Dasein heißt unterwegs sein: Ein Steyr Typ XX

Zu den wenigen Dingen, die ich aus der Schulzeit mit auf die Reise durch’s Dasein genommen haben, gehören einige Literaturgrößen.

Das sind der römische Dichter Catull (1. Jh. v. Chr.), dessen Liebeselegien Gegenstand meiner mündlichen Abiturprüfung waren, Meister Shakespeare, aus dessen „Hamlet“ ich mehr über das Dasein lernte als aus irgendetwas anderem, und der amerikanische Schriftsteller Jack Kerouac, dessen poetisch starke Schlusspassage aus dem Roman „On the Road“ mir unvergessen ist:

So, in America when the sun goes down and I sit on the old broken-down river pier watching the long skies over New Jersey and sense all that raw land that rolls in one unbelievable huge bulge over to the West Coast, and all that road going, and all the people dreaming in the immensity of it, and in Iowa the evening star must be shedding her sparkler dims on the prairie, which is just before the coming of complete night that blesses the earth, darkens all rivers, cups the peaks and folds the final shore in – and nobody knows what’s going to happen to anybody besides the forlorn rags of growing old.

Damit endet das literarische „Road Movie“ der 1950er Jahre, das Kerouac vor dem Leser ausbreitet und das zugleich eine Parabel über das Leben als Reise und Suche nach einem Sinn ist. Die Hauptpersonen sind oft im Auto unterwegs, längere Aufenthalte beschränken sich auf Jazz-Clubs und Partys mit irgendwelchen Grundsatzdiskussionen.

Beim Unterwegssein im Auto – idealerweise auf der Langstrecke über die Alpen – beschäftigen mich die Facetten des Dasein besonders. Speziell wenn man eine Strecke gut kennt und nur auf den unmittelbaren Verkehr achten muss, geht mein Kopf gern ebenfalls auf Reisen durchs Gestern, Heute und Morgen.

Kürzlich fand ich ein altes Autofoto, welches das Gefühl des Unterwegssein als Daseinsform und zugleich das bewusste Innehalten besonders schön transportiert:

Steyr Typ XX Limousine; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Unweigerlich geht hier der Blick von der Limousine mit Zulassung im Raum Leipzig, die kurz Halt am Rand der Piste macht, dem Straßenverlauf folgend in die Ferne.

Wo mag diese Aufnahme entstanden sein? Vermutlich unmöglich, das noch herauszufinden, gerade das macht die Aufnahme so geeignet, den Augenblick als kurzen Halt auf unbestimmter Route in die Ferne idealtypisch zu illustrieren.

Nun kann es freilich sein, dass sich bei Ihnen, liebe Leser, dieses schöne Gefühl der Melancholie so gar nicht einstellen will – wir Menschen sind ja tatsächlich sehr verschieden, was unser Innenleben angeht.

Allerdings haben wir eine Schnittmenge in Gestalt der Neugier, was die Möglichkeit der Identifikation von Hersteller und Typ des „in the middle of nowhere“ abgebildeten Autos betrifft.

Erstaunlicherweise war die Auflösung eine Sache von wenigen Minuten, obwohl gerade die Heckpartien von Limousinen der Vorkriegszeit kaum dokumentiert sind und oft auch kaum sonderlich eigenständig gestaltet waren.

Was die Dokumentation selbst exotischer Autoansichten angeht, darf ich indessen mit einer gewissen Genugtuung feststellen, dass ich hier nach rund 10 Jahren Arbeit inzwischen selbst soviel getan habe, dass ich meine eigenen Fotogalerien als Referenz nutzen kann.

Dort findet sich unter den österreichischen Marken in der Rubrik Steyr diese prachtvolle Aufnahme:

Steyr Typ XX; Originalfoto aus Familienbesitz (Johannes Kühmayer, Wien)

Rund vier Jahre ist es her, dass ich hier eine Zeitreise in’s Verlorene Land“ unternehmen konnte, auf der wir einem Steyr-Automobil des 2-Liter-Typs XX aus genau dieser Perspektive begegnen.

Dieser Beitrag ist ebenso zeitlos wie die heute vorgestellte Aufnahme und für den Fall, dass jemand unter Schlaflosigkeit leiden sollte, empfehle ich die Lektüre zwecks sanftem Übergang ins Land der Träume.

Davon unabhängig darf ich darauf hinweisen, dass unser Leipziger Fotokandidat „on the road“ genau so eine Limousine des Typs XX aus dem Hause Steyr war.

Dessen dürfen Sie sich anhand dieser Detailaufnahme selbst vergewissern – ich erspare Ihnen in diesem Fall eine langatmige Gegenüberstellung:

Wir sind hier ja nur auf der Durchreise„, so lautete eines der unvergessenen Bonmots meiner Mutter mit unfreiwilligem Migrationshintergrund.

So, ich gebe mich nach getaner Arbeit nun noch dem Genuss einer zeitgenössischen Interpretation des immer aktuellen Autothemas „The Old Way“ hin – hier dargeboten von der quicklebendigen Country-Gruppe The Castellows“ aus den Staaten….

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2 Gedanken zu „Dasein heißt unterwegs sein: Ein Steyr Typ XX

  1. In der Tat funktioniert KI bei der Analyse spezieller Fahrzeugtypen oft nur mittelmäßig – aber auch das wird sich über kurz oder lang ändern. Freut mich, dass die Castellows ansonsten mit Gewinn konsumiert wurden…

  2. Hier zur Abwechslung ein Kommentar zum Video – Link: Old way ist ein großartiger Song von The Castellows. Durch das Video fährt ein rotes Nachkriegscabriolet, welches in einigen Szenen eindeutig als Pontiac zu identifizieren ist. Bei der Recherche nach dem genauen Typ über KI erhält man die Aussage, dass es sich um einen blauen FORD F 100 aus den 50er Jahren handele. Mittels menschlicher Intelligenz zu recherchieren ergibt aber , dass es sich um einen Pontiac Tempest von 1962 handelt. Die KI hat mal wieder nur Wahrscheinlichkeiten berücksichtigt, was zu abstrusen Ergebnissen führt. Insofern ist der Vorkriegsklassiker Blog eine wunderbare konkrete Quelle für eigene Recherchen, die auch bei diesem Beitrag zur Identifizierung des Fahrzeuges führte, sogar wenn nur eine Heckansicht vorliegt. Beste Grüße aus Bärlin Claus

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