Vom Zauber des Details: Steyr 30S Luxus-Cabriolet

Man sollte nicht planlos durchs Leben gehen, aber man sollte auch nicht zu planvoll leben.

Die unerwarteten Dinge sind oft diejenigen, welche uns eine unverhoffte Tür im Dasein öffnen, unserem Streben eine neue Richtung geben oder überhaupt erst einmal ein Ziel.

Dazu muss man sich verführen lassen können – nicht immer, nicht beliebig, nicht zu leicht – aber unbedingt dann, wenn Außergewöhnliches lockt, vielleicht Einmaliges.

Wenn ich wie heute abend alte Fotos durchgehe – diesmal solche auf meiner ersten Digitalknipse, die mich 12 Jahre lang begleitete – dann finde ich dort viele Erinnerungen an Momente, die ich der Bereitschaft verdanke, sich verführen zu lassen.

Beim Durchblättern stieß ich auf diese Aufnahme, welche den Titel des heutigen Blog-Eintrags für mich perfekt verkörpert:

Schloss Hünnefeld, Mai 2011; Bildrechte: Michael Schlenger

Ob nun die Zypressen im Hintergrund, der Messinggriff am Fenster oder das Blattwerk auf den Vorhängen – alles auf diesem Foto kündet vom Zauber des Details. Und es steht für mich auch für etwas, was hier gar nicht zu sehen ist, sondern um die Ecke wartet.

Das war der Fiat 1100D von 1964, den ich mit der besseren Hälfte im Jhar 2011 durch halb Deutschland fuhr. Der Wagen hatte sein ganzes Leben in Norden in Ostfriesland verbracht und der Tachometer zeigte wenig mehr als originale 30.000 km an.

Wir hatten uns im Vorjahr auf der Techno Classica-Messe in Essen von dem dort privat angebotenen Wagen verführen lassen, den wir gar nicht gesucht hatten.

Wir kauften den Fiat ohne Probefahrt und holten ihn im Frühjahr bei den sympatischen Vorbesitzern mit frischem TÜV ab. Da der Wagen nur Kurzstreckenverkehr kannte, beschlossen wir, ihn gemütlich über Land heimzufahren ins hessische Bad Nauheim.

Wir nutzten die Gelegenheit, die Schönheiten der norddeutschen Tiefebene zu genießen, wo die Landschaftszerstörungen durch die Renditegeneratoren der Windstromindustrie damals noch nicht soweit „gediehen“ waren wie heute.

Unterwegs übernachteten wir auf Schloss Hünnefeld im Osnabrücker Land. Dort entstand das eingangs gezeigte Foto.

Der Fiat brachte uns auf der längsten Fahrt seines bisherigen Lebens problemlos nach Hause und gehört seither zu den zauberhaften Details unseres Daseins in der Wetterau.

Hier ist er als solches vor der nahegelegenen staufischen Münzenburg zu sehen:

Fiat 1100 D; Bildrechte: Michael Schlenger

Auch wenn unser Fiat ein typisches Kleid der 1960er Jahre trägt – ergänzt um friesische Spitze, die an seine alte Heimat erinnert – so stellt er doch eine unmittelbare Verbindung zur Vorkriegszeit her, um die es in meinem Blog vorrangig geht.

Der erstaunlich laufruhige und nach sorgfältigem Einfahren auch drehfreudige kopfgesteuerte Motor entsprach dem Grundsatz nach immer noch der Konstruktion von 1937, als der erste Fiat 1100 erschien – anfänglich als Typ 508C angeboten.

Zu diesem auch in Deutschland gebauten Modell – für mich eines der besten seiner Klasse überhaupt – finden sich in meinem Blog jede Menge Dokumente.

Doch will ich nun auf der Suche nach dem „Zauber des Details“ ein paar Jahre zurückgehen. Die erste Station machen wir noch hoch zu Pferde:

Steyr Typ 30S Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Diese Aufnahme habe ich vor gut einem Jahr hier ausführlich gewürdigt.

Heute nehmen wir davon nur ein Detail mit – nämlich dass der links neben den majestätischen Rassepferden beinahe schüchtern wirkende Wagen ein Steyr des Typs 30S war.

Dieser musste sich bei Erscheinen anno 1932 jedoch nicht verstecken. Denn der 2-Liter-Sechszylindermotor des Basismodells Steyr XXX (ab 1930) erhielt im Fall des „S“ einige extra Pferdestärken und war mit dann 45 PS sowie Viergang-Getriebe auch sonst ein exzellentes Automobil in seiner Klasse.

Nun mögen Sie jetzt denken, dass die Pferde unter der Haube wenig zum sichtbaren Zauber im Detail beitragen, den ich Ihnen heute versprochen habe.

Ganz recht, und daher muss ich zum Schluss noch im Detail nachlegen. Zum Glück bot Steyr den Typ 30S mit einer Reihe attraktiver Aufbauten an.

Den flotten Roadster dieses Typs habe ich leider noch nicht vor die Flinte bekommen, aber Sie können ihn immerhin auf Seite 160 von Hubert Schiers Standardwerk „Die Steyrer Automobil-Geschichte“ bewundern.

Mit einer Aufnahme kann ich dann doch aufwarten, die meines Erachtens vom Zauber des Details in Sachen Steyr 30S kündet. Außer mir wollte niemand dieses Foto haben, dabei passt es perfekt zur heutigen Story:

Steyr Typ 30S Luxus-Cabriolet; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Vielleicht bin ich nach teutonischen Maßstäben übersensibel für solche Dinge, aber für mich entfaltet sich in der Linienführung der Tür von links unten über den oberen Abschluss bis zum hinteren Karosserieausschnitt für das üppige Verdeck ein Zauber im Detail, den ich so bei noch keinem anderen Wagen jener Zeit bemerkt habe.

Ich verspüre hier nicht das geringste Bedürfnis, den ganzen Wagen zu sehen, auch wenn mir Steyr-Spezialist Thomas Billicsich aus Österreich schon vor längerer Zeit eine entsprechende Aufnahme aus einem Archiv zugefunkt hat, die Eingang in meine Steyr-Galerie gefunden hat.

Wenn auch Sie, geschätzte Mitleser, sich diesem Zauber des Details gern hingeben und darin Ihrem Dasein einen schönen Moment abgerungen haben, begleitet von einem „Hach…“, einem „Schee…“ oder auch einem „O Yeah….“ , dann bin ich zufrieden…

Michael Schlenger, 2024. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and https://vorkriegs-klassiker-rundschau.blog with appropriate and specific direction to the original content.

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