Traditionell wird Luxus mit Verschwendung in Verbindung gebracht – typischerweise von Leuten, die wenig einschlägige Praxiserfahrung haben.
Das ist ähnlich wie bei Zeitgenossen, die sich für eine Besteuerung von Vermögen in die Bresche werfen – nicht etwa, weil der Fiskus so klamm wäre, sondern weil es sie stört, dass andere ihnen etwas voraus haben. Nach dem Gewinn des Jackpots im Lotto wird diese Auffassung allerdings zuverlässig eine fundamentale Korrektur erfahren…
Meine Einstellung zum Luxus ist eine uneingeschränkt positive. Nicht nur meine ich, dass jenseits alltäglicher Notwendigkeiten der Spaß am Leben erst beginnt – ich gönne mir (und Ihnen) auch selber regelmäßig einigen Luxus.
Während sich das nicht auf meinen Geschmack bei klassischen Autos im Maßstab 1:1 bezieht – dort beschränke ich mich von jeher auf das untere Preissegment – gebe ich mich in diesem Blog gern hemmungslos dem schieren Überfluss hin.
Nicht nur ist die Beschäftigung als solche bereits eine Verschwendung von Zeit und Geld, auch mit den Gegenständen der Betrachtung gehe ich fahrlässig großzügig um.
Ein besonders verwerfliches Beispiel dafür bringe ich heute – denn diesmal präsentiere ich ungeheuren Luxus aus der Frühzeit des Autos gleich in Serie.
Ich kann mir diesen Luxus nicht nur leisten, ich bin hier paradoxerweise auch von blanker Not getrieben. Denn gerade bei den Wagen der Marke Adler aus Frankfurt am Main gehe ich förmlich in sehenswerten zeitgenössischen Fotos unter.
Das gilt nicht nur für die üblichen Verdächtigen der Frontantriebs-Fraktion der 1930er Jahre („Trumpf“ und „Trumpf Junior“) oder die ebenfalls sehr zahlreich dokumentierten „Ami“-Konkurrenten der späten 1920er Jahre („Standard 6“ und „Favorit“).
Nein, auch andernorts praktisch nicht oder nur sehr dürftig vertretene Adler-Modelle der Zeit vor 1925 finden sich auf hunderten Aufnahmen aus meiner Sammlung und aus denen von Gleichgesinnten, deren Schätze ich hier ebenfalls präsentieren darf.
Warum sonst keiner etwas aus der schieren Materialfülle bei dieser einst enorm bedeutenden deutschen Marke macht? Ich weiß und verstehe es nicht. Ich bin kein Adler-Spezialist und besitze nur ein Fahrrad der Marke von ca. 1950 (in ziegelrot, sonst sprechen mich die Adler-Räder weniger an als andere jener Zeit).
Dennoch ist meine nebenher in den letzten 10 Jahren aufgebaute Adler-Galerie die weltweit größte allgemein zugängliche ihrer Art. Sie ist weder vollständig noch vollkommen, was die Ansprache speziell der frühen Modelle angeht, aber es gibt sie und sie wächst stetig.
So bin ich in der komfortablen Lage, Ihnen heute Luxus aus dem Hause Adler gleich serienmäßig nachzubringen. Den Anfang macht dieses Landaulet nebst Chauffeur:

Dieser Wagen bot einst seinen sehr vermögenden Besitzern nicht nur den Luxus eines prinzipiell geschlossenen Passagierabteils, das am Heck jedoch ein zu öffnendes Verdeck für Fahrten bei schönem Wetter besaß.
Das Auto war auch mit seiner Dachreling darauf ausgelegt, Reisegepäck (und nicht nur Reservereifen) aufzunehmen. Der Chauffeur hingegen war bei allem Chic der „Uniform“ in dieser Klasse kein Luxus, sondern quasi serienmäßig, denn Selbstfahrer waren damals noch die Ausnahme.
Aber was ist denn unter diesem „damals“ zu verstehen?
Nun, bei üblicher Analyse lässt sich wie folgt vorgehen: Gasscheinwerfer bedeuten: vor 1920, rechtwinklig auf die Windschutzscheibe stoßende Haubenpartie bedeutet: vor 1910 und die hier wirklich noch passend benamten Kotflügel, die nicht direkt insTrittbrett übergehen, bedeutet ganz grob: vor 1908.
Unterstützt wird diese Datierung auf geradezu luxuriöse Weise. Denn auf der Rückseite des Originalabzugs sind Aufnahmeort und -jahr von alter Hand vermerkt: „Wandlitz 1908“.
Ist das nicht großartig? Jetzt müssen wir anhand von Vergleichsfotos „nur“ noch das frühestmögliche Baujahr dieses Wagens bestimmen. Auch das geht mit einiger Erfahrung.
Ab etwa 1906 findet sich bei Adler-Wagen diese Gestaltung der Vorderpartie – weitgehend unabhängig von der Motorisierung. Dass wir es mit einem Adler zu tun haben, verrät die Kühlerform in Verbindung mit dem damals markentypischen Einfüllstutzen (kein Witz).
Auch wenn der wohl recht großgewachsene Fahrer den Wagen eher moderat dimensioniert erscheinen lässt, deutet etwas auf einen Adler mit deutlich gehobener Leistung hin. Die Räder besitzen 12 statt nur 10 Speichen bei den schwächeren Modellen. Das ist ein HInweis auf einen stärkeren Motor, der bei dem schweren Aufbau auch ratsam war.
Ich würde hier auf ein Aggregat der 30 bis 40 PS-Klasse tippen (es gab noch weit stärkere von Adler, aber sie blieben sehr selten). Das war für einen ernstzunehmenden Reisewagen durchaus angemessen, speziell wenn man Touren in bergigen Regionen vorhatte.
Vergessen wir nicht: Wer so ein in monatelanger Handarbeit gebautes Landaulet orderte, der gab damals dafür den Gegenwert eines kleinen Hauses aus. Im Unterschied zu einem Arzt oder Geschäftsmann brauchte ein auf Repräsentation und Reisen erpichter reicher Besitzer nicht am Detail zu sparen, er konnte sich das volle Programm leisten.
Vor diesem Hintergrund mag es verwundern, dass ich heute Luxus aus dem Hause Adler „serienmäßig“ angekündigt hatte. Nun, zum einen kann ich mich herausreden, da bei einem solchen Landaulet aller erdenklicher Luxus ohnehin serienmäßig war.
Doch steckt wie immer mehr als nur ein Körnchen im Titel meines Blog-Eintrags – so ziemlich das einzige, worüber ich einen Moment nachdenke, den Rest schreibe ich meist herunter inspiriert von den Fotos selbst und in der Regel mit musikalischer Begleitung.
Tatsächlich scheint Adler diese majestätisch anmutenden Luxuswagen in gewisser Weise serienmäßig hergestellt zu haben. Darauf kam ich, nachdem ich das eingangs gezeigte Foto mit dem folgenden verglich:
Ignorieren wir für einen Moment die mächtigen Frontscheinwerfer – die Beleuchtungsausstattung war vor dem 1. Weltkrieg hochindividuell und wurde vom Käufer oft erst nach Erwerb des Wagens selbst ergänzt.
Aber ansonsten sehen wir jede Menge Übereinstimmungen, oder? Selbst die Speichenzahl der Räder und die Gestaltung von Trittbrettkästen und Dachreling stimmt überein.
Könnte es sich um denselben Wagen handeln? Das wäre nach bisheriger Erfahrung nicht auzuschließen. Wiederholt habe ich mit erheblichem Zeitabstand Fotos erworben, die ein identisches Auto zeigen.
Im vorliegenden Fall ist die Sache aber klar: Der Adler auf dem zweiten Foto war ein anderes Fahrzeug, weil er einen auch am Heck geschlossenen Aufbau besaß – als Chauffeur-Limousine würde man diese Ausführung ansprechen.
Aufgenommen wurde das Exemplar in Hückeswagen -. einem Ort, von dem ich zuvor noch nie gehört hatte. Davor präsentiert sich offenbar der stolze Besitzer – im Unterschied zum Chauffeur auf dem ersten Foto neben der Einstiegstür zum Passagierabteil.
Wir machen uns im 21. Jh. keine Vorstellung davon, wie exklusiv der Besitz eines derartigen Automobils vor bald 120 Jahren war. Auf heutige Verhältnisse übertragen entsprach ein solcher Wagen einem modernen Geschäftsflugzeug mit eher zwei Triebwerken als einem.
Man mag die ökonomischen Unterschiede der Gegenwart beklagen- sinnlos, wie ich meine, da sie eine Konstante in allen Gesellschaften sind, auch den angeblich egalitären.
Aber eines betone ich immer wieder. Mit dem Automobil für jedermann, das wir der amerikanischen Industrie verdanken, verfügen wir alle heute serienmäßig über einen Luxus, der einst Superreichen und gekrönten Häuptern vorbehalten war.
Denken Sie daran, wenn Sie das nächste Mal ihren Wagen starten, die Sitzheizung einschalten und am servounterstützten Lenkrad drehen. Vollgetankt an die tausend Kilometer Reisefreiheit – das ist der pure Luxus serienmäßig in unserer Zeit…
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