Nichts zu lachen? Hudson „Great Eight“ von 1930

Nicht viel zu lachen gab es im Jahr 2023 – legt man die inneren und äußeren Verhältnisse zugrunde.

Allerdings darf man durchaus der Meinung sein, dass es auch von einem selbst abhängt, wie man mit den Zumutungen des Alltags umgeht und ob man sich vom Unabänderlichen auch noch die Laune verderben lässt.

Wie sehr es eine Frage der inneren Einstellung zum Dasein ist, ob man etwas zu lachen hat oder nicht, das wird dann deutlich, wenn man sich Leute betrachtet, die oberflächlich betrachtet das große Los gezogen haben – oder besser gesagt: materiell erfolgreich sind.

Da gibt es solche, denen das Bewusstsein, den Nöten des Alltags enthoben zu sein, ein Lächeln auf’s Gesicht zaubert und die ihre hervorgehobene Position zu genießen wissen.

Und dann gibt es andere, die erkennbar zu den oberen Zehntausend gehören und denen man dennoch zurufen möchte: „Habt Ihr denn gar nichts zu lachen?“

Ein erstes Beispiel für den Fall, dass man nicht einmal für den Moment eines Kameraschnappschusses wirklich positiv erscheinen kann, haben wir hier:

Hudson „Great Eight“ Modelljahr 1930; Originalfoto: Michael Schlenger

Mein Paderborner Großonkel Ferdinand – ein Musterbeispiel für einen heiteren Menschen trotz einiger Schicksalsschläge – pflegte beim Anblick solcher Leute zu sagen: „Die gehen doch zum Lachen in den Keller!“

Dabei hatten diese Herrschaften allen Grund, zumindest mit ihrem Fortbewegungsmittel mehr als glücklich zu sein, als sie an Pfingsten 1934 für diese Aufnahme posierten.

Denn der Wagen, den sie besaßen, wies sie ganz klar als Angehörige der Oberschicht aus – materiell betrachtet zumindest. Die vermutlich in Sachsen zugelassene Limousine war nämlich ein ziemlich exklusives Fahrzeug im damaligen Deutschland.

Die Gestaltung des Kühlers und des Markenemblems sowie das Vorhandensein seitlicher Luftklappen in der Motorhaube erlaubt die Identifikation als Hudson „Great Eight“ von 1930.

In den Vereinigten Staaten war dieser erste Achtzylinder der Marke mit 80 PS Leistung aus 3,5 Litern Hubraum zwar eher in der gehobenen Mittelklasse angesiedelt, doch im automobilen Armenhaus Deutschland war ein solcher Wagen damals der reine Luxus.

Vergleichbar „günstige“ Achtzylinderwagen dieses Kalibers gab es aus deutscher Fabrikation nicht, weshalb einem der Hudson „Great Eight“ von anno 1930 in deutschen Landen öfters begegnet – es gab durchaus einen (wenn auch kleinen) Markt dafür.

Hier haben wir schon das nächste Exemplar – und wieder stellt sich bei einigen der abgelichteten Personen die Frage: „Habt Ihr wirklich nichts zu lachen?“

Hudson „Great Eight“ Modelljahr 1930; Originalfoto: Michael Schlenger

Dieses Nebeneinander gutgelaunter und sympathisch wirkender Zeitgenossen und geradezu griesgrämig dreinschauender Figuren ist schon bemerkenswert.

Aus meinem inzwischen mehrjährigen Studium solcher Dokumente weiß ich zwar, dass den meisten Deutschen die Fähigkeit unserer Nachbarvölker abgeht, spontan gewinnend und freundlich zu posieren.

Aber ein bisschen unheimlich ist mir die Entschlosseneit mancher Landsleute, in solchen Situationen geradezu biestig bis bösartig zu wirken.

Und glauben Sie mir: Ich versuche, aus solchen Dokumenten noch das Beste herauszuholen. Wenn das porträtierte Personal gar zu gruselig wirkt, bleiben auch sonst reizvolle Autofotos unpubliziert oder ich sehe von vornherein vom Erwerb ab.

Wer mich ein wenig kennt, ahnt bereits, dass ich den Hudson „Great Eight“ nicht mit solchen Impressionen verabschieden kann – das hat dieses grundsolide und leistungsfähige Modell nicht verdient – und Sie auch nicht, liebe Leser.

Also unternehmen wir zum Schluss einen erneuten Versuch und fragen nochmals, ob es wirklich nichts zu lachen gibt, wenn man „Besitzer“ eines solchen Wagens ist – und das im wahrsten Sinne des Wortes:

Hudson „Great Eight“ Modelljahr 1930; Originalfoto: Michael Schlenger

Na also, geht doch! Auch wenn wir diesmal eine Version des 1930er Hudson „Great Eight“ mit niederlegbarem Verdeck vor uns sehen, befinden wir uns wieder im Deutschland jener Zeit.

Erstaunlich, wie häufig solche Amischlitten auch nach dem ganz großen Boom in der zweiten Hälfte der 1920er Jahre hierzulande immer noch waren.

Sie deckten ein Marktsegment ab, in dem die heimischen Hersteller nichts zu bieten hatten und stießen auf kaufkräftige Nachfrage von Kennern, denen die politische Korrektheit ihrer Zeit zumindest in automobiler Hinsicht gleichgültig war.

Davon – und der heiteren Gestimmtheit des Hudson-Jüngers auf dieser Aufnahme – kann man sich vielleicht etwas abschauen…

Michael Schlenger, 2023. All entries in this blog (including
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