Genug unter der Haube: Nash „Special Six“ von 1929

Weit nach Mitternacht – morgen ist ein normaler Arbeitstag, aber irgendetwas hält mich davon ab, in die Federn zu steigen. Vielleicht war es das Gefühl, bei tagsüber sagenhaften 18 Grad Celsius um einen weiteren Sommertag mitten im August betrogen worden zu sein.

Immerhin hält der im wettertechnisch zuverlässigeren Italien kürzlich konsolidierte Teint noch vor – da kann man schon einmal ein Wochenende mit Bastelarbeiten im Haus zubringen.

Nun höre ich eine CD mit einer italienischen Swing-Combo, die ich in meinem italienischen Domizil vom örtlichen Barbetreiber Flavio empfohlen bekam, mit dem ich mich in Sachen klassischer Nachkriegsmusik auszutauschen pflege.

Sie sehen, bei mir geht es nicht immer altertümlich zu – immerhin bis in die 60er Jahre reicht mein Verständnis „modernen“ Musikschaffens – (ok, bis in die 80er gehe ich auch noch mit)

Bei den treibenden Rhythmen von „That mellow saxophone“ dargeboten von den „Good Fellas“ (Bagana Records, 2005) wird man schwerlich müde.

Also suche ich mir eine Beschäftigung im Vorkriegsauto-Fotofundus und schreibe noch rasch eine Nummer herunter. Eine zuverlässige Quelle in der Hinsicht sind vor allem US-Fabrikate und so wurde ich bei „N“ wie Nash fündig.

Die amerikanischen Hersteller und Modelle sind in der Literatur und online so hervorragend dokumentiert, wie man das in D’land nur selten findet. Man greift einfach in die Fotokiste und holt etwas wie das hier hervor, über das man sich nicht groß das Hirn zermarten muss:

Nash „Special Six“, Modelljahr 1929; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Passt diese in Deutschland entstandene Aufnahme nicht bestens zu meinem vorherigen Blog-Eintrag, in welchem ich den Damen empfahl, möglichst schnell unter die Haube zu kommen, um rechtzeitig Gelegenheit zu haben, einen etwaigen Fehler bei der ersten Partnerwahl zu korrigieren?

Ja, hier haben wir in der Tat gleich mehrere Vertreterinnen des weiblichen Geschlechts, die zumindest huttechnisch bereits unter der Haube zu sein scheinen. Dies Kopfbedeckung war eine Spezialität der 1920er Jahre und verschwand in den 30ern zugunsten wieder opulenterer und schmeichelnder Varianten.

Doch dieses durchaus interessante Thema – gibt es eigentlich Literatur dazu? – soll heute nicht weiter verfolgt werden. Denn wir haben auf dem Foto bereits genug unter der Haube.

Diese Festellung bezieht sich vor allem auf die Limousine, welche hier abgebildet ist. Der Hersteller – Nash – ist leicht identifiziert, denn so steht es auf dem Kühlergrill.

Die Gestaltung der Luftschlitze und weitere Details verraten, dass wir hier ein Exemplar des Modelljahrs 1929 vor uns haben. Solche Finessen entnimmt man am besten dem Standard Catalog of American Cars von Kimes/Clark, welcher über 1.500 Seiten umfasst.

Dort finden wir auch die titelgebende Information, wonach dieser Nash von anno 1929 genug unter der Haube hatte, um deutsche Käufer davon zu überzeugen, dass dieser Großserienwagen die bessere Wahl als teure einheimische Manufakturautos war.

Die Kombination aus zwei Reihen Luftschlitzen in der Motorhaube und Scheinwerfern mit einer Spitze an der Oberseite verraten, dass wir es mit dem mittleren Modell von Nash zu tun haben. Ausgestattet war dieser „Special Six“ mit einem 3,7 Liter Motor, der 65 PS leistete – ein Aggregat mit im Zylinderkopf hängenden Ventilen und Doppelzündung.

Das Spitzenmodell „Advanced Six“ mit fast 80 PS Leistung wurde in deutschen Landen seltener gefahren – Ausnahmen bestätigen die Regel. Die Produktionszahl des 1929er Nash war mit über 100.000 Exemplaren nach US-Maßstäbe unauffällig, aber den von den einheimischen Herstellern unterversorgten deutschen Markt bediente man locker nebenher.

Genug unter der Haube, um die Nachbarn zu beeindrucken, boten die US-Importwagen allemal – auch Ausstattung und Verarbeitung waren über jeden Zweifel erhaben.

Heute sind diese Fahrzeuge auf einschlägigen Klassikerveranstaltungen in deutschen Landen massiv unterrepräsentiert, dabei sind sie noch heute günstiger zu bekommen als die Prestigefahrzeuge aus einheimischer Fabrikation, die einst weit seltener waren.

Vielleicht ein Anlass für den einen oder anderen, einmal zu schauen, was im US-Vorkriegssektor angeboten wird, wenn man etwas heute wirklich Exklusives sucht…

Jetzt bin ich zwar immer noch nicht wirklich müde, aber die Vernunft sagt: Für heute ist es genug und ich habe noch einiges „unter der Haube“, was hergezeigt werden will…

Michael Schlenger, 2024. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and https://vorkriegs-klassiker-rundschau.blog with appropriate and specific direction to the original content.

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