DAS muss Liebe sein! Ein DKW „Sonderklasse“

Warum verbringt einer seine knappe Zeit damit, irgendwelche Vorkriegsautos auf alten Fotos zu identifizieren und mitunter ausschweifend zu besprechen?

Nun, die Erklärung ist zweigeteilt:

Erstens verschwende ich meine Zeit nicht mit Fernsehen. Ich kenne die Flimmerkiste seit meiner Studenten-WG vor 35 Jahren nur als Bildschirm, auf dem sich nach Wunsch Videos und später DVDs schauen lassen, die man sich selbst ausgesucht hat.

Was dagegen in Endlosschleife zur Belehrung oder Sedierung des Publikums gesendet wird, davon habe ich keine Ahnung und es interessiert mich auch nicht.

Sich nicht über fremdgesteuerte Bilder und Geschichten beeinflussen zu lassen, hatte schon immer den Vorteil, dass man sich ein auf Fakten, Erfahrungen und eigenen Überlegungen basiertes Urteil bilden muss, was mühsam sein kann.

Zweitens: Es muss einfach Liebe sein, wenn man etwas tut, was nicht nützlich ist, Geld und jede Menge Zeit kostet – aber einem schlicht ein Bedürfnis und Belohnung zugleich ist.

Das muss für heute als Einleitung genügen. Die Aufnahme, die ich zur IIlustration meiner Behauptung „DAS muss Liebe sein“ heute zeige, war bis gestern noch ein Kandidat für meine Rubrik „Fotorätsel des Monats“.

Doch bei nochmaliger Betrachtung fiel plötzlich der Euro-Cent. Ich hatte zuvor x-mal versucht, der folgenden Aufnahme ihr Geheimnis zu entlocken, hatte trotz einiger Übereinstimmungen Aspiranten wie den Hanomag „Kurier“ und den Fiat 508 verworfen.

Na, was sagen Sie hierzu? Ist hier der Wagen nicht völlig zweitrangig?

Wie sich dieses nicht mehr ganz jugendfrische Paar in die Augen schaut, die Anwesenheit einer Kamera ebenso vergisst wie die unbequeme Sitzunterlage – DAS muss Liebe sein!

Das Automobil als das Vehikel, das uns die Menschen der Vorkriegszeit so nahebringt, als seien sie direkt vor uns – das Auto als Ausdruck von besonderer Lebensart, Individualität und tiefer Zuneigung – selten habe ich ein Foto gesehen, das dies so perfekt transportiert.

Ich will die Messe nicht weiter stören, trage nur rasch noch ein paar Fakten nach. Das abgebildete Auto war ein DKW des Typs Sonderklasse – ein konventionelles Modell der sonst für ihre agilen kleinen Fronttriebler berühmten sächsischen Marke.

Hier ein Vergleichsfoto mit den gängigeren Drahtspeichenrädern:

DKW Typ 1001 Sonderklasse; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Nur etwas mehr als rund 5.000 Exemplare dieses Heckantriebmodells mit Vierzylinder-Zweitakter (26 PS) entstanden von Anfang 1933 bis Frühjahr 1935.

Das auf dem eingangs gezeigten Foto abgelichtete Exemplar war im hessischen Kreis Friedberg zugelassen, also vor meiner Haustür. Der Aufnahmeort könnte ein Gutshof mit Herrenhaus in der Wetterau gewesen sein, dafür kommt dummerweise einiges in Frage.

Vielleicht haben wir es mit einer Dependance meiner Nachbarn zu tun – den von Löws, die außer in Bad Nauheim-Steinfurth auch in Florstadt und Staden solche Anwesen besaßen.

Vielleicht frage ich Christoph Freiherr von Löw einfach selbst, ob ihm der Aufnahmeort etwas sagt. Seit einigen Jahren kümmert er sich um die heruntergekommene Domäne seiner Vorfahren nebenan und man muss auch hier sagen: DAS muss Liebe sein…

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6 Gedanken zu „DAS muss Liebe sein! Ein DKW „Sonderklasse“

  1. Freut mich, wenn ich Sie zu einem persönlichen Nostalgietrip in Sachen „Oldtimer“ inspirieren konnte – auch das macht den Reiz dieser alten Fotos aus!

  2. Danke -Sie haben rechnerisch gesehen recht (wobei Zweifel an dem einstigen Umrechnungskurs angebracht sind…). Genau dieser Sinn für’s entlegene Detail gefällt mir!

  3. Da kommen Erinnerungen an mein allererstes Auto auf: eine blassgrüne „Meisterklasse“ – 2 Zylinder Dynastartanlage und für die Thermosyphonkühlung gab es zum Nachrüsten einen elektrischen Ventilator vor den Kühler. So habe ich „schrauben“ gelernt und tmit dem Teil atsächlich meine erste Rallye bestritten..

  4. …. Eine eher unwichtige Anmerkung: Es sollte ein 5-Euro-Cent-Stück fallen. 1 Groschen sind 10 Pfennig x 1,95583 = ca. 5 Cent

  5. Besten Dank! Das Attribut „konventionell“ bezog sich nur auf die im Vergleich zu den Fronttrieblern der Marke eher traditionelle Auslegung, im Übrigen haben Sie natürlich recht.

  6. Daß unsere automobilen Vorfahren mit Vorliebe unbequeme bis gewagte Sitzpositionen auf ihren Autos einnahmen und ihre Kleinkinder als Kühlerfiguren oder sonstige Staffage missbrauchten, haben wir schon oft gesehen und es erstaunt mich immer wieder!
    Waren sie denn damals garnicht besorgt um Chrom und Lack ihrer wertvollen Status- Symbole?
    Waren doch die Schuhe damals noch durchweg lederbesohlt und die Sohlen genagelt !
    Dieses Paar der gehobenen Mittelklasse, dem es ausweislich ihrer Aufmachung – er im gut sitzenden Anzug mit Titanic-artig scharfer Bügelfalte und schwarzem Halbschuh, sie im Kamelhaarmantel und eleganten Schuhchen – war damals voll auf der „Höhe der Zeit“, noch hoffnungsfroh, daß es der jungdynamische „Führer“ schon richten werde!
    Welch ein Irrtum – ebenso wie die Einschätzung unseres Blogwarts, daß ein DKW Sonderklasse (1001 oder 1002)
    ein “ konventionelles“ Auto gewesen sei! War doch die im Werk Spandau der neuen Auto Union gebaute selbsttragende Holzkarrosserie ein Alleinstell- ungsmerkmal und auch die Federung mittels Querblatt- federn vorn und hinten, Achsführung über sog. Führungsdreiecke und erstmalige Anwendung des Prinzips „Schwebeachse“ durchaus unkonventionell – und erst der 4Zyl.- Ladepumpe- Zweitakter!
    Wieder Alleinstellungsmerkmal…
    Jedenfalls scheint der Herr der Lage den landesüblichen Opel (1,3 oder 1,8ltr) zugunsten des von DKW / AU propagierten
    4 = 8- Prinzips der „großen DKW“- Baureihe verschmäht zu haben.
    Diese wurde übrigens in Spandau komplettiert mit den in Sachsen gefertigten Motoren und Achsen und umfasste die seit 1928/29 gebauten Typen V800, V1000, Sonderklasse 432 (4/1932), Sonderklasse 1002/1002, Schwebeklasse, Schwebeklasse ’36, Sonderklasse ’37 und ’39 ( erst diese mit Stahlkarosse (in Gemischtbauweise).
    Zeitgenossen schätzten allerdings den Ladepumpen- Motor erst in der letzten Entwicklungsstufe (Sdkl. ’39) als einigermaßen ausgereift ein.
    Zeit, dies auszuprobieren hatten sie nicht mehr!

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