Als Taxi noch echte Typen fuhren: NAG C4 10/30 PS

Ich weiß, es gibt einige richtig gute und sympathische Taxifahrer in deutschen Landen.

Leider habe ich oft schlechte Erfahrungen mit Exemplaren gemacht, die einen am Frankfurter Hauptbahnhof in Empfang nehmen, wenn es 20 Uhr ist, die Bahn mal wieder versagt und man nach einem langen Arbeitstag nach Hause will – koste es, was es wolle.

Ich will nicht darüber spekulieren, wie man heuzutage in deutschen Metropolen an die Taxifahrer-Lizenz gelangt, es gibt da einige Vermutungen.

Der ursprünglich ehrenhafte Beruf des Droschkenfahrers hat aber auch dadurch gelitten, dass er irgendwann von Dauerstudenten oder Studienabbrechern gekapert wurde, die sonst nichts können.

Diesen zum unaufgeforderten Schwafeln neigenden Figuren bin ich während meiner Jahre am Frankfurter Finanzplatz zum Glück selten in die Hände gefallen.

Dass der Beruf des Taxifahrers einst Ehrenmännern oder zumindest respekteinflößenden Mannsbildern vorbehalten war, das will ich heute anhand eines Fotos illustrieren, welches eines der meistgebauten deutschen Automobile der ersten Hälfte der 1920er Jahre zeigt.

Die Rede ist vom hier schon oft besprochenen Typ C4 10/30 PS der altehrwürdigen Marke NAG aus Berlin. Sie finden in meiner NAG-Galerie haufenweise Fotos dieses Modells, das einem zudem mit einer großen Fülle von Aufbauten begegnet.

Gemeinsam war freilich allen Varianten der markante Ovalkühler, der zugleich mittig spitz zulief, wie es bei Fabrikaten aus deutschen Landen von ca. 1914 bis 1925 Mode war.

Zur Bestätigung der Identität trugen die NAGs des Typs C4 meist noch das charakteristische Markenemblem auf der Stange zwischen den Scheinwerfern – so auch hier:

NAG Typ C4 10/30 PS; Originalaufnahme aus Sammlung Wolfram Kuessner (Kiel)

Diese prächtige Aufnahme verdanke ich Wolfram Kuessner aus Kiel, der eine schöne Website betreibt, wo man auf historischen Dokumenten die alte Ostseestadt erleben kann.

In Kiel war es auch, wo einst diese Taxis abgelichtet wurden – darunter „unser“ NAG, gefolgt vom damals ebenso verbreiteten Modell 9/30 PS von Presto aus Chemnitz.

Den Wagen möchte ich heute nicht etwas Neues abgewinnen, ihre repräsentative Erscheinung verrät bereits alles über den exklusiven Rang eines Taxis vor 100 Jahren.

Vielmehr möchte ich Ihren Blick auf die drei Herren lenken, welche hier selbstbewusst neben ihren Fahrzeugen posieren. Sie trugen die „Uniform“ des Chauffeurs von damals: Schirmmütze, zweireihige Jacke und polierte Schaftstiefel.

Man nimmt diesen Typen sofort ab, dass sie ihr Handwerk von der Pike auf gelernt hatten, ihre Wagen und ihre Stadt aus dem Effeff kannten und auch den angemessenen Umgang mit ihren Passagieren beherrschten.

Sollte ich nach nunmehr 12 Jahren selbständiger Existenz noch einmal in die Verlegenheit gelangen, am Hauptbahnhof zu Frankfurt am Main zu stranden und es sollte aufgrund eines unerklärlichen Zeitsprungs dort einer dieser Taxi-Typen neben den üblichen Verdächtigen auf mich warten, dann wüsste ich genau, wem ich mich anvertrauen würde.

Dafür würde ich sogar die Route über die alte Landstraße in Kauf nehmen, denn die A5 von Frankfurt/Main nach Bad Nauheim gab es in den 1920ern noch nicht…

Michael Schlenger, 2025. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and https://vorkriegs-klassiker-rundschau.blog with appropriate and specific direction to the original content.

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