Jetzt mit sieben Extra-PS! Steyr Typ 30 S Cabriolet

Heute darf ich mich nicht verzählen, denn es kommt auf jede Pferdestärke an und ich weiß, dass die Spezialisten für die österreichische Marke Steyr ebenfalls genau hinsehen werden, wenn ich etwas zu „ihrem“ Thema berichte.

Schaun wir mal, wie lange es dauert, bis man mir einen Fehler nachweisen kann. Allerdings bin ich mir meiner Sache sehr sicher und daher gehe ich kühn mit der These von sieben Extra-PS beim Steyr 30 S ins Rennen.

Dieses Modell war eine leistungsgesteigerte Version des seit 1930 gebauten Mittelklassemodells Steyr XXX, der mit seinem knapp 2,1 Liter messenden 6-Zylindermotor gut am heimischen Markt aufgenommen wurde, aber auch im Ausland Anklang fand.

Gegenüber dem ein Jahr später vorgestellten, ebenfalls sechszylindrigen Mercedes-Benz 170 (W15) war der Steyr das größere und leistungsfähigere Auto. Mit etwas mehr als 2.000 in zwei Jahren gebauten Exemplaren blieb der Verkaufserfolg von Steyr aber geringer.

1932 legte man nach und präsentierte den Nachfolger Steyr Typ 30 S. Dieser wartete mit einigen zusätzlichen PS auf und glänzte mit serienmäßigem Chromzierat wie einer Doppelstoßstange nach US-Vorbild sowie prächtigen großen Radkappen:

Steyr Typ 30 S; Originalfoto: Sammlung Matthias Schmidt (Dresden)

Der 6-Fenster-Aufbau macht aus dem Wagen eine ziemlich beeindruckende Erscheinung.

Daneben gab es eine Reihe offener Versionen, darunter ein schickes 2-türiges Cabriolet. Dieses ist nicht zuletzt deshalb interessant, weil es waagerechte statt vertikale Luftschlitze in der Motorhaube aufwies. Dadurch wirkte das Auto gestreckter und eleganter.

Ein passendes Foto zur Illustration fehlte mir bis dato in meinem Fundus – doch Steyr-Spezialist Thomas Billicsich aus Österreich stellte mir bereits vor längerem eine passende Aufnahme aus seinem Fundus für meine Markengalerie zur Verfügung:

Steyr Typ 30 S Cabriolet; Originalfoto: Sammlung Thomas Billicsich (Österreich)

Nun mögen die mir bisher wohlgesonnenen Experten einwenden, dass der 1932 eingeführte Nachfolgetyp 30 S gegenüber dem Steyr XXX doch in Wahrheit nur fünf extra Pferdestärken aufwies – nicht deren sieben, wie im Titel angekündigt.

Tatsächlich findet sich auch in der Literatur (z.B. Martin Pfundner: Austro-Daimler und Steyr, 2007) nur die Angabe von 45 PS beim Typ 30 S, während für das Vorgängermodell XXX stets 40 PS angegeben werden.

Dennoch möchte ich auf den sieben extra Pferdestärken beharren, mit denen der Steyr Typ 30 S daherkam – zumindest in einem sehr speziellen Fall.

Der Beweis findet sich auf einer zeitgenössischen Aufnahme, auf welcher der Steyr trotz seiner achtbaren Erscheinung nur eine Rolle am Rande spielt. Obwohl es sich um die Ausführung als viertüriges Cabriolet handelt, erscheint der Wagen geradezu zwergenhaft:

Steyr Typ 30 S 4-türiges Cabriolet; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Die Rassepferde stellen den Wagen hier dermaßen in den Schatten, dass ich diesen anfangs für eine Variante des kompakten Frontantriebstyps V5 von Stoewer hielt.

Doch handelt es sich tatsächlich um einen Steyr 30 S, der in dieser Situation die (zumindest optische) Verstärkung um jene sieben Pferdestärken erhielt, welche ich angekündigt hatte.

Jetzt können die Steyr-Freunde erleichtert aufatmen: null Fehler im mit Hindernissen gespickten Vorkriegs-Parcours, so hoffe ich jedenfalls.

Werfen wir noch einen Blick auf den Wagen selbst, so gut es geht – die edlen Vierbeiner erfordern eine respektvolle Annäherung:

Man sieht hier gerade genug, um den Steyr als 4-türiges Cabriolet ansprechen zu können – die Türen waren an der Mittelsäule angeschlagen, weshalb der hintere Türgriff spiegelverkehrt zum vorderen montiert ist.

Wie schon beim zweitürigen Cabrio erkennt man die horizontal verlaufenden Haubenschlitze, die offenbar erst beim Typ 30 S auftauchen. Bei der Gelegenheit sei festgehalten, dass dieser Steyr wie das zweite Auto im Hintergrund deutsche Kennzeichen trug – die Marke hatte von jeher auch in Deutschland überzeugte Anhänger.

Nicht verkneifen kann ich mir eine Bemerkung zu dem Herrn auf dem Pferd am rechten Rand – er scheint mit der Situation nicht ganz glücklich zu sein. Man könnte nun vermuten, dass ihm die Stellung hoch zu Ross nicht behagt:

Doch der Grund könnte auch der sein, dass ihm seine Nachbarin gerade eröffnet hat, dass sie die Besitzerin des Steyr-Cabriolets sei und den Wagen wärmstens empfehlen könne.

Dass dies dem wackeren Rittersmann nicht geschmeckt haben dürfte, hat einen einfachen Grund: Er besaß nämlich genau so einen Mercedes-Benz 170, wie ich ihn eingangs erwähnt hatte- zwar auch mit 6 Zylindern und formidabel verarbeitet, aber von den Abmessungen beinahe ein Kleinwagen und mit 32 PS wesentlich durchzugsschwächer.

Sie meinen, das habe ich mir nur ausgedacht, weil ich mich nicht für alle Mercedes-Wagen begeistern kann?

Nun, sehen Sie selbst, hier haben wir unseren Herrenreiter neben seinem braven nunmehr vierrädrigen Gefährt(en) schwäbischer Provenienz:

Mercedes-Benz 170 (W15) Limousine; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Die Herleitung, dass dieser beinahe eigenschaftslose Aufbau tatsächlich zu einem Mercedes-Benz des kompakten 6-Zylindertyp 170 (W15) gehört, erspare ich mir und Ihnen. Vergleichsmaterial findet sich bei Bedarf in meiner einschlägigen Fotogalerie.

Der Steyr hat zumindest hier und heute klar die Nase vorn, er war allerdings erheblich teurer als der kleine Mercedes. Auch das mag seinen Besitzer gefuchst haben, dass die Amazone neben ihm offenbar das nötige Kleingeld für solchen Luxus aus Österreich hatte.

Anerkennen müssen wir freilich auch, dass hier jemand in ein perfekt sitzendes Jackett investiert hatte, nördlich der Alpen keineswegs eine Selbstverständlichkeit…

Wie sich nun die sieben extra Pferdestärken mit ihren Lenkern an jenem Tag gehalten haben und ob der Mercedes-Mann wenigstens in der Hinsicht der selbstgewissen Steyr-Madame eine Parforce-Lektion erteilen konnte, das wissen wir nicht.

Doch ein Bild wie dieses lädt in besonderem Maß zum Kopfkino ein und letztlich ist es jedem überlassen, welchen der dargebotenen Pferdestärken einer am meisten zuneigt – Auswahl ist genügend vorhanden, meine ich.

Michael Schlenger, 2023. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and https://vorkriegs-klassiker-rundschau.blog with appropriate and specific direction to the original content.

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