Gut genug für 20 Jahre: Stoewer „Greif“

Genug von den 20er Jahren? Ist es das, was Sie vielleicht denken? Natürlich nicht in Bezug auf die Gegenwart – es ist ja alles perfekt wie nie zuvor in unseren Tagen, nicht wahr?

Aber die 1920er, die werden in meinem Blog vielleicht dem einen oder anderen zuviel. Auch wenn ich diesen unbeabsichtigten Schwerpunkt erklären kann:

Die 30er haben zwar die großartigeren Karosserie-Kreationen hervorgebracht – doch die Markenvielfalt war schon damals infolge der Auslese der Weltwirtschaftskrise arg reduziert.

Gleichzeitig bietet die Frühzeit bis zum 1. Weltkrieg zwar die größte Auswahl an Konzepten und Fabrikaten, doch aufgrund der geringen Stückzahlen ist das noch vorhandene Material nicht so umfangreich – so ergibt sich ein natürlicher Fokus auf die 20er Jahre.

Dennoch soll es heute um eine andere Ausprägung von 20 Jahren gehen – nicht als Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts, sondern schlicht als Zeitraum von 20 Jahren.

Paradoxerweise wird die Welt in diesem Zeitraum zwar einmal auf den Kopf gestellt – doch eine Konstante begleitet uns dabei und bleibt erstaunlich auf der Höhe der Zeit.

Das Auto, das sich als „gut genug für 20 Jahre“ erwies, war der 1935 eingeführte Stoewer „Greif“ – anfänglich als „Greif Junior“ bezeichnet. Die aus der Insolvenzmasse von Röhr übernommene Konstruktion stammte ursprünglich von Tatra und ist kaum noch bekannt:

Ein luftgekühlter Vierzylinder mit 34 PS – war das nicht die Spezifikation des VW Käfer ab den 1960er Jahren? Nur mit dem Unterschied, dass der Hubraum 1,5 Liter statt 1,2 Liter beim VW betrug und der Stoewer „Greif“ nur 100 km/h schnell war – verglichen mit knapp 120 km/h beim Käfer (mein gut eingestellter 1200er schaffte das jedenfalls).

Aber: Anno 1935 gab es den VW nur als Vorserienexemplar und mit sparsamen 22 PS aus 1 Liter Hubraum. Damals war Stoewers Greif also eindeutig das bessere Auto und zudem tatsächlich zu kaufen, wenn auch für den Normalbürger unerschwinglich.

Dass der „Greif“ von Stoewer gut genug für die nächsten 20 Jahre war, das will ich mit einer Bilderserie illustrieren – die entgegen sonstiger Gewohnheit mit wenigen Worten auskommt.

Dabei unternehmen wir zugleich eine Zeitreise durch 20 Jahre deutscher Geschichte. Stellen Sie sich auf einige erstaunliche Begegnungen ein. Den Anfang macht diese elegante Limousine mit Berliner Zulassung:

Stoewer Greif; Originalfoto: Sammlung Klaas Dierks

Das Modell gab es außerdem als schicke Cabriolet-Limousine mit besonders schnittiger Optik, wie an diesem Exemplar aus Süddeutschland zu besichtigen:

Stoewer Greif; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Doch auch ein vollwertiges Cabriolet ohne die feststehenden Seitenteile der Cabriolimousine war zu bekommen – hier ein Beispiel wiederum aus dem Raum Berlin:

Stoewer Greif; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Ein adrettes Automobil war das, finden Sie nicht? Dabei kennt ihn heute kaum einer mehr.

Der Stoewer Greif wurde sogar in einem zeitgnössischen Tankstellenaushang eigens hervorgehoben – und zwar in ziemlich rasanter Form – bei dem es um Kraftstoffe für die damals in Deutschland gebräuchlichen Autotypen ging:

Standard-Reklame mit Abbildung einer Stoewer „Greif“-Limousine; Original: Sammlung Michael Schlenger

Eine weitere Aufnahme aus meinem Fundus zeigt wieder eine im Raum Berlin zugelassene Limousine dieses Typs. Hier gefällt mir vor allem der unzeitgemäße Haarschnitt des jungen Manns auf der Fahrerseite in Verbindung mit der verwegenen Krawatte:

Stoewer Greif; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Ein weiteres hübsches Dokument, das einen Stoewer „Greif“ in Friedenszeiten zeigt, ist das folgende, welches im schlesischen Liegnitz entstand. Zum Aufnahmezeitpunkt ging meine Mutter dort noch auf die Grundschule, während diese junge Dame schon volljährig war:

Stoewer Greif; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Damit hätten wir die ersten fünf Jahre der Karriere des Stoewer Greif abgedeckt.

Zwar endete im Jahr des Kriegsausbruchs 1939 die Produktion des Wagens – Stoewer baute von nun an Militärfahrzeuge – doch das Modell sollte noch ein langes Leben vor sich haben, auch wenn die Umstände denkbar ungünstig waren.

Hier sehen wir nun ein frisch für die Wehrmacht beschlagnahmtes ziviles Exemplar wohl im Jahr 1940 während des deutschen Angriffs auf Frankreich:

Stoewer Greif; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Zwei deutsche Soldaten bei der Morgenwäsche – was hier noch friedlich wirkt, stellt sich beim nächsten Dokument schon ganz anders dar. Hier sehen wir nämlich einen Stoewer Greif inmitten einer deutschen Militärkolonne während des Kriegs gegen die Sowjetunion:

Stoewer Greif; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Wie die Sache ausgeht, wenn es mit deutscher Arroganz gegen die angeblich primitiven Ostvölker geht, scheint heute bei vielen Zeitgenossen in Vergessenheit geraten zu sein.

Deshalb kann man nicht oft genug daran erinnern, was man auslöst, wenn man sich einmal leichtfertig auf die militärische Option (sofern man eine hat..) einlässt.

Daran ändert auch die vermeintliche Harmlosigkeit vieler Privataufnahmen aus Kriegszeiten nichts. Diese hier entstand im Mai 1944 – also vor genau 80 Jahren – irgendwo in Deutschland und zeigt einen Stoewer Greif im Dienst einer Luftwaffeneinheit:

Stoewer Greif; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Zu diesem Zeitpunkt war das Kriegsende nur noch ein Jahr entfernt, doch bis dahin sollte es auf deutscher Seite mehr Opfer geben als im gesamten bisherigen Kriegsverlauf.

Ob der bieder wirkende ältere Militär rechts – wohl ein Veteran des 1. Weltkriegs – „seine Jungs“ nach Möglichkeit schonte oder sie rücksichtslos verheizte, als die Front näherrückte – wer kann das wissen?

Der Krieg entfaltet seine eigene unheilvolle Dynamik – schon allein deshalb gilt es ihn möglichst zu vermeiden, sofern es nicht um das blanke Überleben eines Volkes geht.

Im Mai 1945 – rund 10 Jahre nach Erscheinen des Stoewer Greif – schwiegen zumindest in Europa die Waffen. Nicht allzulange Zeit danach entstand irgendwo in Hessen dieses Dokument, das zeigt, dass das Leben weiterging:

Stoewer Greif; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Selbst im zerbombten und in den letzten Kriegswochen zerschossenen Berlin oder dessen Umland scheint der andere oder andere Stoewer Greif irgendwie überlebt zu haben.

Jedenfalls sehen wir hier ein Exemplar, das 1952 im Grunewald abgelichtet wurde:

Stoewer Greif; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Die Cabrio-Limousine scheint die Kriegswirren gut überstanden zu haben, obwohl das Modell gern für das Militär einkassiert worden war und nur selten heil die Zeit überstand.

Noch bemerkenswerter finde ich aber etwas anderes: Der Wagen wirkt auch auf diesen Nachkriegsaufnahmen keineswegs „aus der Zeit gefallen“ oder einfacher gesagt: veraltet.

Erinnern wir uns: Anfang der 1950er Jahre war der VW Käfer nach mühsamem Beginn dank britischer Starthilfe allmählich ins Laufen gekommen. Aber damals war er immer noch dem Stoewer in vielen Belangen unterlegen.

Neben der besseren Motorisierung bot der Stoewer auch hydraulische Bremsen, während der Volkswagen – wenn ich mich nicht irre – noch mit seilzugbetätigten Bremsen unterwegs war. Natürlich funktioniert das, aber es hat schon seinen Grund, weshalb sich die Hydraulikbremse ab den 1920er Jahren – da sind sie wieder! – durchzusetzen begann.

Wie gut der Stoewer Greif auch nach 20 Jahren noch in die Zeit passte – von seiner Eleganz her – das illustriert das für heute letzte Foto, das Mitte der 1950er Jahre entstand:

Stoewer Greif; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

So sehr ich meinen Käfer für seine langjährigen Alltagsdienste (er gab erst bei 220.000 km mit erstem Motor auf) schätzte, könnte ich mir vorstellen, dass nach dem 2. Weltkrieg genausogut der Stoewer Greif das Rennen hätte machen können.

Doch das Werk in Stettin war ein Opfer des Kriegs geworden und nicht auf Großserienproduktion ausgelegt gewesen. Nur 4.000 Wagen des Stoewer Greif wurden zwischen 1935 und 1939 gebaut.

Eine ganze Reihe davon haben wir heute auf ihrem Weg durch die Zeiten begleitet und man darf wohl das Fazit ziehen, dass diese Konstruktion ohne weiteres „gut genug für 20 Jahre“ war, ohne dabei irgendwie alt auszusehen.

Sehen Sie es mir nach diesem Ausflug durch bewegte Zeiten nach, dass mich der nächste Blog-Eintrag wieder in die 20er Jahre zurückführt. Das ist auch nicht meine Schuld, vielmehr will der nächste Abschnitt der „Beckmann-Spurensuche“ angegangen werden…

Michael Schlenger, 2024. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and https://vorkriegs-klassiker-rundschau.blog with appropriate and specific direction to the original content.

Zeugen des Umbruchs anno 1910: Stoewer G4 und LT4

Nach dem angeblichen „Ende der Geschichte“ – eine am Ende des Kalten Kriegs verkündete These, über die ich schon als damals Zwanzigjähriger schmunzeln musste, stellen wir seit einigen Jahren fest, dass sich die Welt erneut im rapiden Umbruch befindet.

Im „Westen“ scheinen die liberalen Ideale in politischer wie wirtschaftlicher Hinsicht auf dem Rückzug zu sein – ein sich für alles zuständig fühlender Staat ist auf dem Vormarsch einhergehend mit zunehmend planwirtschaftlichen Tendenzen.

Gleichzeitig akzeptieren immer mehr aufstrebende Länder die westliche Vormachtstellung in ideeller wie ökonomischer Hinsicht nicht länger. Es ist unerheblich, wie man das wertet und ob man die Akteure etwa in Asien mit Kategorien des 20. Jh. versucht zu charakterisieren.

Es gibt kein Zurück in die heile Welt des Westens der 1980/90er Jahre, die Geschichte schreitet immer voran und den Aufstieg wie den Untergang von Mächten hält niemand auf. Wir sind aktuell Zeugen, wie sich die Welt neu ordnet.

Warum sollte es uns auch anders ergehen als unseren Vorfahren? Dass vordergründig nichts bleibt, wie es ist, dass lässt sich schon in der Frühzeit des Automobils besichtigen.

Das Tempo der Umwälzungen war damals atemberaubend. Fünf Jahre entsprachen in der Vorkriegszeit bereits einer ganzen Autogeneration, was dazu beitrug, dass eben noch moderne Fahrzeuge wenig später heillos veraltet waren und vom Markt verschwanden.

Ein besonderes Jahr war in dieser Hinsicht 1910 – jedenfalls was Automobile im deutschsprachigen Raum angeht. Denn praktisch von einem Jahr auf das andere setzte sich in der Gestaltung eine dem Sport entlehnte Neuerung durch – der Windlauf.

Wem der Begriff noch nicht geläufig ist, der wird ihn am Ende der heutigen Betrachtung verinnerlicht haben. Doch zunächst gehen wir zurück ins Jahr 1909. Damals sah ein Wagen der renommierten Marke Stoewer aus Stettin noch so aus:

Stoewer Tourenwagen, wohl Typ G4; Originalfoto: Sammlung Klaas Dierks

Diese schöne Momentaufnahme entstand einst irgendwo im Baltikum, soviel ist überliefert. Deutsche Firmen hatten damals dank uralter Handelsverbindungen im Ostseeraum eine Präsenz in der Region, wie sie in der Nachkriegszeit wohl nie wieder erreicht wurde.

Stoewer hatte mit seiner günstigen Lage an der Ostsee besonders gute Voraussetzungen und exportierte seine Wagen nach Skandinavien und Russland, aber eben auch ins Baltikum mit seinem faszinierenden Nebeneinander an regionalen Kulturen.

Der Tourer auf dem Foto von Leser Klaas Dierks dürfte ein Exemplar des Typs G4 gewesen sein, der von 1908 bis 1910 gebaut wurde und einen 1,6 Liter-Motor mit 12 PS (später 15 PS) besaß.

Gegen die Ansprache als zeitgleichen, aber stärkeren 2,5-Liter-Typ PK4 sprechen trotz übereinstimmender Kühlerpartie mehrere Details. Dazu zählt die Gestaltung der Radnaben, vor allem aber der kurze Radstand (2,50 m im Vergleich zu 2,80 m).

Auch wenn es nicht einfach ist, die Größenverhältnisse aus einer solchen Perspektive abzuschätzen, halte ich es für sehr unwahrscheinlich, dass der Radstand dieses Wagens 2,80 Meter betragen haben soll. Die 2,50 Meter des G4 finde ich realistischer.

Wichtiger ist ohnehin etwas anderes: Auf dieser Aufnahme trifft die Motorhaube noch rechtwinklig auf die Stirnwand, welche zugleich die Abtrennung zum „Innenraum“ darstellt. Auf besagter Stirnwand ragte vor 1910 steil die Windschutzscheibe auf.

Hier ist zwar das Unterteil nach hinten geneigt, was für ein gewisse Lenkung des Luftstroms bzw. einen Staubschutz für Fahrer und Beifahrer sorgt. Doch das musste eigens so eingestellt werden, war also noch kein fixes Element des Aufbaus.

Das änderte sich wie gesagt anno 1910 schlagartig.

Inspiriert von entsprechenden Bauteilen bei Sportwagen, die dort ab 1908 Anwendung fanden, verbauten die Hersteller im deutschsprachigen Raum erstmals einen „Windlauf“, auch Windkappe genannt.

Was damit gemeint ist, lässt sich an diesem Wagen nachvollziehen:

Stoewer Tourenwagen, wohl Typ LT4 von 1910; Originalfoto: Sammlung Matthias Schmidt (Dresden)

Zu verdanken haben wir diese Aufnahme Leser Matthias Schmidt aus Dresden. Sie kann es nicht nur von der Qualität und Erhaltung mit dem Foto aufnehmen, das Klaas Dierks beigesteuert hat. Sie illustriert auch präzise den Modellwechsel bei Stoewer anno 1910!

Wer genau hinschaut, erkennt den neu eingeführten Windlauf in Form einer aufwärtsweisenden Blechpartie zwischen Motorhaube und Frontscheibe – hier noch mit einem Höhenversatz, der bereits 1912 meist verschwunden war.

Abweichend stellen sich auch die vorderen Rahmenenden dar – sie sind jetzt stärker nach unten gekröpft und wirken auch kräftiger in der Ausführung.

Das findet sich genau so beim 1910 eingeführten Nachfolger des Stoewer G4 – dem Typ LT4. Er besaß ebenfalls einen 1,6 Liter-Motor, der nunmehr 20 PS leistete.

Festzuhalten ist außerdem eine Art Innenkotflügel in Form eines zusätzlichen Blechs, das die Fahrzeugfront gegen Verschmutzung durch die Vorderräder schützt.

Der ab 1911 gebaute Stoewer B1 – der Nachfolger des LT4 – besaß dieses Detail ebenfalls. Doch die noch wie nachträglich aufgesetzt wirkende Windkappe des Wagens auf dem Foto von Matthias Schmidt spricht für die frühe Datierung auf 1910 und somit für den nur in jenem Jahr gebauten LT4.

Was bleibt von dieser Betrachtung außer der Erkennntnis, dass alles im Fluss ist und wir uns mit den unabänderlichen Umbrüchen in unseren Tagen abfinden müssen?

Nun, zwei Dinge: Zum einen kann man sich heute nach Belieben mit den Dingen und Phänomenen der Vergangenheit befassen und darin versenken, wie vielleicht noch in keiner Epoche zuvor. Unsere Welt besteht also nicht nur aus dem Hier und Jetzt, sondern wird auch durch alle die faszinierenden Dinge bereichert, die Menschen einst geschaffen haben.

Zum anderen ist es erstaunlich, wie vieles es gibt, das sich über die Zeiten erhalten hat und uns mit der Welt von gestern verbindet. Das gilt für eine Violine ebenso wie für das Beil, mit dem man sein Feuerholz zurichtet, das gilt für die Krawatte, die man sich zu einem bestimmten Anlass immer noch bindet, wie für den Reiz von Damenschuhen mit Absatz.

Und wenn Sie einmal bewusst um ihr Auto herumgehen, dann finden Sie da immer noch „Kotflügel“, obwohl es längst keine Pferdeäpfel mehr auf den Straßen mehr gibt, es gibt auch immer noch Handschuhfach und Hutablage.

Sogar der heute thematisierte Windlauf begleitet uns heute noch durch’s automobile Dasein. Es ist die unscheinbare Blechpartie zwischen dem hinteren Abschluss der Motorhaube und der Windschutzscheibe.

Erstaunlich, nicht wahr? Und wenn Sie mal wieder den Eindruck haben, dass Sie die Welt nicht mehr begreifen, weil alles so rasant im Wandel ist, dann suchen Sie Zuflucht in meinem Blog – hier steht die Zeit nämlich still in Form fotografisch eingefrorener Momente.

Im übrigen sei an den paradoxen Ausspruch des Fürsten von Lampedusa im sizilianischen Roman „Gattopardo“ erinnert: „Alles muss sich ändern, damit die Dinge so bleiben, wie sie sind.“ Begrüßen wir bei aller Begeisterung für die automobile Vergangenheit auch die Gegenwart und Zukunft – was auch Neues entsteht, trägt doch immer auch bekannte Züge…

Michael Schlenger, 2024. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and https://vorkriegs-klassiker-rundschau.blog with appropriate and specific direction to the original content.

Sieht doch spitze aus! Stoewer V5 Sport-Cabriolet

Als ich mich für Automobile als Ausdruck persönlichen Stils zu interessieren begann – das war in den 1980er Jahren – war es vielen Besitzern noch wichtig, die Qualitäten ihres Vehikels ein wenig zuzuspitzen.

Das ist nicht immer gelungen – Manta & Co. lassen grüßen – doch gab es auch Beispiele für gelungene Privatkreationen, welche den Stil der verwendeten Basis erst so richtig auf den Punkt brachten.

Aus unerfindlichen Gründen schrie der 3er BMW förmlich nach einer Individualisierung, während alle Versuche in der Hinsicht bei einer damaligen Mercedes-S-Klasse scheitern mussten. Die makellosen Werke von Bruno Sacco ließen keinen Raum dafür.

Anbieter entsprechenden Zubehörs gab es schon lange vor dem legendären D&W-Katalog. Nützliche Accessoires wurden dem Automobilisten zwar bereits vor dem 1. Weltkrieg angeboten, doch rein der Verschönerung – oder sagen wir besser: Personalisierung – dienende Artikel bekamen erst ab den 1920er Jahren richtig Auftrieb.

Beliebt war der Umbau eines braven Flachkühlerautomobils in ein solches mit dynamisch wirkendem Spitzkühler.

In meinem Fotofundus verfüge ich über haufenweise Beispiele dafür und bei den meisten ist mir schleierhaft, was sich dahinter verbirgt. Als Beispiel dafür mag dieses stark modifizierte Gefährt dienen, das mir seit Jahren Rätsel aufgibt:

unidentifizierter Tourenwagen um 1920; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Vermutlich kurz nach dem 1. Weltkrieg hat hier jemand einem Fahrzeug von ca. 1913/14 nicht nur einen Spitzkühler nach Vorbild von Benz verpasst, sondern auch eckige Kotflügel nach Art der damals neuen AGA-Wagen sowie eine mittig leicht gepfeilte Scheibe.

Für fundierte Vorschläge, was hier zu sehen ist, bin ich äußerst dankbar.

Wenn Sie jetzt denken, dass Sie meinen Blog lesen, um selbst etwas zu lernen, sei daran erinnert, dass ich 90 % meines „Wissens“ der Vorarbeit Dritter verdanke, die übrigen 10 % sind eher im Reich des „educated guess“ angesiedelten, wie die Briten sagen – also der begründeten Annahme.

Von daher ist mein Blog-Projekt bei aller persönlichen Perspektive und Färbung auch auf einen Austausch mit Lesern angelegte, die mehr Ahnung haben als ich. Mit Vorkriegsautos befasse ich ich ja erst seit kurzem (2015).

Heute kann ich aber dennoch etwas zeigen, bei dem ich weder auf eigene Vermutungen oder die anderer angewiesen bin. Und dennoch handelt es sich um ein Fahrzeug, das Sie vielleicht so auf die Spitze getrieben noch nicht gesehen haben.

Fangen wir mit der Basis an, die Anfang der 1930er Jahre einem unbekannten Besitzer als Objekt seiner Verschönerungswünsche diente:

Stoewer V5 Sport-Cabriolet; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Dieser knackige kleine Zweisitzer (Bericht hier) war das Sport-Cabriolet, welches Stoewer aus Stettin 1931/32 auf Basis des 1930 eingeführten Frontantriebsmodells V5 anbot.

Der 1,2 Liter-Motor leistete 25 PS, was in Verbindung mit dem geringen Wagengewicht akzeptable Fahrleistungen ermöglichte. Bei dieser Ausführung stand für die Käufer neben den Vorzügen des Vorderradantriebs aber sicher die sportliche Form im Vordergrund.

Vielleicht das einzige Manko in gestalterischer Hinsicht war aus meiner Sicht der an einem dermaßen rassig wirkenden Cabriolet etwas bieder wirkende Kühlergrill.

Dass ich mit dieser Einschätzung nicht völlig allein stehe, das belegt ein weiteres Foto, welches ebenfalls einen Stoewer genau dieses Typs zeigt, doch hier garniert mit einem Extra, mit welchem der Wagen nun wirklich spitze aussieht, meine ich:

Stoewer V5 Sport-Cabriolet; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Auch wenn die hier dunkel gehaltene breite Leiste unterhalb des Seitenfensters den Aufbau etwas anders wirken lässt, handelt es sich um die identische Karosserieausführung, welche meines Wissens von Stoewer selbst gefertigt wurde.

Wirklich individuell ist der nach Art eines „Kuhfängers“ gestaltete Steinschlagschutz, der vor dem serienmäßigen Kühler montiert ist. Ob es sich dabei um eine Spezialanfertigung oder ein Zubehörteil handelte, sei dahingestellt.

Jedenfalls hat dieser Stoewer damit in gewisser Weise die Spitzkühleroptik zurückgewonnen, die in der ersten Hälfte der 1920er Jahre im deutschsprachigen Raum entgegen internationaler Tendenzen so angesagt war.

Interessanterweise realisierte Stoewer beim Nachfolgetyp R-140 ab 1932 etwas Vergleichbares, wenngleich die neue Kühlerpartie ebenfalls nicht ideal ausfiel.

Ansatzweise erkennbar ist dies auf dem folgenden Foto, welches ich heute freilich nur deshalb zeige, weil es zur Jahreszeit passt (wenngleich es in der milden Wetterau mal wieder nur gießt wie aus Kübeln statt zu schneien – das ist auch besser so):

Stoewer R-140 Limousine; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Immerhin hat der Winter gerade erst angefangen, sodass sich diese Aufnahme in den nächsten Wochen als durchaus aktuell erweisen könnte.

Für einen frontgetriebenen Stoewer war Schnee auf der Straße damals kein Problem – ich würde aber auch die Fahrkompetenz der damaligen Automobilisten als überlegen ansehen.

Heute bereitet vielen Zeitgenossen hierzulande ja schon das zügige Einfahren in einen Kreisel Probleme. Offenbar wünschen sich viele mit Selbstverantwortung hadernde Deutsche doch das autoritäre Rot-Grün-Befehlsschema einer Ampel…

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Eine wahrlich glückliche Verbindung: Stoewer R-150

Heute hatte ich „hohen“ Besuch aus Berlin – jedenfalls gemessen an den Dimensionen des VW-Bus, welcher sich nachmittags vorsichtig in die schmale Hofeinfahrt hineintastete.

Zwei seit Jahren geschätzte Sammlerkollegen hatten sich anlässlich einer Veranstaltung in der Nähe angekündigt – eine schöne Gelegenheit, sich einmal persönlich kennenzulernen und natürlich in Vorkriegsdokumenten zu stöbern.

Ich hatte zwar erwartet, dass ich kleines Licht, das erst seit einigen Jahren ohne Systematik Material zusammenträgt, den beiden nicht viel zu bieten hatte. Doch tatsächlich war am Ende einiges dabei, womit ich den Herren eine Freude machen konnte und umgekehrt kam auch ich auf meine Kosten, den sie waren nicht mit leeren Händen gekommen.

Eine glückliche Verbindung, welche eine Vertiefung verdient, so lautete mein Fazit. Genau das soll auch das Thema meines heutigen Blog-Eintrags sein – in mehrfacher Hinsicht.

Eine glückliche Verbindung, auf die ich immer wieder gern zurückkomme und die ebenfalls eine Vertiefung verdient, war die Kombination des noch recht neuen Vorderradantriebs mit gekonntem Styling Anfang der 1930er Jahre.

Wenn Sie dabei zuerst an die attraktiv gezeichneten Frontantriebswagen von DKW denken, ist das nicht verkehrt. Es gab aber noch mehr Raffiniertes auf dem Sektor, wie ich finde.

Dazu müssen wir freilich erst an eine andere glückliche Verbindung erinnern, nämlich diejenige zwischen menschengemachter Maschine und natürlichen Pferdestärken – regelmäßige Leser erinnern sich vielleicht hieran:

Steyr Typ 30; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Diese großartige Szenerie war keineswegs die einzige, welche bei derselben Gelegenheit festgehalten wurde.

Zu diesem Ausritt hatten sich nämlich einige Automobilisten eingefunden, welche auch ihre vierrädigen Lieblinge angemessen festgehalten wissen wollten. Dazu zählte neben dem Steyr 30 ein Mercedes 170 und mindestens ein weiteres, deutlich exklusiveres Fahrzeug.

Um letzteres soll es heute gehen. Damit am Ende auch klar ist, worum es sich handelt und ich mir langatmige Herleitungen sparen kann (obwohl manche Leser gerade die schätzen), beginnen wir ganz vorn – so gehört es sich ja auch für einen Fronttriebler:

Stoewer R-150 Limousine; Originalfoto: Matthias Schmidt

Dieses repräsentative, wenn auch etwas düster wirkende Fahrzeug war das Ergebnis von nur drei Jahren Evolution, nachdem Stoewer aus Stettin noch 1930 (also kurz vor DKW) seinen ersten Wagen mit Vorderradantrieb vorgestellt hatte.

Mit jenem kleinen 1,2-Liter-Typ V5 hatte der Nachfolger R-140 bzw. R-150 kaum noch etwas gemeinsam – denn der war mit 1,5 Litern Hubraum und 35 PS klar in der Mittelklasse angesiedelt.

Nach den ersten noch bescheidenen Versuchen mit dem V5 gelang Stoewer spätestens mit dem 1934 eingeführten R-150 eine besonders glückliche Verbindung aus moderner Antriebstechnik und klassisch schöner Gestaltung:

Stoewer R-150; Abbildung aus: Handbuch des Reichsverbands der Automobilindustrie 1935 (Original aus Sammlung Michael Schlenger

Zugegeben, ganz so elegant wie auf dieser Zeichnung sah der R-150 als geschlossener Viertürer dann doch nicht aus.

Allerdings gab es davon auch eine Ausführung als zweitüriges Cabriolet, die man sehr wohl als glückliche Verbindung aus gefälliger Optik und vorteilhaften Fahreigenschaften betrachten darf.

Diese Version habe ich hier schon einmal vorgestellt – wenn ich sie nun nochmals zeige, dann nur, damit Sie am Ende auch mein Urteil nachvollziehen können, was den eigentlichen Gegenstand des heutigen Blog-Eintrags betrifft:

Stoewer R-150 Cabriolet; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Einprägen müssen Sie sich nur drei Dinge: die horizontal verlaufenden Luftschlitze in der Motorhaube, die erhaben ausgeführten Chromradkappen und die spindelförmige Chromleiste im oberen Bereich der Tür, welche diese optisch niedriger wirken lässt.

Hat man einmal diese Elemente des Stoewer R-150 in der Ausführung als Cabriolet verinnerlicht, dann ist man in der Lage, diese Version auch bei nur ausschnitthafter Wiedergabe zu erkennen.

Normalerweise würde man abwinken, wenn auf einem Autofoto kaum mehr als die Türpartie zu sehen ist. Doch gibt es auch in solchen Fällen glückliche Verbindungen, welche die Defizite mehr als ausgleichen.

Jetzt begeben wir uns wieder auf das herrschaftliche Anwesen, auf dem die eingangs gezeigte Aufnahme entstand.

Wieder geht es – wenn man genau hinschaut – um die glückliche Verbindung aus Pferdestärken und motorisiertem Fortbewegungsmittel – doch in den Schatten gestellt wird diese mühelos durch die glücklichste Verbindung, die man sich als Autoliebhaber und Verehrer alles Schönen vorstellen kann:

Stoewer R-150 Cabriolet; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Muss ich zu dieser wahrlich glücklichen Verbindung noch irgendetwas sagen? Wohl kaum, dann genießen wir still und erfreuen uns an den zeitlosen Momenten, welche uns die gemeinsame Beschäftigung mit Vorkriegswagen auf alten Fotos bescheren kann…

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Wirklich gigantisch! Stoewer G15 Pullman-Limousine

Werbung hat mit Wirklichkeit nur entfernt zu tun – nirgends wird soviel gelogen wie im Krieg, vor den Wahlen, nach der Jagd und in Produkt-Reklamen. Das war schon immer so und die meisten Leute wissen das.

Der Mensch hört aber auch allzugern, dass etwas ganz und gar vollkommen ist, auch wenn die Lebenserfahrung dagegen spricht. Von dieser Paradoxie leben jede Menge Trittbrettfahrer – seien es Religionsstifter, Kosmetikahersteller oder Autobauer.

Heute bringe ich ein seltenes Beispiel dafür, dass Werbung bei aller fragwürdigen Fabulierlust auch vollkommen wahrhaftig sein kann:

Stoewer G15 „Gigant“ Pullman-Limousine; Originalreklame: Sammlung Michael Schlenger

Diese wahrhaft gigantische Pullman-Limousine gehörte bei ihrem Erscheinen 1928 zur „internationalen Sonderklasse“ – das zusätzliche Attribut „exklusiv“ besagt dasselbe, ist also nur Werber-Lametta.

Der „hochstehendste und erprobteste“ Achtzylinder ist nicht global verabsolutierend zu verstehen, sondern als „äußerst hochstehend und äußerst erprobt“. Wer Lateinunterricht genossen hat, kennt den Elativ „Jupiter Optimus Maximus“ – formal dem Superlativ entsprechend, aber faktisch nicht vergleichend gemeint (es gab ja nur einen Jupiter).

Auch hier können wir den Stoewer-Werbern also keinen Fehler nachweisen. Raffiniert, da unwiderlegbar ist auch die Aufforderung „Fragen Sie alle, die einen fahren„. Dazu muss man nämlich erst einmal die Stecknadel im Heuhaufen finden, bei 650 gebauten Exemplaren…

Denn auch wenn der Stoewer-Achtzylinder mit Aufbau als Pullman-Limousine als „Gigant“ verkauft wurde, blieben die Stückzahlen viel zu gering, dass man jemanden finden konnte, der ihn fuhr – erst recht „seit Jahren„.

Wir sind heute – über 90 Jahre später – zwar in der bedauernswerten Situation, dass niemand mehr Wagen dieses Kalibers baut, dennoch sind wir privilegiert: Wir können nämlich auf historisches Fotomaterial zugreifen, das genau diese Giganten zeigt.

Beginnen wir mit dieser Aufnahme einer Stoewer-Pullman-Limousine (aus meiner Sammlung), die an einem unbekannten Ort entstand:

Stoewer G15 „Gigant“ Pullman-Limousine; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Haben Sie Zweifel daran, dass dieses kolossale Gefährt mit seinem geräumigen Sechsfenster-Aufbau zu „internationalen Sonderklasse“ im Automobilbau gehörte?

Nein? Dann liegen Sie richtig. Denn mit seinem 4 Liter messenden und 80 PS starken 8-Zylindermotor begegnete der Stoewer „Gigant“ leistungsmäßig der Ende der 1920er Jahre extrem starken US-Konkurrenz auf Augenhöhe.

Was fehlte, war freilich die Fähigkeit der amerikanischen Hersteller zur Großserienproduktion, welche solche Wagen in den Stückzahlen und zu den Preisen verfügbar machte, die der Nachfrage am Markt entsprachen.

Es mangelte also nur an hinreichend entwickelten kapitalistischen Verhältnissen, nicht an der Konstruktionskompetenz als solcher. Auch in gestalterischer Hinsicht war die Lobeshymne der eingangs gezeigten Stoewer-Reklame in diesem Fall vollkommen berechtigt.

Dieser weit über fünf Meter lange Wagen mit 3,40 Meter Radstand und 1,95 Meter Höhe war für seine außerordentlichen Dimensionen geradezu vollkommen proportioniert.

Das wird spätestens an der zweiten Aufnahme eines Stoewer G15 „Pullman-Limousine“ deutlich, die ich heute präsentieren möchte – ich verdanke sie Matthias Schmidt (Dresden):

Stoewer G15 „Gigant“ Pullman-Limousine; Originalfoto: Sammlung Matthias Schmidt

Entgegen meinen sonstigen Gepflogenheiten erspare ich mir (und Ihnen) eine eingehende Beschreibung der Details dieses grandiosen Fahrzeugs.

Nur eines will ich in aller Subjektivität festellen: Ich wüsste nichts, was man an dieser Erscheinung beanstanden könnte.

Für mich ist hier alles perfekt ausbalanciert, immer wieder will das Auge diesen himmlischen Längen folgen, welche durch die horizontalen Luftschlitze betont werden.

Wirklich gigantisch! Dabei könnte man es bewenden lassen.

Doch wollen wir heute den Reklameleuten von Stoewer den Raum geben, den sie verdienen – für mich verdienen sie ebenso Anerkennung wie die Konstrukteure und Gestalter des „Gigant“.

Wie genial ist beispielsweise diese Werbeabbildung, die eher am Rande einen Stoewer G15 „Gigant“ zeigt? Und: nein, das ist kein willkürlicher Bildausschnitt:

Stoewer G15 „Gigant“; Originalreklame: Sammlung Michael Schlenger

„Happy End“ trifft es zwar auf den ersten Blick – aber auch der zweite Blick kann sich lohnen.

Es musste auch Ende der 1920er Jahre nicht immer ein Paar wohlgeformter Frauenbeine sein, was den automobilen Assoziationen auf die Sprünge half.

Ein kurioses Beispiel dafür fand ich vor einiger Zeit. Es zeigt einen nackten Sportler, der entschlossen, wenn auch ein wenig missgelaunt, seinem Ziel zustrebt.

Was er mit dem Speer vorhat – wenn es einer ist – bleibt im Ungewissen. Werfen dürfte jedenfalls schwierig werden bei dieser Handhabung. Vielleicht sehen wir nur den Ausschnitt einer Lanze, was eher sinnvoll wäre. Doch sehen Sie selbst:

Stoewer G15 „Gigant“; Originalreklame: Sammlung Michael Schlenger

Kraftbewusst“ – das ist eine wahrhaft originelle Wortschöpfung eines unbekannten Werbers und sie wird einem Fahrzeug gerecht, das eines wirklich wahr: gigantisch.

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Muss(te) sich nicht verstecken: Stoewer V5 von 1932

Den Frontantrieb in Deutschland etabliert haben einst DKW (ab 1931) und Adler (ab 1932) – das dürfte unstrittig sein. Der ebenfalls in deutschen Landen gebaute Citroen „Traction Avant“, der später bei der Wehrmacht hochbegehrt sein sollte, kam erst 1934 auf den Markt.

Ein Hersteller darf in diesem Zusammenhang nicht unerwähnt bleiben: Stoewer aus Stettin.

Die Nischenmarke, die sich immer wieder neu erfand und als einzige ihrer Größe bis in die 1930er Jahre überlebte, brachte nämlich ein Kunststück zustande, das in Oldtimerkreisen gern „vergessen“ wird.

Stoewer tat sich nämlich überhaupt als erster deutscher Automobilbauer mit einem serienreifen Frontantriebswagen hervor und präsentierte diesen gegen Ende 1930, als bei DKW noch unter höchstem Zeitdruck an einem Konkurrenzentwurf gearbeitet wurde.

So beeindruckend und elegant wie die mächtigen 8-Zylinderwagen, die man von Stoewer gewöhnt war, kam der Vorderantriebstyp V5 natürlich nicht daher: Bescheiden und etwas kastig wirkte der Wagen:

Stoewer V5 von 1931; Originalfoto: Sammlung Helmut Kasimirowicz

Doch verstecken musste sich der kleine Stoewer nicht. Sein 1,2 Liter-Viertaktmotor leistete immerhin 25 PS und Spitze 80 km/h waren ohne weiteres möglich. Eine solide Blechkarosserie gab es obendrein.

Davon waren die frontgetriebenen DKW mit ihren anfänglich nur 15 PS leistenden Zweitaktern und dem kunstlederbespannten Aufbau weit entfernt – wenngleich sie ihre Stärken hatten. Sie waren vor allem um rund ein Drittel billiger als der Stoewer!

Der Preis war im Einstiegssegment des damals noch völlig unterentwickelten deutschen Automarkt der entscheidende Faktor. Und deshalb machte DKW letztlich das Rennen.

Stoewer verbesserte zwar den V4-Motor seines Modells V5 anno 1932 und lieferte den Wagen nun auch mit einer gefälligeren Karosserie aus, doch stand die dünne Kapitaldecke des chronisch klammen Herstellers einer Ausweitung der Produktion entgegen.

So wurde die Produktion des Stoewer V5 bereits nach zwei Jahren und rund 2.000 Exemplaren eingestellt. Darunter fanden sich auch einige hervorragend aussehende Wagen mit Spezialkarosserie wie dieses rasant wirkende Sport-Cabriolet:

Stoewer V5 Sport-Cabriolet von 1932; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Ausführlich besprochen habe ich diesen schicken Stoewer bereits hier.

Damit musste sich der altehrwürdige Hersteller auch in der unteren Mittelklasse wahrlich nicht verstecken und man trat trotz kleiner Stückzahlen bewusst immer wieder mit solchen Spezialversionen auf, um das Markenimage aufzupolieren.

Natürlich konnte die konventionelle Ausführung damit nicht mithalten, doch auch für deren Besitzer gab es keinen Grund sich mit ihrem Auto zu verstecken – entsprechend selbstbewusst trat man beim unvermeidlichen Fotohalt auf:

Stoewer V5 von 1932; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Man sieht sofort: Das waren keine „kleinen Leute“, auch wenn sie nur einen kompakten Stoewer ihr eigen nannten. Tatsächlich besaß in den 1930er Jahren nur ein sehr geringer Prozentanteil der Deutschen überhaupt ein Auto.

Das Auto selbst wirkt hier etwas schüchtern, dabei hat es keinen Grund, sich im Hintergrund zu verstecken. So ein Stoewer war nämlich abseits der großen Städte eine ebensolche Rarität wie jedes andere Auto auch.

Das sollte auch im nach dem 2. Weltkrieg drastisch geschrumpften Deutschland noch einige Jahre so bleiben. Pommern, wo obiger Stoewer einst zugelassen war, war ebenso verloren wie Ostpreußen und Schlesien. Das war das Ergebnis deutschen Größenwahns im Osten.

Nach 1945 wurden in jeder Hinsicht kleinere Brötchen gebacken, und für einige Jahrzehnte war die Arroganz gezähmt – die Kriegsgeneration hatte ihre Lektion gelernt. Nach deren Wegsterben werden in letzter Zeit leider wieder alte Reflexe wach, scheint mir.

Noch im Jahr 1950 sah Deutschland abseits zerbombter Städte praktisch noch genauso aus wie zwanzig Jahre zuvor. Immer noch war ein Auto eine seltene Erscheinung auf dem Lande und für einen Moment schien dort ein Stück heile Welt konserviert:

Stoewer V5 von 1932; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Wäre da nicht das Kennzeichen aus dem britisch besetzten Niedersachsen, beinahe nichts deutete dann darauf hin, dass dieser Stoewer V5 im Jahr 1950 aufgenommen wurde.

Allenfalls die wohl von einem DKW stammenden Stoßstangenhälften könnten einen darauf bringen, dass dieser Wagen in der frühen Nachkriegszeit unterwegs war (in Moosheim).

In diesem Umfeld braucht sich so ein Stoewer nicht zu verstecken, er ist sogar ein veritables Schmuckstück.

Nebenbei bin ich der Auffassung, dass nur Vorkriegsautos die Eigenheit haben, in einem über Jahrhunderte gewachsenen historischen Stadtbild nicht zu stören, sondern geradezu dazu zu passen. Warum das so ist, wäre eine eigene Betrachtung wert.

Für heute will ich es bei der Feststellung bewenden lassen, dass sich der frontgetriebene Stoewer V5 nicht verstecken musste und auch heute nicht müsste.

Es gibt aber wohl bloß nur eine handvoll Überlebende, das einst in Pommern aufgenommene Exemplar gehört wohl nicht dazu – oder doch, wer weiß?

Michael Schlenger, 2023. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and https://vorkriegs-klassiker-rundschau.blog with appropriate and specific direction to the original content.

2 von 280: Stoewer Typ M12 „Marschall“

„Mer muss och jünne künne“ sagt der Kölner Volksmund. Als Angehöriger der Übersetzer-Profession und Hochdeutsch-Experte kann ich Ihnen versichern, dass sich dahinter nichts Fragwürdiges verbirgt wie hinter manch anderer Kölscher Weisheit.

Vielmehr wird hier im Dialekt der alten Colonia am Rhein etwas gesagt, was hierzulande eher selten ist und was ich entschieden vertrete: „Man sollte seinen Mitmenschen neidlos gönnen, was ihnen Gutes widerfährt oder was sie besitzen“.

Mich freut es, wenn jemand eines der berüchtigten „leistungslosen“ Einkommen bezieht – etwa weil er im Lotto gewonnen, unverhofft ein Vermögen geerbt oder mit seinen Aktienanlagen unverschämtes Glück gehabt hat.

Mir ist noch keiner begegnet, der solche „windfall profits“ – wie der Engländer sagt – empört ausschlagen und dem gefräßigen Staat abtreten würde. Umgekehrt ist es für mich ein Gebot der Fairness und eine Stilfrage, großzügig mit dem Glück zu verfahren, das einem selbst widerfährt, und andere daran teilhaben zu lassen.

Wenn Sie in meinem Blog mitlesen, dessen Erstellung mich einen vierstelligen Betrag pro Jahr kostet (inkl. Fotokäufen, aber ohne Arbeitszeit), dann weil es mir Vergnügen bereitet, diesen Spleen mit anderen teilen zu können und weil es der in unseren Tagen naheliegenden Verbiesterung entgegenwirkt, sich mit schönen Dingen zu beschäftigen.

So kommen Sie heute wieder einmal in den Genuss, etwas ziemlich Exklusives vorgeführt zu bekommen – und ich profitiere dabei einmal wieder von der Großzügigkeit anderer, die ihre Schätze ebenfalls mit uns Verrückten teilen.

Na, was sagen Sie hierzu?

Stoewer M12 „Marschall“; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Ähm, ja. Ein typischer Backsteinbau des 19. Jh., prinzipiell unkaputtbar (solange die Royal Air Force danebenlag) und selbst bei Funktionsgebäuden von einer gestalterischen Qualität, die sich mit über Jahrhunderten gewachsenen historischen Stadtbildern verträgt.

Irgendein öffentlicher Bau dürfte das gewesen sein, eine Schule, ein Amt, eventuell auch ein Hospital. Budget- oder Bauzeitüberschreitungen waren dabei seinerzeit die Ausnahme.

Von mir aus könnte man sich heute noch an einem der Baustile orientieren, die es in den letzten 2.500 Jahren in Europa gab; nach 100 Jahren Bauhaus ist das immergleiche Betonkartonschema doch auch von gestern – warum keine Neuauflage des Jugendstils?

Egal, wir haben heute etwas anderes im Blick, nämlich das auf den ersten Blick unscheinbar wirkende Cabriolet auf obigem Foto. Der Wagen wirkt aufgrund der großzügigen Proportionen des Baus im Hintergrund unverdient kompakt.

Wir nähern uns dem Auto mit den waagerechten Luftschlitzen in der Motorhaube und haben bereits den Verdacht, dass es sich um eines der Achtzylindermodelle von Stoewer aus Stettin handeln könnten, denn die Kühlerfigur scheint ein Greif zu sein:

Verflixt, das kann doch nicht sein, dass solch ein großer Wagen hier so harmlos wirkt. Vielleicht war der Bau im Hintergrund doch eher eine Fabrik mit extrahohen Fenstern, um ganzjährig viel Licht hineinzulassen. Leider fehlt hier der menschliche Maßstab.

Dennoch haben wir allen Grund elektrisiert zu sein. Das ist einer der legendären Stoewer-Achtzylinder, wie er Ende der 1920er Jahre gebaut wurde.

Die unter chronischer Kapitalknappheit leidender Manufaktur hatte sich ab 1928 binnen kürzester Zeit in eine Kunst eingearbeitet, in der Marktführer Horch ab Mitte der 1920er Jahre Millionen versenkt hatte. Mercedes verschlief den Trend unterdessen erst einmal.

Hier haben wir beispielsweise ein Exemplar des 80 PS starken Stoewer Achtzylindertyp G15, von dem 1928/29 rund 650 Stück entstanden.

Stoewer G15; Originalfoto aus Sammlung eines Lesers

Man erkennt die Ähnlichkeit der Kühlerpartie und auch die horizontalen Haubenschlitze, ebenso den Greif als Kühlerfigur.

Aber die Scheinwerferstange ist hier waagerecht ausgeführt, bei dem eingangs gezeigten Wagen ist sie nach oben gebogen. Außerdem reichten die Luftschlitze in der Motorhaube dort weiter nach oben.

Was ist davon zu halten? Nun, einfach dass wir heute unverschämtes Glück haben, denn offenbar ist uns einer der nur 280mal gebauten Stoewer-Achtzylinder des Typs M12 „Marschall“ ins Netz gegangen, den es nur 1930 gab.

Dieser 60 PS-Wagen wurde neben einem 100 PS leistenden und längeren Schwestermodell angeboten, von dem bloß rund 25 Stück entstanden. Da wir es mit einem zweitürigen Cabriolet zu tun haben, plädiere ich im vorliegenden Fall für die schwächere Version.

Ja, ist ja schön und gut, aber irgendwie wirkt das Auto immer noch nicht ganz so großartig, wie es die Bezeichnung „Marschall“ erwarten lässt. Keine Sorge, Ihnen wird gleich geholfen.

Denn nicht nur ich, auch einige geschätzte Sammerkollegen, deren Funde ich hier immer wieder präsentieren darf, hängen dem Grundsatz nach: „Man muss auch gönnen können“.

Diesmal ist es so gemeint, dass man nicht ängstlich auf seinen Schätzen hocken sollte, auch wenn man sie redlich und gegen wohlverdienten Zaster erworben hat. Das Leben ist kurz, und früher oder später landet aller Besitz bei lachenden Dritten oder auf dem Müll.

Also raus aus den Archiven mit den Zeugen von einst, so lange diese noch Bewunderung, Staunen oder Leidenschaft wecken. Das ist meine Philosophie, um den überstrapazierten Begriff zu bemühen, und ich bin offenbar nicht allein damit:

Stoewer M12 „Marschall“ Cabriolet; Originalfoto aus Sammlung Klaas Dierks

So sah er also aus – ohne Gründerzeit-Riesenbau im Hintergrund und in sommerlich freundlicher Farbgebung – der Stoewer M12 „Marschall“ als grandioses zweitüriges Cabriolet, hier mit Zulassung Berlin statt Bochum wie oben.

2 von 280 Stoewer dieses Typs kennen Sie jetzt schon, keine schlechte Quote würde ich sagen. Das lässt sich aber noch verbessern. Denn so wie Leser Klaas Dierks uns hier Einblick in sein Archiv gibt, können das auch andere tun.

„Man muss auch gönnen können“, ein gutes Motto und Rezept gegen Missgunst, nicht nur wenn es um Fotos von Vorkriegsautos geht…

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Geheimnisvoller Grenzgänger: Ein Stoewer von 1910

An sich kennt die Beschäftigung mit Vorkriegsautos keine Grenzen – das ist jedenfalls mein Eindruck im achten Jahr meines Blogs. Zwar wird dieser 2022 die Grenze von 100.000 Besuchern nicht mehr überschreiten – aber eine Grenze werden wir heute doch erreichen.

Dabei handelt es sich um das Jahr 1910, in dem bei deutschen Automarken auf breiter Front eine gestalterische Neuerung Einzug hielt – der Windlauf.

Dabei handelte es sich um eine ab 1907/08 im Rennsport aufgekommene Blechpartie, welche die Luftströmung hinter der Motorhaube über den Wagen hinweg leiten sollte.

Bis dahin sah ein Automobil typischerweise so aus:

Tourenwagen um 1908 (Marke unbekannt); Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Wie man an diesem Exemplar sieht, dessen Hersteller ich noch nicht ermitteln konnte, stieß die Motorhaube rechtwinklig auf die Schottwand, hinter der sich das Fahrerabteil befindet. Bei geschlossenen Wagen ragte hier die Windschutzscheibe senkrecht auf.

Während ausländische Fabrikate – vor allem französische – an dieser Gestaltung teilweise bis zum 1. Weltkrieg festhielten, findet man bei den meisten deutschen Wagen ab 1910 besagten Windlauf, der nicht nur strömungsgünstiger war, sondern auch für einen optisch harmonischen Übergang sorgte.

Wie das letztlich wirkte, lässt sich an diesem Exemplar studieren, dessen Hersteller ebenfalls noch unbekannt ist (begründete Vorschläge werden gern angenommen):

Tourenwagen um 1912 (Marke unbekannt); Originalfoto aus Sammlung Bart Buts (Belgien)

Diese hevorragende Aufnahme hat mir übrigens mein belgischer Sammlerkollege und Opel-Veteranenspezialist Bart Buts mit der Bitte um Identifikation übermittelt.

An der Marke bin ich zwar bisher gescheitert, aber für meinen heutigen Blog-Eintrag kommt mir die Aufnahme gerade recht – zeigt sie doch den Windlauf nach gelungener Einbeziehung in den Karosseriekörper.

Für eine ganz kurze Zeit – im Jahr 1910 – gab es jedoch ein Zwischenstadium, in denen Autos erstmals einen Windlauf erhielten, aber noch kurz vor der Grenze haltmachten, ab der dieser mit dem übrigen Aufbau verschmolz.

Genau einen solchen Grenzgänger will ich heute anhand einer prächtigen Aufnahme besprechen, die mir Leser Matthias Schmidt in digitaler Form zur Verfügung gestellt hat:

Stoewer G4 oder LT4 von 1910; Originalfoto aus Sammlung Matthias Schmidt

Diese Dokument lohnt aus meiner Sicht in besonderer Weise ein näheres Studium. Haben Sie etwas Zeit und Spaß an der zwar mühseligen, aber oft von Überraschungen geprägten Arbeit des Altauto-Archäologen?

Dann kann’s ja losgehen! Halten wir zunächst fest, was wir über die Aufnahmesituaton wissen: Das Foto ist ausweislich seiner Beschriftung auf einer Fahrt nach Krailling entstanden.

Hier beginnt es bereits mit der Grenzgängerei. Denn die kleine bayrische Gemeinde weist in der Hinsicht einige Kuriositäten auf.

Krailling ist der nördlichste Ort im Landkreis Starnberg, hat aber dieselbe Postleitzahl wie die zum Kreis München gehörige Nachbargemeine Planegg. Gleichzeitig ist ihre Telefonwahl dieselbe wie die von München – klarer Fall von Grenzgängerei.

Grenzgänger, allerdings auf vier Rädern, waren auch die Insassen des Tourenwagens:

Noch tief im 19. Jh. sozialisiert war die uns streng musternde ältere Dame hinter dem Fahrer – zweifellos kein Heimchen am Herd, sondern eine beeindruckende Persönlichkeit, die sich Respekt zu verschaffen wusste.

Ich könnte sie mir gut als strenge Lehrerin vorstellen, ein Typus, den wir durchaus im verlotterten Bildungswesen öfters gebrauchen könnten.

Neben ihr auf dem Rücksitz dann ein ganz anderer, sympathisch wirkender Frauentyp, der ein gelassenes Selbstbewusstsein ausstrahlt. Mit ihr würde man vermutlich leichter ins Gespräch kommen.

Davor sitzt dann ein junges Frauenzimmer, das mit seinem leerem Blick auf mich nicht gerade den Eindruck einer besonders aufgeweckten Gesellschafterin macht.

Sie trägt keinen Hut und ist damit bereits eine Grenzgängerin auf gewisse Weise – denn erst nach dem 1. Weltkrieg sollte es allmählich üblich werden, das Haar sichtbar zu tragen. Der vierschrötige Fahrer schaut unterdessen ernst drein und hofft, dass es bald losgeht.

Das tut es jetzt endlich auch, denn uns interessiert noch mehr die Frage, was das für ein Wagen ist, bei dem der Windlauf so merkwürdig aufgesetzt wirkt:

Nun, auch hier haben wir den klassischen Fall des Grenzgängers – ein Windlauf muss schon sein, denn das ist ab 1910 Mode, aber er kaschiert noch nicht den Übergang zwischen Motorhaube und Innenraum, sondern setzt erst hinter der vertikalen Schottwand an.

In strömungstechnischer Hinsicht nicht ideal, aber das musste man bei einem Alltagswagen mit moderater Motorisierung auch nicht so eng sehen.

Wichtiger ist ohnehin die Markenplakette auf dem Kühler des Wagens, die das Auto als Stoewer aus Stettin in Pommern (heute zu Polen gehörend) ausweist. Bis 1909 scheint der Markenschriftzug direkt in das Kühlergehäuse eingeprägt gewesen zu sein

Hier haben wir die m.E. früheste aufgesetzte Stoewer-Kühlerplakette, die sich noch von der später verwendeten, stärker ovalen zu unterscheiden scheint.

Da das Foto auf 1911 datiert ist, spricht viel dafür, dass wir einen Stoewer von 1909/10 vor uns haben. Denn mir ist keine Abbildung eines später gebauten Stoewer mit dieser noch wie nachträglich aufgesetzt wirkenden Windkappe bekannt.

Aus meiner Sicht kommen mit Blick auf die geringe Größe des Stoewer zwei Möglichkeiten in Betracht, was das abgebildete Modell angeht:

Entweder wir haben es mit dem von 1908-10 recht oft gebauten Typ G4 in später Ausführung zu tun oder mit dessen direktem Nachfolger LT4, den es nur 1910 gab.

Beide besaßen einen 1,6 Liter-Vierzylindermotor, dessen Leistung während der Produktionsdauer von 16 auf 18-20 PS stieg. Vielleicht spricht der Radstand eher für das 20cm längere Modell LT4, aber aus dieser Perspektive ist das schwer zu sagen.

Ob sich die Identität dieses Grenzgängers noch genau aufklären lässt, sei dahingestellt.

An dem Wagen und seinen Insassen lässt sich so oder so ein Zeitenwandel ablesen, welcher die Beschäftigung mit frühen Automobilen über die rein technische Ebene hinaus spannend und lehrreich macht.

Denn letztlich sind wir alle Grenzgänger, ob wir wollen oder nicht und müssen mit dem Übergang aus dem verblassenden Gestern und dem vertrauten Jetzt in die Welt von Morgen zurechtkommen, ob uns der Ausblick gefällt oder nicht.

Michael Schlenger, 2022. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and https://vorkriegs-klassiker-rundschau.blog with appropriate and specific direction to the original content.

Gab’s 1928 schon mit Knautschzone! Stoewer S8

Muss die Geschichte der passiven Sicherheit beim Automobil neu erzählt werden? Wird nicht Mercedes die Einführung der Knautschzone zugeschrieben?

Übrigens eine lebensrettende Erfindung wie zahlreiche andere – splitterfreies Glas, Vierradbremsen, Sicherheitsgurt, ABS usw. – die sich kein Bürokrat am Schreibtisch ausgedacht hat, sondern Entwickler im Wettbewerb stehender Privatunternehmen.

Der Erfindung der Knautschzone bin ich persönlich dankbar, denn sie hat mir zu Studentenzeiten meinen VW Käfer gerettet. Besagte Knautschzone gehörte einem VW Golf, der mir von rechts kommend in Hanau-Steinheim bei voller Fahrt die Vorfahrt nahm.

Die Aufprallenergie schluckte in erster Linie die vordere linke Ecke des Kontrahenten. Bei meinem Käfer waren nur die Stoßstange und deren Halter verbogen, so schien es. Während der Golf auf dem Abschleppwagen und möglicherweise auf dem Schrott endete, setzte ich einfach meine abendliche Fahrt nach Wiesbaden fort, wo ich damals wohnte.

Später stellte meine Werkstatt zwar eine Verformung des Vorderwagens fest, die sich aber in Grenzen hielt und auf Versicherungskosten behoben wurde. So blieb mir der VW bis Kilometerstand 220.000 treu (mit dem ersten Motor).

So zufrieden ich mit dem Ausgang der Episode war, wusste ich natürlich, dass die Sache anders ausgegangen wäre, wenn hier nicht einer „nachgegeben“ hätte – nämlich der „Golf“ mit seiner Knautschzone an der Front.

Bei Vorkriegswagen – das war der „Käfer“ konstruktionsseitig ja auch – endeten solche Kollisionen meist unschön. Es gibt haufenweise Fotos, die davon Zeugnis geben, aber selbst wenn ungewöhnliche Fahrzeuge darauf zu sehen, meide ich es, solche Unfallbilder zu zeigen.

Man ahnt oft, dass dabei Menschen schwere Verletzungen davongetragen haben müssen oder gar zu Tode gekommen sind – so etwas zur Unterhaltung zu zeigen, gehört sich einfach nicht.

Ausnahmen mache ich dann, wenn offensichtlich ist, dass die Insassen mit dem Schrecken oder vielleicht einer Beule oder einem Rippenbruch davongekommen sind.

Ein Beispiel dafür zeige ich heute. Die Sache beginnt harmlos, aber eindrucksvoll:

Stoewer S8; Originalfoto aus Familienbesitz (Andreas Berndt, Dresden)

Diese exzellente Aufnahme zeigt einen Stoewer des nur 1928 gebauten Typs S8 – der den vielleicht kleinsten Achtzylindermotor besaß, der je ein Serienauto angetrieben hat. Das 45 PS leistende Aggregat hatte bloß einen Hubraum von knapp 2 Liter.

Damit hatte sich der Nischenhersteller Stoewer aus Stettin erstmals an die anspruchsvolle Konstruktion eines Achtzylindermodells gewagt – eine beachtliche Leistung, die vom Rang dieser langlebigen Marke zeugt.

Darauf aufbauend entwickelte man in rascher Folge wesentlich größere und stärkere Achtzylinder bis zum Typ S15 15/80 PS „Gigant“.

Der Stoewer S8 auf obigem Foto gehörte übrigens dem Großvater von Andreas Berndt aus Dresden, der mir die Aufnahme in digitaler Kopie zur Verfügung gestellt hat.

Nicht lange scheint der Stoewer seinem Besitzer Freude gemacht zu haben; bald ereilte ihn das Schicksal in Form eines Frontalzusammenstoßes. Und dann sah der eben noch so beeindruckende Wagen einigermaßen zerknautscht aus:

Stoewer S8; Originalfoto aus Familienbesitz (Andreas Berndt, Dresden)

Erstaunlicherweise zeigt sich hier genau das Bild wie bei einem modernen Wagen mit Knautschzone nach solch einem Unfall:

Während die Passagierzelle vollkommen unversehrt erscheint, und die Insassen wohl problemlos aussteigen konnten, ist die Aufprallenenergie fast ganz vom Vorderwagen absorbiert worden.

Dass hier erhebliche Kräfte am Wirken waren, erkennt man an dem nach oben verschobenen Kühler und dem zerstörten Vorderkotflügel. Vermutlich ist der zweite an der Kollision beteiligte Wagen vorn links eingeschlagen – wie einst mein Käfer im „gegnerischen“ VW Golf.

Inwieweit der massive Leiterrahmen verbogen wurde, ist schwer zu beurteilen, die linke Vorderradaufhängung scheint aber in Mitleidenschaft gezogen worden zu sein.

Ob das noch reparabel ist?“, das werden sich die beiden Herren gefragt haben, die hier einigermaßen ratlos vor dem vorn angehobenen Wagen stehen.

„Mit einer dieser neuartigen Stoßstangen, die kürzlich vorgestellt wurden, wäre der Schaden wohl weit geringer ausgefallen, aber das hilft jetzt auch nicht weiter.“

Natürlich waren die Stoßstangen des Stower S8 gestalterisch ganz auf der Höhe der Zeit. Es gab aber im Zubehörhandel Konstruktionen, mit denen man sich zusätzlich eine Art Knautschzone zwischen Stoßstange und Rahmen erkaufen konnte.

So etwas sieht man auf einer dritten Aufnahme, welche ebenfalls einen Stoewer S8 (evtl. auch den stärkeren G14) in einer ganz anderen Situation zeigt:

Stoewer S8; Originalfoto aus Sammlung Matthias Schmidt, Dresden

Aus dieser wunderbaren Aufnahme, die ich einem weiteren Dresdener verdanke – Matthias Schmidt – ist schon einmal eines ersichtlich: Wenn man das nötige Kleingeld hatte, lebte es sich nicht so schlecht in den späten 1920er Jahren.

Man fuhr mit der Achtzylinder-Limousine komfortabel an die See und stellte den Wagen dort einfach vor den Dünen ab. Das Trittbrett bot dann ausreichende Sitzgelegenheit, wenn man sich man nach dem Bad im Meer von der Sonne trocknen und die bleiche Großstadthaut ein wenig bräunen lassen wollte.

Man könnte es beim Genuss dieser schönen Szene bewenden lassen, die mehr über die Rolle des Automobils verrät als manches nüchterne Kapitel in der Fachliteratur – welche im Fall von Stoewer leider sehr schmal ausfällt (Hans Mai, Stoewer-Automobile 1896-1945).

Aber auf eines muss ich bei der Gelegenheit doch noch hinweisenn, um meine nicht ganz ernstgemeinte „Knautschzonen“-Hypothese zu unterfüttern. Schauen Sie genau hin:

Die Stoewer-Freunde werden wohl zunächst die typische Kühlerfigur – den pommerschen Greif wohlwollend bemerken. Menschlich reizvoll ist daneben der Hintergrund.

Für etwas Irritation mag im ersten Moment die Partie ganz links auf Höhe des Scheinwerfers sorgen: Hier sieh man das Heck eines hinter dem Stoewer abgestellten Motorrads mit gefedertem Soziussattel und beiderseits des Schutzblechs angebrachten Werkzeugtaschen.

Blendet man das aus und wandert mit dem Auge nach unten, sieht man sie – die Knautschzone!

Tatsächlich ist hier die eigentliche Stoßstange viel weiter vorn als werksseitig üblich angebracht, sie ist zudem nicht zweiteilig, sondern besteht aus einem zigarrenförmigen Rohr, hinter dem senkrechte Stangen angebracht sind. Ein scherenförmiger Mechanismus schließlich verbindet diese Konstruktion mit den vorderen Rahmenenden.

Das Ganze war wohl auf Zusammenstöße bei innerstädtischem Tempo ausgelegt – wobei die vertikalen Stangen sicherstellen sollte, dass man auch höher oder niedriger angebrachte gegnerische Stoßstangen auffangen konnte.

Die Aufprallenergie wurde dann zumindest teilweise von dem Scherenmechanismus absorbiert, der vielleicht Reibscheiben wie die damals üblichen Stoßdämpfer enthielt oder einfach darauf ausgelegt war, stark verbogen zu werden.

Sicher gibt es zeitgenössische Werbung zu dieser Frühform der Knautschzone, die beizusteuern ich meinen Leser überlassen möchte. Meine Schuldigkeit habe ich für heute mit dieser Zusammenstellung getan, meine ich.

Denken Sie daran: Sie lesen hier in einem Online-Tagebuch eines Amateurs mit, dem es einfach Vergnügen bereitet, solche Sachen und seine oft spontanen Gedanken festzuhalten. Historische Genauigkeit strebe ich zwar an, sie ist aber nicht das eigentliche Ziel.

Daher entschuldigen die wirklichen Experten bitte meine Behauptung einer „Knautschzone anno 1928“, manchmal ist mir ein treffendes Bild wichtiger als die reinen Fakten.

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Fund des Monats: Stoewer G15 „Gigant“ Tourer von 1928

Heute haben meinen Leser die Gelegenheit zu einem virtuellen Hausbesuch. Ich gebe nämlich einen kleinen Einblick in meine Bücherstube – dort versteckt sich auch der Fund des Monats September.

Neben Literatur zu einer Vielzahl von Marken sammle ich ein wenig Automobilia – nicht sonderlich zielgerichtet, eher von dem getrieben, was mir gerade begegnet und gefällt.

Eine gewisse Schwäche habe ich für altgerahmte Fotografien von Vorkriegswagen – die sind meist dekorativ, aber nicht immer von dokumentarischem Wert. Was ich nun vorstelle, ist aber in jeder Hinsicht von sehr großem Reiz – sehen Sie selbst:

Haben Sie das gute Stück entdeckt?

Oder ist Ihr Blick am Staub auf den Nabenkappen und Plaketten auf der rechten Seite hängengeblieben? Oder an dem übergroßen „Brieföffner“ auf dem Absatz unten? Das ist nebenbei ein französisches Faschinenmesser (ca. 1830).

Der Fund des Monat befindet sich weiter oben auf der rechten Seite – werfen wir einen näheren Blick darauf:

Natürlich geht es um das goldgerahmte Foto, das ich nicht ganz zufällig an dieser Stelle platziert habe.

Denn es passt zum einen zu der Stoewer-Nabenkappe links davon – wenngleich nur, was die Marke angeht, nicht zeitlich. Zum anderen stammt der darauf abgebildete Wagen aus dem gleichen Jahr, das auf dem daneben befindlichen „Handbuch der internationalen Automobilindustrie“ steht: 1928.

Sie mögen sich fragen, weshalb ich auf diesem Umweg zu dem Bild führe, um das es geht. Der Grund ist der, dass es mir sehr auf die Originalität der Aufnahme ankommt.

Das Foto findet sich nämlich auch in digitaler (und kostenpflichtiger) Form im Netz bei Getty Images und ich lege Wert darauf, hier einen zeitgenössischen Abzug aus meinem Besitz zu zeigen, der einen originalen Stempel des einstigen Fotohauses aufweist und altgerahmt ist.

Nach dieser notwendigen Vorrede geht es nun endlich zur Sache:

Stoewer G15 „Gigant“ von 1928; Foto von Zander & Labisch (Berlin); zeitgenössischer, gestempelter Originalabzug aus Sammlung Michael Schlenger

Natürlich ist man angesichts der Kühlerfigur – dem pommerschen Greif – und den auf sechs Felder pro Haubenseite verteilten Luftschlitze geneigt, hier einen Stoewer des 1928 eingeführten Achtzylindertyps S8 oder G14 zu sehen.

Dabei spricht die schiere Länge des Wagens eher für den G14 mit 3,40 Meter Radstand (S8: 3,10 Meter). Dann hätten wir es hier mit der 70 PS starken Ausführung zu tun (Hubraum: 3,6 Liter).

Davon wurden zwar nur rund 150 Stück gebaut, doch finden sich immer mal wieder zeitgenössische Fotos davon. Mir ist allerdings noch keines untergekommen, auf dem ein so sportlich flach gehaltener Tourer dieses Typs zu sehen ist.

Auffällig fand ich zudem, dass die Partie zwischen dem hinteren Ende der Motorhaube und der Windschutzscheibe hier wesentlich länger zu sein scheint als gewöhnlich:

Dies und die Gestaltung mit außergewöhnlichen Details wie der abgerundeten Seitenscheibe brachte mich darauf, dass dieses Fahrzeug in einer anderen Liga als der herkömmliche Stoewer „G14“ spielen musste.

Für letzteren waren in der Tourenwagenausführung 1928 zwar schon sagenhafte 11.000 Reichsmark zu berappen, aber es ging natürlich noch deutlich teurer und aufwendiger.

Beim Stöbern in der Literatur (Gerhard Maerz, Die Geschichte der Stoewer-Automobile, 1983) stieß ich auf die Abbildung eines Tourenwagen, die einen weiteren Stoewer-Achtzylinder zeigt, den noch stärkeren Typ G15 „Gigant“. Dessen 3,9 Liter Motor leistete 80 PS und wies eine noch größere Baulänge auf.

Für gewöhnlich ist der „Gigant“ mit der 1929 überarbeiteten Karosserie zu finden, die sich vor allem durch horizontale Luftschlitze von den Achtzylindern des Jahres 1928 unterscheidet. Doch anfänglich glich die Haubengestaltung des „Gigant“ noch derjenigen des S8 und des G14, deren Produktion schon 1928 wieder endete.

Daher vermutete ich, dass mein Foto einen solchen Stoewer G15 „Gigant“ mit einer Spezialkarosserie zeigt, die nicht im Stettiner Werk entstanden ist. Eine Online-Bildrecherche bestätigte die Annahme.

So findet man im Getty-Photoarchiv dieselbe Aufnahme mit folgenden Angaben:

Stoewer Typ G 15 „Gigant“, Baujahr 1928-1931 mit Spezialkarosserie von Altmann; am Steuer Charlotte Kreesmann-Trabarth; Aufnahme Zander & Labisch, 1929.

Der Stempel auf meinem Foto lautet ebenfalls „Zander & Labisch“ – somit ist klar, dass mir ein Originalabzug jener Zeit vorliegt. Bloß wem er einst gehörte, bleibt geheimnisvoll.

Auf der Rahmenrückwand findet sich ein Stempel, der auf eine „Spezial-Werkstätte für feine Bildereinrahmung, Wilhelm Radocaj, Sternstraße 10-11, Berlin-Lichterfelde“ verweist.

Der ursprüngliche Besitzer des Fotos dürfte ebenfalls in diesem Berliner Stadtteil gewohnt haben. Welchen Bezug mag er zu dem Auto oder der Insassin gehabt haben?

Vielleicht findet ja ein Leser mit Muße mehr dazu heraus. Auf jeden Fall wäre es reizvoll zu erfahren, was es mit besagter Charlotte Kreesmann-Trabarth auf sich hatte, die in dem Stoewer abgelichtet worden war.

Und noch etwas: Wer kann etwas zum Hersteller der Karosserie – der Firma Altmann – sagen?

Mir fehlt gerade die Zeit dazu, denn morgen geht es für eine Woche in den Urlaub – solange ruht auch der Blog. Aber ich wollte mich nicht verabsentieren, ohne ein hübsches Objekt zum Bestaunen oder für die weitere Beschäftigung zu hinterlassen…

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Funktion UND Eleganz: Stoewer V5 Sport-Cabriolet

Mit dem 1. Weltkrieg endet in Deutschland die kurze, aber enorm fruchtbare Epoche des Jugendstils.

Ein letztes Mal – zumindest aus vorläufiger Sicht – hatten der Natur entlehnte organische Formen die Gestaltung von Bauten und Alltagsgegenständen bestimmt. Auch in weiten Teilen des Habsburgerreichs dominierte dieser variantenreiche Stil bis 1914.

Es ist eine Ironie der Geschichte, dass in Deutschland, das zu den Zentren des Jugendstils in Europa zählte, danach ein Absturz in den Funktionalismus stattfand, der aus meiner Sicht bis heute die deutsche Seele beherrscht und verheert.

Dass nach dem verlorenen Krieg und angesichts der Belastung der Volkswirtschaft durch die maßlosen Auflagen des Versailler „Vertrags“ lange Zeit rein praktische Erwägungen das Alltagsleben der meisten Bürger bestimmen würden, liegt auf der Hand.

Doch unabhängig davon kam eine elitäre Bewegung auf, die den Funktionalismus in allen Gestaltungsfragen zur Doktrin erhob und dabei das menschliche Bedürfnis nach Ornament, Gefälligkeit und Gemütlichkeit rücksichtslos als überholt abtat.

Nicht durch die Funktion eines Baus oder Gegenstands gebotene Gestaltungselemente als überflüssig, ja falsch abzutun, das war Ausfluss keiner Kunstrichtung mehr, sondern einer Ideologie, die meist zu menschenverachtenden Ergebnissen geführt hat.

Ein frühes Beispiel dafür ist die von Technokraten erfundene „Frankfurter Küche“, welche zum sinnenfeindlichen deutschen Konzept der „Sättigungsbeilage“ passt. Dasselbe gilt für die von den Bauhäuslern ersonnenen gesichtslosen Massenquartiere.

Dieser radikale Bruch mit allen historischen Gestaltungstraditionen ist mitverantwortlich für das desolate Erscheinungsbild vieler unserer Städte. Noch 100 Jahre nach dem Bauhaus strahlen einem zwanghaften Kubismus entsprungene Neubauquartiere die immerselbe Tristesse aus.

Man muss sich dieses radikal-nüchternen Trends in den 1920ern Jahre bewusst sein, um das Aufleben der Sehnsucht nach der schönen Form in den 30er Jahren würdigen zu können.

Zur Illustration möchte ich nicht auf eine perfekte Werksaufnahme oder das Foto einer auf Hochglanz gebrachten Karosse verweisen, sondern auf diese Momentaufnahme einer Landpartie in den späten 1930er Jahren:

Steyr 530 und Horch 853; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Ich hätte bei dieser Situation auch den Horch 853 auf der rechten Seite in den Vordergrund rücken können, denn ich besitze zwei aus unterschiedlichen Perspektiven geschossene Fotos der beiden Autos.

Doch da ich mit den in Deutschland gern übersehenen österreichischen Premium-Automobilen der Vorkriegszeit sympathisiere, soll hier der verschmutzte Steyr 530 mit Gläser-Karosserie mein Argument unterstützen, dass es in den 30er Jahren im Automobilbau zu einer Renaissance der reinen Schönheit kam, die schwer zu erklären ist.

Die Lust an der eleganten Form manifestierte sich damals sogar an der schwierigsten Partie des Autokörpers – dem Hinterteil. Hier haben wir ein Beispiel dafür, wobei ich keine Ahnung habe, mit was für einem Wagen wir es dabei zu tun:

unbekanntes Cabriolet, aufgenommen in Dortmund; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Die der vermögenden Oberschicht vorbehaltene neue Lust an der puren Eleganz – gern auch auf Kosten der Praxistauglichkeit – lässt sich sogar an einem Wagen eines Herstellers veranschaulichen, welcher einer ewaigen Neigung zum Exzess denkbar unverdächtig war.

So entstand auf Basis des vor allem für seine Robustheit geschätzten, ansonsten konventionell gestalteten Typs „Sturm“ (evtl. auch „Rekord“) des Maschinenbaukonzerns Hanomag einst dieser hinreißender Roadster mit extrem flacher Frontscheibe:

Hanomag „Sturm“ Roadster; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Übrigens ist bis heute unklar, wer diese Spezialkarosserie gebaut hat. Leider sind nicht alle Blechkünstler jener Zeit (und den Begriff meine ich ernst) so perfekt dokumentiert wie die Manufaktur von Gläser aus Dresden etwa.

Man könnte stundenlang so weitermachen, doch eigentlich soll es heute ja um den Typ V5 von Stoewer gehen.

Dieser Wagen ist nun einerseits ein Beispiel für reinen Funktionalismus, jedenfalls in der Ende 1930 vorgestellten ursprünglichen Form. Stoewer gelang es damit, den ersten deutschen Frontantriebswagen auf den Markt zu bringen:

Stoewer V5 von 1931; Originalfoto aus Sammlung Helmut Kasimirowicz (Düsseldorf)

Mit seinem immerhin 25 PS leistenden und 1,2 Liter messenden Vierzylinder konventioneller Bauart und dem Frontantrieb repräsentierte der Stoewer V5 zunächst eine rein technologische Entwicklungsstufe.

Dass es dem Nischenproduzenten aus Stettin gelang, diesen Coup kurz vor den Großserienherstellern DKW und Adler zu landen, unterstreicht die Wichtigkeit kleiner innovativer Wettbewerber in einem Markt, an dem es sich gern große Anbieter gemütlich machen.

In Deutschland gibt es diese gesunde Konkurrenz längst nicht mehr, doch Anfang der 1930er war das trotz der brutalen Auslese der späten 1920er Jahre noch anders.

Stoewer machte damals aber nicht nur mit neuen funktionellen Lösungen von sich reden, sondern vermochte auch wiederholt mit Spezialausführungen zu brillieren, die einen ganz eigenen Charakter besaßen und doch als elegant wahrgenommen wurden.

Eine Version des Stoewer V5 repräsentierte diese Balance aus Funktion und Eleganz besonders vollkommen – das vom Hersteller selbst entworfene Sport-Cabriolet:

Stoewer V5 Sport-Cabriolet von 1932; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Dieser rasant wirkende, sehr niedrig gehaltene Wagen wurde im Juni 1932 von seinen neuen Besitzern im Stoewer-Werk in Stettin abgeholt und auf eigener Achse nach Hause gefahren – ins 850 km entfernte Karlsruhe.

Obiges Foto zeigt den Wagen auf einem Halt unterwegs mit einem ziemlich mitgenommenen Überführungskennzeichen. Hinter der Stoßstange unterhalb des Kühlergrills sehen wir die noch unbeschriftete weiße Nummernschildfläche.

Dass wir es hier mit einem Fronttriebler zu tun haben, würde man kaum denken – fällt Ihnen ein modernes Auto mit Vorderradantrieb ein, das wie ein klassischer Sportwagen wirkt?

Das oben gezeigte Stoewer V5 Sport-Cabriolet kam jedenfalls glücklich in seiner neuen Heimat im Badischen an und nahm nur kurze Zeit später – Anfang Juli 1932 – am berühmten Concours d’Elegance in Baden-Baden teil, der damals als „Automobil-Turnier“ firmierte:

Stoewer V5 Sport-Cabriolet von 1932; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Hier sehen wir den Wagen nun mit geschlossenem Verdeck und dem offiziellen Nummernschild, daneben die uns schon bekannte Insassin.

Was meinen Sie, welchen Platz der Stoewer bei dem Schönheitswettbewerb errungen hat? Nun, den ersten natürlich, so ist es jedenfalls auf der Rückseite des Fotos vermerkt.

Dank Leser Joachim Ade, der eine Originalbroschüre dieser Veranstaltung besitzt, wissen wir, dass sich der Sieg auf die Kategorie „2-3-sitzige Cabriolets bis 1500ccm Hubraum“ bezog.

Bei den damaligen Concours-Veranstaltungen stand der überzeugende ästhetische Auftritt – übrigens auch der Besitzer – im Vordergrund. Im vorliegenden Fall war dies Frau Ministerialrat Schwarz aus Karlsruhe, wie die Broschüre von Joachim Ade verrät.

Die Funktion des Wagens war bei solchen Wettbewerben uninteressant und durfte im Fall einer Traditionsmarke wie Stoewer als über jeden Zweifel erhaben vorausgesetzt werden.

So verbinden sich am Ende unauffällige, zeitgemäße Funktion mit einer eleganten und zugleich charakterstarken äußeren Form. Davon brauchen wir im tristen Deutschland dieser Tage dringend mehr – und das nicht nur in punkto Autogestaltung.

Vielleicht erleben wir noch einmal eine Renaissance der Balance aus unauffälliger Funktion und sinneverwirrender Ästhetik wie auf dieser Aufnahme, die ich bei den Classic Days 2017 auf Schloss Dyck machte:

Horch 853 auf Schloss Dyck 2018: Bildrechte Michael Schlenger

Die grandiosen Fahrzeuge der 1930er Jahre verdienen aus meiner Sicht (und etlicher Kritiker der Neuauflage der Classic Days 2022) künftig wieder eine Kulisse wie diese, welche sich in der kulturell reichen Niederrhein-Region doch finden lassen sollte – wenn man es will.

Dazu muss jedoch der Veranstalter verstehen, dass ein Parkplatz in der Einflugschneise des Düsseldorfer Flughafens rein funktionell betrachtet Vorteile haben mag, aber indiskutabel ist, was ein würdiges Ambiente für solche Kunstwerke auf vier Rädern angeht.

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Der letzte „echte“ Stoewer: Greif V8

Die Wagen der Stettiner Firma Stoewer gehören zu den faszinierendsten Kapiteln deutscher Automobilgeschichte der Vorkriegszeit.

Kein anderer Hersteller blieb so lange unter der Leitung der Gründer und keinem anderen gelang es, sich durch alle Krisen hinweg immer wieder neu zu erfinden und so dem Schicksal der meisten übrigen Nischenfabrikanten zu entgehen, die spätestens in den 1920er Jahren vom Markt verschwanden.

Weil Stoewer-Autos stets in erster Linie das Produkt des Könnens der Gebrüder Stoewer selbst waren, zeichneten sie sich oft durch einen eigenen Stil aus – in technischer wie gestalterischer Hinsicht.

Daher lässt sich mit einiger Berechtigung sagen, dass der Weggang des für die Fahrzeugentwicklung maßgeblichen Bernhard Stoewer im Jahr 1934 auch das Ende der „echten“ Stoewer-Wagen markierte, wenngleich unter der Marke noch bis Kriegsausbruch weitere PKW-Modelle entstanden.

Bei seinem Abschied hinterließ Bernhard Stoewer als Vermächtnis ein letztes Zeugnis seines Konstrukteurstalents – den „Greif V8“.

Das Konzept eines starken Fronttrieblers mit V-förmigem Achtzylindermotor hatte Bernhard Stoewer bereits 1933 entwickelt und anhand eines hinreißenden Prototyps vorgestellt.

Von diesem konnte ich zwar bislang noch keine Originalaufnahme meiner Sammlung zuführen, doch mit dem ab 1934 in Serie gebauten Greif V8 kann ich durchaus dienen:

Stoewer Greif V8, Typentafel aus dem Handbuch des Reichsverbands der Automobilindustrie von 1935; Originaldokument aus Sammlung Michael Schlenger

Diese prachtvolle Seitenansicht findet sich im 1935 herausgegebenen Handbuch des Reichsverbands der Autoindustrie, welches Typentafeln nahezu aller in Deutschland gefertigten Wagen enthielt.

Auf dem entsprechenden Blatt werden nüchtern die technischen Besonderheiten des Stoewer Greif V8 aufgelistet:

Frontantrieb, hydraulische Vierradbremse

2,5 Liter V8-Motor mit Aluminiumkolben,

52 PS Spitzenleistung, 14 Liter Verbrauch auf 100 km

Hinterachse mit liegenden Schraubenfedern (Stoewer-Patent)

Gewicht der Limousine: 1250 kg; Spitzengeschwindigkeit: 115 km/h

Von Größe, PS-Zahl und Fahrleistungen her war damit unter den deutschen Fabrikaten nur der Hanomag „Sturm“ vergleichbar, wenngleich er einen Sechszylinder und Heckantrieb besaß.

Allerdings kostete eine viertürige Limousine im Fall des Hanomag „Sturm“ mit 4.875 Mark wesentlich weniger als beim Greif V8 – dort waren 5.700 Mark zu berappen. Das mag auf den ersten Blick erklären, weshalb sich der Hanomag wesentlich besser verkaufte.

Vom Stoewer Greif V8 entstanden bis 1937 nur etwas mehr als 800 Exemplare. Deshalb sind zeitgenössische Fotos dieses Typs nur selten zu finden.

Die folgende Aufnahme, welche die erwähnte Limousinenausführung zeigt, hat mir Stoewer-Experte Manfried Bauer aus seinem Fundus zur Verfügung gestellt. Dieser soll nebenbei noch dieses Jahr an die neu geschaffene Stoewer-Abteilung im Technikmuseum Stettins übergehen, wo sich bereits die Fahrzeugsammlung von Manfried Bauer befindet:

Stoewer Greif V8, viertürige Limousine; Originalfoto via Manfried Bauer

Man kommt nicht umhin festzustellen, dass dies ein auch optisch eindrucksvolles Fahrzeug war, dem man seine technische Andersartigkeit keineswegs ansah.

Doch der Misserfolg am Markt kann nicht allein am Preis gelegen haben – bei Mercedes bekam man für den annähernden Gegenwert eines Stoewer Greif V8 nur einen lahmen 200er Vierzylinderwagen mit biederem Äußeren und weit weniger Platz im Innenraum.

Auch der Frontantrieb war zum Zeitpunkt des Erscheinens etabliert – neben Stoewer verkauften auch DKW und Adler in großen Stückzahlen Fronttriebler, außerdem produzierte das Citroen-Werk in Köln für den deutschen Markt den fabelhaften „Traction Avant“.

Skepsis gegenüber einem V8-Motor kann ebenfalls kein Kaufhindernis gewesen sein – schließlich fand ab 1935 auch hierzulande der Ford V8 zahlreiche Käufer.

Meine Vermutung ist schlicht die, dass Stoewer aufgrund seines Charakters als Nischenproduzent betriebswirtschaftlich und von der Kapitalausstattung gar nicht zu einer größeren Produktion des Greif V8 imstande gewesen wäre.

So blieb der schöne Wagen ein seltener Anblick auf Deutschlands Autobahnen, obwohl er von seinen Fahrleistungen dafür ideal war. Von daher wird man den Stoewer Greif V8 auch kaum in Werkstätten und an Tankstellen zu Gesicht bekommen haben.

Dabei hatte die deutsche Shell-Niederlasssung damals eigens einen Schmierplan für dieses Modell anfertigen lassen, welcher für Kfz-Mechaniker und Tankwarte vorgesehen war, für die damals das regelmäßige Abschmieren von Kundenfahrzeugen Alltag war.

Ein originaler solcher Schmierplan davon hängt heute – leider etwas mitgenommen – in meiner Oldtimer-Werkstatt:

Shell-Schmierplan für den Stoewer Greif V8; Original aus Sammlung Michael Schlenger

Vermutlich ist so ein Schmierplan heutzutage mindestens so selten wie ein überlebender Stoewer Greif V8 – denn die Anleitung erwies sich mangels Nachfrage spätestens nach dem Krieg als obsolet und wurde meist von „ordnungsliebenden“ Zeitgenossen entsorgt.

Übrigens lassen sich die eingangs aufgezählten technischen Eigenheiten des Greif V8 darauf recht gut studieren – vielleicht interessiert sich ja ein Leser dafür, wenngleich ich es für unwahrscheinlich halte, dass sich darunter ein Besitzer dieses raren Modells befindet:

Damit nehmen wir für heute Abschied vom letzten „echten Stoewer“. Doch die Marke als solche wird uns noch viele Male beschäftigen und begeistern, das kann ich versichern.

Und wer weiß: Vielleicht entdeckt ja noch jemand ein weiteres Originalfoto eines Stoewer Greif V8 – am besten natürlich des sagenhaften Prototypen, den einst Bernhard Stoewer selbst entwarf…

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Macht gute Figur am Opernplatz: Stoewer R-150 Cabrio

Die Frontantriebswagen der R-Klasse, die bei Stoewer in Stettin von 1932-35 entstanden, stehen zu Unrecht im Schatten der weit häufiger anzutreffenden Adler-Modelle mit Vorderradantrieb.

Die Stoewer-Modelle besaßen ein sehr markantes Erscheinungsbild – schon von der Seite. Denn sie kamen mit sonst am deutschen Markt unüblichen horizontalen Luftschlitzen daher:

Stoewer R-140 2-türige Limousine, Bauzeit: 1932-34; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Diese im Sommer 1933 aufgenommene 2-türige Limousine des Typs R-140 wirkt trotz des recht kompakten Vierzylindermotors (1,3 Liter, 26 PS) durchaus repräsentativ.

Tatsächlich zitierte Stoewer mit den waagerecht verlaufenden Haubenschlitzen seine grandiosen 8-Zylindermodelle der späten 1920er und frühen 1930er Jahre und sorgte damit für eine klassenübergreifende Familienähnlichkeit.

Die eine lange Haube suggerierenden Luftschlitze finden sich natürlich auch an den Cabrioversionen des R-140 – hier ein Exemplar, das während einer Urlaubsreise irgendwo in der Schweiz abgelichtet wurde, vielleicht auf dem Weg zum Gotthardpass:

Stoewer R-140 Cabriolet; Bauzeit: 1932-34; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Bei aller Sympathie für den Stettiner Nischenhersteller, der sich über die Jahrzehnte immer wieder neu erfand, mag man hier beanstanden, dass der Kühler optisch etwas zu breit erscheint und die hohe schmucklose Tür unbeholfen wirkt.

Die Gebrüder Stoewer entwickelten ihre Wagen jedoch laufend weiter, sodass die nächste Generation – verkörpert durch den 1934 eingeführten R-150 – deutlich gelungener wirkt.

Nicht nur hatte man den Motor auf 1,5 Liter aufgebohrt, sodass dieser nun achtbare 35 PS leistete, auch das Äußere war überarbeitet worden. Vor allem hatte man die Kühlermaske überzeugender gestaltet und die Streben nun stärker gepfeilt ausgeführt.

Dadurch wirkt bereits die Limousine weit stimmiger, die auf diesem Foto aus der Sammlung von Leser Matthias Schmidt (Dresden) zu sehen ist:

Stoewer R-150 4-türige Limousine, Bauzeit: 1934-35; Originalfoto aus Sammlung Matthias Schmidt (Dresden)

Dieses Auto musste sich neben dem Adler „Trumpf“, der ebenfalls mit Frontantrieb und 1,5 Liter-Motor aufwartete, nicht verstecken. Die 4-türige Limousine war bei Stoewer sogar etwas günstiger zu haben als bei der Konkurrenz aus Frankfurt/Main.

Doch fehlte es den Stettinern bei allem technischen Können und der gestalterischen Kompetenz immer an den Produktionskapazitäten, um die Stärken ihrer Fahrzeuge in hohe Stückzahlen umzumünzen.

So entstanden vom Stoewer R-150 keine 1200 Exemplare. Für den Gourmet sind die überlebenden Fahrzeuge dieses Typs umso interessanter, speziell wenn es sich um die sehr gelungene Cabrioausführung handelt, die wir hier sehen:

Stoewer R-150 Cabriolet, Bauzeit: 1934-35; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Trotz der übergezogenen Kühlermanschette für den Betrieb in der kalten Jahreszeit erkennt man, dass die stärker gepfeilten Kühlerstreben den Wagen dynamischer wirken lassen als den Vorgängertyp R-140.

Auch die Türen hatte man mittels einer verchromten Zierleiste optisch gefälliger gestaltet, sodass diese nun weniger hoch erscheint.

Man mag beanstanden, dass der Stoewer immer noch mit Trittbrett und seitlich montiertem Reserverad daherkam – beides war bei Adlers „Trumpf“ entfallen – doch auf mich wirkt der Wagen vollkommen stimmig so, wie er hier vor uns steht.

Das Auto muss einst auch den jungen Mann angesprochen haben, der es fotografierte und auf der Rückseite des Abzugs einige Informationen für uns hinterlassen hat:

Wenn ich den handschriftlichen Vermerk richtig deute, besuchte der Fotograf im Jahr 1936 die Kriegsschule in (?) und entdeckte bei der Gelegenheit am Opernplatz diesen Stoewer mit Zulassung in Neuwied.

Er hatte also selbst keinen direkten Bezug zu dem Auto, als angehender Unteroffizier oder Offizier wäre ein eigenes Fahrzeug auch nicht erreichbar gewesen.

Doch gefiel ihm das Cabriolet, das einsam auf dem winterlichen Opernplatz abgestellt war so gut, dass er seinen Fotoapparat zückte, die notwendigen Einstellungen vornahm und uns dieses schöne Dokument hinterlassen hat:

Stoewer R-150 Cabriolet, Bauzeit: 1934-35; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Der adrette Stoewer macht hier doch gute Figur, finden Sie nicht?

Nur: Auf welchem Opernplatz war der Wagen denn eigentlich abgestellt?

Wieder einmal sind Sie, liebe Leser, gefragt – denn wir wollen doch dieses schöne Foto mehr als 85 Jahre nach seiner Entstehung richtig einordnen…

Nachtrag: Leser Erhard Schmidt konnte in akribischer Recherche die Örtlichkeit identifizieren: Es handelt sich um den Platz vor der Semperoper in Dresden, an den einst das heute verschwundene Hotel Bellevue grenzte.

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Hatte einst die Nase vorn: Stoewer V5 Fronttriebler

Seitdem ich diesen Blog begonnen habe – das war 2015 – begleitet mich eine deutsche Marke, deren Reiz sich mir erst nach und nach erschlossen hat – Stoewer.

Daran nicht ganz unschuldig ist Stoewer-Urgestein Manfried Bauer, von dessen einzigartigem Wissen um die Marke aus seiner Geburtsstadt Stettin ich über die Jahre enorm profitiert habe.

Nach und nach wurde mir klar, was Stoewer so besonders machte: Keinem anderen Hersteller aus deutschen Landen ist es gelungen, über so lange Zeit unter der Kontrolle der Gründer zu bleiben und sich dabei immer wieder neu zu erfinden.

Die Gebrüder Stoewer hatten fast immer die Nase vorn, wenn es darum ging, auf sich ändernde Anforderungen des Marktes zu reagieren, während andere Firmen mit veralteten Rezepten untergingen oder mit unausgegorenen neuen Konzepten scheiterten.

Wenn dagegen Stoewer etwas Neues unternahm, konnte man sicher sein, dass man den Markt zuvor genau studiert hatte und nicht davor zurückschreckte, Traditionen über Bord zu werfen dort, wo sie hemmten.

Gleichzeitig arbeitete man Innovationen so gründlich durch, dass sie marktfähig waren. Beides entsprach dem amerikanischen Verständnis, dass ein Produkt vom Kunden her gedacht sein muss, um erfolgreich und damit profitabel sein zu können.

So ist es zu erklären, dass man in Stettin kein Problem damit hatte, sich Anfang der 1930er Jahre von den luxuriösen Achtzylindern zu verabschieden, die man seit 1928 hergestellt hatte, für welche die Zeitumstände aber immer ungünstiger geworden waren.

Den Abschluss dieser beeindruckenden Entwicklung, die ich gelegentlich anhand „neuer“ Fotos nachzeichnen will, markierte das Modell „Marschall“:

Stoewer Typ M12 „Marschall“; Originalfoto aus Sammlung Klaas Dierks

Kaum hatte man diesen Achtzylindertyp mit 3 Liter-Motor, der noch bis 1934 in Manufaktur weitergebaut werden sollte, auf den Markt gebracht, vollendete man ein neues Fahrzeug, das in denkbar großem Kontrast dazu stehen sollte.

Dabei handelte es sich nicht nur um einen Kleinwagen mit 25 PS Leistung aus 1,2 Litern Hubraum, verteilt auf vier Zylinder. Man hatte auch in anderer Hinsicht Neuland betreten – denn dieser Stoewer Typ V5 war Deutschlands erster Serienwagen mit Frontantrieb!

Noch bevor DKW seine frontgetriebenen Zweitakter einführte, bewies Stoewer damit, dass man als mutiger Nischenanbieter durchaus die Nase vorn haben konnte.

Und so sah diese Neuschöpfung aus, die vom pommerschen Greif auf dem Kühler praktisch nichts mit den prachtvollen 8-Zylindern mehr gemeinsam hatte:

Stoewer V5 Cabriolimousine von 1931; Originalfoto aus Sammlung Helmut Kasimirowicz

Der Wagen auf dieser Aufnahme, die ich Helmut Kasimirowicz (Düsseldorf) verdanke, entspricht bis auf kleine Details dem Versuchswagen, in dem Bernhard Stoewer im November 1930 abgelichtet wurde (siehe: Stoewer-Automobile 1896-1945, von Hans Mai, S. 78).

In der Serienausführung, wie sie auf obigem Foto zu sehen ist, besaß der kleine Fronttriebler verchromte Radkappen und seitliche „Schürzen“ an den Kotflügeln.

Diese setzten sich am deutschen Markt in der Breite erst nach dem Debüt des Graham „Blue Streak“ im Jahr 1932 durch. Somit hatte Stoewer auch in diesem Detail die Nase vorn.

Übrigens überarbeite man schon bald die „Nase“ des neuen Stoewer V5, die anfänglich noch etwas knubbelig ausgefallen war, da der Frontantrieb unterhalb des Kühlers hervorragte (wie übrigens beim ersten DKW Frontriebler F1 auch).

So verpasste man dem Wagen eine repräsentative Kühlermaske, welche optisch an diejenigen der parallel weitergebauten Achtzylinder angelehnt war und lediglich etwas schräggestellt wurde.

Dies ist gut auf der folgenden Reklame zu erkennen, wenngleich der hier abgebildete Wagen perspektivisch etwas verunglückt wiedergeben ist:

Stoewer V5, Originalreklame aus Sammlung Michael Schlenger

Mit „gelifteter“ Nase verzeichnete der Stoewer V5 für einen Nischenhersteller einen beachtlichen Erfolg. Während der kurzen Bauzeit (1931/32) konnten über 2.000 Exemplare an den Mann gebracht werden.

Dies ist umso bemerkenswerter, als der Stoewer kein billiges Auto war. Der Grundpreis von 3.250 Mark lag drastisch höher als der, welchen DKW für seinen neuen Fronttriebler aufrief (2.100 Mark für die Cabrio-Limousine).

Freilich bot der Stoewer auch eine weit robustere Karosserie und 10 PS mehr, die in Verbindung mit quergefederter Schwingachse entscheidend für ein souveräneres Fahrerlebnis waren.

So verwundert es nicht, dass die Besitzer des fortschrittlichen kleinen Stoewer durchaus selbstbewusst auftraten wie auf dieser zeitgenössischen Postkarte, die mir Stoewer-Besitzer Jürgen Lüttgen zur Verfügung gestellt hat:

Stoewer V5 in Sachsen; originale Postkarte aus Sammlung Jürgen Lüttgen

Der Stoewer-Frontantriebswagen durchlief anschließend noch einige Metamorphosen, bei denen er immer besser und auch optisch attraktiver wurde.

Ihren Endpunkt fand diese kurze, aber stürmische Entwicklung 1935 mit dem Typ R-180, der von den Proportionen und der Leistung her ein vollwertiger und äußerlich repräsentativer Mittelklassewagen war.

Doch auch der allererste Stoewer mit Frontantrieb, der bescheiden daherkommende V5 von 1931, sollte noch viele Jahre präsent bleiben. Hier haben wir ein Exemplar, das nach dem 2. Weltkrieg trotz eines Alters von fast 20 Jahren für längere Ausflugsfahrten genutzt wurde:

Stoewer V5 in Darmstadt 1950; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Dieses Exemplar wurde 1950 in Darmstadt abgelichtet, wo damals die Spuren des Bombenkriegs noch frisch waren.

Weitere Fotos dieses weitgereisten Wagens in besserer Qualität habe ich hier präsentiert. Offenbar hatten Stoewer-Autos auch in Sachen Haltbarkeit einst die Nase vorn…

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Fund des Monats: Ein Stoewer D7 mit Flugmotor

Als Fund des Monats November kann ich eines der seltensten deutschen Vorkriegsautos überhaupt vorstellen – und das gleich anhand von drei andernorts bislang noch nicht veröffentlichten Originalaufnahmen.

Doch will ich nicht gleich mit der Tür ins Haus fallen, sondern auf einem kleinen Umweg zu dem Prachtstück hinführen, von dem einst nur zehn(!) Exemplare entstanden.

Werfen wir zunächst einen Blick auf diese ausgesprochen hübsche Reklame der Firma Stoewer aus Stettin:

Stoewer Reklame von ca. 1920; Original aus Sammlung Michael Schlenger

„Das muss eine Werbung aus dem 1. Weltkrieg sein“, mag jetzt mancher spontan denken.

In der Tat: Der sich kühn in die Kurve legende Doppeldecker und der Hinweis auf die Produktion von Flugmotoren scheint in diese Richtung zu deuten. Der eine oder andere weiß sogar, dass Stoewer schon vor dem Krieg kurzzeitig mit Flugmotoren experimentierte.

Allerdings kann diese Reklame aus mehreren Gründen nicht aus dieser frühen Phase (1911/12) stammen.

Erstens wurde das Unternehmen der Gebrüder Stoewer erst 1916 in die erwähnte Stoewer-Werke AG umgewandelt. Zweitens gab es den oben abgerundeten Spitzkühler, wie er hier stilisiert wiedergegeben ist, erst bei den D-Typen der frühen Nachkriegszeit. Und drittens begannen die stets vorausschauend denkenden Gebrüder Stoewer erst 1917 mit der Entwicklung der ebenfalls genannten Motorpflüge.

Damit wollte man sich für die Zeit nach dem Krieg ein zusätzliches Standbein schaffen. Außerdem hatte man noch vor Kriegsende mit den D-Typen eine neue Automobilfamilie entwickelt – die absolute Ausnahme unter den bedeutenden deutschen Herstellern.

Hier als Beispiel ein Exemplar des am häufigsten verkauften kleinen Stoewer Typ D3:

Stoewer Typ D3; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Andererseits kann die obige Reklame nicht lange nach dem Ende des Ersten Weltkriegs entstanden sein – darauf deutet die Kleidung der adretten Dame hin, die sich hier an die Motorhaube eines großen Tourenwagens im Stil des D5 schmiegt.

Aus meiner Sicht dürfte man mit einer Datierung auf ca. 1920 nicht verkehrt liegen. Was aber hat es nun mit den erwähnten Flugmotoren auf sich? Nun, die baute Stoewer ab 1917 neben PKW und LKW im Heeresauftrag.

Nach Kriegsende durften in Deutschland keine Kampfflugzeuge mehr gebaut wurden und auch dafür vorgesehene Motoren sollten offiziell nicht mehr zum Einsatz kommen dürfen.

Zwar zeigen Beispiele wie die ab 1919 von der Firma Sablatnig in Berlin gebauten Verkehrsmaschinen, dass man nach wie vor auch mit militärischen Flugaggregaten in die Luft gehen konnte, doch in der Breite gab es nur wenig Verwendung dafür.

Bei Stoewer verfiel man 1921 auf die verwegene Idee, dass man mit den noch vorhandenen Flugmotoren doch auch Autos ausstatten konnte. Das Ergebnis sah dann so aus:

Stoewer D7 von 1921; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Im Original war der Abzug fast völlig verblasst, als ich ihn fand.

Doch ließ sich mit ein paar Anpassungen von Kontrast und Helligkeit ein brauchbares Abbild des mächtigen Tourers herstellen, dessen armdicke Auspuffrohre zunächst an Benz oder Mercedes denken lassen.

Die Ausführung des Kühlers brachte mich jedoch bald auf Stoewer, wenngleich es von Benz kurzzeitig neben Flach- und Spitzkühlermodellen auch solche mit einem Schnabelkühler gab, der von der Seite recht ähnlich aussah.

Die stilistische Ähnlichkeit mit den 1920 eingeführten großen D-Typen von Stoewer gab letztlich den Ausschlag. Auch ohne ein vergleichbares Foto vorliegen zu haben, vermutete ich anhand der schieren Größe, dass es sich um den raren Modell D7 mit Flugmotor handeln musste.

Zu dessen gigantischem 11,1 Liter-Sechszylinder würden auch die drei außenliegenden Auspuffrohre passen:

Stoewer D7 von 1921; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Die Leistung des Flugmotors, dessen Konstrukteur mir nicht bekannt ist, dürfte ursprünglich über 200 PS betragen haben, wie das bei zeitgenössischen Benz-Motoren vergleichbarer Bauart der Fall war.

Doch für den Straßenbetrieb wurde das Aggregat auf 120 PS gedrosselt – immer noch genug für eine Höchstgeschwindigkeit von 160 km/h. Das war damals ein unerhörter Wert und verlieh dem Stoewer den Status des schnellsten deutschen Straßenautomobils.

Von Serienfertigung darf man hier freilich kaum sprechen – wie gesagt entstanden ganze 10 Exemplare dieses Ausnahmefahrzeugs.

Ich konnte mein Glück kaum fassen, als mir Stoewer-Spezialist Manfried Bauer bestätigte, dass ich tatsächlich ein Foto dieser Rarität geangelt hatte, das noch dazu vor der Stoewer-Fabrik aufgenommen worden war.

Zudem zauberte er eine weite Originalaufnahme aus seinem Archiv hervor, das in absehbarer Zeit seiner Fahrzeugsammlung folgen und den Weg in das Technische Museum Stettin im heutigen Polen antreten soll, wo der Firma Stoewer in allen ihren Facetten ein würdiges Denkmal gesetzt wird.

Das von Manfried Bauer bereitgestellte Foto zeigt sogar denselben Wagen wie meine Aufnahme – die übereinstimmenden Verschmutzungen an der Flanke des Hinterrads beweisen es:

Stoewer D7 von 1921; Originalfoto aus Sammlung Manfried Bauer

Dieses Foto ließe an sich wenig zu wünschen übrig – denn was auf meiner Aufnahme nur schemenhaft zu erahnen war, ist hier mit großer Deutlichkeit wiedergegeben.

Bloß ein Detail stimmt nicht überein – erkennen Sie es?

Nun, es ist der hinten angesetzte Koffer, der erst kurz vor Auslieferung angebracht wurde. Zuvor hatte man einigen wohl an der Herstellung beteiligten Stoewer-Männern Gelegenheit geben, sich mit ihrer grandiosen Kreation ablichten zu lassen.

Somit können wir die beiden Fotos sogar in eine zeitliche Reihenfolge bringen. Nicht schlecht nach genau 100 Jahren, meine ich.

Doch damit bin ich noch nicht am Ende. Eingangs hatte ich von einer dritten Aufnahme gesprochen – und auch diese verdanken wir Manfried Bauer vom Stoewer-Archiv:

Stoewer D7 von 1921; Originalfoto aus Sammlung Manfried Bauer

Hier haben wir die Frontpartie wieder desselben Stoewer D7 – mit der eindrucksvollen Kühlermaske, die bis Mitte der 1920er Jahre das Gesicht der Marke darstellen sollte.

Für mich zählt dieser Stoewer-Kühler im wahrsten Sinne zu den hervorragendsten Schöpfungen auf dem Gebiet – nur bei Voisin aus Frankreich findet sich eine ähnliche Formgebung.

Das Einzige, was man aus dieser Perspektive bemängeln könnte, wäre die hohe und fast senkrecht stehende Frontscheibe – hier hätte man sich eine niedriger und flachere Ausführung gewünscht.

Das hat es sogar gegeben – aber ein Foto davon fand sich bislang nur in der Literatur (Hans Mai, Stoewer Automobile 1896-1945, S. 61), auf die ich mich hier neben dem Wissensschatz von Manfried Bauer gestützt habe.

Vielleicht taucht aber irgendwann wieder aus dem Dunkel der Vergangenheit auch ein weiteres solches Relikt auf, das den Untergang der Firma im Frühjahr 1945 überlebt hat.

Bis dahin werden wir uns hier anderweitig mit automobilen Wundern die Zeit vertreiben müssen – angesichts zunehmend bedenklicher Zustände in unserer Republik aus meiner Sicht eine verlässliche Methode, sich die Seelenruhe nicht rauben zu lassen…

© Michael Schlenger, 2021. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and https://vorkriegs-klassiker-rundschau.blog with appropriate and specific direction to the original content.

Freund(e) der Familie: Stoewer R-180

Heute kommen nach längerer Pause wieder einmal die Frontantriebswagen von Stoewer zu ihrem Recht, die zwar nicht annähernd die Verbreitung vergleichbarer Modelle von Adler oder DKW erreichten, aber für den Vorkriegsenthusiasten umso interessanter sind.

Tatsächlich war es dem Nischenhersteller aus Stettin 1930 gelungen, noch kurz vor DKW den ersten deutschen Serienwagen mit Vorderradantrieb vorzustellen – den Typ V5.

Wie im Fall der mächtigen Achtzylinderwagen der späten 1920er Jahre verdient es Anerkennung, dass eine eher kleine und chronisch an Kapitalmangel leidende Firma wie Stoewer immer wieder der Anschluss an die modernsten Tendenzen gelang.

Stoewer entwickelte seine Fronttriebler laufend weiter (1932: Typ R-140, 1934: Typ R-150, 1935: R-180) und versah die Wagen im Lauf der Zeit mit immer gefälligeren Aufbauten.

Das kann ich heute anhand einer ganzen Reihe von Bildern ein und desselben Wagens illustrieren, die nach und nach angeboten wurden und deren Zusammengehörigkeit ich erst später erkannte.

Bei dem Auto handelte es sich um einen Stoewer R-180, dem mit 45 PS leistungsstärksten und harmonischsten Typ aus der R-Reihe. Er war als viertürige Limousine nicht nur vom Platzangebot her ein „Freund der Familie“ – er wurde von seinen Besitzern auch immer wieder ganz selbstverständlich für das Familienalbum mitabgelichtet:

Stoewer R-180; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Zwar lässt die Aufnahme nicht allzuviel von dem Stoewer erkennen – aber genug, um den Typ eindeutig identifizieren zu können. Während sich die horizontalen Luftschlitze in der Motorhaube bei allen R-Typen finden, ist die Gestaltung des hinteren Dachabschlusses so nur beim R-180 zu finden – der übrigens kein halbes Jahr im Programm war.

Bei einem nur in rund 300 Exemplaren gebauten Wagen ist es umso erfreulicher, gleich mehrere Aufnahmen davon aus unterschiedlichen Perspektiven vorliegen zu haben. Die nächste ist zwar unscheinbarer, aber nicht unwichtig. Ich hatte sie separat erworben und zunächst keinen Zusammenhang mit der ersten Aufnahme hergestellt:

Stoewer R-180; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Diese Aufnahme entstand in Karlsruhe vor dem Denkmal Kaiser Wilhelms I., was ich nur deshalb herausfinden konnte, da auf der Rückseite zumindest der Ortsname vermerkt war.

Der Herr, der hier mit dem Stoewer posiert, während zwei Radfahrer durchs Bild huschen, wird uns gleich nochmals begegnen – und zwar zusammen mit der jungen Dame, die auf dem ersten Foto links vor dem Wagen steht.

Sie findet sich auch auf einer weiteren Aufnahme, wiederum mit dem Stoewer als vierrädrigem Familienmitglied und eventuell einer Freundin oder Verwandten:

Stoewer R-180; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Der Stoewer macht hier besonders gute Figur, da die harmonische Gestaltung des Hecks und die lange Haube zu erkennen sind. Diese wirkt, als könnte sich darunter auch ein Sechszylinder verbergen, doch hier wird der Platz für das vor dem Motor angeflanschte Getriebe benötigt – für Frontantrieb war diese Anordnung unerlässlich.

Geschmackvolle Akzente setzen die Linierung auf Kotflügeln und Radkappen, während einige Chromteile für willkommene Glanzlichter an dem offenbar einfarbigen Aufbau sorgen.

Die nächste Aufnahme dieser Serie ist nochmals belebter, doch wiederum wird auch dem „Freund der Familie“ gebührend Platz eingeräumt – diesmal in der äußerst seltenen Ansicht schräg von hinten:

Stoewer R-180; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Der junge Soldat ganz links könnte aber doch ebenfalls ein „Freund der Familie“ gewesen sein, oder? Nun, das ist schwer zu sagen. Ich halte es für möglich, dass er der Sohn des Herrn rechts außen ist – den wir übrigens schon von der zweiten Aufnahme aus Karlsruhe kennen.

Wenn das zutrifft, könnte die junge Dame mit den Zöpfen seine Freundin oder Verlobte gewesen sein – jedenfalls weist sie keine Ähnlichkeit mit den übrigen Personen auf. Wir sehen sie gleich wieder zusammen mit dem Soldaten – ein Unteroffiziersanwärter, der sich auf dem Truppenübungsplatz seinen tüchtigen Teint verdient haben dürfte:

Stoewer R-180; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Diese Aufnahme ist vom selben Standort aus gemacht worden wie die mit den beiden jungen Damen – doch diesmal von weniger kundiger Hand. Gleichwohl ist das ein schönes Dokument, in dem sich die besitzergreifende Geste mit tiefer Zuneigung verbindet.

Zu befürchten ist freilich, dass die Verbindung der beiden im Krieg unglücklich endete. Dieser kündigt sich auf einer weiteren Aufnahme an, die nochmals den Stoewer R-180 zeigt – nun aber mit weiteren mutmaßlichen „Freunden der Familie“ – Unteroffizieren der Wehrmacht im Ausgehanzug:

Stoewer R-180; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Lassen wir uns aber von der Vorahnung der kommenden Katastrophe nicht unnötig die Stimmung verderben – immerhin sind die Soldaten hier noch gut aufgelegt, die Aufnahme dürfte wie die anderen vor Kriegsausbruch entstanden sein.

Die einzige „alte Bekannte“ ist hier die junge Dame links – die mutmaßliche Tochter des Wagenbesitzers. Zu ihr kehren wir am Ende nochmals zurück – anhand einer kolorierten Version eines der schon gezeigten Fotos.

Mit einem Mal schnurrt hier der Abstand von über 80 Jahren zusammen, als sei die Szene gestern gewesen – ein bezauberndes Dokument vergangenen Lebens:

Was aber mag aus dem Stoewer geworden sein? Er könnte bei Kriegsausbruch beschlagnahmt worden und einer Einheit von Heer oder Luftwaffe zugeschlagen worden sein.

Dass Fronttriebler von der Wehrmacht „verschmäht“ worden sein, wie bisweilen zu lesen ist, lässt sich durch Bilddokumente leicht widerlegen, die vor allem entsprechende Adler-Modelle, aber auch den hervorragenden Citroen Traction Avant im Militärdienst zeigen.

Der Stoewer R-180 war zwar zu selten, um besondere Bedeutung im Kriegsgeschehen zu erlangen, aber grundsätzlich war kein Auto seiner Leistungsklasse vor der Beschlagnahme sicher, wenn es nicht bereits aus den 1920er Jahren stammte.

Im Zweifelsfall gab es immer Bedarf auch in heimatnahen Verwendungen wie Nachschub- oder Ausbildungseinheiten. Nur der Nachweis eines dringenden Bedarfs des zivilen Besitzers stellte letztlich einen wirksamen Schutz vor staatlichem Zugriff dar.

Vielleicht war das auch bei dem hier gezeigten Stoewer der Fall und er blieb dann noch bis in die Nachkriegszeit als treuer „Freund der Familie“ erhalten…

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Neu entdeckt: Stoewer D12 Sport-Tourer

Bei einem Automobil, von dem überhaupt nur wenige hundert Exemplare in Manufaktur entstanden, ist jedes historische Foto bereits eine Neuentdeckung.

Selbst Leser mit gut bestückter Bibliothek werden Schwierigkeiten haben, eine Originalaufnahme der 1920er Jahre zu finden, die einen der mächtigen Sechszylinderwagen des Typs D12 zeigt, welchen Stoewer in Stettin ab 1924 fertigte.

Mir selbst war bisher nur dieses bekannt, das Eingang in die Neuausgabe von Werner Oswalds Klassiker „Deutsche Autos 1920-1945“ (erschienen 2019, S. 519) fand:

Stoewer D12 von 1924; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Vorgestellt habe ich dieses schöne Dokument vor längerer Zeit hier. Damals war ich froh, das Modell überhaupt als ein Exemplar dieses 12/45 PS-Typs identifizieren zu können. Dabei halfen zeitgenössische Prospektabbildungen (bspw. in: Stoewer Automobile 1896-1945, Hans Mai, 1999).

Was mir damals gar nicht auffiel, war der ausgesprochen sportliche Charakter dieses Tourenwagenaufbaus – er wird heute mehr Beachtung finden.

Denn kürzlich konnte ich eine „neue“ Aufnahme desselben Typs erwerben, die den Wagen zugleich in ganz anderem Licht erscheinen lässt – passend zum Frühlingswetter, das dieses Jahr mit einiger Verspätung endlich Einzug gehalten hat:

Stoewer D12 Sport-Tourer; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Viel besser konnte ein deutscher Tourenwagen gegen Mitte der 1920er Jahre kaum aussehen: Der mächtige Spitzkühler wirkt wie der Bug eines Schnellboots, der die Wellen teilt und auf eine endlos scheinende Motorhaube folgt ein schlichter offener Aufbau mit leichtem Verdeck.

Trotz des gänzlich anderen Umfelds erkennt man die vollkommene Übereinstimmung der beiden abgebildeten Stoewer-Wagen. Die Identifikation als Typ D12 von 1924 (also vor Einführung von Vorderradbremsen) fand auch die Zustimmung von Stoewer-Spezialist Manfried Bauer (dessen einzigartige Sammlung von Stoewer-Produkten aller Gattungen mittlerweile das Stettiner Technikmuseum schmückt).

Doch erst bei der eingehenden Betrachtung dieses Fotos und dem nochmaligen Abgleich mit einschlägigen Abbildungen in der Literatur fiel mir auf, dass es sich hier um keinen konventionellen Tourenwagenaufbau handelte.

So sind die langgestreckten Vorderkotflügel auffallend leicht ausgeführt, und die Frontscheibe ist deutlich niedriger gehalten als sonst bei Tourenwagen von Stoewer üblich. Auch die Türen wirken für ein dermaßen hochpreisiges Auto geradezu minimalistisch:

Ich fühlte mich an die Frontpartie des NAG C4b „Monza“ erinnert – einer sportlichen Variante des konventionellen 10/30 Tourenwagens des Berliner Herstellers.

Sollte Stoewer ebenfalls eine zumindest optisch an Sportmodelle angelehnte Version seines Typs D12 angeboten haben?

Das scheint mir nach Durchsicht der Literatur einigermaßen wahrscheinlich, denn es gab wie im Fall von NAG ein sportliches Vorbild dafür. So baute Stoewer im Jahr 1924 einen Seriensportwagen mit ganz ähnlichem Aufbau – den 60-PS-Typ D10.

Dieser ist im Stoewer-Standardwerk von Hans Mai auf S. 63 abgebildet, und wenngleich er dort noch kompromissloser erscheint, dürfte er das Vorbild für den sportlichen Tourenwagenaufbau des D12 auf dem neu entdeckten Foto abgegeben haben.

Selbst der geschwungene vordere Abschluss des hinteren Kotflügels ist dem Stoewer-Sportwagen D10 von 1924 enlehnt – bei „normalen“ Tourern der Marke findet er sich nicht:

Was den Stoewer D12 mit dieser sportlichen Tourenwagenkarosserie allerdings äußerlich von besagtem Sportmodell D10 unterschied, waen die deutlich höhere Schwellerpartie, die etwas größere Tür und die nicht ganz so niedrig gehaltene Gürtellinie.

Der Hauptunterschied befand sich natürlich unter der Haube – denn der 120 km schnelle Sporttyp D10 holte seine 60 PS aus einem nur 2,6 Liter großen Vierzylindermotor, während sich der Sechszylinder des D12 auf materialschonende 45 PS aus 3,4 Liter beschränkte.

Aber auch damit war die magische Grenze von 100 km/h erreichbar, mehr wollte man mit einem Serienwagen auf den Straßen der 1920er Jahre auch kaum erreichen.

Nachdem wir den Stoewer D12 auf diese Weise „neu entdeckt“ haben, nämlich mit einem besonders sportlich ausgeführten Tourenwagenaufbau, bleibt zum Abschluss noch die Frage, ob dieses schöne Foto auch in nachkolorierter Fassung einen neuen und frischen Blick auf den einst im Regierungsbezirk Schleswig zugelassenen Wagen erlaubt.

Mit den gängigen Kolorierungsprogrammen ist das immer Glückssache, denn auf solche alten Fahrzeuge ist die dahinterliegende Software nicht optimiert. Man kann aber auch einer automatisiert erstellten Farbversion mit ein wenig Nachhilfe zu einem überzeugenden Ergebnis verhelfen.

Im vorliegenden Fall scheint mir das gelungen zu sein – zumindest, was das Auto und den Hintergrund angeht – besonder gut gefällt mir das blaue Licht auf dem entfernt im Dunst liegenden Hügel – ganz ähnlich muss das vor über 90 Jahren der Fotograf gesehen haben…

Stoewer D12 Sport-Tourer; nachkoloriertes Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

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War einst auch in Schlesien zuhaus: Stoewer „Greif“

Heute ist in meinem Blog wieder ein deutsches Vorkriegsauto an der Reihe, das trotz geringer Stückzahlen (rund 4.000) auf alten Fotos eine erstaunliche Präsenz entfaltet.

Die Rede ist vom Stoewer „Greif“, mit dem die Traditionsmarke aus Stettin ab 1935 den „Röhr Junior“ weiterentwickelte, den die zuvor untergegangene Marke aus dem hessischen Ober-Ramstadt nach Lizenz von Tatra gebaut hatte.

Die Vorgeschichte und die technischen Details des Stoewer „Greif“ habe ich vor längerer Zeit umfassend hier dargestellt. Daher beschränke ich mich heute darauf, einige „neue“ Bilder dieses Typs Revue passieren zu lassen.

Sie erzählen davon, wo man überall dem Stoewer „Greif“ aus dem fernen Stettin begegnen konnte. Einer der Orte gibt zum Schluss Anlass für eine persönliche Geschichte – Liegnitz in Schlesien. Diese Geschichte endet nach dem 2. Weltkrieg in Hessen.

Wie es der Zufall will, entstand dort auch das jüngste Foto eines Stoewer „Greif“ aus meiner Sammlung, welcher in der amerikanischen Besatzungszone Hessen trotz einiger unübersehbarer Spuren der Zeit ein geschätztes Familienmitglied war:

Stoewer „Greif“; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Der Stoewer wird der matten Lackierung nach zu urteilen im Krieg bei einer Militäreinheit im Einsatz gewesen sein. Danach erhielt er auf heute meist nicht mehr nachvollziehbaren Wegen neue Papiere und neue Besitzer.

Die wechselhafte Geschichte verband den Wagen vielleicht mit seinen neuen Eignern, die hier bei einem Ausflug ins Grüne posieren. Mit dem kleinen Stoewer war diese Familie auf jeden Fall am oberen Ende der sozialen Stufenleiter angesiedelt.

Ganz gleich, was die Damen hinter sich hatten, wuchsen die beiden Buben in materiell gesicherten Verhältnissen auf. Nicht vergessen darf man dabei, dass der Besitz eines Autos für den Durchschnittsbürger hierzulande erst in den 1960er Jahren in Reichweite kam.

Der Stoewer mit seinem 34 PS-Boxermotor, Hydraulikbremsen und gutem Platzangebot war bis dahin trotz des Alters seiner Konstruktion ohne Weiteres konkurrenzfähig mit dem Volkswagen – der erst nach dem Krieg eine zivile Karriere machen sollte.

Das Modell war bei Stoewer optisch wie technisch überarbeitet worden und hatte mit dem ursprünglichen Tatra 75 nur noch das Grundkonzept gemein. Mit der windschnittigen Frontpartie und den tropfenförmigen Scheinwerfern wirkte er zweifellos sehr adrett:

Stoewer Greif; Originalfoto aus Sammlung Klaas Dierks

Dieses Exemplar war laut Nummernschild in Berlin zuhause, wo in automobiler Hinsicht alles versammelt war, was es an in- und ausländischen Exoten in Deutschland zu kaufen gab.

Hier ist übrigens das hintere Ausstellfenster zu sehen, das auch an dem in Hessen zugelassenen Stoewer „Greif“ ansatzweise zu erkennen ist. Dieses Detail verschwand bei der weiteren Modellpflege ebenso wie der Namenszusatz „Junior“, den man noch von Röhr übernommen hatte.

Ab 1937 prangte auf dem eleganten Kühler nur noch der Schriftzug „Stoewer Greif“ – passend zum Wappentier von Pommern und dem Markenemblem der Stettiner Marke.

Recht gut zu erkennen ist dies auf folgender Aufnahme:

Stoewer Greif; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Diese hübsche Cabrio-Limousine war ausweislich des Nummernschilds im badischen Landkreis Pforzheim zugelassen.

Trotz der insgesamt recht geringen Zahl an Stoewer-Wagen des Typs Greif sieht man daran, wie verbreitet diese doch in der Fläche waren – dank eines über Jahrzehnte aufgebauten Händernetzes.

Auch wenn die Gebrüder Stoewer zu dem Zeitpunkt das lange von ihnen persönlich geführte Unternehmen verlassen hatten, zehrte die Marke immer noch von dem ausgezeichneten Ruf, der ihrem Engagement und Können zu verdanken war.

So findet man den Stoewer „Greif“ auch auf Fotos aus Deutschlands Osten – hier eines aufgenommen 1937 im niederschlesischen Liegnitz:

Stoewer Greif; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Die junge Dame mit der sportlichen Figur posiert hier vermutlich neben dem Wagen ihres Vaters, der – etwas fülliger – schemenhaft hinter dem Lenkrad zu erkennen ist.

Da der Stoewer trotz seiner kompakten Ausmaße nicht gerade billig war, konnten ihn sich nur betuchte Bürger leisten. In Liegnitz – immerhin nach Breslau die zweitgrößte Stadt Schlesiens mit eigenem Autobahnanschluss – kamen dafür vor allem die gutsituierten Bewohner der Villengebiete in Betracht, die nach der Jahrhundertwende entstanden waren.

Doch der Wohlstand sollte schon bald der Sorge um die blanke Existenz weichen. Zwar war Liegnitz im Krieg von Bombenangriffen verschont geblieben, doch näherte sich im Januar 1945 von Osten unaufhaltsam die Front.

Der jungen Dame muss es noch vor der Besetzung der Stadt am 8. Februar gelungen sein, mit ein paar Habseligkeiten zu entkommen, sonst hätte es diese Aufnahme nicht ins 21. Jahrhundert geschafft. Eventuell leistete dabei der Stoewer der Familie einen letzten Dienst, mit Benzin aus Sonderzuteilungen, das man aufbewahrt hatte.

Zur gleichen Zeit packte in der Liegnitzer Baumgartstraße ein Mädchen seinen Koffer. „Nimm‘ nur das Nötigste mit, wir sind bestimmt nicht lange weg“, rief die Mutter von nebenan, als sie die Militärpistole aus dem Schreibtisch nahm, die ihr Sohn beim letzten Fronturlaub wohlweislich dagelassen hatte.

Kurz zuvor hatte sich eine ältere Nachbarin im Haus erschossen – sie war Kriegerwitwe ohne Verwandte und sah sich mit einem ausweglosen Schicksal konfrontiert.

„Denk‘ an die Schulzeugnisse, das Sparbuch und Dein Fotoalbum. Sonst nur warme Kleidung und Wäsche zum Wechseln.“

Kurze Zeit später fiel die Haustür ins Schloss. Die Mutter drehte den Schlüssel, prüfte nochmals den festen Sitz der Tür. Dann ging es die Treppe hinunter und zu Fuß zum Bahnhof, wie so oft, wenn man auf Verwandtenbesuch nach Breslau oder Berlin fuhr.

Diesmal war es anders. Irgendwo endete die Fahrt des mit Frauen, Kindern und alten Leuten vollgestopften Zuges. „Nach Westen, unbedingt nach Westen“, hieß es.

Von nun an ging es zu Fuß weiter, Hinweisen von Verwandten vor der Flucht und Gerüchten folgend. Während sich Mutter und Tochter über Böhmen nach Bayern durchschlugen, sorgten unterwegs wildfremde Mitmenschen für Unterkunft und Essen. Als die beiden den amerikanischen Linien näherkamen, vergruben sie die Pistole in einem Waldstück.

Irgendwo auf diesem Weg in ein neues Leben – auf dem das Mädchen das Schlafen in der Badewanne und das Hüten von Kühen auf einem bayrischen Bauernhof kennenlernen durfte – erlebte es am 15. März 1945 seinen 14. Geburtstag. Das Mädchen war meine Mutter – genau heute wäre sie 90 Jahre alt geworden.

Die in alle Winde verstreute Familie fand sich nach einiger Zeit in Stuttgart wieder. Das Mädchen aus Liegnitz baute dort sein Abitur, studierte Fremdsprachen und absolvierte eine ansehnliche Karriere, bis sie selbst Mutter wurde.

Den Rest ihres Lebens verbrachte sie in äußerlich soliden Verhältnissen in der hessischen Wetterau, doch heimisch und glücklich geworden ist sie dort nicht. Den Verlust des Zuhauses der Kindheit hat sie nie verwunden, wie viele ihrer Generation auf allen Seiten.

Heute leben kaum noch Zeitgenossen, die sich daran erinnern. Deshalb sind Vorkriegswagen nicht irgendwelche alten Autos. Sie sind die letzten Zeugen jener Zeit und mit jedem überlebenden Fahrzeug sind Schicksale verbunden, von denen wir nur das wenige wissen, was Teil der Familiengeschichte wurde – längst nicht alles wurde erzählt….

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Kompetenz kompakt verpackt: Stoewer Typ G4

Mit dem Abstand von bald 120 Jahren ist es faszinierend zu sehen, in welchem Tempo sich kurz nach der Jahrhundertwende der Wandel des Automobils von einem noch skeptisch beäugten Spielzeug vermögender Sportsleute zu einem alltagstauglichen Fahrzeug vollzog.

Dies geschah wie bei praktisch allen Innovationen, die unseren heutigen Lebenstandard ausmachen, allein aus der Motivation mutiger Erfinder-Unternehmer – ganz ohne staatliche Planvorgaben, Fördergelder und sonstige Interventionen einer damals noch auf’s Nötigste beschränkten Bürokratie.

Ein anschauliches Beispiel dafür ist die rasante Entwicklung der Automobilproduktion der Gebrüder Stoewer aus Stettin. Auf das erste noch nach Vorbild französischer Voiturette-Wagen gebaute 1-Zylinder-Auto von 1899 folgte bereits 1903 ein selbstkonstruierter Vierzylinder und 1906 ein Sechszylinder, der zu den ersten in Deutschland gehörte.

Binnen weniger Jahre hatte sich Stoewer einen Namen als Hersteller moderner Qualitätswagen gemacht, die selbst im kaiserlichen Fuhrpark vertreten waren. Doch die Stückzahlen waren noch verschwindend gering.

Die Gebrüder Stoewer hatten unterdessen erkannt, dass es einen Markt für kompakte Automobile gab, die von der Qualität her den großen und extrem teuren Modellen entsprechen mussten, um Anklang bei Käufern zu finden:

Stoewer-Reklame für den Typ G4 6/12 PS; Original aus Sammlung Michael Schlenger

Mit dem 1908 eingeführten Kleinwagentyp G4 gelang Stoewer der Durchbruch – hier vorweggenommen in einer Reklame zum Jahreswechsel.

Das Auto ist sehr stilisiert wiedergegeben, doch die Bezeichnung 6/12 PS bezieht sich eindeutig auf das noch 1907 entwickelte kompakte G-Modell mit 1,6 Litern Hubraum. Die fesche Dame am Steuer illustriert, dass dies ein Auto für Selbstfahrer sein sollte.

Anfänglich waren das zwar nur selten Frauen, aber auch das sollte sich ganz allmählich ändern – die Gebrüder Stoewer hatten auch diesbezüglich ein gutes Gespür für den Markt.

Fünf Jahre später wird ein Exemplar des Stoewer Typ G4 in der „Deutschen Jagdzeitschrift“ (Ausgabe März 1913) als unverwüstlicher „Jagdwagen“ gefeiert:

Stoewer-Reklame von März 1913 in der Deutschen Jagdzeitung; Original aus Sammlung Michael Schlenger

Das Konzept, die Qualität der großen Stoewer-Wagen auf dieses Kompaktmodell zu übertragen, hatte sich offensichtlich bewährt. Auf den 1908 eingeführten Typ G war auch in unwegsamem Gelände unbedingter Verlass.

Dabei war der Stoewer G-Typ mit zuletzt 16 PS zum Zeitpunkt der Werbeanzeige bereits außer Produktion und mit der zerklüfteten Frontpartie auch optisch veraltet. Längst war eine windschnittige Gestaltung des Übergangs von der Motorhaube zur Frontscheibe Standard.

Sehr schön nachvollziehen lässt sich dieser Entwicklungssprung an diesem Stoewer:

Stoewer Typ G4 von Anfang 1910 (oder früheres Baujahr mit aktualisierter Karosserie; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Hier kann man förmlich den Fahrtwind über die Frontpartie und die Insassen hinweg ziehen sehen – dank der schräg nach oben weisenden Blechpartie zwischen der Motorhaube und der hier schräggstellten Windschutzscheibe.

Diese Gestaltung – sog. Torpedo – taucht bei Sportwagen erstmals 1907/08 auf und setzt sich ab 1910 rasch auch bei Serienwagen im deutschsprachigen Raum durch.

Daher würde man diesen Wagen auf den ersten Blick auf 1910-12 datieren, denn danach beginnt die Frontpartie in einem stetigen Winkel anzusteigen oder ganz gerade zu verlaufen. Doch an diesem Wagen weist etwas auf eine frühere Entstehung hin:

Den Kühler mit erhabenem „Stoewer“ Schriftzug findet man auf historischen Abbildungen eigentlich nur an Fahrzeugen vor 1910. Dazu passt jedoch die erwähnte windschnittige Karosseriegestaltung nicht.

Verweilen wir für einen Moment noch an der Vorderpartie: Kühler, Kotflügel, Radnaben und Rahmenausleger finden sich in allen Details exakt beim 1908 eingeführten Stoewer Typ G4 wieder. Dort ist auch der Zwischenraum zwischen Rahmen und Trittbrett noch unverkleidet.

Damit kann man den 1911 eingeführten Nachfolgetyp B1 ausschließen, der zwar dieselbe strömungsgünstige Haubenpartie aufweist, aber schon das ovale Stoewer-Emblem auf dem Kühler trägt, eine Schwellerverkleidung besitzt und merklich länger ist.

Auch die Details der Rahmengestaltung und der kurze Radstand des Stoewer auf unserem Foto entsprechen noch völlig den Verhältnissen beim Typ G4 von 1908-10:

Wie ist nun das Nebeneinander der Elemente des alten Typs G4 von 1908-10 und der modernen Karosserie der Nachfolgetypen zu erklären?

Nun, entweder verbaute Stoewer Anfang 1910 beim Typ G4 noch kurze Zeit die alten Kühler mit dem Stoewer-Schriftzug, montierte aber trotz des nahenden Produktionsendes bereits eine modernisierte „Torpedo“-Karosserie.

Oder jemand ließ seinen alten Stoewer Typ G4 nachträglich karosserieseitig an die neue Stromlinienmode anpassen, was damals keineswegs unüblich war.

Wie es sich tatsächlich verhielt, das können uns die Insassen dieses Wagens leider nicht mehr sagen:

Sie sind längst wie der Stoewer, in dem sie sich einst an einem wohl kühlenTag haben ablichten lassen, den Weg alles Irdischen gegangen.

Doch – und das ist das Wunderbare an der Beschäftigung mit historischen Automobilen – etwas aus ihrer Welt und vielleicht sogar genau von ihrem Auto ist erhalten geblieben. Dabei handelt es sich um den Kühler eines solchen Wagens, der die Zeiten überdauert hat.

Ich habe das Relikt an dem Tag, an dem das Stoewer-Museum von Manfried Bauer in Waldmichelbach (Odenwald) im Juli 2019 seine Pforten schloss, an einen Heizkörper gelehnt entdeckt und fotografiert, ohne zu wissen, dass er mir wiederbegegnen würde:

Stoewer-Kühler eines Typs G4; Bildrechte Michael Schlenger

Das Foto ist leider etwas unscharf, doch dafür gelang es mir, die Herstellerplakette des Kühlers einigermaßen lesbar abzulichten.

Sie verrät, dass Stoewer in Stettin seinerzeit den Kühler von einem Spezialisten in Ulm zuliefern ließ – den Neuen Industrie-Werken (NIW). Ad hoc konnte ich nichts zu diesem Hersteller in Erfahrung bringen, vielleicht weiß ein Leser mehr.

Mittlerweile ist dieser Kühler Bestandteil der Stoewer-Ausstellung im Museum für Technik und Kommunikation im heute polnischen Stettin.

Dorthin ist die Sammlung von Manfried Bauer inzwischen übertragen worden. Hierzulande war niemand mehr gewillt, ein überzeugendes museales Konzept zu dieser einst hochbedeutenden deutschen Marke auf die Beine zu stellen…

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Original oder Fälschung? Ein Stoewer S8 „Cabriolet“

Heute geht es auf den ersten Blick zwar um einen alten Bekannten, doch wie das bei Vorkriegswagen oft so ist, lassen sich ihm auch nach über 90 Jahren noch neue Seiten abgewinnen.

Das gilt besonders für die feinen Manufakturwagen der späten 1920er Jahre, die Stoewer aus Stettin fertigte und von denen kaum ein Exemplar vollkommen dem anderen entsprach. So kommt es, dass auch ein an sich gut dokumentierter Typ wie der S8 von 1928 die Frage aufwirft „Original oder Fälschung“?

Beim Stoewer S8 handelte es sich um einen der ersten deutschen Achtyzlinderwagen und auch wenn der Motor nicht die Raffinesse und Leistung des parallel eingeführten Horch „8“ erreichte, bleibt es bemerkenswert, dass Stoewer in dieser Liga mitspielte.

Stoewer gelang es zudem, seinen Achtzylinderwagen durch markante Gestaltungsdetails ein eigenständiges Erscheinungsbild zu geben – indem man sich von weniger gängigen US-Vorbildern „inspirieren“ ließ.

Im Fall des S8 übernahm man vom amerikanischen „Gardner“ des Modelljahrs 1927 die Aufteilung der Luftschlitze in kleine übereinanderliegende Felder – wie sie hier sehr schön zu studieren sind:

Stoewer S8 von 1928; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Gerade richtet der Besitzer eines Stoewer S8 die Kühlerfigur des Wagens – den berühmten pommerschen Greif.

„Sehen Sie, Franz, der Greif muss stets genau nach vorne weisen.“„So ist er, der Herr Doktor, als ob ich nicht wüsste, wo’s lang geht!“ könnte sich der Fahrer gedacht haben…

Die bei Gardner – einer von 1920 bis 1932 existierenden Nischenfirma abgeschauten Luftschlitze finden sich auf der folgenden Aufnahme aus der Sammlung von Klaas Dierks wieder, dank der ich den S8 nun erstmals in ganzer Pracht zeigen kann:

Stoewer S8, Vierfenster-Limousine; Originalfoto aus Sammlung Klaas Dierks

Die wesentlichen Details der vorherigen Aufnahme finden sich hier wieder – die Luftschlitze, die lackierten Scheinwerfer in Trommelform und der Greif auf dem Kühler.

Unterschiede betreffen das Fehlen der vorderen Doppelstoßstange und der vernickelten (oder verchromten) Radkappen – eventuell aufpreispflichtige Extras.

Dass der Besitzer dieses Wagens – vermutlich der junge Mann im damals als sportlich geltenden hellen Trenchcoat – sich nicht das „volle Programm“ von Stoewer leistete, zeigt auch der Umstand, dass er „nur“ die vierfenstrige Version der Limousine wählte und nicht die repräsentative Pullman-Limousine mit sechs Seitenfenstern.

So konnte er neben einigen Reichsmark auch das eine oder andere Kilogramm an Gewicht sparen, denn der Motor des Stoewer S8 hatte mit gerade einmal 45 PS aus 2 Litern Hubraum auch so genug an dem 1,3 Tonnen schweren Wagen zu schleppen.

Parallel bot Stoewer übrigens im Typ G14 ein deutlich stärkeres 8-Zylinder-Aggregat an, das mit 70 PS aus 3,6 Liter Hubraum der Wagenklasse eher angemessen war. Man kann den G14 eigentlich nur anhand der Zahl der Felder unterscheiden, auf die sich die seitlichen Luftschlitze unterteilen – acht statt sechs wie beim S8.

Allerdings war der G14 nicht nur wesentlich teurer, sondern auch weit schwerer und vor allem viel durstiger. Spitze 100 km/h (statt 85 km/h beim S8) forderten mit 18 Liter Verbrauch (ggü. 13 Liter) einen heftigen Tribut.

Da mag es für den einen oder anderen Interessenten attraktiver gewesen sein, sich für den zwar schwächeren, aber wesentlich wirtschaftlicheren S8 zu unterscheiden. Zudem gab es eine weitere Möglichkeit, das Leistungsgewicht zu reduzieren, nämlich diese hier:

Stoewer S8, 2-Fenster-Cabriolet; Originalfoto aus Sammlung Klaas Dierks

Auch diese Aufnahme haben wir dem Spürsinn von Leser und Vintagefoto-Spezialist Klaas Dierks zu verdanken.

Auch wenn die junge Dame mit Töchterchen hier die Front verdeckt, spricht die Haubenpartie für einen Stoewer S8 von 1928. Doch dahinter beginnt es rätselhaft zu werden.

Denn hier haben wir keinen gängigen Aufbau als Limousine oder (seltener) Tourenwagen. Auf den ersten Blick scheint es sich um ein zweitüriges Cabriolet zu handeln.

In Verbindung mit dem Radstand von 3,10 m wirkt dieser Aufbau aus heutiger Sicht zwar ungewöhnlich, doch findet man so etwas in den späten 1920er und frühen 1930er Jahren durchaus.

Die eigentliche Frage, die mich umtreibt, ist folgende: Handelt es sich hier um ein originales Cabriolet oder ist der Aufbau nur so zurechtgemacht? Dann hätten wir es mit einem „Faux Cabriolet“ zu tun, also quasi einer Täuschung des Betrachters?

Für die These eines „gefälschten“ Cabriolets spricht aus meiner Sicht unter anderem das Fehlen eines mittigen Gelenks an der seitlichen Sturmstange. Man findet solche funktionslosen Elemente öfters bei „Faux Cabriolets“, da diese erheblich zum Eindruck eines originalen Cabriolets beitragen.

Zudem scheint mir der untere Abschluss des „Verdecks“ an der Seite und am Heck nahtlos in den Karosseriekörper überzugehen. Meine Vermutung ist, dass wir es mit einem kunstledernen Scheinverdeck auf einem festen Holzrahmen zu tun haben.

Ich kann mich aber auch irren und würde mich daher über Lesermeinungen zur natürlich augenzwinkernd gemeinten Frage freuen: „Original oder Fälschung?“

© Michael Schlenger, 2020. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and https://vorkriegs-klassiker-rundschau.blog with appropriate and specific direction to the original content.