Gab’s auch elegant: Austro-Daimler ADM II Sport

Heute war ich nach langen Jahren wieder einmal im Nachbarort Friedberg/Hessen, wo ich einst zur Schule ging.

Die einstige freie Reichsstadt mit ihrem phänomenalen Bestand an Kaufmannshäusern des Spätmittelalters und der beeindruckenden Burg auf den Fundamenten eines römischen Reiterkastells hat sich sehr zum Nachteil verändert.

Die aus der Schulzeit vertrauten Bauten sind alle noch da, doch die Geschäftswelt ist auf den Hund gekommen, viele Leute sehen ärmlich aus. Alles Notwendige funktioniert zwar, der Verkehr fließt, doch die Ästhetik spielt hier schon lange keine Rolle mehr – bald 40 Jahre ignorante Lokalpolitik fordern ihren Tribut.

Es schmerzt, das in einer Stadt mit einer in Hessen einzigartigen Geschichte und Bausubstanz zu sehen, aber das alte, einst kulturtragende Bürgertum gibt es nicht mehr.

Zum Glück sieht die Welt im benachbarten Bad Nauheim ganz anders aus – dort schauen die Leute der Politik genau auf die Finger und haben schon viel an Unsinn verhindert. So ist der elegante Charakter des einstigen Weltbads erhalten geblieben.

Mit beiden Städten, zwischen denen einst die russische Zarenfamilie pendelte, wenn Sie auf Besuch bei der deutschen Verwandschaft war (und später Elvis Presley während seiner Militärzeit), verbindet mich etwas. Von Friedberg ist nur die Erinnerung an eine frühere Phase meines Lebens geblieben, doch Bad Nauheim – meiner Geburtststadt – gehört bis heute meine Liebe.

Davon ist ein wenig der heutige Blog-Eintrag inspiriert.

Ende 2023 hatte ich hier als Fund des Monats Fotos einer Sportversion des Austro-Daimler ADM von Mitte der 1920er Jahre präsentiert. Es handelte sich um ein auf’s Äußerste reduziertes Gerät, das wohl von einem Privatfahrer zu Sportzwecken genutzt wurde.

Austro-Daimer ADM II 3 Liter Sport; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Interessanterweise war dieser Beitrag auf null Resonanz gestoßen, und ich kann verstehen warum.

Der 6-Zylinder-Wagen war zwar von der Papierform her mit 70 bis 100 PS aus 3 Litern Hubraum eine echte Waffe, aber die funktionalistische Erscheinung lässt keinen Funken überspringen.

Ja, man weiß um die Bedeutung dieser einst sehr leistungsfähigen Autos, aber Begeisterung kann sich hier kaum einstellen – die Ästhetik war den Schöpfern dieser speziellen Variante schlicht egal.

Doch wie im Fall des Erscheinungsbilds unserer Städte kommt es nicht nur darauf an, dass alles Nötige funktioniert, der Mensch braucht auch etwas für das Auge und damit für die Seele, die es nach mehr als nur schnödem Überleben dürstet.

Es mag Leute geben, denen das alles egal ist, die geben sich bereits dann zufrieden, wenn alles einigermaßen läuft, was den Alltag ausmacht. Das sind für mich die „Friedberger“, denen es gleichgültig ist, wenn altehrwürdige Bauten mit primitiven Ladenfassaden verunstaltet werden.

Doch daneben gibt es die feineren Geister, ich nenne sie die Bad Nauheimer, das sind die, welche die gefällige Form oder auch den expressiven Auftritt schätzen und sich gerade mit einem vermeintlichen „Exzess“ an Ornament und raffinierter Optik wohl fühlen.

Für diese verwöhnte Klientel bot Austro-Daimler mit dem sicheren Gespür, wie es in Wien zuhause war und noch ist, den Typ ADM II Sport auch mit einer wirklich aufregenden Karosserie an, die auf geniale Weise Eleganz und Funktion vereinte:

Austro-Daimler ADM II 3 Liter Sport; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Ein unbekannter Privatfotograf machte um die Mitte der 1920er Jahre in Augsburg diesen außergewöhnlichen Schnappschuss, der trotz des kühnen Ausschnitts alles Wesentliche erkennen lässt.

Hinter dem nachträglich angebrachten Steinschlagschutzgitter erkennt man die typische Kühlergestaltung von Austro-Daimler mit dem herrlich verschlungenen Markenemblem, das im Gegensatz zu den nüchternen Gestaltungstendenzen in deutschen Landen stand.

Auf den sportlichen Charakter dieses Wagens, der in der Spitzenmotorisierung für ein Tempo bis zu 140 km/h gut war, verweist hier nur die freiliegende Ausleger-Blattfeder der Hinterachse.

Ansonsten hat man sich um eine möglichst dynamische Gestaltung des Aufbaus bemüht – mit nach hinten geneigten und oben nach innen gezogenen Türen ohne außenliegende Griffe sowie einer mittig unterteilten, sehr niedrigen Frontscheibe, die besonders zu unvernünftig rasanten Anmutung dieses Wagens beiträgt.

Auf S. 223 des Standardwerks „Austro-Daimler und Steyr“ von Martin Pfundner (Verlag Böhlau, 2007) ist eine ganz ähnlich elegante Sportversion des ADM II 3 Liter abgebildet.

Erst in einer solchen Ausführung erwacht das rein funktionelle Gefährt zum Leben als ein alle Sinne ansprechender Zeitgenosse auf vier Rädern – als Manifestation des Bedürfnisses des Menschen, seinen Schöpfungen jenseits der blanken Funktion eine beeindruckende, erhebende und zu weiterem Tun begeisternde Wirkung zu verleihen…

Michael Schlenger, 2025. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and https://vorkriegs-klassiker-rundschau.blog with appropriate and specific direction to the original content.

Kommentar verfassenAntwort abbrechen