In deutschem „Fronteinsatz“: Austin 8AP Tourer

Dieser Oldtimerblog ist Vorkriegsautos aus aller Herren Länder gewidmet, vom Kleinwagen bis zur Luxuskalesche.

Da die Fahrzeuge anhand alter Originalotos besprochen werden, ergibt sich ein Schwerpunkt auf Marken, die in Europa verbreitet waren. US-Wagen sind also weniger vertreten.

Geht man unvoreingenommen an das Angebot an alten Aufnahmen heran, macht man auch Funde in einer besonderen Kategorie – im Krieg beim Gegner erbeutete Wagen.

Das Kriegsgeschehen brachte es mit sich, dass auch auf dem Kontinent zuvor nicht verkaufte Typen auftauchen. Dieser Jaguar Mk IV 1.5 Litre beispielsweise diente bei einer deutschen Marineeinheit an der französischen Atlantikküste:

Jaguar_Mk_IV

© Jaguar Mk IV 1.5 litre; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Die Buchstabenkombination „WM“ auf dem Kennzeichen steht für „Wehrmacht Marine“ und die folgende Zahl gehört zum Nummernkreis des „Kommandierenden Admirals Frankreich“.

Solche Beute ging der deutschen Wehrmacht im Sommer 1940 ins Netz, nachdem sie innerhalb weniger Wochen die französische Armee und das britische Expeditionskorps geschlagen hatte.

Während die Briten einen Großteil ihrer Truppen in einer gewaltigen Anstrengung zurück über den Kanal bringen konnten, mussten sie praktisch alle schweren Waffen und Fahrzeuge in Dünkirchen am Strand zurücklassen. 

Die deutschen Truppen gliederten damals tausende von Autos französischer, englischer und amerikanischer Hersteller in ihren Bestand ein.

Viele davon haben lange durchgehalten, denn auf US-Filmaufnahmen von Wehrmachtseinheiten, die sich nach der Kapitulation im Mai 1945 aus der Tschechoslowakei zurückzogen, sind zwischen Militärlastern, Halbkettenfahrzeugen und Kübelwagen immer wieder PKW ausländischer Marken zu sehen (ab etwa 1:00 min, auch sonst sehenswert).

© Videoquelle: Youtube; hochgeladen von: Petr Warry, Copyright: unsicher

Im Kriegsverlauf landeten solche Beutefahrzeuge in den unmöglichsten Regionen – in den wegelosen Weiten Russlands, in der Glut der nordafrikanischen Wüste oder hoch oben in den italienischen Apenninen.

Doch einige scheinen ein gemächliches Dasein fernab des Kriegsgeschehens geführt zu haben. Einen „Front“einsatz ganz eigener Art erlebte offenbar das Gefährt auf der folgenden Aufnahme:

Der Architektur nach zu urteilen, ist diese Aufnahme in Nordfrankreich oder Belgien an einer repräsentativen Strandpromenade entstanden.  Für den Einsatz an der „seafront“ war der kleine englische Wagen im Vordergrund ideal, während sein militärischer Wert eher gering war.

Es handelt sich um einen Austin 8AP Tourer, die offene Version des 1939 als Nachfolger des legendären „Seven“ vorgestellten Kleinwagens. Diese Variante wurde bis Mitte 1940 in über 9.000 Exemplaren für die britische Armee gefertigt.

Zivile Ausführungen davon hat es kriegsbedingt kaum gegeben. Die Militärversion wies nur geringe Unterschiede auf. Typisch sind die beiden schrägen Luftschlitze in der Motorhaube, die man auf folgender Ausschnittsvergrößerung sieht:

Was man auf dem Foto weniger gut erkennt, ist das Fehlen von Rücksitzen, ein weitere Unterschied zur Zivilversion. Beibehalten wurde der 0,9 Liter Vierzylinder mit 24 PS, bei einem Gewicht von weniger als 800 kg ausreichend.

Dieses kleine Vehikel war nur als Kurierfahrzeug hinter der Front gedacht. Dennoch gibt es erstaunlich viele Aufnahmen erbeuteter Austin 8AP im Einsatz bei der Wehrmacht noch in späteren Jahren.

Das Fahrzeug auf unserem Foto dagegen hatte es nach Übernahme in den Wehrmachtsfuhrpark wohl leichter. Es scheint vor einem deutschen Schwesternheim oder eventuell einer Erholungseinrichtung für Verwundete zu stehen.

Kurios ist das am Gebäude angebrachte Schild mit der Aufschrift „Ferien vom Du“. War das Ironie, eine Anspielung auf die legendären „Ferien vom Ich“? Vielleicht hat jemand eine zündende Idee dazu.

Was aus dem kleinen Austin 8AP Tourer nach der alliierten Invasion 1944 in Frankreich wurde, wissen wir nicht. Vermutlich ist er dort noch einmal zum Einsatz gekommen, dann weniger als „Front“-  denn als Fluchtfahrzeug.

Heute gilt die Militärversion des Austin 8AP in Großbritannien als Rarität. Die meisten davon müssen 1940 der Wehrmacht in die Hände gefallen und in den folgenden Jahren verheizt worden sein…

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