem Gegner von einst noch eine Rechnung offen hat – aber (von Ausnahmen abgesehen) sicher sein kann, nicht noch einmal ins Feuer zu kommen.

Es war im Wesentlichen die „Erlebnisgeneration“ des 1. Weltkriegs, welche in den 1930er Jahren die nächste Generation junger Männer, die nullkommanull offene Rechnungen mit irgendjemandem hatten, kriegstüchtig machten.

Hier haben wir einen solchen Vertreter der nächsten Soldatengeneration, einer ungewissen Zukunft entgegensehend – vor einem Hanomag „Rekord“ der frühen 1930er Jahre:

Hanomag „Rekord“ mit Wehrmachtsoldat; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Wenn ich es richtig sehe, haben wir es mit einem Gefreiten der Infanterie zu tun, wohl ein beliebiger Wehrpflichtiger. Vielleicht diente er als Fahrer des Hanomag Rekord, eines beim deutschen Militär verbreiteten PKWs, der für seine Robustheit geschätzt wurde.

Das Auto scheint schon einiges mitgemacht zu haben, wenn man genauer hinschaut. Aber als Fahrer war man in deutschen Landen damals noch etwa Besonderes – Wagen für die breite Masse gab es nicht. Selbst ein DKW-Zweitakter war für den durchschnittlichen „Volksgenossen“ völlig unerschwinglich.

Das erklärt nebenbei die enorme Masse an Fotos aus dem 2. Weltkrieg, die deutsche Soldaten mit zivilen PKWs zeigen – praktisch jedes Auto war im motorisierungsmäßig rückständigen Deutschland eine exklusive Sache.

Autofotos wurden freilich auch vor Kriegsausbruch gern gemacht, wie die Leser meines Blogs das zu schätzen zu wissen – ganz gleich, was ich dazu aus subjektiver Sicht erzähle.

So entstand vor 1939 auch folgende Aufnahme, welche ebenfalls einen Hanomag „Rekord“ und einen Soldaten zeigt – diesmal in Ausgehuniform. Aber das ist völlig uninteressant meine ich. Denn hier macht eine junge Frau mit einem Kleid im Miniformat Furore:

Hanomag „Rekord“, Zulassung Berlin; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Dieses faszinierende Dokument ist ein Beispiel dafür, warum ein Vorkriegsauto bisweilen einfach nur Staffage ist und Anlass zu thematisch völlig abwegigen Betrachtungen gibt.

Im Ernst: Fotos des Hanomag Rekord können Sie dutzendfach in meiner einschlägigen Galerie studieren und auch die technischen Daten finden sich x-fach in meinem Blog.

Doch hier geht es um etwas ganz anderes: Hätten Sie gedacht, dass im durchmilitarisierten Deutschland der 1930er Jahre ein – formal gesehen – mustergültiger Soldat in einem solchen privaten Kontext unterwegs war?

Vor ein paar Jahren schrieb mir ein amerikanischer Leser im Scherz: „The Germans should have won the war – they had the cooler cars and smarter uniforms„. Das heute präsentierte Foto ist ein hübsches Beispiel für den Stil der Zeit, dem man sich schwer entziehen kann.

Was wir hier sehen, wäre der offiziellen Propaganda zwar zum Opfer gefallen – aber genau das gab es eben auch – im Minirock dem Krieg entgegen:

Mich fasziniert diese Aufnahme nicht nur wegen des gewagtesten Kleids, das ich je auf einem Vorkriegsfoto gesehen habe, sondern auch deshalb, weil sie davon erzählt, dass im deutschen Volk – und speziell in der jungen Generation, welche die Sache zu erleiden hatte – auch ganz andere Instinkte vorhanden waren, als Krieg gegen angebliche Feinde zu führen…

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Gute Laune serienmäßig: Hanomag 2/10 PS Limousine

Wie bewahrt man sich seine heitere Gestimmtheit angesichts geopolitischer Grotesken wie der Frage, wer derzeit eigentlich der tatsächliche Regierungschef und militärische Oberbefehlshaber in den USA ist? Wer es weiß, nutze bitte die Kommentarfunktion…

Und wie lässt man sich die gute Laune nicht verderben, wenn man neben einem Wasserschaden im Haus dieser Tage auch noch eine Maus in der Speisekammer hat? Nun, zumindest für die beiden letztgenannten Unzuträglichkeiten ist der Mensch gewappnet: Alltägliche Probleme sind dafür da, ohne Verzug und unmittelbar gelöst zu werden.

Das Wasserleck ist lokalisiert – Handwerkerpfusch war die Ursache – und nun laufen die Entfeuchter auf Hochtouren, bevor das Renovierkommando anrückt. Alles ist rasch organisiert und im Geist schon erledigt, sogar die Versicherung scheint zahlungswillig.

Auch für die Maus in der Speisekammer gab es eine Lösung – nach Ausräumen aller gefährdeten Lebensmittel wurde eine Lebendfalle installiert. Das Teil tat, was es soll und das Mäuschen erhielt eine neue Chance: Ich ließ sie am Ortsrand in den Feldern frei – weit genug entfernt von unserer zwar wohlgenährten, dennoch notorisch räuberischen Katze.

Man sieht: Das Leben in einem alten Anwesen auf dem Land bietet spannende Momente genug, hier hat man keine Zeit zum Ausgehen und braucht dergleichen auch nicht.

Hat man sein privates Dasein solchermaßen im Griff, stellt sich die vielgesuchte Seelenruhe von alleine ein. Zeit, sich um Mitternacht gut gelaunt entspannenden Dingen zuzuwenden.

Dazu habe ich mir diesmal ausgerechnet ein Fahrzeug ausgesucht, dass ich mir beim besten Willen nicht schönreden oder irgendwie interessant finden kann. Ich weiß, es gibt Fans des Hamonag 2/10 PS aus der zweiten Hälfte der 1920er Jahre und ich gönne ihnen das Vergnügen – bloß ich selbst kann mit dieser primitiven Kiste nichts anfangen.

Gewiss die Zeiten waren miserabel im damaligen Deutschland, aber das waren sie in anderen Ländern auch, etwa im bitterarmen Italien. Doch wüsste ich nicht, dass man irgendwo ernsthaft einen Wagen mit 1-Zylinder-Motor und 10 PS ohne elektrischen Anlasser und mit Spitzentempo 60 km/h als populäres Automobil anpries.

Der Hanomag bot nur eines – eine eigenwillige Optik – und genau das scheint bei einer begrenzten Käuferschaft eingeschlagen zu haben, die sich wohl auch etwas anderes hätte leisten können – aber offenbar Spaß an dem provozierend anderen Minimalmobil hatte:

Hanomag 2/10 PS Limousine; Originalfoto: Sammlung Klaas Dierks

Auch wenn wir hier einen frühen Vertreter der Ponton-Karosserie sehen, die sich erst in den 1940er Jahren (ausgehend von den USA) durchsetzen sollte, genügt mir dieses Detail nicht, den Hanomag 2/10 PS für mehr als eine Fußnote in der Autohistorie zu halten.

Das gesamte Konzept erwies sich als Sackgasse, wie die weitere Entwicklung zeigte (auch bei Hanomag). Entscheidend ist nicht, was irgendwelche Automobilhistoriker darüber fabulieren – entscheidend ist wie bei allen Gütern nur das Urteil der Käufer.

Was sich durchsetzt, taugt etwas, und was nicht, bleibt zurecht auf der Strecke, ganz gleich mit welchen wohlfeilen Wortgirlanden es behängt wird („seiner Zeit weit voraus“, „vom Markt nicht verstanden“ usw.).

Eine muss ich aber immer wieder feststellen: Spaß hatten die Käufer des Hanomag 2/10 PS auffallend oft an ihrer Form der Fortbewegung auf vier Rädern im Motorradtempo. Das zeigen viele Bilder in meiner Hanomag-Galerie, darunter auch das bereits gezeigte aus der Sammlung von Leser Klaas Dierks.

Wären auf diesen Aufnahmen nicht so viele gutgelaunte Menschen versammelt, würde ich das Gerät wahrscheinlich vollkommen ignorieren – das Ding war Ende der 1920er Jahre aus technischer Sicht einfach indiskutabel.

Doch wie gesagt: Weit öfter als bei „richtigen“ Autos sieht man auf den Momentaufnahmen, die einen Hanomag 2/10 PS zeigen, die Freude, die eigentlich jeder Autofahrer im damaligen Deutschland empfinden musste, denn praktisch alle Kraftfahrzeuge waren Luxus.

Ob im Fall des Hanomag 2/10 PS auch Selbstironie eine Rolle spielte – sei dahingestellt. Beispiele wie das folgende versöhnen jedenfalls selbst hartnäckige Verächter der Hannoveraner Kiste mit derselben:

Hanomag 2/10 PS Limousine: Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Fotos des kleinen Hanomags ignoriere ich meist, doch hier konnte ich nicht widerstehen.

Das Verdienst kommt freilich der Tatsache zu, dass diese Perspektive ziemlich einzigartig sein dürfte und dass die auf dem Wägelchen thronende Dame alles „richtig“ macht:

Die Lackleder-Stiefeletten schön auf dem Heck das Wagens präsentiert, die dunklen Strumphhosen kontrastierend mit dem hellen Rock, ein die Figur umspielender Mantel mit „Pepita“-Muster und ein passend zu den Haaren dunkel glänzender Schal – nicht zuletzt trotz gegenüberstehender Sonne ein herzliches Lachen.

Na, wann haben Sie dergleichen zuletzt im Alltag gesehen? Damit meine ich nicht grotesk gestaltete Autos – die gibt es immer noch – sondern eine feminine Erscheinung wie diese?

Genau deshalb geht es in meinem Blog längst nicht nur um Vorkriegsautos auf alten Fotos und schon gar nicht um das Reproduzieren etablierter Urteile über Designs und Konstruktionen der Vergangenheit.

Ich mache mir mein eigenes Bild – sehr oft dank der Funde von Sammlerkollegen wie auch heute – und schildere meine Sicht der Dinge.

Die kann ins Schwarze treffen, aber mitunter auch ganz von Ihrer abweichen. Es ist völlig in Ordnung, dass man unterschiedlicher Ansicht ist, nur die gute Laune sollte bei allen Differenzen serienmäßig mit von der Partie sein – so wie einst beim Hanomag 2/10 PS…

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Vielleicht ein wenig streng: Hanomag 3/18 PS

Die Personenwagen, welche der Hannoveraner Maschinenbauer Hanomag von 1925 bis 1941 fertigte, geben in der Regel wenig Rätsel auf.

Zwar gibt es aus meiner Sicht immer noch keine wirklich umfassende und detaillierte Bilddokumentation sämtlicher Typvarianten vom Erstling 2/10 PS „Kommissbrot“ bis zum stromlinienförmigen „1,3 Liter“, mit dem die Produktion im 2. Weltkrieg endete.

Doch grundsätzlich konnte ich in meiner Hanomag-Galerie bereits alle Modelle chronologisch einsortieren, darunter auch einge Exoten mit Spezialkarosserie.

Schwierigkeiten bereitet mir nur die sichere Unterscheidung der Anfang der 1930er entstandenen Typen 3/17, 3/18 und 4/23 PS. Inwieweit sie abweichend gestaltet waren, dafür fehlt mir bisher eine verlässliche Quelle – von daher seien Sie etwas weniger streng mit mir als sonst, wenn ich im Folgenden mehr als üblich spekuliere.

Wie es scheint, gab es den 3/17 PS von 1931/32 nur mit dem herkömmlichen Flachkühler. Vom Vorgänger 3/16 PS unterschied er sich äußerlich insbesondere durch den geschwungenen unteren Abschluss der Frontscheibe:

Hanomag 3/17 PS oder 4/23 PS; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Schick und charmant die Dame, nicht wahr? Dabei macht sie aus ihren vielleicht 1,60m Körpergröße mehr, als es manche großwüchsige Geschlechtsgenossin mit formloser „Funktionskleidung“ heute tut.

Könnte gut sein, dass diese Leute auch an ihrem Hanomag Wert auf’s schöne Detail legten. So könnten die Radkappen entweder ein aufpreispflichtiges Zubehör sein oder sie waren dem parallel angebotenen stärkeren Typ 4/23 PS vorbehalten.

Eben solche Angaben zur Unterscheidung konnte ich bislang nirgends finden.

Klar ist nur dieses: Ab 1932 erhielten die Hanomag-Automobile einen ziemlich „schrägen“ Kühlergrill. Ich habe so ein Originalteil in meiner Sammlung und ich muss sagen: Reichlich krude gestaltet und handwerklich grob gemacht – nicht gerade ein Meisterwerk.

Immerhin können wir anhand dieses Elements nun die Motorisierungen auf die von 1932-34 weitergebauten Varianten 4/23 PS und 3/18 PS (Nachfolger des 3/17 PS) eingrenzen:

Hanomag 3/18 PS; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Wieder haben wir es mit modebewussten Leuten zu tun – wobei sich hier der Herr rechts außen im Nadelstreifenanzug besondere Mühe gegeben hat. Die Damen und sein Nachbar tragen die gekonnt zur Schau gestellte Eitelkeit mit Humor bzw. Fassung.

Was an diesem Wagen markant erscheint, ist der schräg verlaufende vordere Türabschluss. Ob er dem Sparmodell 3/18 PS vorbehalten war? Das vermute ich, weiß es aber nicht. Das Fehlen von Radkappen und einer Stoßstange könnten dafür sprechen.

Vielleicht ein wenig streng sieht der Wagen in dieser nüchternen Form aus, finde ich.

Allerdings gibt es auch einige Aufnahmen mit demselben Aufbau als Cabrio-Limousine, auf denen eine einteilige Stoßstange zu sehen ist. Und auf folgendem Foto findet sich sogar eine Variante mit zusätzlichen Radkappen:

Hanomag 3/18 PS oder 4/23 PS; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Haben wir hier es nur mit aufpreispflichtigen Teilen zu tun oder waren die Stoßstange und die Radkappe dem stärkeren 4/23 PS vorbehalten?

Nun könnte man sagen: Vielleicht ein wenig streng, sich an solchen Finessen oder Nichtigkeiten abzuarbeiten. Reizvoll sind diese Dokumente doch allemal, auch wenn man vielleicht nicht mehr genau sagen kann, welcher Motor nun unter der Haube schlummerte.

Das ist eine Argumentation, der ich mich in Ermangelung gesicherten Wissens nur zu gerne anschließe. Und wissen Sie was? Ich habe sogar das passende Foto dazu!

Hier pfeift man gern auf die zuvor erörterten Fragen – zumal die Doppelstoßstange nur Anlass für noch mehr Verwirrung gibt. Man hat nur Augen für die Dame mit dem perfekt auf den Leib geschneiderten Kostüm und dem wie frisch erlegt über die Schulter geworfenen Fuchs (oder was auch immer):

Hanomag 3/18 PS oder 4/23 PS; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Unsere piekfeine Dame im makellosen Reisetrimm macht blendende Figur – doch vielleicht ein wenig streng schaut sie drein.

Haben wir etwas falsch gemacht bei unserer heutigen Betrachtung? Ich meine, wir haben unser Bestes gegeben, nicht wahr? Wer es noch besser weiß, darf natürlich im Kommentarbereich für Erleuchtung sorgen.

Aber bitte nicht zu streng sein!

Michael Schlenger, 2024. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and https://vorkriegs-klassiker-rundschau.blog with appropriate and specific direction to the original content.

Taugt doch für etwas! Hanomag 2/10 PS Limousine

Um es vorwegzunehmen: Der erste Hanomag-PKW, welchen der Maschinenbauer aus Hannover von 1925-28 baute – das Modell 2/10 PS – dieses Minimalgefährt und ich werden gewiss keine Freunde mehr.

Zu weit entfernt war dieses vermeintliche Volksmobil von echten Entwürfen für den Alltagsbedarf, wie sie in den frühen 1920er Jahren längst existierten: In den Staaten der Ford T, in England der Austin 7, in Frankreich der Citroen 5CV und in Italien der Fiat 501.

Nur in Deutschland meinte man, mit etwas Besonderem aufwarten zu müssen. So ließ sich Hanomag auf die Bastelei eines gewissen Fidelis Böhler ein, die konsequent am Massenmarkt vorbeikonstruiert war: lauter Einzylindermotor mit Motorradleistung, kein elektrischer Anlasser, kein Platz für eine Familie mit Kindern.

Die in der Literatur mangels anderer Qualitäten bemüht betonten Novitäten wie etwa die noch ungewohnte Pontonkarosserie machten keinen der genannten Praxismängel wett.

Oft heißt es, der Hanomag 2/10 PS sei „seiner Zeit zu weit voraus“ gewesen oder „von den Käufern nicht verstanden worden“. Das erinnert an die Entschuldigungen, welche heute bei einer radikal an der Realität vorbeiregierenden Politik vorgebracht werden.

Seien wir ehrlich: Außer kinderlosen Avantgardisten konnte doch kein Normalbürger damals ernsthaft Begeisterung für diese komische Kiste mit kulturlosem Krachantrieb aufbringen – wenn nicht gerade eine junge Dame darauf herumturnte:

Hanomag 2/10 PS Limousine; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Ungeachtet meiner grundsätzlichen Geringschätzung dieses Sackgassengefährts möchte ich heute dennoch Gnade walten lassen, denn ich habe festgestellt, dass der Hanomag 2/10 PS doch für etwas taugte – außer seinen Besitzern das befriedigende Gefühl zu geben, den verständnislosen Mitbürgern ihren exklusiven Geschmack vorführen zu können.

So bot er in Gestalt der Limousine die formidable Möglichkeit, das Dach nicht nur von vorn – wie oben – sondern ebenso leicht auch von hinten zu erklimmen und sich dort zumindest zeitweise im Luftreich der Illusion aufzuhalten.

Im besten Fall war das Resultat dann so erbaulich wie auf der folgende Aufnahme:

Hanomag 2/10 PS Limousine; Oiginalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Hier ist fast nur am Ersatzrad und am Fehlen des mittigen Scheinwerfers zu erkennen, dass wir den Hanomag diesmal von hinten betrachten.

Die Idee, ein Auto von vorn wie von hinten nahezu identisch zu gestalten – siehe den unsäglichen Zündapp „Janus“ – empfand ich schon immer als eine Beleidigung des Betrachters, der bei einem dermaßen teuren Gegenstand wie einem Automobil zurecht etwas Bemühen um eine einfallsreiche Form erwarten darf.

Doch heute ist mir das beinahe egal, denn die Aufnahmesituation versöhnt mich diesmal mit diesem automobilen Machwerk. Ja, der Hanomag 2/10 PS taugt doch für etwas!

Ich bilde mir ein, dass die charmante Dame auf dem Dach des Wägelchens sich einfach köstlich über selbigen amüsiert hat, als sie solchermaßen abgelichtet wurde:

Der Kontrast zwischen ihrem reizvollen Erscheinungsbild und der Blechkiste unter ihr könnte kaum größer sein. Selbst der Glanz ihrer Stiefel stellt den Lack des Hanomag mühelos in den Schatten, von anderen Ansehnlichkeiten ganz zu schweigen.

Mir ist bewusst, dass ich mit meinem schroffen Urteil über den Hanomag 2/10 PS auf Widerspruch einiger Verehrer des „rasenden Kohlenkastens“ stoße.

Doch abweichende Ansichten muss man aushalten und Kritik auch sportlich nehmen können. Das ist im wirklichen Leben nicht anders und gegebenenfalls unüberbrückbare Meinungsdifferenzen gehören auch bei letztlich banalen Themen wie Vorkriegsautos dazu.

Rede und Gegenrede – gern auch engagiert und zugespitzt – sind die Vorausetzung jedes argumentativen Austauschs und so sind mir auch ganz andere Sichtweisen willkommen. Wer also dem Hanomag 2/10 PS auch ohne weibliche „Besatzung“ vorteilhafte Seiten abgewinnen kann, möge das im Kommentarteil tun.

Michael Schlenger, 2023. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and https://vorkriegs-klassiker-rundschau.blog with appropriate and specific direction to the original content.

Stil auch im Kleinen: Hanomag Zweisitzer-Cabrio

Es gibt viele Gründe, mit den Verhältnissen der Gegenwart zu hadern – speziell wenn man noch Zeiten kennt, in denen unser Gemeinwesen wohlorganisiert und leistungsfähig war, Eigenverantwortung den Vorrang hatte und der Sozialstaat auf Notlagen konzentriert war.

An der Misere einer ausufernden und freiheitsraubenden, dabei zunehmend inkompetenten Bürokratie kann der Einzelne zwar nichts ändern, dennoch pflege ich zu sagen, dass jeder von uns ein klein wenig mitverantwortlich für den Zustand unserer Welt ist.

Dazu gehört es, seinen Mitmenschen in der Öffentlichkeit freundlich zu begegnen und ihnen so wenig zur Last zu fallen wie irgend möglich. Dazu gehört für mich auch das äußerliche Erscheinungsbild.

Rücksicht auf seine Mitmenschen zu nehmen heißt demnach, ihnen keine Anblicke zuzumuten, die ihnen peinlich sein können. Unrasiert vor die Tür zu gehen, mit für den Sport reservierter Funktionsbekleidung oder mit bleichem behaartem Gebein, das muss nicht sein.

Früher war nur wenig besser, aber die Etikette in Sachen Bekleidung war es. Das galt keineswegs nur für besondere Gelegenheiten wie Theaterbesuch, Hochzeiten oder sonstige Festivitäten.

Dass Stil auch im Alltag, gerade im Kleinen, das Miteinander erträglicher, ja erfreulicher gestaltet, davon erzählen unzählige Bilder der Vorkriegszeit.

Heute will ich dies anhand eines alten Bekannten illustrieren, der nicht für die Welt der vermeintlich Schönen und Reichen steht, sondern ein bürgerlich-solider Kleinwagen war – der Hanomag 3/16 PS in der Ausführung als hübsches Zweisitzer-Cabriolet:

Hanomag 3/16 PS Zweisitzer-Cabriolet; Originalfoto aus Sammlung Klaas Dierks

Von dem 1929 eingeführten Wagen – dem ersten vollwertigen Auto des Maschinenbaufirma aus Hannover – haben sich zahlreiche Fotos erhalten. Dabei ist mir aufgefallen, dass darauf fast immer ausgesprochen stilbewusste Zeitgenossen posieren.

Manche davon orientierten sich an Vorbildern aus dem Kino, die damals durchweg noch erfreuliche Anblicke und keine abgewrackten Gestalten waren.

Das folgende Paar könnte als deutsche Version von Bonnie & Clyde durchgehen (auch wenn der Film mit der Traumbesetzung aus Warren Beatty und Faye Dunaway später entstand):

Hanomag 3/16 PS Zweisitzer-Cabriolet; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Daneben war es durchaus erlaubt, sich ein wenig lasziv zu geben – auch dafür gaben die Filmstars jener Zeit auf der Leinwand und in Gesellschaftsmagazinen die Vorbilder ab.

In jedem Fall orientierte man sich in solchen Situationen „nach oben“ – auf die Idee, sich nach Art von Straßenarbeitern und Seeleuten, oder gar Pennern und Prostituierten zu kleiden, wäre kaum jemand gekommen.

Ein wenig verrucht, mit etwas Schlafzimmerblick oder den Füßen auf der Sitzfläche (wenn es die eigene war) durfte es freilich schon sein – unsere Altvorderen waren nicht verklemmt:

Hanomag 3/16 PS Zweisitzer-Cabriolet; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Seien Sie ehrlich meine Herren: Diesen hübschen Kleinwagen mit seiner adretten Insassin hätten Sie doch jedem dicken Benz mit ebensolcher Fabrikantengattin vorgezogen, oder?

Unabhängig von den Qualitäten der Beifahrerin war der Hanomag 3/16 PS als 2-Sitzer-Cabriolet aus meiner Sicht der schönste deutsche Kleinwagen, bis die noch attraktiver gestalteten DKW-Frontwagen herauskamen.

In dieser Hinsicht lag auch die zeitgenössische Werbung ausnahmsweise richtig:

Hanomag 3/16 PS Zweisitzer-Cabriolet; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Auch die Figur der abgebildeten jungen Dame entsprach der Wahrheit, denn nach meinem Eindruck findet man nur schlanke Frauenzimmer in und neben dem Hanomag 3/16 PS Cabriolet.

Der Kontrast zu den vom Tortenessen aufgegangenen und früh gealterterten Matronen, die einem schlecht gelaunt dreinschauend allzuoft auf Fotos deutlich größerer deutscher Wagen begegnen, ist auffallend und immer wieder erfreulich:

Hanomag 3/16 PS Zweisitzer-Cabriolet; Originalfoto aus Sammlung Klaas Dierks

Heute würde der unschuldige kleine Hanomag vermutlich der Diskriminierung bezichtigt, war er doch nur Menschen mit schlanker Figur zugänglich und schätzte auch mit Blick auf die schmale Motorleistung überzählige Pfunde gar nicht.

Dafür hatte er eine verzeihliche Schwäche für gut aussehende Damen mit mädchenhafter Figur und Sinn für Stil auch im Kleinen. Das können wir gleich anhand zweier neu aufgetauchter Originalfotos nachvollziehen.

Zugegeben: Auf der ersten Aufnahme sieht man von den Insassen noch nicht viel. Doch dafür können wir hier einige auffallende Abweichungen im Stil des Wagens selbst studieren:

Hanomag 3/16 PS (oder 3/17 PS) Zweisitzer-Cabriolet; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Die Scheibenräder besitzen auf einmal Radkappen und vorne ist eine Doppelstoßstange nach amerikanischem Vorbild angebracht. Außerdem sind die trommelförmigen Scheinwerfern schüsselförmigen gewichen.

Das könnte man noch unter optionalem Zubehör verbuchen, doch eine Sache hat sich auch karosserieseitig geändert: Der Windschutzscheibenrahmen folgt jetzt an der Unterseite der Wölbung des Windlaufs.

Zusammengenommen deuten diese Details auf eine modellgepflegte Variante des bis 1931 gebauten Hanomag 3/16 PS hin. Denkbar ist aber auch, dass wir es hier mit dem etwas stärkeren Typ 3/17 PS zu tun haben, welcher 1931/32 gebaut wurde.

Eindeutig sagen lässt sich das mangels Bildmaterials leider nicht, es sei denn ein Leser kann hier mit klar identifizierten Vergleichsexemplaren weiterhelfen.

Übrigens trägt dieses Foto auf der Rückseite den Vermerk 6/32 PS. Dieser dürfte aus der Erinnerung des einstigen Besitzers resultieren, ist aber mit Sicherheit falsch. Denn diese Motoriserung war die des Mitteklassemodells Hanomag „Rekord“ ab 1933.

Wie dem auch sei, heute zählt ohnehin nur der Stil im Kleinen und in dieser Hinsicht kann ich zum Schluss mit dem ultimativen Beweisfoto aufwarten.

Das Paar im eben gezeigten Wagen hat uns nämlich auch den Gefallen getan, neben dem Auto zu posieren:

Hanomag 3/16 PS (oder 3/17 PS) Zweisitzer-Cabriolet; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Ist das nicht ein erfreulicher Anblick? Soviel Eleganz im Kleinformat war einst möglich.

Dabei war die gewinnend lächelnde Dame in perfekter Pose selbst nicht die Größte. Gerade einmal 1,60m dürfte sie gemessen haben, legt man die Dimensionen des Hanomag zugrunde. Mit guter Figur und perfektem Stil macht sie das allemal wett.

Wie gesagt: Auch wir kleinen Leute sind mitverantwortlich für den Zustand der Welt – jeden Tag. Also bitteschön: Wenn Sie das nächste Mal vor die Tür gehen, beherzigen Sie das Diktum des Modegenies, Fotografen und fanatischen Sammlers Karl Lagerfeld:

„Wer in der Öffentlichkeit einen Jogginganzug trägt, hat die Kontrolle über sein Leben verloren“. Zumindest das soll uns nicht passieren, mag auch sonst alles zuschanden gehen…

Michael Schlenger, 2022. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and https://vorkriegs-klassiker-rundschau.blog with appropriate and specific direction to the original content.

Wird erst richtig rund mit Zubehör: Hanomag 2/10 PS

Der Einstieg des Maschinenbauers Hanomag in die Automobilfertigung anno 1924 mit dem Kleinstwagen 2/10 PS war ein kühner Schritt.

Doch nicht weil es an Interesse an einem möglichst preisgünstigen Automobil am deutschen Markt mangelte, sondern aufgrund des Konzepts, für das man sich entschied.

Preislich war der Hanomag 2/10 PS unschlagbar – soweit ich weiß gab es damals keinen billigeren Serienwagen hierzulande. Für 2.650 Mark war der offene Zweisitzer 1925 zu bekommen, selbst der kleinste Opel kostete damals tausend Mark mehr.

Da Opel bereits ein Jahr zuvor die Fließbandfertigung gestartet hatte, stellt sich die Frage, wie der Neuling Hanomag es schaffte, den Preis des Opel 4 PS-Typs so drastisch zu unterbieten.

Die Antwort ist einfach: Indem man ein Primitivgefährt mit lärmendem Einzylindermotor ohne Anlasser auf die Kundschaft losließ, welches zugleich auf eine Karosserie im klassischen Sinne verzichtete.

Auf den pontonförmigen Unterbau ohne Kotflügel montierte man bei der geschlossenen Version einen aquariumsartigen Kasten, in dem sich für maximal zwei Insassen Platz fand. Entsprechend wenig begeistert wurde einst für diese Aufnahme posiert:

Hanomag 2/10 PS Limousine; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Für das von seinen Entwicklern als Beitrag zur Volksmotorisierung geplante Vehikel entschieden sich zwischen 1925 und 1928 rund 0,25 Promille der Deutschen – knapp 16.000.

Natürlich war der Anteil der potentiellen Autofahrer hierzulande ohnehin verschwindend gering, doch zeigt das Rechenbeispiel, dass von einer oft behaupteten „Popularität“ des Hanomag 2/10 PS keine Rede sein kann.

In der Lebenswelt der allermeisten Menschen im Deutschland der Zwischenkriegszeit, in dem nicht einmal die so wichtige Landwirtschaft nennenswert mechanisiert war, spielten Automobile praktisch keine Rolle – allenfalls als bestauntes Kuriosum am Rande.

Letztlich blieb selbst der minimalistische Hanomag 2/10 PS ein Spielzeug einer hauchdünnen Schicht, und ich vermute, dass die Käufer eher Nonkonformisten waren, die das Kleingeld für den durchaus provokant gestalteten Wagen hatten:

Hanomag 2/10 PS: Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Die Dame mit Hund, die uns hier kess zulächelt, während sich die Herren irgendwo im Raum Berlin für eine vergnügliche Ausfahrt mit diversen Kraftfahrzeugen fertigmachen, dürfte kaum eine Akkordarbeiterin oder Magd auf dem Bauernhof gewesen sein.

Wer sich damals einen Hanomag 2/10 PS in der geschlossenen Version zulegen wollte, musste dafür mehr als das zweieinhalbfache Brutto-Jahreseinkommen eines angestellten Durchschnittsverdieners (1925: 1.469 Reichsmark) aufbringen!

Schon daran wird ersichtlich, dass es für den Hanomag 2/10 PS in der Breite der deutschen Bevölkerung keinerlei Markt geben konnte.

Wenn es in der Literatur heißt, der als seinerzeit als rollender Kohlenkasten oder Kommissbrot verspottete Wagen sei schlicht „zu visionär“ oder „seiner Zeit voraus“ gewesen, heißt das auf gut deutsch bloß: „an der Marktrealität vorbeikonstruiert“.

Doch will ich heute nicht allzu streng mit dem Hanomag 2/10 PS ins Gericht gehen, denn immerhin gelang es den Hannoveranern später, durchaus überzeugende – und das heißt unter anderem auch familien- und alltagstaugliche – Wagen zu bauen.

Vielleicht ist Ihnen auf dem obigen Foto aufgefallen, dass der dort abgebildete Hanomag 2/10 PS statt der serienmäßigen Speichenräder scheinbar Scheibenräder besitzt.

Das täuscht indessen, handelt es sich dabei nämlich um ein Zubehör, welches mir bei der Durchsicht einer Reihe weiterer Fotos aufgefallen ist.

Dass Fahrer eines Hanomag 2/10 PS keine armen Schlucker waren – die gingen im Deutschland der zweiten Hälfte der 1920er Jahre zu Fuß oder fuhren Rad – haben wir bereits hergeleitet.

So war nach dem Erwerb eines solchen Wagens oft noch das nötige Kleingeld für ein hübsches Extra drin, welches den von vorn wie hinten wie ein Brotlaib daherkommenden Hanomag endgültig zu eine runden Sache machte:

Haomag 2/10 PS Sport-Zweisitzer; Originalfoto aus Sammlung Klaas Dierks

Diese Aufnahme zeigt meines Erachtens den von mir ansonsten ungeliebten Hanomag 2/10 PS von seiner besten Seite – als offenen Zweisitzer mit Türausschnitt nach Roadster-Manier.

Der braungebrannte Insasse scheint auch ausgesprochen zufrieden mit seinem Solarium auf vier Rädern gewesen zu sein. Dazu mögen die erwähnten Scheiben auf den Rädern beigetragen haben, die den Wagen hier halbwegs wie aus einem Guss erscheinen lassen.

Diese dürften aus Aluminium bestanden haben, waren somit leicht und sorgten bei Verzicht auf eine Lackierung auf einen Glanzeffekt, welcher dem Gefährt ab Werk ansonsten abging.

Man muss allerdings sagen, dass auch dieses hübsche Zubehör im Fall der geschlossenen Version am ernüchternden bis verstörenden Erscheinungsbild des Wagens wenig änderte:

Hanomag 2/10 PS, geschlossener Zweisitzer, aufgenommen 1929, Dahlener Heide bei Leipzig; Originalfoto: Martin Hothmann (Dessau)

Reizvoll ist die Aufnahme gleichwohl, was der ungewöhnlichen Perspektive von schräg hinten und der geschickten Einbeziehung des menschlichen Elements zu verdanken ist, das ich auf historischen Fotos gleich welcher Automobile schätze.

Nun könnte einer meinen, dass wir es hier mit Scheibenrädern zu tun haben, wie sie sich an späteren Hanomag-Modellen finden. Doch tatsächlich waren dies Zierblenden auf den originalen Speichenrädern, die offenbar ein populäres Zubehör waren.

Den Beweis dafür kann ich mittels dieser Aufnahme führen, welche ich Leser Klaas Dierks verdanke:

Hanomag 2/10 PS, offener Zweisitzer; Originalfoto: Klaas Dierks

Diese Aufnahme lässt keine Wünsche offen – so wird selbst ein simpler Hanomag 2/10 PS zu einem spannenden Botschafter aus längst vergangener Zeit.

Ein einziges Foto kann ein komplexes Geschehen wiedergeben, das sich über einige Zeit erstreckt, wenn man im richtigen Moment auf den Auslöser drückt. Ich schätze, das hat hier die Begleiterin des Herrn getan, der nach einem Reifendefekt aktiv wurde.

Beide Insassen haben ihre Reisemäntel abgelegt, nebenbei ein Hinweis darauf, dass der im Heck befindliche Motor bei kühleren Temperaturen keinerlei Wärme in den Innenraum abgab, wie das bei einem Frontaggregat der Fall ist.

Die scheibenförmige Blende des linken Vorderrads ist demontiert, sie liegt auf dem Boden hinter dem Herrn, der mit der damals üblichen Handpumpe Luft in den vor ihm liegenden Reifen befördert.

Doch warum tut er das eigentlich? Das Rad vorne links – vermutlich das vom Heck abmontierte Ersatzrad – sieht intakt aus, während es wenig Sinn ergibt, das defekte Rad neu aufzupumpen zu versuchen. Hat jemand eine Erklärung für die Situation?

Für mich bleibt als Fazit: Wirklich populär kann der Hanomag 2/10 PS nicht gewesen sein, doch ein spezielles Zubehör war es offensichtlich…

Michael Schlenger, 2022. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and https://vorkriegs-klassiker-rundschau.blog with appropriate and specific direction to the original content.

Kleiner Mann auf großer Fahrt: Hanomag 3/18 PS

Für den „kleinen Mann“ baute Hanomag zwar nie einen Wagen – dafür waren die Konstruktionen des Maschinenbauers aus Hannover schlicht zu teuer, übrigens auch das minimalistische „Kommissbrot“, ein ab 1925 gebautes 10 PS-Wägelchen.

Anfang der 1930er Jahre – genauer: ab 1931 – bot Hanomag neben seinem Einsteigermodell 3/17 PS mit 800ccm-Vierzylinder das Modell 4/23 PS an.

Dieses machte einen durchaus erwachsenen Eindruck, und besaß ab 1932 eine charakteristische Kühlerpartie, die nach unten hin spitz zulief:

Hanomag 4/23 PS; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Die senkrechte Frontscheibe scheint auf die frühe Ausführung zu verweisen, ab 1934 gab es eine modellgepflegte Version mit schräggestellter Scheibe und bis zu dieser reichender Motorhaube, die dann als Hanomag „Garant“ verkauft wurde.

Auf obiger Abbildung achte man vor allem auf den annähernd senkrechten Verlauf des vorderen Türendes – darauf kommen wir noch zurück.

Für den kleinen Mann war der 23 PS-Hanomag unerreichbar – zumindest in finanzieller Hinsicht: Rund 3.000 Reichsmark waren dafür auf den Tisch zu blättern. Das entsprach 1931 mehr als anderthalb Brutto-Jahreseinkommen eines sozialversicherungspflichtigen Deutschen.

Übertragen auf die heutigen Verhältnisse (Durchschnittseinkommen im Jahr 2022: ca. 38.000 EUR) würde das bedeuten, dass man annähernd 60.000 EUR für ein Auto der unteren Mittelklasse aufbringen müsste.

Dieser Vergleich macht anschaulich, wie enorm teuer damals selbst einfache Automobile aus Sicht des Durchschnittsdeutschen waren.

Hanomag sah das Problem und dachte, dass es durch „Downsizing“ ein breiteren Schichten zugänglicheres und dennoch vollwertiges Fahrzeug anbieten könne. Dazu bot man neben dem 4/23 PS-Typ ab 1932 einen sehr ähnlichen 3/18 PS-Typ an.

Dieser war allerdings mit rund 2.500 Mark immer noch zu teuer für Otto Normalverbraucher und verkaufte sich daher kaum. Entsprechend schlecht ist der Hanomag 3/18 PS in der Literatur dokumentiert.

Nur ein Foto in der alten Ausgabe von Werner Oswalds Klassiker „Deutsche Autos 1920-1945“ konnte ich finden, das ein vom 4/23 PS etwas abweichendes Äußeres erkennen lässt. Hauptmerkmal scheint der schräge Verlauf der Türvorderkante gewesen zu sein:

Hanomag 4/18 PS; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Auch das Fehlen von Radkappen und einer Vorderstoßstange spricht zumindest für eine einfachere Ausführung. Vorläufig bin ich der Ansicht, dass ein Hanomag mit diesem Erscheinungsbild eher ein 3/18 PS-Typ war als der parallel angebotene 4/23 PS-Typ.

Ich lasse mich diesbezüglich gern eines Besseren belehren, am besten anhand von Fotos eindeutig identifizierter Fahrzeuge.

So oder so – das hatte ich bereits ausgeführt – war auch der Hanomag 3/18 PS nichts für die sogenannten „kleinen Leute“ – also die Masse der Deutschen, die seinerzeit zu Fuß, mit dem Rad oder mit Bus bzw. Straßenbahn zur Arbeit gelangten.

Doch zumindest in einem Fall kann ich beweisen, dass es auch für einen kleinen Mann einst auf große Fahrt mit einem Hanomag 3/18 PS ging – hier sehen wir ihn:

Hanomag 3/18 PS; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Dass die Mutter, die den Bub auf dem Arm hält, ganz gewiss nicht zu den „kleinen Leuten“ gehörte, ist unübersehbar. Sie überragt den Hanomag mit seinen 1,63 Meter Höhe deutlich.

Nun fragen Sie sich vielleicht, weshalb ich diesen Hanomag als 3/18 PS anzusprechen geneigt bin. Man sieht schließlich nicht, wie die vordere Türkante verläuft – überdies kommt er mit Stoßstange und Radkappen daher.

Müsste das nicht eher ein Hanomag 4/23 PS sein? Nun, meine These stützt sich auf ein zweites Bild desselben Wagens.

Denn der Hanomag mit Kennzeichen aus dem Raum Berlin ging einst mit dem kleinen Mann auf große Fahrt – und zwar in den Alpenraum, wo die folgende Aufnahme entstand:

Hanomag 3/18 PS; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Wer hier genau hinsieht, erkennt den schrägen Verlauf der Türvorderkante. Wenn meine These stimmt, handelte es sich bei diesem Hanomag um ein 3/18 PS-Modell, offenbar mit Stoßstange und Radkappen als Extra.

Ich kann aber auch falsch liegen, denn wirklich gründliche und umfassende Literatur zu allen Hanomag-PKW-Typen gibt es ja bis heute nicht – (k)ein Witz.

Nicht auszuschließen ist, dass der schräge Verlauf der Türvorderkante ein Charakteristikum der Cabrio-Limousine aller Hanomag-Typen der frühen 1930er Jahre war – unabhängig von der Motorisierung.

Dann bleibt aber die Frage – die ich womöglich schon einmal in den Raum gestellt habe: wie unterschieden sich äußerlich der Hanomag 4/23 PS und die „Billigausführung“ 3/18 PS?

Wenn sich hier Klarheit gewinnen ließe, könnte das in meine Hanomag-Fotogalerie einfließen – die größte für jedermann zugängliche überhaupt…

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Ein Kandidat mit guten Aussichten: Hanomag 3/17 PS

Der Titel meines heutigen Blog-Eintrags lässt bereits ahnen, dass ich mir meiner Sache dieses Mal nicht so sicher bin, wie das sonst (meist) der Fall ist.

Ein „Kandidat“ ist zunächst einmal nicht mehr als ein Anwärter auf eine bestimmte Position, der für diese von seinem Profil her prinzipiell in Frage kommt.

Selbst wenn man ihm zusätzlich „gute Aussichten“ auf Erfolg zubilligt, ist das noch vage genug formuliert, um sich später herausreden zu können: „War doch klar, dass auch ein anderer das Rennen machen kann – ich habe mich doch nie festgelegt“.

Wer wie ich beruflich mit Finanzmarktanalysen, Einschätzungen ganzer Anlagegattungen oder einzelner Wertpapiere zu tun hat – sei es auch „nur“ als Fachübersetzer – der weiß um die Bedeutung eines solchen Vokabulars, mit dem man sich der Haftung für Fehlprognosen entzieht. Gierige Juristen warten bloß darauf, dass man hier einen Fehler macht…

Zwar geht es heute weder um Gewinn und Verlust bei Geldanlagen oder sonst überhaupt irgendetwas von existenzieller Bedeutung.

Doch will ich auch bei meinen amateurhaften Ausflügen in die Welt des Vorkriegsautos den Profis möglichst wenig Anlass dazu geben, mir krasse Fehleinschätzungen nachzuweisen. Und so will ich es auch beim braven Hanomag 3/17 PS im Ungefähren lassen.

Meiner Sache sicher bin ich dagegen seit längerem im Fall des Hanomag 3/16 PS – dem ab 1929 gebauten Vorgängermodell. Dieses war anfänglich nur als zweisitzige, aber sehr ansprechend gestaltete Cabrio-Limousine im amerikanischen Stil verfügbar:

Hanomag 3/16 PS Zweisitzer; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Man findet ohne weiteres zeitgenössische Reklame, in der genau diese Ausführung abgebildet ist, wenngleich der Kleinwagen dort erwachsener erscheint.

Solcher kreativer Kunstgriffe bediente man sich noch in Werbungen der 1950er Jahre. Entscheidend für mich ist, dass der Hanomag hier bei aller künstlerischer Freiheit als 16 PS-Modell bezeichnet wird:

Hanomag 3/16 PS Zweisitzer; Originalreklame aus Sammlung Michael Schlenger

Der erwähnte 750ccm-Motor entsprach tatsächlich der Erstausführung des Hanomag 3/16 PS, welcher zunächst nur als halboffener Zweisitzer zu haben war.

1930 spendierte man dem Wägelchen eine Hubraumvergrößerung auf 800ccm, die aber an der Leistungsbezeichnung 3/16 PS nichts änderte. Erhältlich war nun auch eine geschlossene Ausführung mit mehr Platz sowie eine adrette Cabrio-Limousine:

Hanomag 3/16 PS oder 4/20 PS Cabrio-Limousine; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Hier beginnen wir bereits den Boden gesicherter Erkenntnis zu verlassen, denn laut der äußerst dürftigen Literatur zu Hanomag-PKW war derselbe Wagen ab Ende 1930 auch mit der Motorisierung 4/20 PS erhältlich.

Angeblich wurden beide Versionen parallel zum selben Preis angeboten. Hinweise auf äußerliche Unterschiede finden sich meines Wissens nirgends. Der geringfügig höheren Spitzengeschwindigkeit des 4/20 PS-Typs stand eine niedrigere Steuereinstufung des 3/16 PS gegenüber. Vielleicht war das der Grund dafür, beide Motorisierungen anzubieten.

Haben Sie übrigens die Radkappen bei der obigen Cabrio-Limousine bemerkt? Die findet man nach meinem Eindruck sonst nirgends beim Hanomag 3/16 bzw. 4/20 PS, sondern erst beim etwas anders gestalteten Nachfolgetyp 4/23 PS.

Entweder hat hier jemand „nachgerüstet“ oder wir haben es mit einem späten Modell zu tun, bei dem bereits Elemente des Nachfolgers 3/17 PS (ab 1931) verbaut wurden. Der scheint aber anfänglich noch nicht über solche Radkappen verfügt zu haben.

Immerhin war er aber nun mit einer Doppelstoßstange verfügbar, außerdem war der Abstand zwischen den beiden Zierleisten unterhalb der Seitenfenster deutlich geschrumpft:

Hanomag 3/17 PS oder 4/23 PS Cabrio-Limousine; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Auch die Frontscheibe unterschied sich deutlich von der des Typs 3/16 PS – ihre Unterkante folgte nun der Wölbung des Karosseriekörpers. Die Schwellerpartie war ebenfalls abweichend gestaltet, so ragte der Aufbau nicht länger über diese hinaus.

Solche gestalterischen Unterschiede werden meines Wissens nirgends in der Hanomag-Literatur erörtert; dabei gibt es sicher zeitgenössisches Reklamematerial, anhand dessen sich dieser allmähliche Wandel nachvollziehen ließe.

Ich bin dagegen hier auf Vermutungen angewiesen und muss mich daher bei der genauen Zuschreibung zurückhalten. Nicht vereinfacht wird die Sache dadurch, dass auch der Hanomag 3/17 PS zeitweise parallel zu einem stärkeren Schwestermodell gebaut wurde, dem ab 1931 angebotenen Typ 4/23 PS.

Dieser scheint sich von der schwächeren Variante äußerlich nicht unterschieden zu haben.

Somit wäre auch der folgende Wagen ein guter Kandidat für beide Motorisierungen – gute Aussichten hatte er jedenfalls nicht nur, was das geöffnete Verdeck angeht:

Hanomag 3/17 oder 4/23 PS Cabrio-Limousine; Originalfoto aus Familienbesitz (Steffen Meder)

Hier haben wir offensichtlich ein weiteres Beispiel für die leistungsmäßig erstarkte und behutsam modernisierte Version 3/17 PS (bzw. 4/23 PS), nunmehr aus einer Perspektive, welche die neue Gestaltung der Seitenpartie noch besser erkennen lässt.

Zu verdanken habe ich diese seltene Aufnahme einem Leser (Steffen Meder), der den Wagen schon recht genau bestimmt hatte. Reizvoll ist wie so oft in solchen Fällen, dass wir genau wissen, wer auf diesem Foto in dem Hanomag zu sehen ist.

Der Fahrer war Alfred Meder, er arbeitete im Hanomag-Werk. Hinter ihm sitzt seine Frau Frida, der gemeinsame Sohn ist als Beifahrer zu sehen. Das war Steffen Meders Vater Manfred (geboren 1935).

Selten hat man den Fall, dass ein Hanomag-Fahrer auch noch einen persönlichen Bezug zum Hersteller hatte und so bekannt ist, wer einst in dem Wagen unterwegs war.

Was wir indessen – bislang – nicht genau sagen können, ist dies: Handelt es sich bei diesem Wagen um einen Kandidaten für das 3/17 PS-Modell oder eher den parallel gebauten Typ 4/23 PS? Unterschieden sich die beiden irgendwie optisch?

Ich meine, der 3/17 PS hat gute Aussichten, weil er der günstigere war und Alfred Meder als Schlosser bei Hanomag sicher länger zu sparen hatte, bis er sich überhaupt einen Wagen (evtl. gebraucht) leisten konnte.

Sollte ich mit der Typansprache danebenliegen, kann ich mich damit herausreden, dass die guten Aussichten des Kandidaten doch nur auf das offene Verdeck bezogen waren…

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Ein Stück Familiengeschichte: Hanomag „Rekord“ Cabriolet

Anfang des Jahres erreichte mich eine Nachricht, die mir Anlass gab, mich mit Familiengeschichte in zweifacher Hinsicht auseinanderzusetzen.

Das Leitmotiv dabei ist die Erkenntnis, dass man über manche Altvordere gerne mehr wüsste, als das wenige, was an Fakten und Dokumenten überliefert ist – vermutlich hat jeder solche spannenden Fälle in der eigenen Familiengeschichte.

So verhält es sich auch mit Dr. Friedrich Radant, geboren 1890 in Greifswald, den wir heute kennenlernen werden.

Besagter Dr. Radant teilte das Schicksal seiner Generation und diente als Soldat im 1. Weltkrieg, allerdings nicht an der Front, sondern im Lazarett, wo es oft genug ebenfalls um Leben oder Tod ging.

Ab 1920 war er im Städtchen Fröndenberg (Ruhrgebiet) als Gynäkologe im Krankenhaus tätig und war außerdem der örtliche Landarzt. Als solcher war er frühzeitig Autobesitzer und nutzte seine wechselnden Wagen in der knappe Freizeit zum Reisen, bis nach Jugoslawien!

Hier haben wir Dr. Radant in den 1920er Jahren mit seinem Mercedes des Typs 8/38 PS:

Mercedes-Benz 8/38 PS; Originalfoto aus Familienbesitz (Henning Radant)

1938 kaufte sich Dr. Radant ein neues Auto und hier überschneiden sich zwei Familiengeschichten – die der Radants und die des „Rekord“ von Hanomag.

Das seit 1934 gebaute Vierzylindermodell des Maschinenbauers aus Hannover sah gut aus, war von tadelloser Konstruktion und legendärer Zuverlässigkeit – genau das, was sich ein Landarzt wünscht.

Dr. Radant genügten für berufliche und private Zwecke die 35 PS seines „Rekord“ vollauf – die 100km/h Spitze wird er kaum jemals ausgefahren haben. Aber in einer Hinsicht gönnte er sich eine Extravaganz, wie wir am Ende sehen werden.

Er wollte nämlich nicht die ordinäre Limousinenausführung mit der Standard-Stahlkarosserie, die im Presswerk von Ambi-Budd aus der Stanze fiel und auch von Adler verbaut wurde – nein, es sollte ein Cabriolet sein!

Nun könnte man meinen, dass so ein offener Hanomag „Rekord“ nicht gerade extravagant war. Das stimmt zwar, aber um jedem Preis auffallen wollte Dr. Radant wohl auch nicht, es sollte nur nichts ganz Alltägliches sein – und da gab es neben der Werksausführung etwas.

Was das war, werden wir ganz am Ende sehen. Bis dahin befassen wir uns mit den verzweigten „Familienverhältnissen“ des Hanomag „Rekord“ Cabriolets. Dazu lassen wir – in meinem Blog geht das ja bekanntlich – die Geschichte rückwärts ablaufen.

Einige Jahre nach Ende des 2. Weltkriegs nahm jemand an einem unbekannten Ort diese Cabrio-Ausführung des Hanomag „Rekord“ auf:

Hanomag „Rekord“ Cabriolet; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Wären da nicht das Besatzungskennzeichen, und die fehlende Ecke der Stoßstange und die unterschiedlichen Felgen, würde man kaum meinen, dass der Wagen nach dem Krieg fotografiert wurde.

Auch ohne den „Rekord“-Schriftzug auf dem Kühler wäre der Typ an den vier Luftklappen in der Motorhaube zu erkennen – das Sechszylinder-Schwestermodell „Sturm“ besaß stets deren sechs und hatte außerdem einen deutlich längeren Vorderwagen.

Das oben (statt mittig) am Kühler angebrachte Flügelemblem spricht übrigens für die frühe Ausführung des Hanomag „Rekord“ – und dazu hätte auch vorne eine geschlossene statt gelochte Felge gehört.

Doch nach dem Krieg hatten die wenigen verbliebenen Autobesitzer andere Sorgen als die Originalität ihrer fahrbaren Untersätze. Das galt auch für die Insassen eines weiteren in der frühen Nachkriegszeit aufgenommenen Hanomag „Rekord“-Cabriolets:

Hanomag „Rekord“ Cabriolet; Originalfoto aus Sammlung Marcus Bengsch

Man kann hier gut die abweichende Gestaltung des Kühlers bei späten Ausführungen des Hanomag „Rekord“ erkennen. Die fehlenden Radkappen darf man getrost unter Kriegsverlusten verbuchen.

Auffallend ist aber, die nach hinten wie ein Kometenschweif auslaufende seitliche Zierleiste (ursprünglich verchromt). Die gab es beim Werks-Cabriolet nicht, wohl aber bei Manufakturkarosserien wie z.B. von Gläser (Dresden).

Dasselbe Detail begegnet einem auch einige Jahre zuvor auf einer Aufnahme, die eventuell bei einer Instandsetzungseinheit der Wehrmacht enstand:

Hanomag „Rekord“ Cabriolet; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Offenbar war dies ein spätes Exemplar des Hanomag „Rekord“, das ab 1939 vom Fiskus für das Militär beschlagnahmt worden war.

Der „Notek“-Tarnscheinwerfer auf dem Kotflügel und die Blenden auf den Frontleuchten verraten, dass es sich um eine nach Kriegsbeginn entstandene Aufnahme handelt. Das taktische Kennzeichen auf dem Kotflügel deutet auf eine Infanterieeinheit hin.

Ebenfalls im 2. Weltkrieg aufgenommen wurde das folgende Hanomag „Rekord“ Cabriolet, welches mit einer Wehrmachtskolonne eventuell 1941 auf dem Balkan Halt machte:

Hanomag „Rekord“ Cabriolet; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Leider erinnert uns auch die Gegenwart daran, dass kalter und heißer Krieg in der Geschichte Europas eher die Normaliät waren denn die Ausnahme. Wer die Jahre seit 1990 für eine Friedensphase hielt, hat den vier Jahre lang tobenden Jugoslawienkrieg vergessen.

Was die aktuell im Fokus stehende Ukraine betrifft, wird in der englischsprachigen Welt übrigens seit 2014 von Krieg gesprochen. Nur hierzulande hat der blutige Konflikt kaum interessiert, bis Moskau kürzlich eine Invasion zur endgültigen Klärung der Verhältnisse startete und auf einmal unsere Energieversorgung zum Thema wurde.

Zum Glück führt uns unsere Zeitreise mit dem nächsten Foto in eine Phase, die in Europa zumindest äußerlich relativ friedlich war (blendet man den Spanischen Bürgerkrieg aus):

Hanomag „Rekord“ Cabriolet; Originalfoto aus Sammlung Klaas Dierks

Diese schöne Urlaubsaufnahme transportiert uns an den Gardasee – schon vor dem 2. Weltkrieg eines der beliebtesten Ziele deutscher Touristen in Oberitalien.

Eine Aussage darüber, ob wir es mit einem Werks-Cabriolet oder einer Manufakturausführung zu tun haben, lässt sich hier nicht treffen. Interessant ist aber, dass dieser Wagen schon den modernisierten Kühler der späten Ausführung besitzt, aber noch die alten Felgen ohne Lochung hat.

Wem das bisher alles zu konventionell war und wer bislang vergeblich auf die eingangs angekündigte „spannende“ Familiengeschichte des Hanomag „Rekord“ Cabriolets wartete, der kommt gleich auf seine Kosten. Dann begegnen wir auch Dr. Radant wieder.

Zuvor muss ich aber tief in meinem Fundus kramen und ein auf den den ersten Blick wenig erbauliches Dokument präsentieren, das ich vor langer Zeit schon einmal besprochen habe.

Das Originalfoto war völlig verblasst und es hat mich einige Zeit gekostet, es wieder einigermaßen vorzeigbar zu machen:

Hanomag „Rekord“ Cabriolet; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Erst im Zuge der Restaurierung des Fotos tauchte aus dem Hintergrund die Burganlage auf, die ich aus eigener Anschauung kenne – es ist Schloss Eisenbach im Vogelsberg.

Noch großartiger als diese romantische Örtlichkeit, die selbst in meiner nicht weit davon entfernt gelegenen Region viele gar nicht kennen, ist freilich der Hanomag „Rekord“ in der eleganten Cabriolet-Ausführung von Hebmüller.

Diese zeichnet sich durch eine Reihe Besonderheiten aus: fünf statt nur nur vier Luftklappen in der bis direkt vor die Windschutzscheibe reichenden Motorhaube, seitliche „Schürzen“ an den Vorderkotflügeln und Zierleisten um den Radausschnitt herum.

Selbige Details finden sich auf einer weiteren Aufnahme des einst im Vogelsberg abgelichteten Wagens wieder. Die Qualität des Abzugs lässt zwar ebenfalls zu wünschen übrig, dennoch erkennt man, dass dieses Cabriolet auf Basis des Hanomag „Rekord“ eine Klasse für sich war:

Hanomag „Rekord“ Cabriolet; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Wo bleibt bei diesem sinneverwirrenden Trip nun Dr. Radant? Keine Sorge, der Doktor kommt in seinem Wagen noch zur rechten Zeit und bringt die Sache zu einem glücklichen Abschluss.

Denn ihm sagte seine Erfahrung, dass im Fall der grassierenden offenen Hanomag-„Rekord“-Variante nur ein Mittel Abhilfe schaffen könne – kein Standard-Präparat, sondern ein von Könnern entwickeltes individuelles „Heilmittel“.

Das war damals tatsächlich seitens der Firma Hebmüller verfügbar und wie wir gesehen haben, zeitigte es die erfreulichsten Resultate.

So kam es, dass Dr. Radant der Hebmüller-Lösung des Cabriolet-Problems von Hanomag klar den Vorzug gab – und mit diesem profunden Minderheitsvotum hat er aus meiner Sicht am Ende recht behalten:

Hanomag „Rekord“ Cabriolet; Originalfoto aus Familienbesitz (Henning Radant)

Sicher, die zwei statt drei Türscharniere unterscheiden Dr. Radants Hanomag „Rekord“ von dem zuvor gezeigten Hebmüller-Cabriolet, aber das würde ich nicht überbewerten. Alle anderen wesentlichen Details stimmen überein, insbesondere die eigenwilligen Zierleisten um den Radausschnitt und enlang der Kotflügelunterkante.

Dr. Radant erwarb seinen Hanomag 1938 – wohl gebraucht, da zu diesem Zeitpunkt bereits die gelochten Felgen Standard waren. Doch an diesem Wagen ist so wenig Standard, dass vielleicht auch die Räder von der Serie abwichen. Ich hätte diese Ausführung ebenfalls bevorzugt.

Was aber wurde aus dem schönen Auto? Nun, Dr. Radant konnte seinen Hanomag bis Kriegsende weiterverwenden, als Landarzt musste er mobil sein. Am Ende kassierte jedoch nicht die Wehrmacht den Wagen, sondern die britischen Besatzungstruppen fanden Gefallen daran und brachten Dr. Radant entschädigungslos um sein Eigentum.

Er hatte sich nichts zuschulden kommen lassen, aber in der rechtlosen Phase der frühen Nachkriegszeit setzte sich der Stärkere durch. Das ist der Lauf der Dinge, es wäre naiv, etwas anderes zu erwarten (wir haben die Lehren der Geschichte bloß vergessen).

Viel Zeit blieb Dr. Radant nicht mehr, den Verlust seines Hanomag „Hebmüller“-Cabriolets zu bedauern. Zwar praktizierte er nach dem Krieg wieder als Arzt, doch starb er schon 1948 mit nur 58 Jahren.

Wer weiß, vielleicht hätte er irgendwann seinen Hanomag zurückbekommen. Doch so blieben von dem Auto nur Erinnerungen und einige verblassende Fotos.

Dass ich eines davon heute vorstellen und an das Leben von Dr. Radant erinnern durfte, das verdanke ich seinem Enkel Henning Radant, der mir über seinen Großvater erzählt hat, was er noch weiß.

Leider hat er ihn nie kennengelernt, er hätte so viele Fragen an ihn gehabt. Wer kennt das nicht? Alte Autofotos erinnern uns daran und vielleicht nimmt der eine oder andere es zum Anlass, ebenfalls ein Stück Familiengeschichte für die Nachkommen festzuhalten.

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Karosserievielfalt: Hanomag Sturm Limousine und Cabrio

Der Hanomag „Sturm“, das 1934 eingeführte 6-Zylinder-Spitzenmodell der Marke, wurde nach meinem Eindruck meist mit geschlossenen Aufbauten verkauft, die von der Berliner Karosseriefirma Ambi-Budd geliefert wurden.

Dieser Hersteller war auf industriell gefertigte Ganzstahlaufbauten spezialisiert, die nach US-Vorbild in großen Serien entstanden. Eine sonderlich vielfältige Gestaltung erwartet man hier nicht gerade.

Doch ging beides bis zu einem gewissen Grad zusammen und ergab ein trotz Großserie durchaus abwechslungsreiches Bild.

Vorführen will ich dies heute anhand einer ganzen Reihe von Fotos des Hanomag „Sturm“, an deren Ende jedoch eine Cabriolet-Ausführung steht, die ich noch nicht einordnen kann. Beginnen wir mit einem ganz konventionellen geschlossenen Exemplar:

Hanomag „Sturm“, viertürige 6-Fenster-Limousine von Ambi-Budd; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Hier sehen wir die wohl häufigste Variante des Hanomag „Sturm“ – die viertürige Limousine mit sechs Seitenfenstern.

Dieser von Ambi-Budd gefertigte Aufbau wurde parallel auch von Adler beim Modell „Diplomat“ verwendet, weshalb sich die beiden Wagen von der Seite recht ähnlich waren.

Ein interessanter Unterschied betrifft allerdings die Zahl der Fenster. So sind mir vom Adler „Diplomat“ bislang nur viertürige Limousinen mit vier statt sechs Seitenfenstern bekannt. Das verlieh dem Adler eine fast coupéhafte Anmutung, die ich sehr ansprechend finde:

Adler „Diplomat“, viertürige 4-Fenster-Limousine; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Trotz Verwendung der identischen Karosserie von Ambi-Budd findet sich die viertürige Limousine des Hanomag „Sturm“ nach meinem Eindruck immer mit sechs Fenstern wie auf dem eingangs gezeigten Foto.

Diese Ausführung wurde wiederholt auch in Reklamen von Hanomag wie beispielsweise dieser hier reproduziert:

Hanomag „Sturm“, viertürige 6-Fenster-Limousine von Ambi-Budd; Originalreklame ab 1936 aus Sammlung Michael Schlenger

Die zusätzliche Luftklappe hinter der Motorhaube findet sich beim Hanomag „Sturm“ des öfteren. Dabei handelte es sich nicht um eine weitere Klappe zum Ableiten erwärmter Luft aus dem Motorraum, sondern eine gegenläufig zu öffnenden Klappe zur Belüftung des Innenraums, die ein Extra gewesen zu sein scheint.

Ambi-Budd baute auch eine ähnliche Karosserie mit nur zwei Türen, die beim Hanomag „Sturm“, nicht aber beim Adler „Diplomat verwendet wurde. Diese Variante stellte dann ein tatsächliches Coupé dar.

Ein solches Exemplar, welches zudem einen kürzeren Radstand aufzuweisen scheint und aus meiner Sicht attraktiver war als der massige Viertürer, ist auf dem folgenden charmanten Foto zu sehen:

Hanomag „Sturm“, zweitürige 4-Fenster-Limousine von Ambi-Budd; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Gut zu erkennen sind hier übrigens die vom Adler „Diplomat“ deutlich abweichenden Radkappen des Hanomag-Modells, deren Größe besser zu den Dimensionen des Wagens passen und die dank der Vollverchromung einen willkommenen Glanzeffekt liefern.

Von wahrscheinlich demselben Wagen habe ich später eine weitere Aufnahme gefunden, die offenbar nach Kriegsausbruch im Jahr 1939 entstanden ist, wie die Verdunkelungsschlitze der Frontscheinwerfer erkennen lassen.

Hanomag „Sturm“, zweitürige 4-Fenster-Limousine von Ambi-Budd; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Der im Raum Berlin (Kürzel „IA“) zugelassene Wagen war von der Beschlagnahme für das Militär verschont geblieben, weil der Besitzer ein nicht abweisbares Bedürfnis nachweisen konnte.

Kenntlich gemacht wurde dies mit einem roten Winkel auf dem Nummernschild, den man auf obiger Aufnahme zwischen der Identifikation „IA“ und der laufenden Nummer erkennen kann.

Der zwar geneigte, aber flache Kühler findet sich – wenn ich es richtig sehe (thematisiert wird dies in der Literatur zu Hanomag-PKWs nirgends) – bei frühen Exemplaren des Modells (1934/35). Später findet sich eine stärker gewölbte Ausführung, die hier gut zu studieren ist:

Festzuhalten für später ist die Position des Griffs an der Motorhaubenseite sowie der dahinter befindlichen Haubenhalterung, von der hier nur der verchromte Zuggriff zu sehen ist. Links davon befindet sich die typische Ambi-Budd-Plakette – ein abgerundetes Dreieck mit mit den Buchstaben ABP.

Das Emblem begegnet uns auf einer Postkarte wieder, die nun eine von Amb-Budd angebotene Cabriolet-Ausführung zeigt. Diese wurde auf der Internationalen Automobil- und Motorrad-Ausstellung (IAMA) in Berlin 1935 präsentiert:

Hanomag „Sturm“ Cabriolet, frühe Version von Ambi-Budd auf der IAMA 1935 in Berlin; Ausschnitt aus originaler Postkarte aus Sammlung Michael Schlenger

Hier findet sich noch die erwähnte flache Ausführung des Kühlergrills, die 1936 einer gewölbten gewichen zu sein scheint. Die gesamte Frontpartie scheint – wie man es auch erwarten würde – bis ins Detail derjenigen der Limousine zu entsprechen.

Wichtig für die weitere Betrachtung ist der Verlauf der in Wagenfarbe gehaltenen Zierleiste entlang der Flanke, die nach hinten leicht abfallend bis zum angesetzten Kofferraum reicht.

Genau diese Ausführung des Hanomag „Sturm“ mit Cabriolet-Aufbau von Ambi-Budd fand ich auf einem Foto aus dem Zweiten Weltkrieg, das einen solchen Wagen in Wehrmachts-Diensten zeigt:

Hanomag „Sturm“ Cabriolet von Ambi-Budd im Zweiten Weltkrieg; Ausschnitt aus Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Das auf der IAMA 1935 gezeigte Cabriolet von Ambi-Budd war demnach nicht nur ein Einzelstück auf Basis des Hanomag „Sturm“ zur Illustration des Karosseriestils, sondern wurde in dieser Ausführung auch von Hanomag verkauft .

Während soweit die Dokumentation der unerschiedlichen, für den Hanomag „Sturm“ erhältlichen Standardaufbauten von Ambi-Budd unproblematisch ist, stellt sich das im Fall der folgenden Aufnahme anders dar, welche mir Leser Marcus Bengsch zur Verfügung gestellt hat:

Hanomag „Sturm“, späte Version des Cabriolets von Ambi-Budd; Originalfoto aus Sammlung Marcus Bengsch

Die oben erwähnten Details wie Haubengriff- und -halter, Luftklappen und Radkappen finden sich genau so wieder. Auch meint man eine gewölbte Kühlerfront zu erkennen, an der sich schemenhaft das Hanomag-Emblem abzeichnet.

An der Ansprache des Cabriolets als Hanomag „Sturm“ ab 1936 auf dem Foto von Marcus Bengsch besteht demnach aus meiner Sicht kein Zweifel. Allerdings bereitet die Gestaltung der Seitenpartie Schwierigkeiten, weicht sie doch deutlich von der oben gezeigten Ambi-Budd-Version ab.

Zwar erwähnt die Literatur neben Ambi-Budd mehrere Hersteller offener Aufbauten auf Basis des Hanomag Sturm, doch keine der dort abgebildeten Wagen will passen.

Die nähere Betrachtung der wie ein Kometenschweif geformten, nach hinten abfallenden Zierleiste an der Flanke brachte mich zunächst auf die Idee, dass es sich vielleicht um eine seltene Cabriolet-Ausführung von Gläser handeln könnte:

Bei Gläser-Aufbauten der zweiten Hälfte der 1930er Jahre findet man dieses Gestaltungselement öfters. Allerdings war die seitliche Zierleiste bei den mir bekannten Gläser-Karosserien stets verchromt, während sie hier in Wagenfarbe gehalten ist.

Jedoch ist denkbar, dass wir es mit einem später umlackierten Fahrzeug zu tun haben, das erst nach nach dem Zweiten Welkrieg aufgenommen wurde. Möglicherweise handelt es sich um einen Wagen, der zwischenzeitlich eine militärische Lackierung erhalten hatte, für die man um der besseren Haltbarkeit des Lacks willen die Chromschicht der Zierleiste abgeschliffen hatte.

Das würde erklären, weshalb diese Partie hier in Wagenfarbe erscheint, während die vollverchromten Scheinwerfer aus Altbestand nachgerüstet worden sein dürften – jedenfalls fanden sich diese nach meiner Wahrnehmung so nicht am Hanomag „Sturm“.

Eine zwischenzeitliche Karriere bei der Wehrmacht könnte auch die Ursache der Beschädigung der Karosserie im Bereich des hinteren Türendes gewesen sein, die ich mir nur mit einem Unfall erklären kann.

Mehr vermag ich leider auf dem derzeitigen Kenntnisstand nicht zu diesem interessanten Cabriolet auf Basis eines späten Hanomag „Sturm“ zu sagen. Wie immer interessiert mich die Meinung von Lesern, die eventuell mehr dazu sagen können.

Nachtrag: Leser Gerd Klioba verwies mich auf die Aufnahme eines solchen Cabriolets (hier), dessen Aufbau ebenfalls von Ambi-Budd stammt – wie es scheint, wies die spätere Ausführung die erwähnte Gestaltung der Zierleiste auf, die mich zunächst an Gläser denken ließ.

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Fund(e) des Monats: Hanomag „Sturm“ Roadster

Der Fund des Monats Oktober fällt in mehrfacher Hinsicht aus dem Rahmen: So ist es nicht nur ein außergewöhnliches Auto, das ich ins Rampenlicht stelle, es sind gleich mehrere.

Diese wiederum repräsentieren grundsätzlich denselben Typ, unterscheiden sich aber in etlichen Details. Nicht zuletzt bleibt bei einem der Wagen die Identität unsicher, was einmal mehr sachkundige Leser auf den Plan rufen könnte.

Beginnen möchte ich mit einem Traumwagen, den langjährige Freunde meines Blogs sicher nicht vergessen haben – diesen offenen Hanomag des Sechszylindertyps „Sturm“:

Hanomag „Sturm“, offener Zweisitzer; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Der hinreißend gezeichnete Wagen wurde im August 1936 an der Ostsee fotografiert. Unglaublich, dass sich bis heute nicht klären ließ, wer der Hersteller dieser rassigen Karosserie war – leider ist es um die Hanomag-Traditionspflege nicht gut bestellt.

Gewiss, man begegnet auf zeitgenössischen Aufnahmen bisweilen Sport-Zweisitzern, die auf den ersten Blick ähnlich erscheinen.

Die dünne Literatur zur PKW-Prroduktion von Hanomag nennt und zeigt immerhin einen Roadster auf Basis des Hanomag „Sturm“, der von Hebmüller gefertigt wurde, auch Gläser-Ausführungen sind bekannt.

Hier haben wir vermutlich ein solches Exemplar, aufgenommen beim Tankstellenhalt an der Autobahn im Alpenraum:

Hanomag „Sturm“ Sport-Zweisitzer; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Doch dieser Wagen und auch weitere auf zeitgenössischen Abbildungen überlieferte Sport-Zweisitzer auf Basis des Hanomag „Sturm“ besitzen zwei Reihen schrägstehende Luftschlitze in der Haube – ganz anders als das an der Ostsee aufgenommene Exemplar.

Dort ist auch der eigentlich roadster-typische Türausschnitt nur angedeutet. Das unter einer Persenning untergebrachte dünne Notdach weist den Wagen dennoch der Gattung Roadster zu.

Vielleicht lässt sich ja irgendwann noch klären, wer den mysteriösen, aber wunderbaren Hanomag am Ostseestrand einst so vorteilhaft abgelichtet hat.

Wer mit meinem Tankstellenfoto nicht ganz zufrieden ist und genau wissen will, wie ein von Hebmüller in sinnlich fließendes Blech eingekleideter Hanomag „Sturm“ Roadster aussah, dem kann geholfen werden. So sandte mir Peter Steenbuck vor längerer Zeit das hier zu:

Hanomag „Sturm“ Roadster (Karosserie Hebmüller); Originalfoto aus Sammlung Peter Steenbuck

Man mag von der konservativen Technik der Hanomag-Personenwagen halten, was man will – stilistisch war das eines der attraktivsten deutschen Autos der 30er Jahre.

Gerade weil die Marke aus Hannover nicht annähernd das Prestige von Horch oder Mercedes-Benz besaß, ist es interessant zu sehen, dass man offenbar eine Marktnische für ein solchen „Feger“ sah – ich hätte ihn ebenfalls jedem etablierten Luxuswagen vorgezogen.

Doch wer meint, dass man damit nur auf den Boulevards einen glänzenden Auftritt hinlegen konnten, kennt dieses großartige Pressefoto noch nicht, das im Sommer 1938 bei der Ostpreußenfahrt entstand:

Hanomag Roadster (Karosserie Hebmüller); Fotograf: Schmeling, 15.8.38, Nr. AV 5752.11; originales Pressefoto aus Sammlung Michael Schlenger

„Nasse Herausforderung für den Sportwagen“ steht auf der Rückseite des Abzugs und das bringt es treffend auf den Punkt.

Bei der Durchfahrt dieser Fuhrt galt es schnell zu sein, bevor Wasser in den Motorraum eindringen konnte und in die Nähe von Zündverteiler oder Ansaugtrakt gelangen konnte.

Der Kommentar hebt eigens die „Fahrerin der NSKK-Motorgruppe Ostland“ hervor, welche die Ostpreußenfahrt 1938 ausrichtete. Dabei handelte es sich um eine der zahlreichen Langstrecken- und Geländeprüfungen, an denen damals alle wichtigen deutschen Hersteller teilnahmen.

Heroischer Einsatz von Mensch und Maschine kamen der Propaganda des nationalsozialistischen Regimes sehr entgegen, und so nahmen in der Regel auch Vertreter des Militärs daran teil.

Einen ernsthaften Beitrag zur Entwicklung kriegstauglicher PKW erwartete freilich niemand – dazu war das Reglement zu beliebig. Für den Bedarf der Armee arbeitete man längst an standardisierten Konzepten mit Allradantrieb, Vierradlenkung und großer Bodenfreiheit.

So stellte auch der Einsatz von seriennahen Wagen wie dem Hanomag-Roadster bei der Ostpreußenfahrt letztlich ein prestigeträchtiges Spektakel dar – vergleichbar etwa der traditionsreichen Rallye Monte Carlo mit einigen Anleihen beim britischen Trial-Sport.

Übrigens erlaubt die Pressaufnahme nur die Ansprache des Wagens als Hanomag. Der genaue Typ – „Sturm“ oder „Rekord“ – muss aus meiner Sicht offenbleiben, da der Typenschriftzug auf dem Kühler nicht sichtbar ist.

Zwar mag man argumentieren, dass Hanomag hier wohl eher mit dem 50 PS leistenden „Sturm“ antrat als mit dem weit schwächeren Vierzylindermodell „Rekord“. Doch ausweislich der Literatur gab es diesen zumindest 1934 ebenfalls als Sport-Zweisitzer.

Allerdings ist mir noch nie ein Foto davon begegnet. So darf man wohl als Arbeitshypothese den „Sturm“ als wahrscheinlichsten Kandidaten ansetzen, der sich äußerlich vor allem durch seine wesentlich längere Motorhaube vom „Rekord“ unterschied.

Das ist natürlich nur bei Aufnahmen nachvollziehbar, bei denen der Wagen von der Seite zu sehen ist.

Auch damit kann ich aufwarten, und zwar auf einem Foto, das seinesgleichen sucht. Denn hier sehen wir, was sich auf dem anlässlich der Ostpreußenfahrt aufgenommenen Hanomag unter der Wasserlinie verborgen haben könnte:

Hanomag „Sturm“ Roadster (Karosserie Hebmüller); Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Die eleganten Linien dieses Hanomag „Sturm“-Roadsters mit endlos wirkender Motorhaube stehen in denkbar großem Gegensatz zu den wuchtigen Reifen mit (vor allem hinten) ausgeprägtem Stollenprofil.

Wer auch immer der Besitzer dieser Schöpfung war, meinte es offenbar ernst, was die Geländetauglichkeit angeht.

Ein Spritzlappen am Ende des Vorderkotflügels sollte verhindern, dass Schlamm oder Schotter den Innenraum erreichen (oder den glänzenden Lack ruinieren). Ein massives Blech an der Front sorgte für den Schutz von Kühler, Lenkgestänge und Vorderrädern.

Was so martialisch daherkommt, weist sich durch die Chromradkappen und sonstigen Zierrat als ansonsten unverändertes Zivilfahrzeug aus – man könnte sich vorstellen, dass der Besitzer den Hanomag für Sportveranstaltungen eigens so herrichtete und ansonsten den eleganten Auftritt pflegte.

Ob die beiden Buben im Auto zur Familie gehörten oder für einen Moment so tun durften, als gehörten sie dazu, wissen wir ebensowenig wie den Namen des Besitzers dieses Exemplars oder auch der übrigen heute präsentierten Wagen des Typs Hanomag „Sturm“ Roadster.

Dabei müssen doch speziell die sportlich eingesetzten Ausführungen mehr Spuren hinterlassen haben als diese paar Fotos.

Meines Wissens gibt es zu dem zeitgeschichtlichen Phänomen der Geländesport- und Langstreckenfahrten im Dritten Reich keine umfassende literarische Aufarbeitung, obwohl zeitgenössische Illustrierte vermutlich jede Menge Material dazu bieten.

Bald 100 Jahre später ist es vielleicht an der Zeit, die deutsche Vorkriegsgeschichte betreffenden Neurosen allmählich hinter sich zu lassen und Historie als solche zu behandeln. Ich sehe jedenfalls keinen Grund, weshalb man sich mit diesen populären und zugleich politisch unterstützten Materialschlachten nicht in allen Facetten nähern sollte.

Die Teilnehmer dürften ungeachtet der hinreichend bekannten Zeitumstände ihren Spaß daran gehabt haben, warum sollte das heute nicht heute auch erlaubt sein?

© Michael Schlenger, 2021. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and https://vorkriegs-klassiker-rundschau.blog with appropriate and specific direction to the original content.