Neu entdeckt: DeSoto „Series SC Six“ von 1932

Zur Beschäftigung mit Vorkriegsautos gehört die Entdeckerfreude, zu der es bei jüngeren Fahrzeugen nur noch selten Anlass gibt.

Das liegt schon an der ungeheuren Anzahl der Hersteller und Modelle, um die es geht: Allein in den USA zählt man über 5.000 Fabrikate – wobei die meisten rasch eingegangen sind, teilweise nur einen Prototypen gebaut oder nur einen Prospekt gedruckt haben.

Dennoch geht selbst die Zahl der Autobauer, die einst zumindest eine Weile am Markt aktiv waren, weltweit in die Tausende.

Die Größenordnung der beteiligten Erfinder und Unternehmer ist ein wesentlicher Faktor bei dem rasanten Entwicklungstempo in der automobilen Frühzeit. Fünf Jahre entsprachen bis in die 1930er Jahre einer ganzen Autogeneration.

Vorzüglich illustrieren lässt sich dies anhand eines Beispielfotos, das mir Leser Klaas Dierks schon vor längerem zugesandt hat, das ich aber erst kürzlich neu entdeckt habe. Es zeigt einen Wagen, der vor gut 90 Jahren entstand – anno 1932.

Was sehen Sie vor dem geistigen Auge, wenn Sie sich ein Automobil jener Zeit vorstellen? Ich meine damit keine bestimmte Marke oder ein spezielles Modell, sondern allgemein das Erscheinungsbild. Vielleicht etwas in dieser Art?

DeSoto Series CF Eight von 1930/31; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Klar, so sieht ein typischer „Oldtimer“ aus, würden die meisten Zeitgenossen wohl sagen. Vielleicht würden sie dabei auf die späten 1920er Jahre tippen, was stilistisch auch passt.

Tatsächlich war diese repräsentative Limousine mit sechs Seitenfenstern erst 1929 entwickelt worden – für eine im selben Jahr neu geschaffene Marke des amerikanischen Chrysler-Konzerns.

Für deren Namen hatte man in den Marketing-Etagen in Detroit einen spanischen Eroberer neu entdeckt: „Hernan DeSoto“, mit dem man in den Staaten vermutlich nicht mehr verband als die Entdeckung des Mississippi.

In den politisch hyperkorrekten Zeiten von heute wäre das ein absolutes Unding – das wäre so, als ob man ein Lastenrad nach Francisco Pizarro benamte, weil es halt exotisch klingt.

Der „DeSoto“ dagegen schlug ein am Markt wie – ja wie ein Eroberer! Bis dato war es keiner neuen Automarke in den USA gelungen, im ersten Jahr über 80.000 Autos abzusetzen. Soviel zum Thema Dynamik in der damaligen Autoindustrie.

Allerdings muss ich zugeben, dass ich DeSoto nach Vorstellung des einst in Hessen zugelassenen Achtzylinder-Wagens der Marke ein wenig aus den Augen verloren habe. Nur sporadisch werden Sie in meinem Blog Spuren davon finden.

Dieser Tage jedoch habe ich DeSoto neu entdeckt – kurioserweise bei der Recherche nach einem mutmaßlich belgischen Automobil aus der Zeit vor dem 1. Weltkrieg.

Beim Durchblättern des Standardwerks „Le Grand Livre de l’Automobile Belge“ von Kupélian/Sirtaine begegnete mir ein Fahrzeug, das mich spontan an dasjenige auf diesem Foto von Leser Klaas Dierks erinnerte:

DeSoto Series SC Six; Originalfoto: Sammlung Klaas Dierks

Was meinen Sie, von wann dieses Auto stammt? Mitte bis Ende der 1930er Jahre?

Leider daneben. Dieser DeSoto entstand praktisch direkt nach dem konservativ daherkommenden Achtzylinder-Wagen auf dem eingangs gezeigten Foto.

1932 brachte man ein neues Modell heraus, das zwar „nur“ einen Sechszylinder besaß, der aber mit nunmehr 75 PS stärker war als der Achtzylinder. Äußerlich das hervorstechendste Merkmal war freilich der Rundkühler, der bis Ende der 1930er Jahre modern bleiben sollte.

Diesen hatte man sich laut Literatur beim legendären Miller-Rennwagen der 1920er Jahre abgeschaut – einem in den USA enorm erfolgreichen Monoposto. Im alten Europa findet sich eine sehr ähnliche Kühlergestaltung bei der belgischen Marke PM im Jahr 1925.

Das erklärt, weshalb ich bei meiner Recherche nach einem belgischen Fabrikat nebenbei den DeSoto neu entdeckt hatte – die Abbildung des PM erinnerte mich daran.

Zu dem DeSoto auf dem Foto von Klaas Dierks ist noch zu sagen, dass dieser das Modelljahr 1932 repräsentiert:

Schon im Jahr darauf gab es nicht nur äußerlich Änderungen gegenüber dem 1932 eingeführten Modell , auch unter der Haube sollte sich noch einiges tun: Der Motor leistete nun über 90 PS aus 3,6 Litern Hubraum. Der Achtzylinder war zwischenzeitlich eingestellt worden.

Erwähnenswert sind des weiteren das vollsynchronisierte Getriebe mit geräuscharmen schrägverzahnten Zahnrädern, die Startautomatik sowie optionale Heizung und Radio.

Hydraulische Bremsen und ebensolche Stoßdämpfer, gummigelagerter Motor und Ganzstahlkarosserie rundeten das Bild eines zeitgemäßen US-Wagens ab. Leider liegt mir bislang noch kein Foto der Version von 1933 vor.

Vielleicht geht ja nochmals jemand seinen Fotofundus durch, sodass auch die überarbeitete Fassung dieses bemerkenswerte Fahrzeug hier „neu entdeckt“ werden kann!

Michael Schlenger, 2023. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and https://vorkriegs-klassiker-rundschau.blog with appropriate and specific direction to the original content.

7 Gedanken zu „Neu entdeckt: DeSoto „Series SC Six“ von 1932

  1. Hier ist links unten das Reklamebild, wie Mrs. McMein ihre Hand auf den fast zylindersegmentförmigen Kühler des SC legt – mit dem Text „We fell in love at first sight“:

    https://www.classiccarcatalogue.com/DE_SOTO_1932.html

    Dazu mehr vom SD im Folgejahr, auch wieder mit den Karosserievarianten und Werbung :

    https://www.classiccarcatalogue.com/DE_SOTO_1933.html

    Auf Spanisch hier die Markenhistorie im Überblick :

    https://www.carrosyclasicos.com/historia/item/1865-desoto-1928-1961

  2. Besten Dank, auch für den Hinweis auf Frau McMein, das war mir neu. Die 1933er Facelift-Version kann ich hoffentlich auch einmal zeigen, da fließen dann wieder ganz andere Tendenzen ein…

  3. Mit diesem Bild des SC 6-Window Sedan haben Sie mir eine ganz große Freude bereitet ! Daß es mit der neuen Chrysler-Marke DeSoto auf Anhieb gelang, 80.000 Stück abzusetzen, lag auch an der preislichen Positionierung. So gab es den DeSoto SC schon ab $ 675.- ; die viertürige Limousine wurde für $ 765.- angeboten, und das hier präsentierte Exemplar mit je 3 Seitenfenstern kostete in der deLuxe-Ausstattung $ 960.- Zudem wurde schon ab 1931 Neysa McMein als „Markenbotschafterin“ für DeSoto gewonnen und so auch Frauen als Zielgruppe umworben. Was die Fortführung der Rundkühlerform aus dem Rennwagensport wie dem Miller-Monoposto betrifft, würde ich noch den DuPont Speedster beiziehen, mit dem Mary Pickford und Douglas Fairbanks auf Hollywoods Boulevards Aufsehen erregten.
    Zum Nachfolgemodell SD, den man heute als Facelift bezeichnen würde, kann ich nur mit einem Internetverweis weiterhelfen :

    https://www.hemmings.com/stories/article/1933-de-soto-standard-sedan

    Der Kühlergrill wurde schildförmiger, wie später bei Wanderer (W24, W23 u.a.), was man rund um die Anlasserkurbelaufnahme gut erkennen kann, denn beim SC verliefen die seitlichen Einfassungen senkrecht sowie auch im unteren Abschluß
    geradlinig.

  4. guten tag
    vielen dank für die immer tollen artikel….

    mein grossvater fuhr wohl anfangs dreissiger jahre in der schweiz auch einen de soto und ich habe noch ein tolles (digitales) foto welche die zeit überlebt hat…. ich versuche es ihnen zur freien verfügung zuzustellen…
    freundliche grüsse
    michael

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