Magischer Klang: 6-Zylinder von Delaunay-Belleville

Doppelnamen sind nicht immer eine glückliche Kombination. Ein abschreckendes Beispiel ist Kramp-Karrenbauer Daimler-Chrysler. Über den Umweg über einen US-Massenhersteller entsorgte man einst die altehrwürdige Marke „Daimler-Benz“.

Heute heißt der Produzent der Autos mit dem Stern auf der Haube nur noch Daimler. Dabei ist ein Daimler unter Kennern historischer Automobile etwas vollkommen Eigenständiges – ebenso ein Benz.

Geschichtsvergessene Entscheider haben hier ganze Arbeit geleistet. Dennoch genießt „Daimler-Benz“ weltweit immer noch einen Ruf wie Donnerhall und es ist zu hoffen, dass die Firma in ihrem Markenauftritt zu ihren Ursprüngen zurückkehrt.

Heute geht es aber um ein ganz anderes Unternehmen, das mit Daimler-Benz nur die Anfangsbuchstaben gemeinsam hatte: Delaunay-Belleville aus Frankreich.

Unter den über 1.000 Automarken, die es einst in Frankreich gab, war Delaunay-Belleville vor dem 1. Weltkrieg das, was Rolls-Royce in Großbritannien darstellte – ein Hersteller von Autos der absoluten Luxusklasse.

Das folgende, über 100 Jahre alte Originalfoto zeigt eine solche Rarität:

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© Delaunay-Belleville HB6; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Ein Auto aus dieser Perspektive zu identifizieren, bedarf einiger Anstrengungen. Denn leider ist die Kühlerpartie nicht zu sehen, die bis in die 1920er Jahre meist den einzigen markentypischen Teil an Automobilen darstellte.

Es kommen zwar einige deutsche Hersteller in Frage, die einst Wagen mit ähnlich eigenwilliger Frontpartie bauten. So gab es von Brennabor und Komnick um 1910 Autos, bei denen ebenfalls die Motorhaube stumpf auf eine ansteigende Schottpartie stieß, in der der Benzintank untergebracht war.

Doch im Detail stimmt keines der zeitgenössischen deutschen Autos mit dem abgebildeten Fahrzeug überein:

Allerdings kam dem Verfasser von Anfang einiges an dem Wagen „spanisch“, um nicht zu sagen: „französisch“ vor. Dieses Bauchgefühl bestätigte sich nach einer Umfrage auf der Netzpräsenz von Prewarcar, der Hauptanlaufstelle von Vorkriegsautofreunden auf der ganzen Welt.

Unabhängig voneinander sprachen mehrere Kenner den Wagen als einen Delaunay-Belleville der Vorkriegszeit an, womit hier die Zeit vor 1914 gemeint ist. Altautofreunde hierzulande wissen vielleicht, dass unter dieser Marke Wagen der raren „Rundkühler“-Spezies gebaut wurden.

Im Fall von Delaunay-Belleville war der Rundkühler kein modisches Element, sondern erinnert an die Vorgeschichte der Firma, die seit 1850 Kessel für Dampschiffe baute. Im deutschen, englischen und französischen Wikipedia-Eintrag liest man im Detail Unterschiedliches zur Entstehung von Delaunay-Belleville…

Einigkeit besteht dahingehend, dass ab 1904 unter diesem Namen in St. Denis im Norden von Paris Automobile höchster Qualität gebaut wurden.

Immer wieder hervorgehoben wurden der weiche Gang der 6-Zylindermotoren und die hervorragenden Bremsen. Einige Quellen nennen auch enorme Laufleistungen der Motoren von 200.000 km.

Man glaubt das gern, wenn man erfährt, dass der Delaunay-Belleville auf unserem Foto einst einen 5 Liter-Motor aufwies, der 30 PS lässig aus dem Ärmel schüttelte.

Wer darüber lächelt, hat keine Vorstellung von der besonderen Charakteristik solcher Motoren. Sie ermöglichten es – vom Start abgesehen – fast ohne Schaltaufwand gefahren zu werden und wiesen eine hervorragende Steigfähigkeit auf, was überhaupt erst Fernreisen über Alpen und Pyrenäen ermöglichte.

Dass heute jeder Kleinwagen über 200 km/h erreichen kann, ist dagegen von eher theoretischem Wert. Im Alltag nerven diese kleinvolumigen Gefährte durch Mangel an Elastizität und wollen bei Steigungen ständig geschaltet werden.

Solche Zumutungen wären vor 100 Jahren für Besitzer eines Delaunay-Belleville indiskutabel gewesen. Ein Automobil der Luxusklasse hatte anstrengungslos zu gleiten. Dieser Auffassung waren gewiss auch die beiden Damen in unserem Delaunay-Belleville:

„Wissen Sie, Monsieur, ich fahre eigentlich immer nur im 2. Gang an und lege dann bei Tempo 20 beherzt den dritten ein. Das kracht meist ganz gewaltig, aber für den Rest der Reise ist dann Ruhe…“

Mit dieser Technik war den frühen Wagen von Delaunay-Belleville an sich ein langes Leben beschieden. Doch die Marke selbst hatte wenig Glück. Nach dem 1. Weltkrieg fand man infolge des Weggangs des Konstrukteurs nicht mehr zur alten Form zurück.

Zwar wurden noch bis in die späten 1940er Jahre Autos unter dem klangvollen Namen Delaunay-Belleville gebaut. An die einstigen Qualitäten kam man aber nie mehr heran.

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