Heute bringe ich ein Foto, das viele Assoziationen weckt.
Mich erinnert es an meinen walrossbärtigen Fahrlehrer aus dem Nachbarort, der Ende der 80er seine attraktive Frau im 3er-BMW über die Dörfer schickte, um uns Fahrschüler einzusammeln – der dröge lokale Monopolist war davon nicht so angetan, zumal seine Preise dabei unterboten wurden.
Der weiße Golf II Diesel, auf dem ich dann fahren lernte, war zwar geeignet, die nächste Generation für das Automobil zu verderben: ein hässliches Wolfsburger Facelift des knackigen Golf I aus italienischer Meisterhand; das primitiv gestaltete Plastikarmaturenbrett vibrierte bedrohlich im Leerlauf und die Kiste war unsäglich lahm.
Doch genau mit diesem Mobil brachte uns Meister Eckardt (so hieß er tatsächlich mit Vornamen) binnen kürzester Zeit das Fahren bei und noch heute denke ich an ihn, denn er war ein Verfechter der stets angemessen zügigen Fortbewegung. Schon in der ersten Stunde drückte er aufs Gas, wenn man auf der Landstraße zu langsam unterwegs war.
Später machte ich noch den Motorrad-Führerschein bei ihm – ebenfalls mit der vorgeschriebenen Mindeststundenzahl – bei ihm ging es auch in der Hinsicht zügig zu.
Das war ein gelungener Kompetenztransfer von einer Generation zur anderen, wie er sein soll – was übrigens auch in jeder anderen Hinsicht gilt: Bildung, Eigenständigkeit, Rücksicht auf die Mitmenschen, Mitleid mit denen, die sich nicht selbst helfen können usw.
Hört man unterdessen denen hierzulande zu, die sich in fortgeschrittenem Alter befinden und larmoyant feststellen, dass ihr eigener Nachwuchs die Liebe zum klassischen Automobil nicht teilt, habe ich den Eindruck, dass sie am Generationswechsel gescheitert sind.
Ich habe selbst keine Kinder – zu viele „gut katholische“ Psychopathen in der väterlichen Linie. Aber ich stelle mir vor, dass Eltern ihren Sprösslingen etwas von den Dingen vermitteln wollen, die sie bewegen – warum sonst haben sie Kinder?
Doch dann hört man in Deutschland immer wieder das Gejammer, dass die nächste Generation sich nicht mehr für Vorkriegsautos interessiere. Vielleicht liegt es am Mangel an einschlägiger Erziehung, meine Herren (und eher selten: Damen).
Die Jugend will verdorben werden, pflege ich zu sagen und stelle meine historischen Autos gern zu diesem Zweck zur Verfügung – hier etwa meinen Peugeot 202 Pickup:

Lächerliche Hinweise wie „Nicht berühren“ oder noch besser: „Nicht fotografieren“ gibt es bei mir nicht. Ein altes Auto, das über Jahrzehnte so viel erlebt hat, geht nicht kaputt, wenn jemand es anfasst oder sich hineinsetzt – im Gegenteil: ich animiere die Leute dazu.
Die nächste Generation will begeistert und im besten Sinn „verdorben“ werden, wenn das historische Automobil und die Leidenschaft für freie Fortbewegung oberhalb des Niveaus eines Lastenrads weiterleben soll.
So, nach dieser Vorrede kommen Sie jetzt in den Genuss des Dokuments, welches all das vollkommen illustriert, wie ich meine:
Hier ist der Generationswechsel in Sachen Vorkriegswagen perfekt auf den Punkt gebracht. Der wiederum walrossbärtige Fahrlehrer auf der rechten Seite bringt der nächsten Generation an Automobilisten die Feinheiten des Kraftfahrzeugs am lebenden Objekt bei.
Dabei war das Anschauungsobjekt für die beiden jungen Herren links sehr wahrscheinlich ein Vorkriegsauto. Doch war es noch geeignet, der nächsten Generation die Grundfunktionen der pferdelosen Kutsche zu vermitteln.
Denn der mit „NAG“ gemarkte Motor mit von oben zugeführter Kühlflüssigkeit und offenbar vier Zündkabeln war um 1920, als diese Aufnahme wohl entstand, im damaligen Deutschland noch durchaus aktuell:
Den Wagen würde ich auf ca. 1911 datieren, doch der Jüngling mit dem offenen Hemd, der neben dem noch mit Vatermörder-Kragen ausstaffierten Kollegen steht, ist aus meiner Sicht ein Indiz für eine Entstehung der Aufnahme nach dem 1. Weltkrieg.
Zu Schulungszwecken der nächsten Generation war der Vorkriegs-NAG noch geeignet.
Bekanntlich hielt die deutsche Autoindustrie bis Mitte der 1920er Jahre überwiegend an Vorkriegstechnik fest – teils aus der Not geboren, teils aufgrund der arroganten Auffassung, dass traditionelle deutsche „Wertarbeit“ ohnehin konkurrenzlos sei.
Jedenfalls sehen wir hier, wie ein gelungener Wissenstransfer in Sachen Vorkriegsauto schon vor über 100 Jahren stattfinden konnte. Es bedarf dazu einer speziellen Mentalität, welche die nächste Generation – ohne diese zu fragen – erst einmal in die Lage versetzt, den Stand der Vorfahren zu erreichen, bevor sie sich davon loslöst und diese überflügelt.
So war das in Europa seit der Antike: Die nächste Generation gewinnt man durch Vorbild, Anschauung und eigene Erfahrung, auf der sich aufbauen lässt. Wer indessen das Desinteresse der Nachgeborenen beklagt, ist schlicht selbst schuld daran…
Michael Schlenger, 2024. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and https://vorkriegs-klassiker-rundschau.blog
Richtigstellungen dieser Art sind immer gefällig!
Kleine Richtigstellung gefällig?
Es muß natürlich heißen: ….der mit NAG gemarkte Motor mit nach oben abgeführter Kühlflüssikkeit….
Wie wir wissen steigt ja (nicht nur über dem im Rekordsommer 2024 aufgeheizten Mittelmeer) das erwärmte Wasser nach oben und, fahrtwindgekühlt, im Kühler sinkt es, schwerer werdend ab!