Abwechslung ist eine schöne Sache – so sie nicht reiner Selbstzweck ist. Es muss nicht zwangsläufig von Vorteil sein, wenn etwas von der Norm abweicht – auch Einerlei kann großen Reiz haben, das ist bloß eine Frage des Niveaus, auf dem man sich bewegt.
Das will ich heute anhand geeigneten Fotomaterials illustrieren. Dabei will ich zunächst illustrieren, welchem Einerlei sich der Blogwart aussetzt, wenn er mal wieder in seinem Zweitdomizil im italienischen Umbrien weilt.
Morgens wird der herrenlose Kater „Leoncino“ gefüttert, der sich während meines Aufenthalts regelmäßig von einem verwahrlosten Streuner in einen prächtigen Vertreter seiner Art verwandelt – das geht schon jetzt das vierte Jahr so.

Der Kerl hat es speziell im umbrischen Winter schwer, aber ich bilde mir ein, mit meinen Aufenthalten zu seinem Überleben beizutragen und er bedankt sich stets artig für die Zuwendung .
Mehrmals am Tag kommt er vorbei und schaut, was es gibt – er hat kein Problem mit hochwertigem Einerlei und kann fünf Dosen „Weißen Thunfisch“ am Tag vertilgen.
Unterdessen bringe ich den Vormittag am Schreibtisch zu, denn als Freiberufler ist man irgendwie immer im Dienst – mir macht das nichts, die Arbeit gehört zu den Konstanten im Leben und ich habe mir das genauso ausgesucht.
Üblicherweise steht auch irgendeine amtliche Sache an – diesmal die Begleichung der halbjährlich erhobenen Müllgebühren. Es gibt in Italien x Möglichkeiten, das zu erledigen, doch ich wähle bewusst die klassische Methode und zahle den Betrag bar auf der Post ein.
So habe ich einen Vorwand, mich dem Einerlei der benachbarten Kleinstadt Spello auszusetzen, die wie alle umbrischen Siedlungen mit 2.500 Jahren Historie aufwarten kann.
Nach dem Besuch des Postamts bietet sich einem dort das übliche Bild, weswegen die Nordländer seit ewigen Zeiten in den Süden fliehen:
Was hier auf der Fläche von zwei Wetterauer Fachwerkdörfern an Kunst, Kultur und Kulinarik versammelt ist – schön in der Vertikalen verteilt – lässt einen vestehen, warum sich die Italiener mit Ausnahme von München für kaum eine deutsche Stadt erwärmen können.
Von dem 8.000 Seelen-Ort Spello aus genießt man auf dem Rückweg zum wie immer außerhalb der Stadtmauer gelegenen Parkplatz nebenher den Blick über das Einerlei der Dachlandschaften in die Landschaft hinein, in der sich wiederum die gewohnten Eichenwälder und Olivenhaine finden:
Zum Eindruck immergleicher Farben und Materialien trägt die Sitte bei, auch bei Erneuerung von Wegen alles schön traditionell zu halten, anstatt doch mal Experimente mit neuen Kunstmaterialien und kühnen Konzepten in – sagen wir: „elegantem Grau“ zu wagen.
Stattdessen wird man in Spello auf für das Auge erfreuliche und zugleich fußgängerfreundliche Weise in die Unterstadt geführt, auch hier vom Einerlei des örtlichen Kalksteins begleitet, mit dem auch heute noch gekonnt gemauert wird:
Nebenbei begegnet man wie jeden Tag einem immergleichen Einheitstyp – dem Fiat 500.
Diese inzwischen mindestens 50 Jahre alten Wagen werden gehegt, sind aber auch oft noch im täglichen Einsatz zu sehen, es gibt bis heute nichts, was diesem kleinen Wunder gleichkommt – man bekommt auch noch alle Teile und kann praktisch alles selber machen.
Hier ein dieser Tage in Spello abgelichtetes Exemplar mit passendem historischem Kennzeichen der Region Perugia:
Wieder daheim angekommen, bietet sich im ganzen Örtchen das Einerlei massivhölzerner Türen und diese vor dem Wetter schützender Verschläge. Auch die Briefkästen sind ein Einheitsmodell, immerhin in diversen Farben verfügbar.
Indessen erwartet mich hier nun doch einmal Abwechslung in Form anstehender Erhaltungsarbeiten.
Die äußeren Türflügel sind nämlich nach etlichen Jahren der Verwitterung sanierungsbedürftig, wenngleich man das hier nicht sieht:
So wurde das Einerlei meines Aufenthalts durch eine Routineabfolge von Schleifen, Risse auffüllen, wieder schleifen und schließlich Streichen ergänzt.
Zwischendurch erfolgt obligatorisch eine kleine Fahrradrunde in den Nachbarort San Giovanni, wo es ebenfalls nur Einerlei auf erhöhtem Niveau zu besichtigen gibt – es sind nämlich einige Höhenmeter bis dorthin zu absolvieren, fieserweise gleich am Anfang.
Nach der kompakten 10km-Tour kann es bis in den Abend weitergehen mit Renovierarbeiten, denn von besagten Türflügeln gibt es insgesamt fünf zu bearbeiten.
Drei davon sind erledigt, man entwickelt Routine bei diesen immergleichen Arbeiten, lässt die Gedanken kreisen und genießt jeden erfolgreich absolvierten Zwischenschritt.
So wird das wohl immer weitergehen bis ans Ende meiner Tage, denn das selbstbestimmte tätige Leben im selbstgewählten Einerlei ist für mich alternativlos (kleiner Scherz).
Tatsächlich bin ich für Abwechslungen immer zu haben, vor allem dann, wenn sie selbst Wiederholungen auf hohem Niveau darstellen – endlich komme ich zum Thema!
Denn auch einem Einheitstyp wie dem von der deutschen Firma Fafnir von 1920-27 gebauten Modell 476 lassen sich immer wieder neue reizvolle Seiten abgewinnen. Zuletzt hatte ich einen Wagen auf dieser Basis hier vorstellen können.
Doch dieser Tage sandte mir Conny Wirth aus Nordfriesland ein weiteres Foto zu, das eine reizvolle Variante dieses Einheitstyps zeigt:
Überliefert ist, dass diese beeindruckende 6-Fenster-Limousine von einem Herrn namens Paul Wüstenhagen gefahren wurde und dass die Aufnahme um 1925 im Raum Hamburg entstanden ist.
Was diesen Wagen so bemerkenswert macht, ist die Tatsache, dass er zwar den typischen Kühler und den markanten dreieckigen Luftaustritt in der Motorhaube trägt, den man auch an anderen Exemplaren des Einheitstyps 476 von Fafnir findet.
Doch die Wiederholung des geometrischen Luftauslasses in der Karosseriepartie hinter der Haube – hier eher ein Lufteinlass zur Belüftung des Innenraums – macht den Wagen zu einer reizvollen Variation über das vermeintlich immergleiche Thema Typ 476 von Fafnir.
Ich vermute, dass wir es hier mit einer etwas späteren Ausführung mit Motorisierung 9/36 PS zu tun haben, allerdings weist das Fehlen von Vorderradbremsen m.E. auf eine Fertigung noch vor 1925 hin.
Schön zu sehen, wie sich das Einerlei in der PKW-Produktion der Aachener Firma Fafnir so auf immer wieder neue alte Weise präsentiert – das ist ganz nach meinem Geschmack, wie Sie sich denken können.
Bloß, dass wohl kaum einer diese so gekonnten Einheitstypen noch heute in natura das Auge des Traditionalisten zu erfreuen vermag, das finde ich dann doch betrüblich…
Michael Schlenger, 2025. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and https://vorkriegs-klassiker-rundschau.blog with appropriate and specific direction to the original content.