Aus Spaß wird Ernst: Stoewer M12 Kübelwagen

Freunde der 1945 untergegangenen Stettiner Automarke Stoewer wissen: Die letzten Wagen, die dort gefertigt wurden, waren Militärfahrzeuge. Und so gehört die Produktion von robusten Kübelwagen für die Wehrmacht ebenso zur Geschichte von Stoewer wie die feinen Kleinserienautos, für die der Hersteller aus Pommern einst bekannt war.

Ein Exemplar des 1935-36 von Stoewer hergestellten Kübelwagens M12 RW wurde auf diesem Blog bereits vorgestellt (Bildbericht). Von dem auf dem Zivilmodell „Marschall“ basierenden 8-Zylinder-Fahrzeug wurden zwar nur einige hundert gefertigt. Doch mit etwas Geduld finden sich zeitgenössische Fotos dieses eher seltenen Kübelwagens.

Beginnen wir mit zwei unbeschwerten Aufnahmen aus Friedenszeiten:

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© Stoewer M12 RW Kübelwagen; Originalaufnahme aus Sammlung Michael Schlenger

Die Soldaten auf dieser Aufnahme tun natürlich nur so, als würden sie ihren Wagen einen Hang im Wald hochschieben. Bereits das blitzblanke Nummerschild mit dem Kürzel WH (Wehrmacht-Heer) verrät, dass wir es mit keinem ernsthaften Einsatz zu tun haben.

Auch die neuwertig wirkenden Stollenreifen lassen auf eine harmlose Übungssituation schließen. Der vergnügte Blick des Mannschaftsdienstgrads oberhalb der Kühlermaske passt ebenfalls dazu.

Gut zu erkennen sind hier die Elemente, die den Wagen als Stoewer M12 RW ausweisen: Der verstärkte Mittelsteg unterscheidet das Fahrzeug vom äußerlich ähnlichen Wanderer-W11-Kübelwagen. Typisch für den Stoewer ist außerdem das auf der Verdickung oben angebrachte Emblem.

Noch mehr Details finden Stoewer-Freunde auf der zweiten Aufnahme desselben Wagens, die ebenfalls „gestellt“ ist. Hier scheinen sich die fünf gut gelaunten Soldaten dem Abrutschen ihres Autos am Hang entgegenzustemmen:

© Stoewer M12 RW Kübelwagen; Originalaufnahme aus Sammlung Michael Schlenger

In der Ausschnittsvergrößerung dieser recht scharfen Aufnahme sind weitere Details zu sehen, die sonst auf historischen Abbildungen kaum zu erkennen sind. Möglicherweise ist dies für einen Besitzer der heute äußerst raren Stoewer-Kübelwagen aufschlussreich.

Die genieteten Halterungen am Schutzblech, das Reifenprofil oder auch die Halterung des Suchscheinwerfers nebst Verlauf der Kabel lassen sich hier genau studieren:

Ein Kuriosum ist der kleine Dreieckskanister auf dem geriffelten Ende des Kotflügels. Seine Zugehörigkeit zu dem Wagen ist durch das aufgemalte Kennzeichen WH 75009 akkurat vermerkt. Wer einst als Wehrpflichtiger bei der Bundeswehr war, wird solche Genauigkeit im Kleinen wiedererkennen…

Im Gefechtseinsatz wäre der Stoewer mit seinem durstigen 3-Liter-Achtzylinder mit der putzigen Benzinreserve nicht weit gekommen. Kein Wunder, dass auf späteren Aufnahmen aus Kriegszeiten stets 20-Liter-Einheitskanister mitgeführt wurden, oft an den unmöglichsten Stellen.

Werfen wir nun einen Blick auf die Besatzung „unseres“ Stoewer.

Die vier jungen Männer mit Schiffchen sind allesamt Wehrpflichtige. Ihre Kragenspiegel und Schulterklappen weisen auf eine Infanterie-Einheit hin. Man sieht ihnen an der Gesichtsfarbe an, dass sie die letzte Zeit viel im Freien waren. Vermutlich haben sie gerade die Grundausbildung absolviert, kein Zuckerschlecken.

Mit ihrem Vorgesetzten scheinen sie sich aber gut verstanden zu haben, wie die ungewöhnlich lässigen Bilder zeigen. Immerhin handelt es sich um einen altgedienten Hauptfeldwebel, wenn nicht alles täuscht.

Für den Unteroffiziersrang sprechen die silbernen Litzen auf Kragen und Schulterklappen sowie die Schirmmütze mit schwarzem Lederband. Zwei Sterne auf den Schulterklappen lassen den genauen Dienstgrad erkennen.

Im Hintergrund ist ein Dorf am Hang zu erahnen. Wo genau die Aufnahme entstand wissen wir zwar nicht. Doch auf der Rückseite ist der Stempel des Fotostudios angebracht: „Foto Berberich, Ansbach“. Tatsächlich gibt es im bayrischen Ansbach noch heute ein gleichnamiges Fotogeschäft (Stand: 2016).

Da Wehrpflichtige meist heimatnah ausgebildet wurden, darf man annehmen, dass die beiden Fotos einst ebenfalls in Mittelfranken geschossen wurden.

Leider blieb den Soldaten auf den Fotos wenig Zeit, den Frieden zu genießen. Ab September 1939 sahen Mensch und Maschine im Kriegseinsatz ganz anders aus. Zwar sind Gefechtsaufnahmen die absolute Ausnahme, und viele Fotos zeigen harmlose Situationen bei Nachschubeinheiten hinter der Front.

Doch auch diese Bilder lassen bei näherem Hinsehen etwas vom Ernst, den Härten und Gefahren erkennen, die Einzug hielten in das Leben derer, die von der Berliner Führung in den Krieg geschickt wurden.

Als Beispiel dienen mögen zwei Fotos eines Stoewer M12 RW Kübelwagens, die in Frankreich entstanden:  

© Stoewer M12 RW Kübelwagen; Originalaufnahme aus Sammlung Michael Schlenger

Das erste zeigt zwei ernst schauende Soldaten in ihrem Stoewer, der laut umseitiger Beschriftung irgendwo in der Normandie unterwegs war. Man kann hier gut die eindrucksvollen Dimensionen des Wagens nachvollziehen.

Der Zustand der Karosserie und die abgefahrenen Reifen sprechen für eine schon längere Einsatzdauer. Der Reservereifen scheint eine Notlösung zu sein, das richtige Profil war wohl nicht verfügbar – ein Hinweis auf das fortgeschrittene Stadium des Kriegs.

Leider konnte der Verfasser das Divisionsabzeichen auf dem in Fahrtrichtung rechten Kotflügel nicht eindeutig zuordnen. Es gibt dazu im Netz nur unvollständige Informationen. Es scheint mehrere Infanteriedivisionen mit ähnlichem Abzeichen gegeben zu haben, die zwischen 1940 und 1944 in Frankreich stationiert waren.

Zumindest das taktische Zeichen auf dem linken Schutzblech ist aber interpretierbar. Es verweist auf die 3. Kompanie einer Nachrichteneinheit, wozu auch der sich hinten abzeichnende Funkwagenaufbau des Stoewer passt.

Das zweite Foto desselben Fahrzeugs zeigt den Fahrer allein im Stoewer. Auch hier wird die schiere Größe des Wagens deutlich:

© Stoewer M12 RW Kübelwagen; Originalaufnahme aus Sammlung Michael Schlenger

In der Ausschnittsvergrößerung sind einige Details hervorragend zu sehen; dabei scheint alles mit den ersten Aufnahmen übereinzustimmen. Nur der eher symbolische Dreieckskanister ist verschwunden, vermutlich hat er einen neuen Platz in einem weniger durstigen Wagen gefunden.

Der ernst schauende Soldat ist wiederum ein einfacher Mannschaftsdienstgrad. Das rautenförmige Emblem auf dem Ärmel weist ihn als Oberschützen aus, also den zweitniedrigsten Dienstgrad eines Wehrpflichtigen in der Infanterie.

Das Fehlen von Waffen und das Tragen einer einfachen Kopfbedeckung statt Stahlhelm verrät, dass die Aufnahme fernab des Frontgeschehens entstand. Die Qualität der Fotos spricht eher für die Frühphase des Kriegs.

Ab 1942 werden solche hochwertigen, sorgfältig komponierten Aufnahmen selten. Man merkt den Bildern an, dass sich die Zeiten geändert hatten. Folgendes, offenbar hastig gemachtes Foto eines Stoewer M12 RW Kübelwagens in Russland ist ein Beispiel dafür:

© Stoewer M12 RW Kübelwagen; Originalaufnahme aus Sammlung Michael Schlenger

Wer sich für deutsche Militärfahrzeuge interessiert, wird hier auch einen mittleren Einheits-PKW erkennen. Diese eigens für das Heer entwickelten Wagen liegen außerhalb des Radius dieses Blogs. Eine empfehlensweite Website dazu betreibt Holger Erdmann.

Stoewer M12 RW Kübelwagen dürften heute zu den ganz großen Raritäten zählen. Die relativ geringe Stückzahl und das frühe Baueende schufen schlechte Voraussetzungen für ein Überleben bis 1945 und danach.

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