Alte Liebe rostet nicht: DKW PS 600 Sport um 1960

Die Vorkriegswagen von DKW haben heute noch viele Freunde – sie stehen für gefällige,  bezahlbare und anspruchslose Klassiker.

Speziell das erste PKW-Modell von DKW – der Typ P 15 PS von 1928 – war allerdings noch ein sehr simples Gefährt – an so etwas wie „Sport“ denkt man da zuallerletzt:

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DKW Typ P 15 PS, Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

So behäbig wie die drei Herren in dieser 3-sitzigen DKW Cabriolimousine, die ab 1929 verfügbar war, muss man sich auch das Leistungsvermögen vorstellen.

Der 2-Zylinder-Zweitakter mit knapp 600 ccm brachte es auf ganze 15 PS, je nach Aufbau waren damit maximal 80 km/h drin. Doch für viele DKW-Käufer, die vom Motorrad kamen, war dies das erste Auto überhaupt und damit eine Offenbarung.

Bis zu den herrlichen DKW Front Luxus Cabriolets, die wir auf diesem Oldtimerblog schon öfters vorgestellt haben war es freilich noch ein langer Weg.

Doch ließ es sich DKW nicht nehmen, von seinem Erstling schon ab 1929 auch eine Sportversion anzubieten, das Modell PS600 mit 18 PS – genug für Tempo 100!

Man mag heute darüber lächeln, doch optisch war der Wagen jedenfalls ein großer Wurf, der offenbar noch 30 Jahre später Besitzer und Betrachter begeisterte:

DKW PS 600 Roadster; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Mit Reifen in Motorraddimension, dünnen Schutzblechen und minimalistischer Roadsterkarosserie war der DKW PS600 ein später Vertreter der Gattung „Cyclecar“, die in Deutschland nie so verbreitet war wie bei unseren französischen Nachbarn.

Mit diesem Gerät trat DKW 1930 sogar bei der Rallye Monte Carlo an. Der Wagen startete in Reval (Estland) und absolvierte die rund 2.800 km lange Strecke anstandslos. Hut ab vor den Insassen!

Wir dürfen davon ausgehen, dass die Automobilisten jener Zeit generell härter im Nehmen waren als viele heutige Liebhaber, die reine Schönwetterfahrer sind. Der Verfasser nimmt sich dabei selbst keineswegs aus.

Der Besitzer des DKW PS 600 auf unserem Foto war vermutlich noch ein junger Mann, als er den Wagen um 1930 kaufte. 30 Jahre später, als die Aufnahme entstand, scheint er immer noch damit glücklich gewesen zu sein: 

Der Abzug trägt auf der Rückseite den Stempel eines Fotogeschäfts aus dem Ostberliner Stadtteil Pankow. So können wir davon ausgehen, dass diese schöne Aufnahme bei einem Oldtimertreffen in der einstigen DDR entstand.

Es gibt noch ein weiteres Klassikerfoto, das bei derselben Gelegenheit geschossen wurde und hier gelegentlich vorgestellt wird. Das Erscheinungsbild der Besucher auf dieser Aufnahme spricht ebenfalls für eine Entstehung um 1960.

Zu diesem Zeitpunkt hatten die Ostdeutschen wie ihre Landsleute im Westen die Not der Nachkriegsjahre hinter sich gebracht. Zugleich hatten Planwirtschaft und staatliche Unterdrückung noch nicht ihre volle Wirkung entfalten können.

So fällt auf, dass die DDR-Bewohner auf Fotos vor dem Mauerbau oft gesünder, zufriedener und selbstbewusster wirkten, als dies später der Fall war. Die zunehmende Mangelwirtschaft und die seelischen Zerstörungen, die das sozialistische Regime anrichten sollte, machten sich erst nach und nach bemerkbar.

So bedrückend es ist zu wissen, dass die Ostdeutschen auf den Fotos jener Zeit noch Jahrzehnte der Unfreiheit und politischen Terrors vor sich hatten, so erfreulich sind die Zeugnisse, die vom Willen vieler erzählen, sich zumindest die herrlich unvernünftigen Autos der Vorkriegszeit nicht nehmen zu lassen.

In vielen Fällen war ein Vorkriegs-Auto ohnehin die bessere Wahl als die staatlich verordneten Vehikel, die den Fähigkeiten der Konstrukteure und den Bedürfnissen der Bürger gleichermaßen Hohn sprachen.

Wer im Arbeiter- und Bauernstaat etwa einen 6-Zylinderwagen fahren wollte, musste entweder ein Politbonze sein – dann galten natürlich andere Regeln als für die übrigen „Genossen“ – oder musste zusehen, dass er an einen der raren BMWs, Opels oder Mercedes herankam, die den Krieg überstanden hatten.

Dem Enthusiasmus und dem Improvisationsvermögen der Oldtimerliebhaber in der DDR hat die deutsche Klassikerszene jedenfalls das Überleben von Wagen zu verdanken, die im Westen fast ausnahmslos verschrottet wurden.

Interessant wäre es zu erfahren, wieviele der nur 500 (!) jemals gebauten DKW PS 600 Sport-Roadster in Ostdeutschland überlebt haben und wieviele im Westen.

Wie es der Zufall will, haben wir hier vor längerer Zeit bereits ein Nachkriegsfoto desselben Typs vorgestellt:

DKW Typ PS 600, Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Diese Aufnahme entstand ebenfalls um 1960 in Ostberlin und zeigt höchstwahrscheinlich dasselbe Auto in voller Fahrt an einem regnerischen Tag.

Der hervorragende Zustand des DKW-Roadsters auf beiden Fotos lässt vermuten, dass dieser Wagen heute noch existiert. Vielleicht weiß jemand mehr darüber…

© Michael Schlenger, 2017. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and http://www.klassiker-runde-wetterau.com with appropriate and specific direction to the original content.

2 Gedanken zu „Alte Liebe rostet nicht: DKW PS 600 Sport um 1960

  1. Danke für den Hinweis, Herr Becker. Vielleicht lohnt sich ein Inserat auf http://www.prewarcar.com – es gibt dort auch eine deutschsprachige Sektion. Aussagefähige Fotos und eine umfassende Beschreibung sollten einen Verkauf zum guten Preis ermöglichen. Viel Erfolg!

  2. Hallo in diese Runde.
    Es steht demnächst einer der letzten und wirklich echten DKW PS 600 Sport zum Verkauf. Dieser wurde kpl restauriert und auch zu bestimmten Veranstaltungen bewegt. Dieses Fahrzeug war immer in der DDR und soll nun aus Altersgründen in liebevolle Hände.

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