Sorgen Sie sich auch wegen der Möglichkeiten der Bildmanipulation durch die Technologie der Künstlichen Intelligenz – und sind Sie auch schon mal auf ein Exempel hereingefallen?
Nun, wirklich neu an der Sache ist im Kern nur die ins Gigantische gesteigerte Geschwindigkeit der Datenverarbeitung und die resultierenden nahezu infiniten Kombinationsmöglichkeiten auf Basis definierter Rechenregeln – der ominösen Algorithmen.
Dabei wurde schon immer versucht, mit Bildern etwas dazustellen, was es so nicht wirklich gibt bzw. dessen Wahrheitsgehalt der Betrachter nicht ohne weiteres prüfen kann. Über Jahrhunderte waren beispielsweise Kirchenfresken mit mythologischen Themen die einzigen Abbildungen, welche überhaupt existierten.
Im Unterschied zur römischen Antike waren die allermeisten Menschen ab dem Mittelalter bis in die Neuzeit Analphabeten – und so waren gemalte Bibelszenen ihr alleiniger Zugang zur Welt außerhalb des unmittelbaren eigenen Erlebnishorizonts.
So großartig die christliche Freskenkunst auch anmutet, war sie doch in erster Linie ein brilliantes Manipulationsprogramm, was die Erklärung der Welt, die Zuordnung von Gut und Böse, die Definition von Oben und Unten angeht.
Zwar ist die Technologie der Bildkreation heute raffinierter als je zuvor, doch ist im Unterschied zu früher ein aufgeklärter, an den Mechanismen der Manipulation geschulter Mensch davor geschützt, sich von Bildern in Angst oder Aggression versetzen zu lassen.
Wird im öffentlichen Raum mit emotionalisierenden Bildern gearbeitet, anstatt – wie man es in einer modernen Gesellschaft erwarten sollte – mit rein an den Verstand gerichteten Sachargumenten, darf man sicher sein, dass man manipuliert werden soll.
„Aber ich hab’s doch in den Nachrichten oder auf Youtube gesehen„, diese Ausrede kann im 21. Jh schlicht nicht mehr als Argumentationsersatz durchgehen.
Der moderne Mensch ist im Bewusstsein immer wieder neuer Versuche der Manipulation mittels Bildern mit der Haltung eines Skeptikers und Selberdenkers gut beraten. Genau in dieser ultimativen Tugend des vernunftbegabten Individuums üben wir uns heute.
Wir gehen die Sache dabei ganz entspannt an und lassen uns erst einmal zu einem Ausflug im Tourenwagen an die Loreley im Mittelrhein verführen:

Ein toller Schnappschuss, nicht wahr? Der Tourer rauscht hier förmlich durchs Bild – der Fotograf hat gerade noch so rechtzeitig auf den Auslöser gedrückt, dass die Insassen scharf abgebildet sind, während sich der Vorderwagen schon im Unschärfebereich befindet.
Dass der Fahrer gerade im rechten Moment in die Kamera schaut, während sein Beifahrer begeistert den Blick in die Ferne gerichtet hält, das ist ein glücklicher Zufall, nicht wahr?
Dumm nur, dass der Markenschriftzug auf dem Kühler schwer zu entziffern ist. Doch das ist halb so wild, denn der Blogwart profitiert in diesem Fall von ein paar Jahren der Beschäftigung mit solchen Autos der Zwischenkriegszeit.
„Das dürfte ein Berliet sein„, so das vorläufige Urteil, das sich von der Szene als solcher unbeeindruckt aus der Erfahrung ergibt. Der französische Lastwagenhersteller baute lange Zeit nebenher auch eine Reihe solider Personenwagen, die hierzulande heute kaum bekannt sind – und wohl auch einst Exoten in deutschen Landen waren.
Ich will Sie gar nicht lange mit der Frage behelligen, was für ein Typ genau hier zu sehen ist. Nach oberflächlichen Recherchen könnten wir hier einen 12CV mit Typbezeichnung VH von etwa 1922 vor uns haben. Das Foto ist indessen auf Pfingsten 1927 datiert.
In technischer Hinsicht gäbe es zu den konventionellen Berliet-Wagen nicht viel zu sagen, würde hier nicht etwas auf einen frühen Frontantriebstyp hindeuten. Das glauben Sie nicht?
„Ich hab’s doch gesehen, die Vorderräder drehen durch, während die Hinterräder stillstehen – offenbar wurde das Foto gerade beim Kavaliersstart aufgenommen.“
Tja, so ist das mit der vermeintlichen Evidenz von Bildern, speziell im Fall von Fotografien, die nur von unbedarften Zeitgenossen als objektive Zeugnisse angesehen werden können.
Bestand die Welt damals nur als Grautönen? Natürlich nicht – und mit demselben nüchternen Blick sollte man auch das Übrige sezieren, was hier sonst zu sehen ist.
Der vermeintliche Fahrer könnte auch der Wagenbesitzer gewesen sein, während der Chauffeur zum Zweck des Fotos auf dem Beifahrerseitz Platz genommen hat – das wäre eine fast typische Situation bei solchen Motiven.
Können wir das genau entscheiden? Nein, also enthalten wir uns des Urteils, ganz gleich, was uns das Bauchgefühl in diesem Fall nahelegt.
Fest steht aber eines – das Hinterrad.
Wie kann das sein, wenn das vordere heftig zu rotieren scheint? Ist also doch etwas dran an der Frontantriebsthese? Ich bitte Sie: ganz gleich, was einem auf dem Bild als scheinbar eindeutige Wahrheit präsentiert wird, ist doch völlig unplausibel.
Sehen die Damen auf der Rückbank so aus, als würden sie sich gerade in einem Wagen mit durchdrehenden Rädern ablichten lassen? Und wie wahrscheinlich ist das, dass gerade in dem Moment einer zugegen ist und auf den Auslöser drückt?
Man erkennt die Absicht und weiß: Hier soll mit visuellen Mitteln etwas suggeriert werden, es soll ein bestimmter Eindruck erzeugt werden.
„Aber man sieht’s doch auf dem Foto, wie sich die Vorderräder drehen!“ – Nein, selbst wenn man das sieht, dann ist das im Hinblick auf die Tatsachen egal:
Da mögen sich die Räder noch so drehen auf diesem Ausschnitt – denn es ist doch merkwürdig, dass der ganze Vorderwagen gleichzeitig von derselben Bewegung erfasst zu sein scheint – so als ob die Partie verwackelt wäre.
Spätestens jetzt sollte beim Betrachter der Denkapparat anfangen, plausible Erklärungen dafür zu finden, weshalb das Ganze so aussieht, wie es aussieht?
Ganz einfach: weil jemand wollte, dass es so aussieht. An dieser Stelle darf jemand in der geschätzten Leserschaft einspringen und besser erklären als ich, wie man beim Belichten eines analogen Fotoabzugs durch gezielte Bewegungen genau diesen Effekt erzielte.
Wenn dann noch jemand eine zündende Idee hat, was das merkwürdige Nummernschild angeht (evtl. ein Diplomaten-Kennzeichen), dann bin ich restlos glücklich.
Denn dann weiß ich wieder einmal, dass meine Leserschaft mit genug Erfahrung, Wissen und Verstand ausgestattet ist, um im Zweifelsfall meine subjektiv gefärbten Bildgeschichten zu korrigieren, zu ergänzen oder gegebenenfalls auch ganz über den Haufen zu werfen…
Michael Schlenger, 2025. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and https://vorkriegs-klassiker-rundschau.blog with appropriate and specific direction to the original content.
Bei der Beschäftigung mit der Bildwelt in der christlichen Tradition stellt man fest, dass diese nur am Rande Platz für individuelle Fantasie ließen, sondern präzise vorgegebenen (theologischen) Programmen) folgten, die von mehr oder weniger gut ausgebildeten Handwerkern umgesetzt wurden. Wirklich individuelle Interpretationen der Themen von Künstlerhand waren und sind die Ausnahme – sie kommen überhaupt erst im Spätmittelalter auf und beschränken sich auf wenige Regionen und Zentren. Die zu erwartenden „Freuden im Jenseits“ sind mangels theologischer Substanz so gut wie nie vertreten, dagegen war die bildgewaltige Drohung mit der Hölle bei Nicht-Konformität Standard, damit die Leute nicht auf die Idee kommen, sich einen eigenen Reim auf die grundlegenden Dinge des Daseins zu machen. Der Bezug mag „konstruiert“ erscheinen, mich beschäftigen diese Fragen aber laufend und so fließen sie auch in die an sich belanglose Spielerei mit den Autos von einst ein.
Der Wagen steht hier allerdings still – fraglich bleibt, wie der Verwacklungseffekt (keine bloße Unschärfe) an der Vorderpartie entstanden (oder kreiert) worden ist.
Auch möglich – die übrige Qualität der Aufnahme spricht aber für einen Profi und der wusste, wie man durch Wahl der Blende bei stillstehendem Objekt einen ausreichenden Schärfentiefenbereich schafft.
Danke – natürlich. Daran hatte ich nicht gedacht.
Jetzt sehe ich es auch 🙂
Angesichts der Überschrift mit dem Stichwort „Frontantrieb“ sieht man sich gezielt die Vorderachspartie des heutigen Protagonisten an und entdeckt: nichts ! Kein Differential, keine Achsgelenke – einfach nur eine massive Faustachse, wie bei den Wagen dieser Zeit üblich.
Und die „durchdrehenden Vorderräder“ werfen nicht die kleinsten Wölkchen Strassenstaubs auf!
Die heutigen Auslassungen des Blogwarts erscheinen wohl doch eher konstruirt, ganz im Sinne des heute unterlegen KI- Themas, nicht zu verwechseln mit der Phantasie (nicht KI) übrigens, mit der die Künstler vergangener Jahrunderte die Erzählungen und Figuren des Christentums unseren Altvorderen mit größtmöglichem Prunk und Herrlichkeit visualisierten, um sie von ihrem mühsamen und unterjochten Alltag abzulenken
und sie auf die zu erwartenden Freuden im Jenseits einzustimmen.
Die Herkunft der Reisegesell- schaft im französischen Import- BERLIET aus dem SAAR- Land scheint mir dem schemenhaft lesbaren Kennzeichen nach naheliegend und dokumentiert den französischen Wirtschafts Expansionismus in unsicheren Zeiten nach dem verlorenen WKI
( ebenso wie 25 Jahre später im
sog. Saargebiet).
Ich denke, der aus dem Saarland stammende Berliet ist beim Fotografieren nicht ganz scharf gestellt worden, da der vordere Teil unscharf abgebildet ist, hat man – wenn überhaupt – den Abstand zu den Insassen am Fotoapparat eingestellt. Den musste man bei Amateur-Kameras schätzen und ohne Kontrolle, wie bei späteren Spiegelreflex-Kameras einstellen.
Das „merkwürdige“ Nummernschild ist so merkwürdig nicht. Mit etwas Phantasie kann man SAAR entziffern. Wir haben es also mit einem Wagen aus dem Saargebiet zu tun, was auch den französischen Wagen erklärt.
In Bezug auf den fotografischen Effekt siehe z.B.:
https://ratgeber-fotografie.de/blog/mitzieher-so-gelingen-tolle-effektbilder/
KD
Hallo,
meines Erachtens haben wir hier in Bezug auf das Kennzeichen kein Diplomaten-Kennzeichen, sondern eines aus dem SAAR-Gebiet.
Schöne Grüße,
KD