Von der Resterampe ins Rampenlicht: Nash 1927/28

Als ich im Herbst 2015 meinen Vorkriegsauto-Blog begann – auf der Suche nach einem Klassiker-Thema, das im deutschen Sprachraum vernachlässigt wird – hätte ich nicht gedacht, dass ich ein (oberflächlicher) Kenner amerikanischer Automobile werden würde.

Das ergab sich, obwohl ich keinen speziellen Schwerpunkt lege, was die regionale Herkunft oder Marke der besprochenen Wagen angeht. Ich erwerbe für kleines Geld verfügbare Bilder oder nutze solche befreundeter Sammler und schaue, was ich ihnen abgewinnen kann.

Das kann gern auch einmal so etwas sein – für andere ein Fall für die Resterampe, für mich etwas, was unbedingt ins Rampenlicht gehört:

Nash Tourenwagen von 1927/28; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Auf den Wagen im Hintergrund komme ich zurück – genießen Sie erst einmal diese Szene…

Grundsätzlich will ich hier ein umfassendes und von der Tendenz repräsentatives Bild der automobilen Vielfalt zeichnen, die es in der Vorkriegszeit im deutschen Sprachraum gab.

Da ich mich schlicht am laufend angebotenen Fotomaterial orientiere, mussten sich so einige Muster abzeichnen, die nicht unbedingt zu dem passen, was man auf Oldtimer-Veranstaltungen hierzulande an Vorkriegsautos zu sehen bekommt.

So viele Bentleys und Bugattis, wie man dort begegnet, hat es in Deutschland – relativ gesehen – in den 1920/30er Jahren nicht gegeben.

Bentleys auf Schloss Dyck („Classic Days“ 2018 oder früher); Bildrechte: Michael Schlenger

Einige einst weit verbreitetere einheimische Marken wie NAG oder Presto dagegen sind so gut wie ausgestorben.

Auch die heutige Fraktion der US-Vorkriegsklassiker gibt ein zu einseitiges Bild wider – nichts gegen ein Ford Model A, aber wann sieht man einmal eines der Ende der 1920er Jahre in Deutschland gängigen Modelle von Buick, Chrysler, Essex, Hudson usw.?

Die Stichwortwolke auf der Startseite meines Blogs gibt – wenn man die Größe der Markennamen zugrundelegt – eine ungefähre Vorstellung davon, welche US-Hersteller bei uns in welcher Relation tatsächlich präsent waren.

Von der Resterampe ausgehend arbeiten wir uns heute ins Rampenlicht vor – und zwar anhand eines Nash des Modelljahrs 1927/28.

Mit dieser Marke werden die meisten vermutlich kaum mehr als einige gestalterische Grausamkeiten der Nachkriegszeit verbinden. Dabei gehörte die 1917 von einem einstigen Findelkind mit atemberaubenden Hunger nach Aufstieg gegründete Marke bis in die 1930er Jahre zu den erfolgreichsten unabhängigen Herstellern in den USA.

Man begegnet ihr auch in Europa auf Schritt und Tritt, so auf dem eingangs gezeigten Foto. Der dort abgebildete Tourer ließ sich nämlich anhand der Gestaltung der Nabenkappe als Nash identifizieren, weitere Details verwiesen auf das Modelljahr 1927/28.

Aus derselben Zeit stammt diese Nash-Limousine, welche im deutschen Winter ihren Insassen einen Komfort bot, der für über 95 % der Mitbürger unerreichbar bleiben sollte:

Nash Tourenwagen von 1927/28; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Gewiss, für heutige Vorkriegsauto-Gourmets ist auch diese konventionelle Nash-Limousine ein Fall für die Resterampe.

Vollkommen beliebig wirkt der Wagen, das stimmt schon. Aber – liebe Freunde – das liegt daran, dass nun einmal die Amis damals vorgaben, wie so eine Limousine auszusehen hatte. Die deutschen Hersteller versuchten das dann zu kopieren, bisweilen ins Detail.

Erst in den 1930er Jahren gelang es einigen Fabrikaten hierzulande, sich von der Linie der amerikanischen Marken zu lösen und ein eigenständiges Erscheinungsbild zu kultivieren.

So bewundernswert diese Kreationen aus der unmittelbaren Vorkriegszeit auch sind, verdienen doch auch die US-Modelle der 1920er Jahre unbedingte Anerkennung.

Die großartigsten Schöpfungen von jenseits des Atlantiks waren damals die souverän motorisierten Sechs- und Achtzylinderwagen mit einem Aufbau als zweisitziges Cabriolet – in den Staaten gern als Rumbleseat-Roadster oder Convertible Coupe bezeichnet.

Genau so etwas möchte ich heute ins Rampenlicht rücken, nachdem ich bislang – gefühlt – nur mit Material von der Resterampe aufwarten konnte.

Hand auf’s Herz: Dieser Nash „Advanced Six“ von 1927/28 mit 70 PS starkem Sechszylinder suchte am deutschen Markt seinerzeit doch seinesgleichen, oder?

Nash 2-Sitzer-Cabriolet von 1927/28; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Ich finde gern ein Haar in der Suppe und zerreiße bei Bedarf auch einmal eine misslungene Schöpfung auf vier Rädern in der Luft – aber an diesem Nash ist einfach alles perfekt.

Die Proportionen sind vollkommen harmonisch, die Formen treten wie gemeißelt hervor – das ist keine eckige Bauhaus-Kiste mit der öden Anmutung eines Schuhkartons, sondern eine kraftvoll und lebendig wirkende Maschine voller Spannung. Organische Formen und klare Geraden an der richtigen Stelle stehen in perfekter Balance zueinander.

Nicht zuletzt das Zweifarbschema verstärkt das reizvolle Spiel der Kontraste auf dieser einst von einer banalen Blechpresse in Kenosha (Wisconsin) gestanzten Karosserie.

Für mich ist das eine fast ikonische Abbildung des typischen amerikanischen „Roadsters“ der zweiten Hälfte der 1920er Jahre. Genug geschwärmt!

Wo ist denn bei diesem Wagen der eingangs erwähnte Bezug zur Autowelt im deutschen Sprachraum, könnte man jetzt fragen. Nun, der ist zumindest indirekt vorhanden.

Denn das Foto, das den Nash so perfekt ins Rampenlicht rückt, wurde von einem deutschen Auswanderer namens Rudi Ulrich in die alte Heimat geschickt – an eine Familie Pracht.

Und eine Pracht ist dieser Nash als dekadenter offener Zweisitzer allemal. Jedenfalls sorgten diese Entwürfe aus Übersee in den Zeichenstuben deutscher Hersteller erst für Betroffenheit und nach einer Ansage aus der Chefetage für hektische Betriebsamkeit.

So entstand dann beispielsweise auf Basis eines Adler Standard 6 bei der Karosseriefabrik Karmann in Osnabrück Ende der 1920er Jahre dieses 2-sitzige Cabrio:

Adler „Standard 6“; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Man sieht hier deutlich, woher man seine „Inspiration“ bezog. Das Fotomodell ist durchaus charmant – aber irgendwie fehlt dem Adler bei allen Qualitäten das Knackige, Athletische, Skulpturenhafte, mit dem der Nash aufwarten kann.

Zugegeben, alles hochsubjektiv, aber auf jeden Fall verdient es so ein Nash von 1927/28 aus dem unwürdigen Dasein auf der Resterampe ins Rampenlicht geholt zu werden, auf dass sich jeder ein eigenes Bild von ihm machen kann.

Michael Schlenger, 2022. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and https://vorkriegs-klassiker-rundschau.blog with appropriate and specific direction to the original content.

Nichts für Leute mit Dachschaden: Nash von 1925

Das Thema Dachschaden nimmt in meinem heutigen Blog-Eintrag ungewöhnlich viel Platz ein, wie sich spätestens am Ende zeigen wird. Das mag überraschen, assoziiert man mit der einstigen US-Marke Nash doch vollkommen vernünftige Fahrzeuge.

Ungewöhnlich ist allenfalls, auf welchen Wegen es zur Entstehung der erst seit 1917 tätigen Herstellers kommen sollte. Diese Geschichte will ich bei anderer Gelegenheit anhand eines ganz frühen Nash erzählen.

Heute geht es um ein Modell von 1925, als Nash zwar nicht zu den ganz großen Namen in der US-Automobilindustrie gehörte, aber mit einem Jahresabsatz von rund 100.000 Fahrzeugen bereits jeden europäischen Anbieter in den Schatten stellte.

Nach amerikanischem Verständnis waren Nash-Wagen damals lediglich Mittelklassewagen, die technisch nicht sonderlich avanciert, aber auf der Höhe der Zeit waren – und als hervorragend verarbeitet galten.

Von Vierzylindern hatte man sich mit dem Modelljahr 1925 verabschiedet, fortan baute man nur noch Sechszylinderwagen mit 40 bis 60 PS Leistung. Vergleichbares war am deutschen Markt von einheimischen Herstellern in dieser Kategorie nicht verfügbar.

So konnte Nash bereits Mitte der 1920er Jahre – also noch vor dem ganz großen US-Autoboom hierzulande – auch deutsche Kunden überzeugen, wie die folgende Aufnahme aus der Sammlung von Leser Klaas Dierks beweist:

Nash Tourenwagen von 1925; Ausschnitt aus Originalfoto aus Sammlung Klaas Dierks

Der Wagen mit Zulassung im Raum Berlin ist aus einer Perspektive aufgenommen, die eine genaue zeitliche Einordnung erlaubt.

Die Form des Kühlergehäuses und die Position des Nash-Emblems sind typisch für das Modelljahr 1925, davor und danach wichen die Details der Frontpartie ab. Aus der Reihe fiel lediglich die Gestaltung des Nash-Einstiegsmodells „Light Six Ajax“.

Jedenfalls finden sich Nash Tourer von 1925 mit vollkommen übereinstimmender Karosserie von der Ausführung der Vorderschutzbleche über die Scheinwerferform bis hin zu Details wie den unterhalb der Frontscheibe angebrachten Positionsleuchten.

Im Modelljahr 1925 gelang Nash eine Steigerung der Absatzzahlen um ganze 50 % – und offenbar bediente man nun auch den europäischen Markt. Ein noch früherer Nash in Deutschland ist mir jedenfalls auf alten Fotos bislang nicht begegnet.

Sehr schön kann man hier die Details des Verdecks studieren, das auf Fotos solcher Tourenwagen meist in niedergelegtem Zustand zu sehen ist. Interessant ist, dass die seitlichen „Fenster“ – aus Zelluloid gefertigt – aus mehreren Elementen bestehen.

Technisch notwendig war dies damals eigentlich nicht, wie zeitgenössische Fotos anderer Tourer beweisen, weshalb man hier eine gestalterische Absicht vermuten darf. Vielleicht sparte man aber so auch Kosten in der Herstellung, da Kunststoffe noch teuer waren.

Jedenfalls macht das eigentliche Dach einen funktionell verlässlichen Eindruck, was die Frage aufwirft, wo denn nun der angekündigte Dachschaden zu besichtigen ist. Nun, die Auflösung findet sich weiter oberhalb des Nash:

Nash Tourenwagen von 1925; Originalfoto aus Sammlung Klaas Dierks

Während der Nash letztlich kaum Rätsel birgt, bereitet mir die Aufnahmesituation einiges Kopfzerbrechen. Was ist mit dem Dachgeschoss dieser Gründerzeitvilla geschehen?

Hat es dort einen Brand gegeben, weshalb man den Dachstuhl ersetzen musste? Dann würde man doch irgendwo Rußspuren erkennen. Und warum sind Teile des Mauerwerks des 1. Stockwerks abgetragen und die Sprossenfenster ausgebaut?

Meine Erklärung ist die, dass hier gar keine Notwendigkeit bestand, das Dach nach einem Brand zu entfernen. Vermutlich handelt es sich eher um einen „Dachschaden“ beim Besitzer der vielleicht erst gerade einmal 30-40 Jahre alten Villa.

Möglicherweise meinte er, von der Mitte der 1920er Jahre aufkommenden Moderne in die Irre geleitet, sein Haus mit einem neuen Geschoss in derselben Schuhkartonmanier versehen zu müssen, die seit bald 100 Jahren die Obsession „progressiver Architekten“ ist.

Vielleicht gibt es ja eine weniger profane Erklärung – aber bis auf weiteres scheint hier jemand ein vollkommen intaktes, strukturell langlebiges Haus zum Objekt einer brutalen Modernisierung auserkoren zu haben, die in solchen Fällen fast immer „in die Hose geht“, weil sich daraus kein stimmiges Ganzes ergibt.

Ob der brave Nash vor der Tür wohl ebenfalls dem Hausbesitzer mit „Dachschaden“ und Hang zu „schöpferischer Zerstörung“ gehörte? Ich glaube es eher nicht, dafür wirkt der Wagen zu konservativ in der Linienführung.

Doch gehört es zum Reiz solcher Fotos, dass sie oft nicht mehr alle ihre Geheimnisse preisgeben und es letztlich unserer Fantasie überlassen bleibt, was wir darin sehen…

© Michael Schlenger, 2020. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and https://vorkriegs-klassiker-rundschau.blog with appropriate and specific direction to the original content.

Exklusivität in Serie: Nash Roadster von 1929

US-Automobile genießen hierzulande nicht den besten Ruf. Das gilt nicht nur für die Produkte der Gegenwart – einschließlich des hochsubventionierten Tesla – sondern auch für die Fahrzeuge, mit denen Amerika ab den 1920er Jahren die Märkte flutete.

Die Tatsache, dass die US-Hersteller das zuvor exklusive Vergnügen Automobil demokratisierten, wurde einst zum Vorwand genommen, die Qualität in Frage zu stellen – nach dem Motto: was in Großserie hergestellt wird, kann nichts taugen.

Dabei wurde schlicht das Votum der vielen deutschen Autokäufer ignoriert, die Ende der 1920er Jahre auf US-Wagen „abfuhren“. Interessanterweise scheint die Propaganda der heimischen Hersteller, was die „Amerikaner-Wagen“ angeht, bis heute fortzuwirken.

So findet man auf Treffen der Vorkriegsszene hierzulande heute nicht annähernd so viele US-Modelle, wie sie in den 1920/30er Jahren auf deutschen Straßen unterwegs waren.

Nun kann man der Ansicht sein, dass die vielen Limousinen aus Übersee auch kein besseres Schicksal verdient haben, die zwar günstig, gut motorisiert und umfassend ausgestattet waren, denen es aber naturgemäß an Exklusivität mangelte.

Dies will ich heute mit Originalfotos gleichzeitig bestätigen und widerlegen – anhand von drei Ausführungen eines „Nash“ des Modelljahrs 1929. Hier haben wir Nummer 1:

Nash „Standard Six“, Modelljahr 1929; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Bei aller Liebe zum Vorkriegsautomobil muss man zugeben, dass dieser Wagen etwas dröge wirkt. Wären da nicht die Kühlerfigur und das „Nash“-Emblem, könnte das alles Mögliche sein – da helfen auch die kruden Stoßstangenhörner aus dem Zubehör nicht.

Tatsächlich handelt es sich dabei um die Basisversion „Standard Six“ des 1929er Nash – gefertigt vom erst 1916 von Charles W. Nash gegründeten Hersteller aus Kenosha im Bundesstaat Wisconsin.

Auf dem Foto hat der Nash schon einige Jahre auf dem Buckel, doch wäre die 50 PS starke Sechsfenster-Limousine im Deutschland der 1930er Jahre selbst als Gebrauchter ein exklusiver Traum für die allermeisten „Volksgenossen“ geblieben.

Allerdings gab es hierzulande schon 1929 Betuchte, die sich einen Nash leisten konnten – und dann gleich in der gehobenen Version „Advanced Six“:

Nash „Advanced Six“ Modelljahr 1929; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Drahtspeichenräder, ein aufwendige Zierlinie entlang der Gürtellinie sowie – hier nur ansatzweise zu erkennen – Scheinwerfer mit oben spitz zulaufendem Gehäuse waren äußere Merkmale dieser Variante, die fast doppelt so teuer war wie der „Standard Six“.

Dafür bekam der Käufer einen deutlich feineren Sechszylinder mit kopfgesteuerten Ventilen und Doppelzündung, der fast 80 PS leistete. Interessanterweise beließ man es bei diesem Modell bei mechanischen Vierradbremsen.

Wem der „Advanced Six“ in der Ausführung als Limousine immer noch zu konventionell daherkam, der konnte sich für eine wahrhaft exklusive offene Version entscheiden, die als „Roadster“ verkauft wurde:

Nash „Roadster“ Modelljahr 1929; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Man kann sich vorstellen, dass es einige Zeit brauchte, um dieses in Deutschland aufgenommene Cabriolet als Nash Model 436 „Roadster“ von 1929 zu identifizieren.

Vom Kühler ist gerade noch genug zu sehen, um einen Teil des Nash-typischen Emblems zu erkennen. Schwierigkeiten bereiteten die horizontalen Luftschlitze, die im „Standard Catalog of American Cars“ (Kimes/Clarke) weder abgebildet noch beschrieben sind.

Anfänglich dachte ich an einen Stoewer, da der Stettiner Hersteller bei seinen Achtzylindermodellen ebenfalls dieses Stilmittel nutzte. Doch die Radkappen passten nicht dazu. Dies und die Proportionen brachten mich letztlich auf ein US-Fahrzeug.

Kenner aus Übersee bestätigten mir letztlich, dass die beiden stilvoll gekleideten Herren auf dem Foto Hand ans Reserverad eines 1929er Nash im Gewand als „Roadster“ legen.

Wenn man auf dem Foto schon nicht allzuviel von dem exklusiven Fahrzeug sehen kann, dann wird man im ersten Teil des folgenden Videos entschädigt. Denn dort wird ein überlebender Nash von 1929 mit genau diesem Roadster-Aufbau präsentiert:

Copyright: Burnaby Village Museum; Videoquelle: YouTube.com

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Fund des Monats: Nash „Six“ mit Gläser-Karosserie

Der Fund des Monats Dezember kommt vielleicht etwas früher als erwartet – doch gilt es ja demnächst noch den „Fund des Jahres“ unterzubringen.

Die Entstehungsgeschichte der 1916 gegründeten Marke Nash ist so bemerkenswert und zugleich typisch für die sozialen Aufstiegsmöglichkeiten in den Vereinigten Staaten, dass ich sie an einer anderen Stelle anhand eines Fotos des ersten Automodells der Firma ausführlich erzählen muss.

Heute mache ich einen Sprung zur Wende der 1920er zu den 30er Jahren, als die nach wie vor unabhängige Firma unter Führung von Gründer Charles W. Nash finanziell weit besser dastand als die von der Weltwirtschaftskrise gebeutelten Konkurrenten.

1929 – im Jahr des Aktienmarktcrashs in den USA – bot Nash eine weiter verfeinerte Version seines seit 1925 gebauten Spitzenmodells „Advanced Six“ an.

Der Motor verfügte nicht nur wie die Vorgänger über im Kopf hängende Ventile, sondern nun auch über Doppelzündung – also zwei Zündkerzen pro Zylinder. Der siebenfach gelagerte Sechszylinder mit 4,5 Litern Hubraum leistete jetzt fast 80 PS, daneben gab es zwei kleinere Sechszylindertypen mit 50 PS („Standard“) bzw. 65 PS („Special“).

1930 ergänzte erstmals ein Reihen-Achtzylinder das Nash-Programm. Das 100 PS-Aggregat wurde weiterhin durch zwei Sechszylinder ergänzt, nunmehr mit 75 bzw. 60 PS.

Optisch tat sich 1929/30 nicht viel, nur ein Detail erlaubt die Unterscheidung der beiden Modelljahre. Illustrieren lässt sich das anhand zweier Aufnahmen aus dem Fundus von Leser Klaas Dierks, die ein und dasselbe Fahrzeug zeigen.

Hier das erste der beiden Fotos:

Nash von 1930; Originalfoto aus Sammlung Klaas Dierks

Diese wohl von einem Berufsfotografen in Hamburg (Mönckebergstraße/Pferdemarkt) angefertigte Aufnahme vermittelt einen Eindruck von der repräsentativen Wirkung des Fahrzeugs, hier mit Aufbau als 2-Fenster-Cabriolet.

In den USA war ein solcher Nash je nach Motorisierung in der (oberen) Mittelklasse angesiedelt, während er in Deutschland damals als Luxuswagen galt.

Doch woran erkennt man eigentlich so einen Nash von 1929/30? Hier gibt folgender Bildausschnitt ersten Aufschluss:

Besonders augenfällig sind hier die oben spitz zulaufenden Scheinwerfergehäuse, sie tauchen erstmals bei Nash-Wagen des Modelljahrs 1929 auf.

Typisch für den Nachfolger von 1930 ist dann das verchromte, überstehende Band am oberen Ende des Kühlergehäuses.

Die übrigen Details wie Scheibenräder, mittig spitz auslaufende Sicken an den vorderen Schutzblechen, senkrechte Haubenschlitze und Doppelstoßstange findet man dagegen schon am 1929er Nash.

Auf der zweiten Aufnahme desselben Wagens mit Hamburger Zulassung lassen sich die genannten Details noch besser erkennen, vor allem die Gestaltung des Kühlers:

Nash von 1930; Originalfoto aus Sammlung Klaas Dierks

Der Aufbau entspricht dem des 2-türigen Cabriolets, das Nash im Modelljahr 1930 – je nach Motorisierung – als Typ 491, 481 oder 451 anbot.

Die Linienführung des Passagierabteils ist sehr geradlinig im Gegensatz zum Vorderwagen, der etliche reizvolle Kurvaturen zu bieten hat.

Zum besseren Verständnis des Gemeinten und zum nochmaligen Studium der für das Modelljahr 1930 typischen formalen Elemente hier eine Ausschnitttsvergrößerung:

Wie man sieht, haben die – bei den Wagen jener Zeit meist unbekannt gebliebenen – Gestalter an der Frontpartie des Nash aus Hamburg einiges getan, um dem Wagen ein eigenes Gesicht zu geben, ohne allzu dick aufzutragen.

Der Beliebigkeit entgegen wirken nicht nur die oben leicht zugespitzten Scheinwerfergehäuse, sondern auch der dezente Aufwärtsschwung von Lampenstange und Kühleroberteil.

Das Ergebnis wirkt auf mich so, als habe ein Modeschöpfer ein Kleid noch rasch mit den Fingern in Form gezupft, bevor es mit dem Model auf den Laufsteg geschickt wurde.

Zu erkennen ist hier auch die veränderte Form des Nash-Emblems auf der Kühlermaske, die 1929/30 am oberen Ende flügelartig auslief. Man präge sich zudem die Form der Scheibenräder und der Nabenkappe ein, wenngleich das Herstellerlogo dort nur schemenhaft zu erkennen ist.

Mit solchermaßen geschärftem Blick kommen wir nun zur Sache und wenden uns dem eigentlichen „Fund des Monats“ zu:

Nash von 1930 mit Gläser-Karosserie; originales Werksfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Auf den ersten Blick mag sich nicht erschließen, was diese Cabrio-Limousine vor dem zuvor gezeigten Modell auszeichnen sollte.

Nun, die Unterschiede beginnen genau damit, dass es eine solche Ausführung mit vier Seitenscheiben beim Nash des Modelljahrs 1930 werksseitig nicht gab.

Demnach muss es sich um eine Spezialkarosserie handeln, doch wer könnte sie angefertigt haben? Den Schlüssel dazu findet man – wie so oft – bei näherer Betrachtung des Vorderwagens.

Bei sorgfältiger Betrachtung sind alle zuvor genannten Details zu erkennen, die einen Nash des Modelljahrs 1930 auszeichnen, auch wenn der Aufnahmewinkel dafür ungünstig ist.

Sieht man von der Positionslampe ab, die hier am Ende der Motorhaube anstatt auf dem Kotflügel angebracht ist, stimmt der Vorderwagen vollkommen mit demjenigen des in Hamburg zugelassenen Wagens überein.

Doch lässt bereits die geschmackvolle Zweifarblackierung des Wagens den schweren Aufbau weit leichter erscheinen. Den Karosseriekörper hell und Kotfügel sowie Schwellerpartie dunkel davon abzusetzen, war ein bewährter Kunstgriff, um großen Wagen die optische Schwere zu nehmen und die organischen Formen zu betonen.

Sehr schön, dass das Zweifarbschema hier auch an den Scheibenrädern auftaucht – diesen Aufwand trieb man ab Werk nicht.

Das i-Tüpfelchen ist die schwarze Reserveradhaube mit dem Nash-Emblem – ein Extra, das bei Zubehörlieferanten erhältlich war.

Für mich faszinierend ist, wie ab dem Ende der Motorhaube und damit des vom Werk gelieferten motorisierten Chassis die Linien auf einmal an Dynamik gewinnen, zu schwellen und zu schwingen beginnen.

Das ist ein Hinweis auf eine Manufakturarbeit, die aus der jahrhundertealten Tradition des Kutschbaus schöpfte und die gerade Linie mied wie der Teufel das Weihwasser.

Wer für diese von Meisterhand aus dem Blech geschaffenen organischen Formen verantwortlich war, erkennt man mit etwas Übung an der Plakette vor der Tür knapp oberhalb des Schwellers: Gläser aus Dresden.

Sicher nicht nur für mich zählt Gläser zu den bedeutendsten deutschen Karosseriemanufakturen, die jeden Exzess mieden und perfekt ausbalancierte Aufbauten lieferten, die dem Auge aus allen Richtungen schmeichelten.

Wie die Zeichner und Handwerker bei Gläser mit behutsamen Eingriffen einer an sich geradlinigen Fahrzeugbasis Leben einhauchte, ist hier nachvollziehbar:

Zwei Kunstgriffe sorgen für Spannung an der Seitenpartie:

Die Türen schließen vorne und hinten nicht einfach senkrecht und auch nicht parallel zueinander ab wie dem Werkscabriolet. Vorderer und hinterer Abschluss sind leicht geneigt und dann auch noch unterschiedlich stark.

So etwas in Verbindung mit äußerst schmalen Spaltmaßen von Hand zu bewerkstelligen verrät höchste Meisterschaft und ich ziehe meinen Hut vor den namenlos gebliebenen Blechkünstlern, die so etwas zustandebrachten.

Doch gleichermaßen zu lobeen sind die Zeichner diese Gläser-Aufbaus.

Mit minimalem Aufwand gelang es ihnen, zwischen den wie mit dem Lineal gezogenen Linien der Schwellerpartie und dem ebenfalls schnurgeraden Fensterabschluss in Form der dunkel abgesetzten geschwungenen Zierleisten ein Element unterzubringen, das für eine dem Auge willkommene Abwechslung sorgt.

Dieser Bruch der ansonsten kastenartigen Formen ist es, der der Seitenansicht Spannung und Leben verleiht. Den Rest besorgt die abwärtsgeschwungene feine Zierleiste an der Unterkante des Verdecks im Zusammenspiel mit der wiederum dunkel abgesetzten Sturmstange.

Fehlt zum Schluss nur noch die Bestimmung des Orts, an dem diese großartige Spezialkarosserie von Gläser auf Basis eines Nash von 1930 entstand:

Meine Vermutung war, dass dieser Originalabzug, der die Nummer 223 trägt, von einem Werksfoto stammt, das Gläser einst selbst im Umland von Dresden beauftragt hat.

Tatsächlich wurde der Nash vor der grandiosen Kulisse von Schloss Eckberg (rechts) und Lingnerschloss (links) etwas elbaufwärts von Dresden aufgenommen.

Der Fotograf bewies mit der Wahl des Aufnahmeorts das richtige Gespür – einen solchen Wagen lichtet man nicht vor einem austauschbaren Bauhaus-Kasten ab, sondern vor einer Kulisse, deren Formensprache in dem Aufbau selbst fortlebt.

Wer von soviel über Jahrhunderte gewachsener Schönheit umgeben ist, muss einen Grundinstinkt für die gelungene, d.h. dem Auge schmeichelnde, Form besitzen.

Ich wage die Behauptung, dass die besondere Stilsicherheit der Karosserien von Gläser damit zu tun hat, dass die Firma und ihre Angestellten in Dresden beheimatet waren.

Die Schattenseite ist die, dass die weitgehende Zerstörung unseres architektonischen Erbes im Zweiten Weltkrieg die natürliche Verbindung der Deutschen zu ihrem historischen Umfeld auf immer gekappt hat und die Verwüstungen einer entgrenzten und ins Beliebige tendierenden Moderne begünstigt hat.

© Michael Schlenger, 2019. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and https://vorkriegs-klassiker-rundschau.blog with appropriate and specific direction to the original content.

Ein Nash Six „Tourer“ von 1928 als Taxi auf Teneriffa

Was die Beschäftigung mit Vorkriegsautos auf alten Fotos zu einem unerschöpflichen Thema macht, sind neben der Markenvielfalt die verschlungenen Pfade, die viele dieser Zeugnisse über mehr als 80 Jahre absolviert haben.

Heute haben wir ein schönes Beispiel dafür. Es führt uns aus dem Herzen Deutschlands auf die Kanarischen Inseln und – mit einem Abstecher über die Vereinigten Staaten – zurück nach Sachsen-Anhalt.

Zu verdanken haben wir diesen Ausflug dem Kommunikationsdesigner Matthias Kraus aus Halle bzw. seinen unternehmungslustigen Vorfahren.

Sie gehörten nicht nur schon in den 1920er Jahren zu den Automobilisten – Belege folgen gelegentlich – sondern scheinen auch ungewöhnlich reisefreudig gewesen zu sein.

Folgende Aufnahme für’s Familienalbum fertigten sie 1935 auf Teneriffa an – zu einer Zeit, als ein Urlaub auf den fernen Kanaren noch eine exklusive Angelegenheit war:

Nash 321 Tourer auf Teneriffa; mit freundlicher Genehmigung von Matthias Kraus

Der Wunsch von Bildbesitzer Matthias Kraus nach Identifikation des  Tourenwagens musste mangels markanter Details zunächst unerfüllt bleiben.

Dass es sich wahrscheinlich um ein US-Fahrzeug handelte, das die Urlauber Anfang der 1930er Jahre als Taxi nutzten, war klar – in Ländern ohne eigene Autoproduktion dominierten vor dem Krieg meist Wagen amerikanischer Hersteller.

Doch erst der Erwerb des monumentalen Standard Catalog of American Cars von Clark/ Kimes ermöglichte eine umfassende Suche nach dem genauen Typ. Fündig wurde der Verfasser schließlich auf Seite 1.019/1.020 bei der 1917 gegründeten Marke Nash. 

Die Firma aus Wisconsin gehörte nie zu den ganz großen US-Herstellern, zählte aber zu den bestgeführten und solidesten und überstand selbst die Große Depression ohne finanzielle Probleme.

Kurz vor Ausbruch der Weltwirtschaftskrise – im Jahr 1928 – entstand der Nash, der auf dem alten Urlaubsfoto verewigt wurde.

Bei der Identifikation half keineswegs die Kühlerfigur, die ein Zubehörteil war, das wohl der Taxifahrer montiert hatte, sondern eine Reihe für sich genommen unscheinbarer Details:

  • die seitlichen Luftschlitze in der Motorhaube sind relativ weit unten angebracht
  • im Windlauf vor der Frontscheibe befinden sich auffallend kompakte Positionsleuchten
  • an den Vorderlampen ist nur der Scheinwerfering verchromt
  • die Scheibenräder sind nach außen gewölbt (nicht geschüsselt) und sind mit nur vier Radbolzen befestigt
  • die Kühlermaske ist schlank und schmucklos, der obere Abschluss ist leicht geschwungen

Diese Elemente in genau dieser Zusammenstellung finden sich nur beim Nash „Standard Six“ Series 320 von 1928.

Auf den kleinen Sechszylinder mit 45 PS verweisen die vier Radbolzen. Die größeren Modelle „Advanced Six“ und „Special Six“ mit 70 bzw. 52 PS besaßen sechs davon.

Der „Standard Six“ war in sechs Karosserievarianten verfügbar, der auf Teneriffa als Taxi eingesetzte offene Tourenwagen trug die Bezeichnung Series 321.

Mit 3-Gang-Getriebe und mechanischen Vierradbremsen war der Nash „Six“ zeitgemäß ausgestattet – Hydraulikbremsen besaßen damals nur gehobene Modelle.

Wieviele dieser Nash-typisch ausgezeichnet verarbeiteten, technisch anspruchslosen Tourenwagen entstanden, scheint nicht bekannt zu sein. Für alle Nash-Modelle des Jahrs 1928 sind jedenfalls über 100.000 Stück überliefert.

Das klingt gemessen am damaligen deutschen Automarkt gigantisch, war aber für US-Verhältnisse eher Merkmal eines Nischenherstellers.

Erst recht auf Teneriffa wird der Nash-Sechszylinder mit seiner stilsicheren Zweifarblackierung und den feinen Ledersitzen ein exklusives Vergnügen dargestellt haben, das sich wohl nur wohlhabende Gäste aus dem Ausland als Taxi leisten konnten.

Dass es damals bereits einen nennenswerten Automobilbestand auf der Insel gegeben haben muss, verrät jedoch folgender Bildausschnitt:

Hier sehen wir rechts am Bildrand eine Zapfsäule der amerikanischen „Mobiloil“, die unter anderem die Marke „Gargoyle“ im Programm hatte und zu der offenbar auch der Lastwagen im Hintergrund gehörte, der gerade Nachschub bringt.

Vielleicht erlaubt ja ein Detail der Tankstelle oder auch des übrigen Abzugs eine genaue Aussage darüber, wo auf Teneriffa das Bild entstanden ist.

Für Freunde klassischer Vorkriegsautomobile ist dieser Anblick aber auch so ein Genuss:

Neben den beiden Damen auf dem Rücksitz soll auch der Taxifahrer nicht unerwähnt bleiben – mit Einstecktuch, Krawatte und Manschettenhemd eine stilbewusste Erscheinung, die man heute in einer solchen Situation vergeblich suchen wird.

So gebührt unser Dank dem heutigen Besitzer dieser schönen Aufnahme, die uns einen Blick in eine untergegangene Welt erlaubt, wie ihn eben nur historische Fotos bieten.

Übrigens: Die Reise nach Teneriffa traten die Vorfahren von Matthias Kraus einst mit dem deutschen Transatlantikdampfer Columbus an. Dieses mächtige Schiff und seine Besatzung sollte noch ein ganz eigenes Schicksal erfahren, das hier erzählt wird:

© Videoquelle YouTube; Urheberrecht: Phoenix
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Ein Nash „Six“ Tourer von 1925 in Australien

Der Markenname „Nash“ wird in Europa am ehesten mit dem britischen Sportwagenhersteller „Frazer-Nash“ in Verbindung gebracht – dabei haben die beiden Firmen nichts miteinander zu tun.

„Nash Motors“ war eine 1916 gegründete US-Firma, die bis 1938 eigenständig blieb und mit ausgezeichneten Mittelklassewagen erheblichen Erfolg hatte. 

Gründer der Firma war ein leitender Angestellter von General Motors: Charles W. Nash. Er übernahm die Thomas B. Jeffery Company, eine der ältesten amerikanischen Automobilfirmen, die noch Anfang des 20. Jahrhunderts die Nr. 2 am US-Markt war.

Hauptstandbein von Nash war zunächst ein von der Jeffery Company entwickelter LKW. Der dank Allradantrieb, Allradlenkung und Vierradbremsen außerordentlich leistungsfähige Wagen wurde bis 1919 über 10.000mal für das Militär gebaut.

Noch im 1. Weltkrieg warb Nash den Chefingenieur der General-Motors-Marke Oakland, Nils Eric Wahlberg ab. Er sollte bis in die 1930er Jahre dafür sorgen, dass ein Nash technisch stets auf der Höhe der Zeit war, manchmal auch seiner Zeit voraus.

Ebenso wichtig für den Erfolg von Nash war die konsequente Orientierung am Vorteil des Kunden. Diese Einstellung sucht man bei deutschen Großserienherstellern speziell in den 1920er Jahren vergeblich, bis die US-Konkurrenz endlich ein Umdenken erzwang.

Werfen wir nun einen Blick auf einen Nash aus der Blütezeit der Firma:

© Nash „Six“ Tourer, Ende der 1920er Jahre; Originalfoto aus Sammlung: Michael Schlenger

Der mächtige Tourer ist unschwer als US-Wagen der zweiten Hälfte der 1920er zu identifizieren. Bei der genauen Ansprache des Herstellers ist mal wieder das gute alte Autobuch unverzichtbar.

Im vorliegenden Fall half das Durchblättern des reizvollen Werks „American Cars in Europe, 1900-1940: A Pictorial Survey“ von Brian Goodman. Dort stieß der Verfasser auf einen ähnlichen Wagen der Marke Nash, die ihm bis dato wenig sagte.

Tatsächlich ist auf der Kühlerplakette der Firmenname NASH zu ahnen:

Der massive Knebelverschluss des Kühlwasserstutzen dürfte ein Extra oder Zubehörteil sein. Er könnte aber auch – ebenso wie die dreireihige – Stoßstange auf eine gehobene Variante des Volumenmodells Nash „Six“ hinweisen – den „Advanced Six“.

Das von 1925-29 gebaute große Sechszylindermodell wartete mit über 4 Liter Hubraum und anfänglich 60, zuletzt 80 PS auf. Vergleichbare Leistungen boten damals in Deutschland nur wenige und sehr teure Oberklassewagen.

Wie erfolgreich Nash mit seinen hochwertigen Sechsyzlinder-Wagen war, belegt nicht zuletzt der obige Bildausschnitt. Denn dort sieht man ein australisches Nummernschild, das im Bundesstaat „New South Wales“ – daher das Kürzel NSW – ausgegeben wurde.

Wie es der Zufall will, gibt es auf der Netzpräsenz des amerikanischen Nash Car Club ein historisches Foto eines weiteren Nash Advanced Six, das 1926 ebenfalls in New South Wales aufgenommen wurde. Der Wagen hat dieselbe dreireihige Stoßstange wie der Nash auf unserem Bild.

Das genaue Baujahr des Wagens wird nur ein Nash-Kenner benennen können. Uns soll genügen, dass das Foto in der zweiten Hälfte der 1920er Jahre entstanden sein dürfte. Dafür spricht der kappenartigen Hut der Dame, die in Fahrtrichtung links steht.

Bemerkenswert ist das Erscheinungsbild des Herrn rechts vom Wagen:

Wenn nicht alles täuscht, trägt er Anzug mit Fliege und Hut und darüber entweder einen frischgewaschenen Arbeitskittel oder einen weißen Staubmantel. Jedenfalls ist er ein gutes Beispiel für den Stil jener Zeit, der auch heute ein gutes Vorbild abgibt, wenn man auf einen passenden Auftritt zum klassischen Wagen Wert legt.

Übrigens stehen die Chancen gut, dass dieses hochwertige und in trockenem Klima praktisch unzerstörbare Auto noch existiert. In Australien haben viele Vorkriegsautos überlebt und sei es als Bewohner von Scheunen oder irgendwo im Freien.

Wer sich davon überzeugen will, muss keineswegs nach „down under“, sondern nur regelmäßig „The Automobile“ lesen…