Eine komplizierte Geschichte: Wanderer W40-50 Limousine

Eine komplizierte Geschichte – darauf kann man sich vielleicht als Minimalkonsens einigen, wenn man den Beitrag Deutschlands zur europäischen Geschichte seit Gründung des Nationalstaats im späten 19. Jh. auf eine einfache Formel bringen will.

Dies spiegelt sich auch in der verwickelten Historie der Sechszylinder-Modelle der sächsischen Marke Wanderer in der zweiten Hälfte der 1930er Jahre wider.

Zuletzt hatte ich diese mit 2 bzw. 2,3 Liter Hubraum verfügbaren, zwar technisch konservativen, doch großzügigen Wagen anhand der offenen Versionen hier vorgestellt.

Bei dieser Cabriolet-Schau hatte ich eine Aufnahme ausgelassen, die ich heute nachreichen möchte, bevor wir uns den geschlossenen Varianten zuwenden:

Wanderer W40, 45 oder 50 Cabriolet; Fahrzeug der Wehrmacht, aufgenommen in Stalino (Ukraine)

Dieses schicke Wanderer-Sechszylindercabrio gehörte zu einem unbekannten deutschen Militärverband, der sich im 2. Weltkrieg in der Stadt Stalino an der Ostfront aufhielt.

Die in der Südostukraine gelegene Stadt wurde später in Donezk umbenannt. Von 1941 bis 1943 war Stalino in deutscher Hand und war der zentrale Ort in der Region, von dem aus ein systematischer Genozid stattfand.

Zwischen 300.000 und 350.000 Menschen – Juden, russische Kriegsgefangene und ukrainische Zivilisten – sollen damals Opfer von Massenerschießungen, Zwangsarbeit und Vergeltungsaktionen durch deutsche Kräfte geworden sein.

Das repräsentative Gebäude im Hintergrund war die damalige Gestapo-Zentrale am Pracht-Boulevard der Artema-Straße. In den dortigen Kellern fand mehr oder weniger das Gleiche statt wie zuvor, als der kommunistische NKWD dort „wirkte“:

Wanderer W40, 45 oder 50 Cabriolet; Fahrzeug der Wehrmacht, aufgenommen in Stalino (Ukraine); Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Diese Koinzidenz kann nicht überraschen, da alle totalitären Ideologien das nicht-konforme Individuum zum Feind haben und keine Mittel scheuen, ihre absolute Herrschaft durchzusetzen.

Die fixen Ideen, mit denen das jeweils „begründet“ wird und die dabei bevorzugten Farben, Symbole und Schlagworte sind Folklore für kleine Geister, die darauf hereinfallen.

Es gab und gibt letztlich nur den Gegensatz zwischen dem kollektivistischen, Gehorsam einfordernden Untertanenstaat und der auf freiwilliger Kooperation und Abstimmung beruhenden Bürgerrepublik, in der die Politiker (idealerweise) bloß Angestellte auf Zeit sind.

Daher interessieren auch die ganzen Attribute und Verortungen in einem Links-Mitte-Rechts-Schema nicht – entscheidend ist „auf dem Platz“, wie ein Fußballer mal sagte.

Nachdem wir dieses nie endende Thema gestreift haben, kommen wir nun zum abgeschlossenen Kapitel der Geschichte.

Denn nachfolgend bringe ich nur noch Fotos von Limousinen, wenngleich uns die Zeitgeschichte auch hier unweigerlich begleiten wird, immerhin weniger schockierend.

Im Gegenteil ganz schön anzuschauen ist doch dieses Dokument, das links eine Wanderer-Limousine zeigt:

Wanderer-Limousine, Typ W 40, 45 oder 50; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Welcher Motor hier unter der Haube arbeitete und wieviele Seitenfenster der Aufbau des Wanderer hatte – das muss offen bleiben und damit die genaue Zuschreibung als Typ 40, 45 oder 50.

Kaum einfacher ist die Sache im Fall der Wanderer-Limousine auf dem folgenden Foto. Der Wagen war im Dienst des Reichsarbeitsdienstes (RAD) – einer 1935 eingeführten Zwangsarbeitsorganisation für junge Deutsche mit militärischem Charakter – darauf deutet jedenfalls die Aufmachung des Herrn hin, der neben dem Auto posiert:

Wanderer-Limousine, Typ W 40 oder 50; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Kaum überraschend war die Effektivität des RAD meist gering. Er band hunderttausende junger Männer ohne marktgerechte Bezahlung in Propagandaprojekten wie Autobahnen für ein Volk ohne Autos, während die deutsche Industrie unter Arbeitskräftemangel litt.

Zum Auto ist Folgendes zu sagen: es wurde nach Beginn des 2. Weltkriegs aufgenommen, da es die dann vorgeschriebenen Tarnüberzüge auf den Scheinwerfern aufweist. Der Wagen sieht schon ziemlich mitgenommen aus – aber so ist das nun mal, wenn es nicht das eigene Fahrzeug ist, für das man verantwortlich ist.

Noch vor dem Krieg entstand folgendes Foto, auf dem wir solch einen Wanderer in gepflegtem oder gar neuwertigen Zustand sehen:

Wanderer-Limousine, Typ W 40 oder 45; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Auch hier kommen der kleine und der „große“ Sechszylinder in Betracht – wir haben es also mit einem W40 oder einem W45 zu tun. Nur wenn so eine Limousine sechs Seitenfenster hatte, handelte es sich um einen Typ W 50, der immer den 2,3 Liter-Motor besaß.

Einige dieser geräumigen und hochwertigen Wagen überstanden den 2. Weltkrieg.

Entweder blieben sie in Hand ziviler Nutzer mit entsprechender Erlaubnis oder sie kehrten wieder in Privatbesitz zurück, wenn vom Militär genutzte Exemplare nach Kriegsende herrenlos und mit leerem Tank irgendwo herumstanden.

Hier haben wir ein Beispiel mit Zulassung in der DDR in den späten 1950er Jahren:

Wanderer-Limousine, Typ W 40, 45 oder 50; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

In diesem Fall ist nun wieder alles möglich: W 40, 45 oder 50. Eigentlich kann es uns heute auch egal sein wie den damaligen Besitzern, denn jedes Auto war nach dem Krieg wertvoll.

Speziell im Vergleich zu den automobilen Hervorbringungen des Sozialismus in Ostdeutschland darf man sagen, dass ein Vorkriegswagen das Beste war, was man kriegen konnte, solange sich die Fuhre noch mit verbliebenen Ersatzteilbeständen am Laufen halten ließ und der Kraftstoffverbrauch nicht exorbitant war.

So konnte die junge Generation auch unter den zunehmend totalitären Verhältnissen der Deutschen Demokratischen Republik – merke: was auffallend betont wird, ist selten gegeben – durchaus ihren Spaß im Privaten haben.

Viele damalige Oldie-Besitzer hatten den Westdeutschen voraus, dass sie wussten, wo es in Zukunft lang gehen würde – jedenfalls in punkto Vorkriegsauto:

Wanderer-Limousine, Typ W 40, oder 45; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Da wir es hier mit einer Vierfenster-Limousine zu tun haben, können wir den Wanderer Typ W50 ausschließen.

Das hilft uns aber nicht viel, da wir immer noch nicht sagen können, ob unter der Haube der 2-Liter-Motor (W40) oder die 2,3 Liter-Variante (W45) arbeitete.

Oberflächlich zusätzlich kompliziert wird die Geschichte durch die nicht mehr originalen Stoßstangen (sie könnten von einem DKW stammen) und die nachgerüsteten Blinker.

Aber das passt zur verwickelten Geschichte unseres Landes, die einen begleitet, wenn man sich mit dem Fortleben dieser Vorkriegswagen über die Jahre und Jahrzehnte beschäftigt…

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Schiff des Theseus mit Heckmotor: Mercedes-Benz 130

Die Frage „Was ist original?“ gehört zu den meist erörterten in der Klassikerszene. Und so wie bereits die alten Griechen auch sonst so ziemlich jeder zeitlosen Frage auf den Grund gegangen sind, lieferten sie in dieser Hinsicht ebenfalls bleibende Einsichten.

Auch Oldtimer kannte man damals – sogar welche mit Heckantrieb. Das vielleicht bekannteste war das „Schiff des Theseus“ – ein Segler, der im Normalfall seinen Vortrieb von hinten bekam, durch die Kraft des Windes nämlich.

Theseus war ein mythischer König der Vorzeit, der lange vor der Blütezeit Athens dort seine segensreiche Herrschaft entfaltet haben soll. Sein Schiff wurde der Legende nach aufbewahrt und im Zeitverlauf mit immer mehr Neumaterial instandgehalten.

Das warf unter den Denkern der Zeit die Frage auf, ob es sich immer noch um das originale Schiff des Theseus handele, wenn irgendwann der Großteil der Substanz ersetzt worden war.

In einem anderen Szenario wurde erörtert, ob denn ein Schiff, das mit den originalen Planken des Schiffs des Theseus neu aufgebaut worden ist, dann dessen Identität besser repräsentiere als das ursprüngliche Schiff, dem man die Teile entnommen hatte.

Wer sich hier an die Praktiken eines gewissen Mercedes-Spezialisten erinnert fühlt, dessen Produkte mir bereits „too good to be true“ vorkamen, als ich mich vor bald 40 Jahren für antike Automobile zu interessieren begann, liegt zumindest mit der Marke richtig.

Denn heute gehen wir dem Rätsel vom „Schiff des Theseus mit Heckmotor“ anhand eines Mercedes-Benz nahe – allerdings eines Modells, das nicht annähernd den Nimbus erlangte wie etwa der legendäre 300 SL (um dieses rein zufällige Beispiel zu wählen…).

Die Rede ist vom Heckmotormodell 130, das ab 1934 gebaut wurde. Einige Exemplare dieses aufgrund seines fragwürdigen Fahrverhaltens und seiner primitiven Gestaltung erwartbar erfolglosen Gefährts habe ich bereits vorgestellt.

Dieses hier wurde einst vor dem Burgtor in Friedberg/Hessen abgelichtet – nur wenige Kilometer von meinem Heimatort Bad Nauheim entfernt:

Mercedes-Benz 130 in Friedberg/Hessen; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Über die Eigenheiten dieses ohne Not entwickelten Fahrzeugs – ein moderner Fronttriebler wäre in der Klasse angebrachter gewesen – will ich keine großen Worte verlieren. Der Wagen war mit rund 4.000 Exemplaren in drei Jahren ein Flop.

Besonders irritiert mich, dass offenbar niemand bei Daimler-Benz die Gelegenheit gesehen hatte, von der traditionellen Fronthaubenform abzuweichen, die durch die Position des Motors vorgegeben war – welche hier aber irrelevant war.

Wenn man sich indessen gestalterisch an herkömmlichen Wagen orientieren wollte, wäre bei einer Marke dieses Kalibers naheliegend gewesen, wenigstens eine Kühlerattrappe anzubringen so wie das Tatra bei seinen luftgekühlten Typen 57A bzw. 75 mit sehr gefälligem Ergebnis machte.

Stattdessen mutete man der verwöhnten Mercedes-Klientel diese grobschlächtige Optik zu, die bei einem Prototypen angemessen wäre, aber unmöglich am Markt Erfolg haben konnte:

Mercedes-Benz 130; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Kurioserweise bot bei diesem unfertig wirkenden Gerät ausgerechnet die sonst meist banale Heckpartie den spannendsten Anblick am ganzen Wagen.

Damit wären wir nun endlich beim „Schiff des Theseus mit Heckmotor“ angelangt.

Das auf dem folgenden Foto abgebildete Exemplar wirft nämlich ebenfalls die Frage auf, ab welchem Grad des Wegfalls von Originalsubstanz noch die eigentliche Identität gegeben ist.

Ab sehen Sie einfach selbst, was hier Sache ist:

Mercedes-Benz 130; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Sehen Sie, womit wir es zu tun haben? Klar, der VW Käfer im Hintergrund verrät, dass dieser Mercedes-Benz 130 einige Jahre nach dem 2. Weltkrieg aufgenommen wurde.

Finden Sie die Heckpartie mit dem quasi im Kofferraum untergebrachten Motor ebenfalls sehr gelungen? Ich meine, das ist das Beste an diesem sonst missratenen Mercedes.

Schon die kiemenartigen Lufteinlasse ruinieren die ganze Linie – das löste man beim Volkswagen viel gekonnter. Immerhin bekommt man den Eindruck, dass das Auto recht geräumig war und die großen Fenster einen guten Rundumblick erlaubten.

Aber was ist mit dem Trittbrett passiert? Gewiss, der Hersteller wäre gut beraten gewesen, es wegzulassen, wie das in den 1930er Jahren öfter geschah, und den Karosseriekörper zu verbreiten.

Hier aber hat jemand das Trittbrett bis auf zwei Reste an den Kotflügeln abgesägt, vielleicht um den Wagen moderner erscheinen zu lassen.

Ganz gleich, wie dem auch sei, schließt sich analog zum Schiff des Theseus die Frage an: Ist der Wagen in dieser verstümmelten Form noch ein originaler Mercedes-Benz 130?

Wie beim Schiff des Theseus könnte man das Gedankenspiel noch weiter treiben: Ab welchem Grad der Veränderung, insbesondere Entfernen ursprünglicher Substanz, kann der Wagen noch als originaler Mercedes der 30er Jahre angesprochen werden?

Ich meine, dass sich auch diese Frage nicht eindeutig beantworten lässt – weshalb man dort wie hier von einem Paradoxon sprechen kann. Die Sache ist einfach nicht eindeutig.

Das führt einen dazu zurück, dass man erst einmal klären muss, was man unter dem Schiff des Theseus versteht bzw. unter einem originalen Mercedes 130.

Ganz eindeutig das Schiff des Theseus war nur das Schiff in der Zeit, in der Theseus selbst darauf gefahren ist. Ab dem Moment, an dem er es verlassen hat, wird die Sache unscharf.

Man sollte daher die Fragestellung anpassen: Sieht das Schiff auf den ersten Blick so aus wie das Schiff des Theseus? Dann geht es nur noch darum, wie nahe es optisch am Original ist. selbst wenn nur noch der Kiel vom ursprünglichen Schiff stammt.

Analog dazu lässt sich sagen, dass original absolut eindeutig nur ein historisches Auto sein kann, das sich genau in dem Zustand befindet, wie es einst aus der Fabrik rollte (das gibt’s praktisch nicht). Ab da unterlag es stetigen und meist immer stärkeren Änderungen bis hin zum Extremfall eines Neuaufbaus nur noch unter Verwendung des ursprünglichen Chassis.

Zwischen diesen beiden Polen gibt es unendlich viele Zwischenstadien und keines davon kann gegenüber anderen absolute Überlegenheit für sich reklamieren.

Die Sache mit der Orignalität erledigt sich damit weitgehend – es liegt im Wesen eines Paradox, das es keine eindeutige und allein richtige Lösung gibt..

Für mich besteht der Ausweg darin, eher zu fragen, ob ein Fahrzeug „historisch“ ist – also irgend ein Stadium in seinem langen Leben glaubhaft und nachvollziehbar repräsentiert oder ob es eine Neuschöpfung ist, selbst wenn dabei alte Teile verwendet wurden.

Kommen wir zum Mercedes 130 auf dem Foto der frühen Nachriegszeit zurück. So wie sich das Auto dort darstellt, ist es sicher historisch. Es wäre bei einem überlebenden Fahrzeug genau in diesem Zustand abwegig zu fordern, dass man ihm die Trittbretter zurückgeben muss, weil es sonst nicht original wäre.

Nein, denn der Wagen wird nicht dadurch „original“, dass man nachgebaute Trittbretter anbringt oder von einem anderem Exemplar welche abbaut und dranschraubt.

Letztlich plädiere ich dafür, die Sache entspannt anzugehen und erst die Begriffe zu klären, bevor man übereinander herfällt.

Ich achte einen kompletten Neuaufbau, schon wegen der handwerklichen Leistung, würde so ein Auto aber nicht geschenkt haben wollen, da es für mich historisch seelenlos ist. Will heißen: Wenig bis nichts davon hat bereits die Welt von gestern gesehen – seien es die 30er oder die 70er Jahre.

Anders betrachte ich Nachkriegsumbauten, die entweder den Zwängen einer bestimmten Zeit geschuldet waren (wie Umbauten von Limousinen in Pritschenwagen) oder die Ausdruck von Zeitgeist waren wie die Hotrods auf Basis des Ford Model A bespielsweise.

Solange erkennbar bleibt und der Besitzer klarmacht, wann und wie es zu den Modifikationen kam, ist das für mich alles gleichwertig – sofern das Ergebnis ästhetisch und technisch überzeugt.

Langer Rede kurzer Sinn: Das Schiff des Theseus schärft den Blick für die letztlich unlösbare Problematik des Originals und gibt Anlass, genauer darüber nachzudenken, worum es einem eigentlich geht bei der Oldtimerei.

Das muss und darf jeder für sich entscheiden, nur eines sollte klar sein: Dass man ehrlich ist in dem, was man macht und was man darüber sagt.

Ich gönne jedem den Spaß in einem nachgebauten Bugatti mit historisch passenden Instrumenten und Sitzen, deren patiniertes Leder von einem alten Sofa stammt – nur wenn einer ernsthaft behauptet, genau dieses Teil sei so bereits in der Vorkriegszeit unterwegs gewesen, ist er bedauernswert…

Michael Schlenger, 2025. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and https://vorkriegs-klassiker-rundschau.blog with appropriate and specific direction to the original content.

Ideales Nachkriegsauto: 1934er Chevrolet „Master 6“

Mit den meisten europäischen Autos der frühen Nachkriegszeit kann ich wenig anfangen. Erst in den 60ern finden sich für meinen Geschmack jede Menge Modelle mit hinreißender Linienführung und guter Motorisierung, vor allem in Italien und England.

Ausnahmen für mich sind zum einen der Peugeot 203, der 1948 wohl das modernste Automobil europäischer Provenienz war, zugleich der einzige Franzose, welcher US-Styling gekonnt in die Alte Welt transportierte, zum anderen der britische MG Y-Type von 1947, der völlig wie ein Vorkriegsauto aussah, aber bereits die Einzelradaufhängung erhielt, die auch mein 1974er MGB GT besitzt und an der ich nichts auszusetzen wüsste.

Aber als gewohnheitsmäßiger Altautokäufer wären mir diese neu entwickelten Wagen nach dem 2. Weltkrieg vielleicht fragwürdig vorgekommen. Hätte ich in den 50ern gelebt und das nötige Kleingeld gehabt, wäre es wohl ein gut motorisierter Vorkriegs-Ami geworden.

Natürlich hätte es ein bewährtes Modell sein müssen, an dem man alle wichtigen Arbeiten selbst erledigen kann und an dem auch nach 25 Jahren nichts wirklich kaputtgehen kann.

Ein Ford V8 hätte in das Schema gepasst, der ja auch in Deutschland gebaut worden war und viele Käufer gefunden hatte. Aber es gab einen Konkurrenten, der zwar nur einen Reihensechszylinder besaß, aber für mich klassischer wirkte – der 1934er Chevy.

Wie, unser Blogwart hätte sich für so ein US-Massenfabrikat begeistert, das in den Staaten sich jeder leisten konnte, der irgendeiner ehrlichen Arbeit nachging?

Nein, nein, liebe Leser, ich rede nicht vom braven 1934er Chevrolet „Standard Six“ mit lediglich 60 PS und begrenzter Auswahl an Aufbauten (fünf). Mein Favorit wäre die Mittelklasseausführung „Master Six“ gewesen, von der wir hier ein Beispiel sehen:

Chevrolet „Master Six“ Limousine von 1934; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Die verchromten Lampengehäuse und die schmalen Kühlerstreben verraten uns, dass dieser 1934er Chevrolet ein „Master Six“ war. Der verfügte über ein in der Tat meisterliches Aggregat mit kopfgesteuerten Ventilen (ohv), das aus 3,4 Litern Hubraum 80 PS holte.

Damit wäre die souveräne Leistung gesichert gewesen, die ich für meine Reiseaktivitäten als ideal angesehen hätte. welche regelmäßig die Überquerung der Alpen beinhalten.

Alles schön und gut, werden Sie jetzt denken, aber so eine brave Familienkutsche wie auf obigem Bild aus deutschen Landen würde der Blogwart doch sicher nicht favorisiert haben. Da haben Sie vollkommen recht.

Aber seien Sie nicht zu streng mit der abgebildeten Limousine – sie liefert mit den drei horizontalen Luftschlitzen in der Haube, die von oben nach unten kürzer werden, wichtige Hinweise zur Identifikation des 1934 Chevrolet, für den ich – sagen wir Ende der 50er Jahre, als dieses Foto entstand – alles andere hätte stehengelassen:

Chevrolet „Master Six“ Cabriolet von 1934; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Was sagen Sie jetzt? So eine offene Version des 1934er Chevy mit 80 PS unter der Haube war doch auch Ende der 50er schwer zu schlagen gewesen, oder?

Nimmt man an, dass dieses Exemplar als Extra nicht nur die seitlich montierten Reserveräder hatte, sondern auch die ab Werk optional verfügbare Heizung und das Radio, hätte man 25 Jahre nach der Produktion nichts Wesentliches vermissen müssen.

Und wenn einem später so ein Vorkriegs-Chevy dann doch untermotorisiert und zu wenig komfortabel vorgekommen wäre, dann hätte man ihm ja doch noch einen V8 mit rund 5 Liter Hubraum und Drehmoment ohne Ende, eine Automatik und eine gediegene Innenausstattung verpassen können.

Wie das ausssehen kann, das zeigt dieses äußerlich wie technisch modernisierte Exemplar, dem man aber immer noch ansieht, das es einmal ein 1934er Chevrolet „Master Six“ war.

Ich weiß, das Ergebnis ist nicht jedermanns Sache, aber die Amis sind auch in Sachen „Oldtimer“ ultraliberal – jeder kann mit seinem Auto machen, was er will, nur gut machen sollte er es…

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Erfrischung gefällig? Ein Stoewer „Marschall“-Cabrio

Na, wie war Ihr Tag heute? Fanden Sie die 15 Stunden strahlenden Sonnenschein zuviel für die Jahreszeit? Waren Ihnen die herrlich warmen Temperaturen zu „heiß“? Fanden Sie den Aufenthalt im Freien unter stahlblauem Himmel irgendwie „gefährlich“?

Dann sollten Sie Ihren Medienkonsum drosseln und sich vom eigenen Gefühl und der eigenen Erfahrung leiten anstatt sich einreden zu lassen, dass man sich über einen prächtigen Sommertag wie diesen in unseren Breiten nicht freuen darf.

Zu meiner Schulzeit hätte es geheißen „Hurra, Hitzefrei“ und dann wäre es bis abends raus zum Badesee oder ins Schwimmbad gegangen. Mancher hätte es sich auch im Garten gemütlich gemacht – auf jeden Fall mit reichlich Vorräten zur Erfrischung.

Man wusste im Sommer schon selbst, was man verträgt, ob man in der Sonne arbeiten oder Sport machen kann oder eher nicht, und dass man viel von dem trinkt, was man mag.

Für die Erfrischung nach einigen Stunden Arbeit im Garten bzw. beim Basteln an Zweirädern im Hof sorgte heute eine Ausfahrt mit der Fiat 500 Cabriolimousine.

Das Dach bis zum Anschlag geöffnet, eine Scheibe der „Castellows“ in den nachgerüsteten CD-Player eingelegt und zur US-Car Show „Rumbling Engines“ im Nachbarort gefahren.

Dort gab es dann erfrischend andere Eindrücke in Form von „Hotrods“ auf Basis von Vorkriegs-Fords, Buicks der 50er, Chevelles der 60er, Camaros und Corvettes der 70er und Limousinen der 80er – nicht zuletzt Pickup-Trucks, deren Reiz ich erst heute verstehe.

So, jetzt haben Sie’s überstanden, sich eine Erfrischung verdient. Für die sorgt diesmal Leser Klaas Dierks, dessen Fundus immer für eine Überraschung gut ist.

Diesmal hat er ein Feuerwehrauto für uns ausgesucht – und wer könnte schon besser für Erfrischung im Sommer sorgen, als die Jungs von der „Fire Brigade“?

Stoewer „Marschall“ der Feuerwehr im Raum Leipzig; Originafoto: Sammlung Klaas Dierks

Entstanden ist diese erfrischend andere Aufnahme in den frühen 1950er Jahren. Damals wurde in jeder Hinsicht aufgebraucht, was an Material den 2. Weltkrieg überstanden hatte.

Die Helme der Männer waren allerdings keine Wehrmachts-Modelle, auch wenn es auf den ersten Blick so aussehen mag. Die Grundform ging auf den Stahlhelm des 1. Weltkriegs zurück und findet sich ähnlich auch in der frühen Bundesrepublik.

Um das Zugfahrzeug identifizieren können, blenden wir in einen prächtigen Sommer der Vorkriegszeit zurück – auch dafür hatte Klaas Dierks schon hier das perfekte Foto in petto:

Stoewer „Marschall“; Originafoto: Sammlung Klaas Dierks

Das ist ein Stoewer des Achtzylinder-Typs „Marschall“ mit 60 PS Leistung aus 3 Litern Hubraum.

Nur 280 Exemplare davon entstanden in Manufaktur von 1930 bis 1934. Die geringe Stückzahl dieser Stoewer-Wagen mag erklären, weshalb man sie kaum als für das Militär requirierte Autos im 2. Weltkrieg findet – auch wenn die chronisch unterausgestattete Wehrmacht in der Hinsicht sonst nicht wählerisch war.

Jedenfalls muss zumindest einer dieser einst so exklusiven Wagen den Krieg unbeschadet überstanden haben. Irgendwie und irgendwann gelangte er zu Feuerwehr im Raum Leipzig, wobei er hier interessanterweise noch den während des Kriegs vorgeschriebenen Tarnscheinwerfer auf dem linken Vorderkotflügel trägt:

Dass wir es erneut mit einem Stoewer des Typs „Marschall“ zu tun haben, können wir an zwei Details ablesen, welche die vorherigen Achtzylinderwagen von Stoewer nicht besaßen:

Das eine ist die geschwungene Stange zwischen den Scheinwerfern, sie war zuvor stets waagerecht ausgeführt, das legen jedenfalls die mir vorliegenden Bilder nahe.

Das zweite Detail sind die Scheibenräder mit den großen Radkappen – sie lösten die bis dato üblichen Speichenräder mit kleinen Nabenkappen ab.

Viel mehr, liebe Leser fällt mir heute zu dieser erfrischend anderen Aufnahme nicht ein. Doch Leser Klaas Dierks, dem wir diese schöne Abwechslung verdanken, hat noch eine drängende Frage, die vielleicht jemand von Ihnen beantworten kann.

Existiert dieser Stoewer eigentlich noch?

An sich standen die Chancen doch gut für ihn, er hatte den Krieg intakt überstanden, die Feuerwehr pflegt ihre Fahrzeuge sehr sorgfältig und im Osten unseres Landes formierte sich die „Oldtimer“-Fraktion bereits sehr früh und vermochte weit mehr Vorkriegsautos in die Gegenwart zu retten als die meist erst spät aufwachenden Kollegen im Westen.

Das wäre doch einer dieser erfrischenden Momente im Dasein, wenn sich ein Zeuge der Vorkriegszeit in die Gegenwart gerettet hätte – mit tüchtiger Hilfe von Menschen, die den überzeitlichen Wert dieser Dinge aus der Welt unserer Vorfahren zu schätzen wissen…

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Luxus & Leninismus: Mercedes 18/80 PS „Nürburg“

Das Thema „Deutsches Edelfabrikat“, das ich zuletzt hier anhand eines „Elite“ S12 12/55 PS gestreift hatte, verlangt dringend nach einer Fortsetzung.

Denn ich hatte es versäumt, in dem Kontext neben den 8-Zylinderautos von Horch und Stoewer auch den 1928 neu eingeführten Mercedes-Benz 18/80 PS zu erwähnen.

Der gehörte ebenfalls der 8-Zylinderklasse an, war aber nochmals teurer als die auf dem Sektor etablierten deutschen Fabrikate und erst recht als einschlägige US-Wagen.

Doch verdient das mit dem Zusatz „Nürburg“ angebotene Gerät unbedingt Erwähnung. Erst wenn man diesen Wagen kennt, weiß man, woran sich die Elite-Diamant-Werke mit ihrem „Edelfabrikat“ orientierten – optisch jedenfalls.

Zur Auffrischung hier nochmals eine Elite-Reklame von 1928/29:

Elite-Reklame aus „Auto-Magazin“, Ausgabe Januar 1929; Original: Sammlung Michael Schlenger

Prägen Sie sich insbesondere die Frontpartie dieses Fahrzeugs ein – wir begegnen ihr gleich wieder – wenn auch mit anderer Kühlerfigur, ohne Stoßstangen und in einem überraschenden Umfeld.

Im Unterschied zum „Edelfabrikat“ aus dem Hause Elite-Diamant hatte man bei Daimler-Benz nicht auf die obere Mittelklasse (nach Motorisierung, nicht nach Preis) abgezielt, sondern das Luxussegment der 8-Zylinderwagen anvisiert, in dem neben den US-Fabrikaten die deutschen Hersteller Horch und Stoewer dominierten.

Was die Stuttgarter 1928 auf Grundlage eines Entwurfs von Ferdinand Porsche vorstellten, kam ähnlich kolossal und hochbeinig daher wie der Elite-Wagen. Schon nach einem Jahr – d.h. nur wenigen hundert Exemplaren ging man zu einer Konstruktion mit niedrigerem Rahmen über, welche sich als die marktgängigere erweisen sollte.

Umso bemerkenswerter ist, dass einer der frühen Hochrrahmen-Mercedes des Typs 18/80 PS „Nürburg“ von 1928 die Zeiten überdauert hat. Noch erstaunlicher ist der Ort, an dem dieses Gefährt einst dokumentiert wurde:

Mercedes-Benz 18/80 PS von 1928; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Diese großartige Aufnahme wurde einst in Luckenwalde in Brandenburg fotografiert – vor einer Kulisse, die sich heute noch fast genauso präsentiert – der westalliierte Bombenterror ist an der schönen Stadt vorbeigegangen.

Der nationalsozialistsche Terror indessen hat seine Spuren hinterlassen – nicht nur in der Auslöschung der Bürger jüdischer Herkunft, sondern auch in Gestalt des örtlichen Kriegsgefangenenlagers, in dem Soldaten aus der Sowjetunion wie im damaligen Deutschland üblich die mit Abstand schlechteste Behandlung erfuhren.

Die nationalsozialistische und die Sowjetideologie nahmen sich in Methode und Ergebnis nichts – in beiden Fällen herrschte der pure Terror und es fanden sich willige Vollstrecker.

Vielleicht kein Zufall, hatten sich einst mit dem Deutschen Marx und dem Russen Lenin Brüder im Geiste gefunden, die ihre Spinnnereien als Wissenschaft ausgaben, während sie sich in ihrer Lebensführung als Schmarotzer erwiesen, die mit der Daseinsrealität der angeblich protegierten Proletarier nichts gemein hatten.

Die naheliegende Synthese der Gedankenwelt dieser beiden Psychopathen in Form des Marxismus-Leninismus wundert von daher nicht.

Den Älteren unserer ostdeutschen Landsleuten ist die entsprechende Propaganda noch geläufig – die platten Parolen haben auch auf dem heute vorgestellten Foto ihre Spuren hinterlassen.

Links auf der Fassade ist auf dem etwas größeren Originalfoto irgendein Blödsinnn mit Marxismus-Leninismus auftapeziert, den ich Ihnen hier ersparen will.

Gut gefällt mir, dass ausgerechnet im angeblichen Arbeiter- und Bauern-Staat, in dem es sich wie üblich die Anführer des Ganzen gutgehen ließen, während dem Volk Verzicht als Tugend verordnet wurde, dieser prächtige Manufaktur-Mercedes überlebt hat.

Ich würde das Foto auf etwa 1970 datieren, vielleicht weiß es jemand ganz genau und kennt sogar den Namen des damaligen Besitzers:

Genosse und Terrorchef Lenin hätte diese Form von Luxus sicher gefallen, denn der war als Abkömmling einer adligen Familie der Meinung, dass ihm auch der „Revolution“ ein entsprechendes Vehikel zustand – er bevorzugte allerdings die Marke Rolls-Royce…

Das Überleben des Mercedes ausgerechnet im Menschengehege namens DDR passt für mich zur Osterbotschaft – dem Triumph des Lebens, der Pracht und des Überflusses gegen die Kräfte des Dunkels und der Niedrigkeit…

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Ein Auto erzählt Geschichte(n): Peugeot 202 „Utilitaire“

Heute haben Sie Glück – der Blog-Wart erzählt keine umständlichen Geschichten, um irgendwann die Kurve zum eigentlichen Thema zu bekommen.

Das liegt nicht daran, dass mir gerade nicht der Sinn nach Stories aus meinem Alltag steht, die mich am Ende zu einem Vorkriegswagen führen.

Was in meinem Kopf vor sich geht, wenn er nicht gerade vordergründig zum Gelderwerb eingesetzt wird, wollen Sie nicht wissen.

Etwa heute beim Einpflanzen eines seit 20 Jahren im Kübel gefangengehaltenen Feigenbaums im Garten an einer dafür geeigneten windgeschützten und ganztägig sonnenbeschienen Stelle.

Tatsächlich lasse ich mich heute von meinem Fundus leiten. Schon einige Zeit begleitet mich das Vorhaben, die Geschichte meines Peugeot 202 „Utilitaire“, der hier bisweilen als Gast auftaucht, richtig zu erzählen und das heißt von Anfang an.

Dabei will ich Sie aber nicht mit der Technikgeschichte dieses in der Hinsicht unauffälligen Franzosen belästigen – wer sich dafür interessiert, kann das online nachlesen.

Vielmehr will ich die Geschichte des 1938 vorgestellten kleinen Bruders der spektakulär gestalteten Modelle 302/402 von Peugeot anhand zeitgenössische Fotos nacherzählen.

Das Modell 202 kam nicht an die Klasse der großen Geschwister heran – hier ein Werksfoto des ab 1935 gebauten 402, der die damals modische Stromlinienform perfekt verkörperte:

Peugeot 402; originales Werksfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Doch zumindest die Frontpartie mit der großartigen Idee, die Scheinwerfer hinter dem Kühlergrill zu verstecken, die fand sich grundsätzlich auch am deutlich kompakteren Einsteigermodell 202, das mit einem 30 PS leistenden 1,1 Liter-Motor ausgestattet war.

Davon sollten bis Ende des 2. Weltkriegs beeindruckende 63.000 Exemplare gebaut werden, davon etliche für das französische Militär – wir kommen noch darauf zurück.

Die Standard-Limousine sehen wir hier auf einem Familienfoto (vermutlich aus Frankreich) kurz vor Kriegsausbruch:

Peugeot 202 Limousine; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Nach der Besetzung Frankreichs durch deutsche Truppen im Sommer 1940 wurden die meisten aktuellen PKW für weitere „Vorhaben“ der Wehrmacht im Osten beschlagnahmt.

Besonders beliebt waren die hervorragenden Frontantriebswagen von Citroen (Typ „Traction Avant“), die man noch auf späten Aufnahmen aus der Zeit der deutschen Kapitulation anno 1945 sieht.

Doch auch die 02er Peugeots finden sich ohne Ende auf Fotos deutscher „Landser“ – in Bezug auf den 302/402 kommt irgendwann eine eigene Geschichte zu deren Karriere.

Hier haben wir nun einen Peugeot 202, der während des Kriegs auf deutscher Seite mit ziviler Zulassung unterwegs war. Dem Kennzeichen nach zu urteilen, handelte es sich um ein Fahrzeug aus Lothringen, das unter deutscher Besatzung als „Westmark“ firmierte, daher das Kürzel „Wm“ auf dem Nummernschild:

Peugeot 202 Limousine; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Bemerkenswert ist hier einiges. Die beiden sehr schlanken Herren lassen auf eine Aufnahme gegen Kriegsende schließen, als es für Zivilisten nur noch Hungerrationen gab. Interessant ist auch, dass der junge Mann links ein Offizierskoppel trägt.

Der Peugeot macht einen sehr gepflegten Eindruck, nur die improvosierte Dachbeladung deutet darauf hin, dass man nicht mehr alles ganz im Griff hat.

Man fragt sich schon, wer in der fortgeschrittenen Phase des Kriegs noch ein Foto dieser Qualität machen konnte, denn Filmmaterial wurde immer weniger produziert.

Allerdings bastelten bekanntlich im ganzen „Reich“ noch 1944/45 jede Menge Leute an ultramodernen Waffen herum, welche die Allierten bei ihrem Eintreffen staunen ließen – mein Verdacht ist, dass sich dabei viele technisch Hochbegabte selbst verwirklichten und gleichzeitig für den Fronteinsatz unabkömmlich machten.

Für diese wichtigen „Volksgenossen“ gab es noch Benzin und der Winkel auf dem Nummernschild war bei Kontrollen der Hinweis, dass alles seine Richtigkeit hatte mit diese Zivilwagen – es würde mich wundern, wenn dafür nicht bisweilen auch „geschmiert“ wurde.

Doch begegnen wir dem Peugeot 202 im 2. Weltkrieg auf deutscher Seite auch dort, wo das Leben weit gefährlicher war – hier hatte wohl gerade ein Jagdbomber- oder Artillerieangriff das Dach abgedeckt, bevor der Wagen aufgenommen wurde:

Peugeot 202 Limousine; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Das improvisierte Kennzeichen „WH“ verrät, dass dieser beschlagnahmte Peugeot 202 noch kein offizielles Kennzeichen der Wehrmacht erhalten hatte.

Das an sich vorschriftswidrige Herumfahren ohne Tarnscheinwerfer war keine Seltenheit während des Krieges – wo man die Lufthohheit hatte, sah man das nicht so eng, was sollte schon passieren, nicht wahr?

1945 war der deutsche Spuk vorbei aus französischer Sicht, wo man einigermaßen glimpflich davon gekommen war, jedenfalls gemessen am Völkermord im Osten. Die von unseren Vorfahren in deutscher Uniform begangenen Massaker auch an der französischen Zivilbevölkerung sollen gleichwohl nicht übergangen werden.

In den Ruinen von Oradour sur Glane können Sie noch heute ein ausgebranntes Wrack eines Peugeot 202 besichtigen, wenn Sie sich das antun wollen (was ich empfehle).

Ein bemerkenswertes Foto aus der Zeit, nachdem US-Truppen Frankreich von der deutschen Besatzung befreit hatten, ist das Folgende:

Peugeot 202 Limousine; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Ich würde die Aufnahme auf die späten 1940er Jahre datieren, kann die Uniformen der abgebildeten Personen jedoch nicht sicher einordnen.

Wie immer setze ich darauf, dass einer meiner Leser mehr weiß als ich und sein Wissen in Kommentarform teilt.

Das Thema Krieg lassen wir nun allmählich hinter uns und erfreuen uns an der folgenden Aufnahme, die einen französischen Bauern in der frühen Nachkriegszeit mit seinen treuen Freunden zeigt – darunter ein Peugeot 202 in der Ausführung als Pritschenwagen:

Peugeot 202 „Utilitaire“; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Solche Nutzfahrzeugversionen auf Basis ehemaliger Armeefahrzeuge fanden in Frankreich ab den 1950er Jahren Eingang in den Bestand an Zivilwagen auf dem Lande.

Oft war es ein ortsansässiger Schreiner, der auf Grundlage eines einstigen Funk-, Kranken- oder Abschleppwagens des Militärs einen solchen „Pickup“ fabrizierte und dem Wagen damit ein neues, nunmehr ziviles Dasein eröffnete.

Genau so ein Gerät aus dem französischen Departement „Aube“ wurde 2008 auf der Oldtimermesse „Veterama“ in Mannheim angeboten:

Peugeot 202 „Utilitaire“ auf der Veterama Mannheim 2008; Fotoquelle unbekannt

Das Fahrzeug fand seinerzeit einen neuen Besitzer im Raum Mainz, der es dann bei „Ebay“ inserierte. Ich stieß zufällig darauf und da niemand sonst den Wagen haben wollte, nahm ich Kontakt mit dem Verkäufer auf.

Natürlich habe ich alles falsch gemacht beim anschließenden Kauf. Der Wagen stand in einer dunklen Tiefgarage, ich habe keine Probefahrt unternommen und einfach alles geglaubt, was der Besitzer erzählte.

Quasi blind kaufte ich den Wagen für einen vierstelligen Betrag, aber mit einer Auflage: Deutsche Papiere und TÜV sollte er haben, wenn ich ihn übernehme.

Genauso geschah es, alles klappte und der von der Substanz hervorragende, bis heute nur technisch überholte Peugeot gehört seither zu den Schätzen meiner Sammlung:

Peugeot 202 „Utilitaire“ aufgenommen 2015: Bildrechte Michael Schlenger

Den Lack, den einst ein Bauer in der Champagne im Raum Troyes aufgebracht hatte, habe ich nur gereinigt und eingewachst. Hier und da scheint die originale Armee-Lackierung durch.

So kann ich anhand dieses Wagens die ganze Geschichte des Typs erzählen.

Das Auto mit einer Laufleistung vermutlich im niedrigen fünfstelligen Bereich bedarf nur der üblichen Wartung wie anno dazumal. Der Motor springt auch nach längerer Standzeit (und mehrfachem Durchdrehen ohne Zündung) jederzeit an.

Während die Technik und der Rahmen noch für Jahrzehnte gut sind, besteht die Hauptaufgabe darin, den äußeren Zustand zu konservieren. Das dicke Blech ist an sich unproblematisch, doch der Rostansatz auf der Haube will in Schach gehalten werden:

Peugeot 202 „Utilitaire“ aufgenommen 2015: Bildrechte Michael Schlenger

Ein Luxusproblem ist das natürlich, es gibt jede Menge Mittelchen für solche Fälle.

Ich bevorzuge eine leichte Behandlung oberflächlich angerosteter Blechpartien mit feiner Stahlwolle (mit Seife angereichert) und anschließende Behandlung mit Carnaubawachs.

Damit lässt sich ein formidables Ergebnis erreichen, wie man auf der folgenden Aufnahme sieht, die 2022 anlässlich des alljährlichen Oldtimertags in meiner Heimatstadt Bad Nauheim entstand:

Peugeot 202 „Utilitaire“ aufgenommen 2022: Bildrechte Michael Schlenger

Über den Winter ist der Peugeot inzwischen wieder eingestaubt und mehr als ein paar Mal Bremse und Kupplung betätigen, habe ich seit letzten Herbst nicht gemacht.

Doch bald wird er wieder in Betrieb genommen und soll auch frischen TÜV erhalten.

Inzwischen habe ich originale Tüverkleidungen einer 202-Limousine aufgetrieben, die passen sollten – für die Reinigung muss ich mir noch etwas einfallen lassen.

So ein Peugeot 202 hat auch nach bald 90 Jahren noch jede Menge zu erzählen und er wird nicht müde, eine Geschichte zu repräsentieren, die man vorsichtig formuliert als „schwierig“ bezeichnen darf und die uns dazu mahnt, sehr gut überlegen, wie es weitergehen soll…

Michael Schlenger, 2025. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and https://vorkriegs-klassiker-rundschau.blog with appropriate and specific direction to the original content.

Ist Dir die Heimkehr geglückt? Renault Primaquatre

Das Motiv des Wanderers, des Pilgers und des Heimkehrers gehört zu den Konstanten in der Literaturgeschichte.

Draußen vor der Tür“ von Wolfgang Borchert (1921-1947), in dem es um die gescheiterte Heimkehr des Kriegsteilnehmers Beckmann geht, zählt zu diesem Genre.

Neben dem „Steppenwolf“ von Hermann Hesse, „On the Road“ von Jack Kerouac und „Hamlet“ von Shakespeare eines der wenigen bleibenden literarischen Erlebnisse meiner Schulzeit

Das unübertroffene Meisterwerk der Heimkehrerliteratur indessen steht am Anfang der europäischen Erzählkunst und ausgerechnet das musste ich mir selbst erschließen:

Homers Odyssee gehörte – wie Dutzende andere Klassiker – nicht zum Standard eines hessischen Gymnasiums der 80er Jahre, dafür die Werke von B-Schreibern wie Böll…

Treue Leser meines Blogs wissen, dass mir die Figur des griechischen Helden gefällt, der mit einer Kriegslist den entscheidenden Erfolg gegen das seit 10 Jahren belagerte Troja ermöglicht, nach dem Sieg zwar zum Verfolgten und Schiffbrüchigen wird, doch zuletzt nach Ithaka heimkehrt und über die Freier seiner Frau Penelope furchtbares Gericht hält.

Diese Geschichte ist so spannend – in ihren Abgründen wie in ihren triumphalen Momenten – dass man sie immer wieder erzählen und nacherleben kann.

Darauf kam ich, als ich einige Fotos von Vorkriegswagen durchsah, die ich in letzter Zeit ohne große Gedanken erworben hatte. Meist kaufe ich für kleine Beträge mir reizvoll erscheinende Aufnahmen, ohne bereits zu wissen, was ich damit anfangen werde.

Die Story ergibt sich meist von selbst, so auch dieses Mal. Denn der Wagentyp, um den es heute geht, war mir beim Nachsehen in meiner Renault-Galerie schon einmal begegnet:

Renault „Primaquatre“ Typ BDS1 (1938/39) in Griechenland; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Dieser Wagen wurde einst im Heimatland des Odysseus aufgenommen, in Griechenland. Das war im Jahr 1941, als deutsche Truppen auch dort im Einsatz waren.

Unglaublich, wofür man sich einst zuständig fühlte – Polen, Belgien, Frankreich, Norwegen – später Nordafrika und Russland. Dass man tatsächlich nicht nur in der Berliner Führung glaubte, an vier Fronten gleichzeitig Krieg führen und gewinnen zu können – völlig bizarr.

Wie die deutsche Kriegsfurie (schon die alten Römer hatten den Begriffe vom irrationalen „Furor Teutonicus“ geprägt) auch nach Griechenland gelangte, will ich hier nicht nacherzählen.

Interessanter finde ich die Frage, was für ein Wagen sich anno 1941 dorthin verirrt hatte und ob ihm am Ende die glückliche Heimkehr gelang.

Auch wenn die Modelle des französischen Herstellers Renault in den 1930er Jahren eine Wissenschaft für sich sind, meine ich, dass wir es beim in Griechenland festgefahrenen Fahrzeug der Wehrmacht mit dem Typ „Primaquatre“ zu tun haben.

Dieser gut motorisierte Vierzylinderwagen mit zuletzt über 50 PS Leistung wurde von 1931 bis 1941 gebaut, wobei fast jährlich optische und technische Änderungen erfolgten.

Die waagerechten Kühlerstreben weisen auf eine Entstehung ab Ende 1938 hin. Dass wir kein Exemplar des äußerlich sehr ähnlichen Kleinwagentyps „Celtquatre“ vor uns haben, das verrät insbesondere das vordere Dreiecksfenster.

Selbiges sehen wir besser auf einer zweiten Aufnahme, die einen identischen Renault Primaquatre zeigt – nun unter Umständen, die an eine glückliche Heimkehr denken lassen:

Renault „Primaquatre“ Typ BDS1 (1938/39); Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Die unpassende Stoßstange und die fehlenden Radkappen erschwerten zunächst die Ansprache. Nach einigen Vergleichen bin ich aber sicher, dass dieser Wagen tatsächlich ein Renault „Primaquatre“ war – aufgenommen in der frühen Nachkriegszeit.

War vielleicht der in Griechenland auf Abwege gekommene Wagen nach mehrjähriger Odyssee an heimatliche Gestade zurückgekehrt?

Diese spannende Frage zu beantworten, fällt mir schwer. Tatsächlich dachte ich beim Aufnahmeort zunächst an die italienische Hafenstadt Genua – schon Odysseus kehrte ja nicht auf direkten Weg nach Ithaka zurück.

Doch konnte ich die Szenerie nicht eindeutig identifizieren. Kann es sein, dass der Renault in einer Hafenstadt an der französischen Mittelmeerküste aufgenommen wurde? Ich versuchte mein Glück mit Toulon und Marseille – aber auch hier Fehlanzeige.

Das sportliche Motorboot im Riva-Stil rechts neben dem Wagen lässt mich nach wie vor an das Mittelmeer denken. Aber schon Odysseus musste die Erfahrung machen, dass das Meer weit und die Wege der Götter unergründlich sind.

So bleibt die Frage vorerst offen: An welche Gestade hatte es diesen Heimkehrer gespült?

Michael Schlenger, 2024. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and https://vorkriegs-klassiker-rundschau.blog with appropriate and specific direction to the original content.

Ganz schön behämmert: DKW „Sonderklasse 1948“

Noch ist es wohl erlaubt, zumindest sich selbst durch den Kakao zu ziehen, ohne sich eine Klage wegen Majestätsbeleidigung einzuhandeln, wie das neuerdings bei humoristischen Äußerungen über die leitenden Angestellten unsere Republik droht.

Also bleiben wir besser schön in den niederen Sphären der augenzwinkernden Auseinandersetzung mit den nicht wirklich wichtigen Dingen im Dasein eines abgesehen von Tempoüberschreitungen sonst nicht weiter auffälligen Nettosteuerzahlers.

Wie immer hoffe ich, von meinem jüngsten Aufenthalt südlich der Alpen ohne „Ticket“ davongekommen zu sein. Ganz sicher ist das nicht, denn die bizarren Hinweise „100 bei Nässe“ auf der A5 zwischen Basel und Freiburg habe ich glatt übersehen, obwohl die Fahrbahn benetzt erschien und sich besser abgerichtete „Volksgenossen“ daran hielten.

Man muss schon etwas bekloppt sein – oder auch behämmert – um sich regelmäßig den wilden Wechsel absurder Tempoanweisungen auf dieser Strecke anzutun. Man schafft es kaum, rechtzeitig zu verarbeiten, ob die Regelung nur „bei Nässe“, zwischen 6 und 21 Uhr oder zwischen 21 und 6 Uhr oder am Ende doch nur für LKW gilt.

Vergleichbarer Nonsens ist mir aus keinem europäischen Nachbarland bekannt, auch die grotesken Drohungen an Autobahnbrücken „Rennraser – nächste Ausfahrt Gefängnis“ aus dem Handbuch des „Gaslighting“ kenne ich nur aus dem Mutterland von „German Angst“.

Bekloppt oder behämmert muss ich auch selbst sein, wenn ich zu vorgerückter Stunde noch schnell etwas zur DKW „Sonderklasse“ in der letzten Ausführung ab 1937 schreiben will.

Denn angeblich war diese mit über 10.000 Exemplaren die häufigste Version der oft übersehenen heckgetriebenen DKWs mit 4-Zylindermotor. Dumm nur, wenn man arg spät feststellt, dass man unter hunderten DKW-Fotos keine Vorkriegsaufnahme dieses Modells im Fundus hat.

Das früheste Dokument verdanke ich Leser und Sammlerkollegen Klaas Dierks – es wurde der Tarnbeleuchtung nach zu urteilen, mitten im 2. Weltkrieg aufgenommen und zeigt den Wagen eines Doktors mitsamt dessen besserer Hälfte:

DKW „Sonderklasse“, Bauzeit: 1937-1940; Originalfoto: Sammlung Klaas Dierks

Das ist ein so schönes Foto, dass man die bedrückenden Zeitumstände vergessen könnte.

Man müsste behämmert sein, um den damaligen Zeitgenossen, die sich die fatalen Verhältnisse keineswegs mehrheitlich herbeigewählt hatten, nicht das Recht zuzugestehen, dennoch das Beste aus ihrem Dasein zu machen, sofern es nicht auf Kosten anderer ging.

Dieses Foto erzählt vom kleinen privaten Glück inmitten eines irrwitzigen großen Geschehens, und man kann vielleicht daraus etwas für’s Hier und Jetzt mitnehmen.

Nun aber zu dem DKW, der hier völlig anders wirkt, als man das von der sächsischen Marke gewohnt ist. Merkwürdigerweise sind – zumindest nach meiner Wahrnehmung – diese späten Versionen mit der robusten stahlbeplankten Karosserie heute kaum noch bekannt.

Der solide Aufbau war weitgehend vom Wanderer W24 übernommen, der ebenfalls unter dem Dach der Auto-Union gebaut wurde. Mit ein paar Anpassungen hatte man die Frontpartie ganz anders gestaltet – man fühlt sich an das moderne Erscheinungsbild des Fiat 1100 erinnert, der ebenfalls 1937 erschien.

Lag es an dem in der Literatur als problembehaftet beschriebenen Motor, der eine für Zweitakter ungewöhnliche Komplexität aufwies, dass die nach dem ungeschlachten Vorgänger „Schwebeklasse“ gelungen gestaltete „Sonderklasse“ so wenige Spuren hinterlassen hat?

Vielleicht kann es einer der in Sachen DKW bewanderten Leser erklären. Ich bin noch einmal einen ganzen Stapel unbearbeiteter Fotos dieser Marke durchgegangen – völlige Fehlanzeige, was die späte „Sonderklasse“ ab 1937 angeht.

Doch zum Glück hatte ich mir schon vor längerer Zeit eine einschlägige Aufnahme gesichert, welche den Wagen von seiner besten Seite zeigt, wenn auch „ganz schön behämmert“ und in der Spezialausführung „Sonderklasse 1948“:

DKW „Sonderklasse“, Bauzeit: 1937-1940; Originalfoto: Michael Schlenger

Wie man sieht, hat das Auto mit Zulassung in der sowjetischen Besatzungszone ab 1948 einiges erlebt. Einer der Vorderkotflügel hatte wohl in irgendeiner Form „Feindkontakt“, während des Kriegs als Fahrzeug der Wehrmacht oder bei einer späteren Gelegenheit.

Aber er kam tüchtig „behämmert“ wieder halbwegs in Form und das genügte damals vollauf.

Man vergisst gerne, dass es im Osten Deutschlands nach 1945 noch eine ganze Weile viele Leute gab, die sich einen gewissen Wohlstand bewahrt hatten, sofern sie nicht von den Westalliierten ausgebombt worden waren. Dieses Foto lässt etwas davon ahnen.

Bis das Wirken der sozialistisch beseelten Kleingeister im Politbüro in Ostberlin so weit „gediehen“ war, dass es auch damit vorbei war, sollte es noch bis in die 70er Jahre dauern.

Belassen wir es daher heute dabei, uns an diesem Dokument zu erbauen. Wie das zuvor gezeigte ist es eines, welches vom Triumph des Lebenswillens und dem Bedürfnis kündet, sich für einen Moment im Fluss des großen Ganzen als Individuum zu inszenieren – nicht als beliebige Nummer in einem straff durchorganisierten Ameisenstaat…

Michael Schlenger, 2024. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and https://vorkriegs-klassiker-rundschau.blog with appropriate and specific direction to the original content.

Nichts für Pfeifenraucher: Ford „Eifel“ Roadster

Ich muss aufpassen, dass ich mich nicht zu sehr im Vorgestern aufhalte – jedenfalls, was die zeitliche Ausgewogenheit meines Blogs angeht, sonst aber sehr gern.

Umgeben von massiven Mauern, die 600-700 Jahre alt sind und eine erdbebengerechte Stärke von 60-80 cm aufweisen, lässt es sich schon aushalten, wenn man einen Gasanschluss und fließendes Wasser hat. Die Neuzeit hat also auch ihre Reize.

Und so begeben wir uns heute zur Abwechslung in die späten 30er Jahre, machen aber zugleich einen bemerkenswerten Zeitsprung in die angeblich so piefigen 50er Jahre.

Eine Warnung vorab: Der heutige Fotobeitrag ist vermutlich nicht nach dem Geschmack von Männern, die Pfeife rauchen. Kenner werden die Anspielung auf die süffig geschriebenen Autoartikel des Lebenskünstlers Fritz B. Busch bemerken.

Das Fahrzeug wie die Aufnahmesituation sind nicht gerade das, was ihm wohl vorschwebte, aber toleriert hätte er es wohl als Individualist, der Höhen und Tiefen erlebt hatte und sich immer wieder neu erfinden musste.

Ich weiß nicht, was er vom wackeren Ford „Eifel“ hielt, den das Kölner Werk 1935 herausbrachte – mit 34 PS leistendem 1,2 Liter-Vierzylinder. Die Limousine wäre ihm vielleicht ein wenig zu brav erschienen, wobei auch solide Bürgerlichkeit ihre Vorzüge haben kann, wie dieses Foto sehr schön illustriert:

Ford Eifel Limousine mit Nachkriegszulassung; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Neben der Werks-Limousine gab es eine auf den ersten Blick erstaunliche Vielfalt mehr oder minder schicker offener Versionen von diversen Herstellern.

Anfänglich entstand ein Roadster sogar bei Stoewer in Stettin, später bauten Deutsch und Gläser teils hochelegante Cabriolets.

Zur Erinnerung eine Aufnahme, die ich vor langer Zeit hier schon einmal vorgestellt habe – sie zeigt eine „Gläser“-Sonderausführung:

Ford Eifel Cabriolet (Gläser) mit Zulassung in München; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Das könnte durchaus ein Auto für Männer gewesen sein, die Pfeife rauchen, auch wenn dem Wagen letzlich die Knorrigkeit britischer Roadster fehlt, welche Fritz B. Busch so trefflich in Worte zu fassen wusste.

Doch bin ich vor längerer Zeit auf eine bemerkenswerte Aufnahme gestoßen, die eine ganz andere – feminin anmutende – Roadsterversion des Ford „Eifel“ zeigt und das in einer Situation, die nicht nach dem Geschmack von Pfeifenrauchern gewesen sein dürfte.

Gequalmt wird zwar auch hier und die Zigarette hängt so lässig aus dem Mundwinkel, wie das einst Filmschauspieler zu tun pflegten. Doch der „Typ“, der anno 1956 neben dem Ford Roadster abgelichtet wurde, entsprach gewiss nicht dem Weltbild von Pfeifenrauchern:

Ford „Eifel“ Roadster, Nachkriegsaufnahme; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Ist das nicht ein hübscher Typ mit einer gewissen Weiblichkeit? Ja, das Auto hat schon etwas Feminines, wenn wir uns zunächst darauf konzentrieren.

Ich finde diese Roadster-Version trotz fehlender Türausschnitte und nur noch in Resten vorhandenen Trittbretts sehr gelungen. Weiß jemand, wer der Hersteller war? Vielleicht ist die Lösung einfach, doch ich habe derzeit keinen Zugriff auf meine Literatur.

Nun zu dem sich androgyn gebenden „Typ“ neben dem Auto. Er macht das recht geschickt mit der weiblich anmutenden Pose – ob im Spaß oder ernst gemeint, ist schwer zu sagen.

Immerhin herrscht Klarheit in einer Hinsicht: Auf der Rückseite des Abzugs ist lapidar „Jürgen ’56“ vermerkt. Wir haben es nach landläufiger Auffassung mit einem Mann zu tun.

Vorstellbar ist aber, dass hier einer die eher weibliche Rolle in einer gleichgeschlechtlichen Beziehung spielte. Ich habe das immer unterhaltsam gefunden und gönne jedem seinen Spaß auf dem Sektor, sofern er sich im Privaten und auf freiwilliger Basis abspielt.

Ich bin in jüngeren Jahren bisweilen Gegenstand von Annäherungsversuchen von Vertretern dieser Fraktion gewesen und wenn man wie ich lange Zeit in Frankfurt/Main gearbeitet hat, gehören solche Kontakte beinahe zur Normalität.

Das kann bisweilen nervig sein (seither verstehe ich besser, was Frauen an gewissen Typen abstößt), doch im Grunde mag ich alle Menschen, die nach ihrer Facon glücklich werden wollen, auch wenn sie dabei unkonventionelle Wege gehen.

Wie gesagt alles unter Wahrung auch sonst geltender Regeln des Anstands und ohne aggressive Trans-Ideologie, wie sie im „Westen“ (aber auch nur da) zu beobachten ist.

Was letztlich „Jürgen“ und den Fotografen – oder doch eine „Sie“? – verband, wissen wir nicht. Jedenfalls muss ihnen der Ford „Eifel“ gefallen haben, der eventuell nicht ihrer war.

Irgendwo im Alpenland hatte man Gelegenheit zu diesem etwas frivolen Foto und ich muss sagen, dass ich bei aller Schlüpfrigkeit der Thematik dankbar bin, dass vor bald 70 Jahren Vertreter der jungen Generation etwas taten, was den vielleicht doch zu sehr im Gestern verharrenden Pfeifenrauchern so gar nicht schmeckte…

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Von oben alles gut bedacht? DKW F7 Luxus-Cabrio

Haben Sie sich schon einmal gefragt, warum hier bisweilen Blog-Einträge täglich erscheinen und dann einige Tage gar keine?

Die Antwort ist einfach: Die meisten davon entstehen binnen weniger Stunden, doch einige wenige brauchen ein ganzes Leben lang und manche zumindest ein paar hundert Kilometer.

Heute ist eine Mischung aus den beiden letzten an der Reihe. Dabei komme ich mehr noch als sonst auf Abwegen zum Thema – besser: zum Foto, welches das Thema illustriert.

Von oben gut bedacht – das klingt doch irgendwie auch ein bisserl nach „von himmlischen Mächten beschützt“, nicht wahr? Ja, das könnte ich fast meinen.

Denn seit ich mein Dasein selbst bestimme, ist mir alles geglückt, auch wenn’s das eine oder andere Mal knapp war. Lassen wir den üblichen Liebeskummer, an dessen Verarbeitung man weiterwächst.

Heute habe ich alles, was einen glücklichen Menschen ausmacht: keine materiellen Sorgen, einen fordernden, aber erfüllenden Beruf, private Verhältnisse, wie ich sie mir nicht schöner vorstellen könnte, robuste Gesundheit und: eine zweite Heimat im italienischen Umbrien.

Nun könnte ich aus alledem schließen, dass es irgendjemand außerhalb meiner Lebenssphäre besonders gut mit mir meint. Ach was! Mein Dasein ist Ergebnis von: ein Drittel Erziehung, ein Drittel Eigenleistung und ein weiteres Drittel pures Glück.

Letzteres schreibe ich gern ironisch der Göttin Fortuna zu, weil ich die pragmatischen antiken Personifizierungen der Mächte mag, die in unser Leben hineinwirken. Doch bei aller Eitelkeit fehlt mir das Selbstbewusstsein zu dem Glauben, dass ausgerechnet mein unmaßgebliches Dasein von irgendwoher wohlwollend „gut bedacht“ wird.

Wenn irgendwer „wie durch ein Wunder“ entgegen alle Wahrscheinlichkeit mit dem Leben davongekommen ist, höre ich meine Mutter spotten, dass die anderen leider Pech hatten, weil der Schutzengel gerade nicht aufgepasst hat. Sie glaubte nicht an höhere (Schutz)Mächte.

Gestern war aber so ein Moment, in dem ich dachte: hier kommt alles zusammen, hier ist alles wie von oben gut bedacht.

Ich war mit dem Auto am Morgen unterwegs in Italien Richtung Bologna. Gerade befand ich auf der Höhe von Cremona, als die Sonne die Nebel aus der Po-Ebene vertrieb. Und just in dem Moment wurde im Radio auf meinem Standardsender „RAI Musica Tutta Italiana” eine Sondersendung zu “La Tigra di Cremona“ angekündigt.

Damit ist die legendäre Sängerin Mina gemeint, die in den 1960er und 70er Jahren in Italien Furore machte, bis sie von der Bildfläche verschwand. Sie hatte diese enorm voluminöse, verrucht klingende Stimme, wie sie der naive deutsche Schlagerzirkus nie hervorbrachte.

Da gab es nun eine halbe Stunde einige ihrer Lieder (nur nicht dieses, das man „sehen“ muss…). Doch das Glück war damit noch nicht vollkommen und nun nähern wir uns dem Thema. Denn mit einem Mal merkte ich, wie üblich mit dem Strom der Einheimischen schwimmend, wie sich der Verkehr verlangsamte.

Der Grund war der: Auf der rechten Spur fuhr mit gut 100 km/h eine Reihe Cabrios mit flach auslaufender Dach- und Hecklinie. Beim Näherkommen erkannte ich, dass es sich um eine Ausfahrt von gut einem Dutzend italienischer Mercedes des Typs 190 SL handelte.

Alle hatten das Verdeck geschlossen, was dem Wagen (wie den meisten Cabrios aus meiner Sicht) ausgezeichnet steht. Ich hatte ganz vergessen, wie filigran und elegant gezeichnet dieser klassische Mercedes war, der aufregendere Motoren verdient hätte.

Aber letztlich war hier alles gut bedacht worden, niemand erwartete von diesem schicken Auto Sportwagenleistungen. Und auch von oben gut bedacht waren die Insassen, dank mit der Wagenfarbe kontrastierendem Verdeck. Darunter durchweg Paare, wobei „er“ am Steuer saß.

Ich genoss diese völlig unwahrscheinliche Zeitreise zurück in die frühen 60er begleitet von den zeitlich perfekt passenden Klängen von Mina und fuhr beglückt an der Kolonne vorbei. Ganz vorne gab es noch einmal eine Überraschung: Denn hier saß „sie“ am riesigen Lenkrad, der Kopf eingerahmt von prächtigen roten Locken – Fortuna hatte es wirklich gut gemeint…

Dieses beflügelnde Erlebnis klang noch lange in mir nach. Ich war allein im Wagen und hatte noch über vier Stunden bis ans Ziel zu fahren. Während ich das Gesehene und das dabei Empfundene Revue passieren ließ, ergab sich das Thema wie von selbst und auch dieser Text entstand entgegen meiner Gewohnheit in weiten Teilen bereits in meinem Kopf.

Mir kam bald auch ein passendes Foto in den Sinn, das mich schon lange Zeit bewegt, weil auf ihm Glück und Elend auf unauflösbare Weise nebeneinander festgehalten sind – obwohl doch scheinbar alles „von oben gut bedacht“ scheint:

DKW F7 Front Luxus-Cabriolet, 4-Sitzer; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Hier haben wir den wohl schönsten deutschen Kleinwagen der späten 1930er Jahre – das im Horch-Werk aufwendig gebaute Luxus-Cabriolet auf Basis des Zweitakt-Fronttrieblers F7.

Die schiere Qualität und die Eleganz von Form und Farbgebung standen zwar in Kontrast mit der moderaten Leistung – soweit ich weiß, waren diese teuren und raren Modelle mit Standardmotoren ausgestattet. Doch vielleicht war ja das gerade das Geheimnis – Sonderwege waren und sind offenbar eine Spezialität der Deutschen.

Und nun schauen Sie, was von diesem Gefährt übriggeblieben ist – ein schwer gezeichneter Gebrauchtwagen in einer städtischen Trümmerumgebung kurz nach dem 2. Weltkrieg.

Die Frauen im Hintergrund hatten damals anderes im Kopf als Autos, teils schauen sie nach vorn, teils drehen sie halbherzig den Kopf in Richtung Kamera.

Der kriegsversehrte DKW muss aber jemanden am Herzen gelegen haben, der sich noch Benzin und Öl leisten konnte. Denn wenn ich mich nicht irre, wurde der Wagen „neu bedacht“. Jedenfalls sieht das Verdeck neu aus, allerdings fehlt die seitliche Sturmstange.

Wir haben es hier mit der viersitzigen Ausführung zu tun, die neben dem Zweisitzer verfügbar war, den wir hier sehen:

DKW F7 Front Luxus-Cabriolet 2-Sitzer; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Ich bin nicht ganz sicher, ob es sich hier ebenfalls um eine frühe Nachkriegsaufnahme handelt – doch in jedem Fall scheint hier noch alles gut bedacht zu sein, jedenfalls was das DKW-Verdeck angeht. So ein Front-Luxus Cabrio hatte schon etwas, oder?

Aber werfen Sie noch einmal einen Blick auf den Fahrer auf dem ersten Foto mit dem DKW als „neu bedachtes“ 4-Sitzer-Cabriolet. Sieht so ein glücklicher Mensch aus?

Zwar hatte er das rein materielle Privileg, sich einen kriegsversehrten Wagen leisten und sogar in ein neues Verdeck investieren zu können.

Doch mit den Frauen im Hintergrund und den meisten Landsleuten teilte er das Unglück in einem zerstörten, verarmten und besetzten Land zu leben, das durch industriellen Massenmord an eigenen Bürgern und denen in eroberter Staaten das gepflegte Selbstbild als herausragende Kulturnation quasi selbst ausgelöscht hatte.

Und das alles zusammen mit den katastrophalen Folgen auch für die Deutschen selbst soll „von oben gut bedacht“ gewesen sein? Nein, es reichte nach 1945 allenfalls für ein neues Verdeck – und jeder war auf sich selbst zurückgeworfen, was gut bedacht sein wollte….

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Die guten Seiten der DDR: Ein Fiat-NSU 1000

Um es gleich zu sagen: Das politische System der DDR war für Freiheitsliebende das zweitschlimmste, was es je auf deutschem Boden gegeben hat.

Millionen von Menschen jahrzehntelang einzusperren, sie um ein selbstbestimmtes Leben und die Früchte ihrer eigenen Arbeit – oft auch um ererbtes Eigentum – zu bringen, lässt sich nicht irgendwie schönreden, so sehr die DDR-Insassen versuchten, das Beste daraus zu machen und dabei oft Erstaunliches zuwegebrachten.

Dennoch gab es viele gute Seiten der DDR. Die bislang für mich beste war die sehr frühzeitige Organisation der Vorkriegsautoszene in Mittel- und Ostdeutschland.

Diese war ursprünglich aus der Not geboren, denn natürlich gelang es der DDR-Planwirtschaft nicht, in ausreichender Zahl zeitgemäße Automobile fertigen zu lassen.

Ohne Wettbewerb, Privateigentum und freie Preisbildung kann keine Wirtschaft die Bedürfnisse der Konsumenten stillen. Die wie in allen sozialistischen Regimen bildungs- und intelligenzmäßig beschränkten Machthaber meinten freilich, wenn man es nur oft genug versucht, wird es schon gelingen (nebenbei ein zeitloses Thema).

Also hielten die DDR-Bürger mit einer bewundernswerten Improvisationsfähigkeit die vielen Vorkriegsautos am Laufen, welche nach der Kapitulation noch vorhanden waren. Die Kompetenz dafür war im Osten unseres Landes zum Glück vorhanden, denn das Herz der deutschen Autoindustrie schlug einst in Thüringen und Sachsen.

Dabei gelang es oft, sogar ausländische Fabrikate (hauptsächlich amerikanische) weiter in Betrieb zu halten, was eine bemerkenswerte Leistung ist, wenn man bedenkt, dass fehlende Teile in Eigenleistung nachgefertigt werden mussten.

Hinzu kam, dass die Qualitätsstandards der meisten Vorkriegswagen weit über dem Niveau der Gefährte lagen, welche unter den Bedingungen der sozialistischen Mangelwirtschaft entstanden. Hier war private Kompetenz und Initiative gefragt – und es gab sie!

Neben hochkarätigen Prestigewagen wurden so vor allem Brot-und-Butter-Modelle am Laufen gehalten, die wenig Kraftstoff benötigten, aber zugleich eine souveräne und stilvolle Fortbewegung ermöglichten – was DDR-Gewächse definitiv nicht boten.

Ein hübsches Beispiel dafür findet sich auf diesem Foto der 60er Jahre:

NSU-Fiat 1000 mit DDR-Kennzeichen; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Trotz einiger Veränderungen wie den nachgerüsteten Blinkern und dem Außenspiegel lässt sich diese hübsche Zweitürer-Limousine leicht als Fiat 1000 identifizieren, wie er auch im alten NSU-Werk in Heilbronn ab 1934 gebaut wurde.

Die deutschen Ausführungen dieses mit einem drehfreudigen Vierzylinder mit 24 PS motorisierten Fiats sind leicht an den Luftklappen in der Motorhaube zu erkennen. Diese sind auch auf meinem Foto zu erahnen.

Außerdem gibt es hier etwas zu sehen, was mich zum Titel meines heutigen Blog-Eintrags motivierte – ein DDR-Kennzeichen in der typischen Ausführung mit einer Gruppe aus zwei Buchstaben, gefolgt von zwei Gruppen zu je zwei Ziffern.

Im Unterschied zu den Nummernschildern in der Bundesrepublik (nach der Ära der Besatzungskennzeichen) erlauben diese Kennungen keine direkte Ableitung des Zulassungsorts aus den am Anfang stehenden Buchstaben.

Doch gab es neben der erfreulichen Seite der DDR, welcher wir eine im Westen unvorstellbare Zahl an überlebenden Vorkriegswagen verdanken, weitere 89 Seiten, die ich zu schätzen weiß.

Das verdanke ich Leser Reinhard Barthel, der mich dieser Tage mit einer Sendung der besonderen Art erfreute. Er schickte mir einen Nachdruck des „Schlüsselverzeichnis der polizeilichen Kennzeichen für zugelassene Fahrzeuge“, welches vom DDR-Innenministerium zuletzt im Mai 1990 herausgegeben wurde.

Dabei handelt es sich nicht nur um eine der letzten Amtshandlungen der DDR-Bürokratie, sondern zugleich um ein enorm hilfreiches analoges Dokument, das binnen kürzester Zeit die Zuordnung von Nummernschildern zum einstigen Zulassungsbezirk erlaubt.

Ich war von dieser Geste so angetan – vielen Dank an Herrn Barthel an dieser Stelle – dass ich die Gelegenheit dazu nutzte, das Verzeichnis am Beispiel des NSU-Fiat 1000 zu erproben.

Nur wenige Sekunden und ich fand die benötigte Information auf Seite 21: Demnach war der Nummernkreis DP-02-66 bis DP 47-85 dem Bezirk Potsdam zugeordnet – großartig!

Sie sehen nun, was ich – augenzwinkernd- mit den vielen guten Seiten der DDR als Staat meine. Doch die beste bleibt für mich als Wessie immer noch die eingangs erwähnte: die vorbildliche Vorkriegsautoszene, die bis heute unübersehbar fortwirkt.

Ihr verdanken wir das Fortleben so vieler schöner Wagen und sei es nur in Form von Fotos, die den zweiten Frühling von Vorkriegsautomobien nach dem 2. Weltkrieg dokumentieren.

Diese Fahrzeuge waren nicht nur Notlösungen, sie wurden als kostbare Schätze in einer Zeit betrachtet, in der sich die aktuelle Produktion auf traurigem Niveau befand.

Das zweite Foto unseres NSU-Fiat 1000 aus Potsdam in ungestörter Kulturlandschaft mag dies illustrieren – man hatte offenbar schon früh ein Bewusstsein für die besonderen ästhetischen Qualitäten wirklich alter Autos…

NSU-Fiat 1000 mit DDR-Kennzeichen; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Michael Schlenger, 2024. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and https://vorkriegs-klassiker-rundschau.blog with appropriate and specific direction to the original content.

Ist das denn noch „Vorkrieg“? Ein Pontiac Six von 1939

Bisweilen erhalte ich freundliche Hinweise von Lesern, dass sie meine Ausflüge in die Welt der Vorkriegsautos zwar gerne lesen, aber zugleich eine stärkere Konzentration auf die Fragen der Entwicklung, Technik und Gestaltung wünschen.

Anders gesagt: Meine bisweilen mäandernden Hinführungen zum eigentlichen Thema gefallen nicht jedem. Das verstehe ich, kann und will es aber nicht ändern.

Ich verfasse hier keine Auftragsarbeiten, bei denen es irgendjemandes Wünsche zu berücksichtigen gilt – ein Blog ist eine subjektive Ausdrucksform und weil ich die Chose produziere und bezahle, bestimme ich auch Inhalt und Herangehensweise.

Mehr Grundsätzliches dazu in meinem Kommentar zum vorangegangenen Blog-Eintrag. Konkreteres in der Hinsicht heute anhand der Frage „Was ist eigentlich ein Vorkriegsauto?“

Diesen Beitrag hatte ich ohnehin geplant, und jetzt nutze ich die Gelegenheit dazu darzulegen, dass es beim Thema „Vorkriegsautos auf alten Fotos“ nicht um nüchterne akademische Abhandlungen geht – die finden Sie ggf. anderswo (oder auch nicht…).

Vielmehr kommt man oft nicht umhin, sich für eine ganz persönliche Sicht zu entscheiden, Sie zu erläutern und auch zur Diskussion zu stellen.

Jetzt werden manche sagen: Ist doch ganz klar, das hier ist ein Vorkriegswagen:

Adler 18/35 PS „Präsidentenwagen“ des ASC im Juni 2024 in Butzbach; Bildrechte: Michael Schlenger

Dieses herrliche Gefährt durfte ich kürzlich bei einer Ausfahrt des „Allgemeinen Schnauferl Clubs“ (ASC) in meinem Nachbarort Butzbach (Hessen) live erleben.

Wer angesichts eines solchen Meisterwerks des frühen Automobilbaus stur sachlich bleiben möchte, der ist ein armer Tropf, behaupte ich.

Dieses fast 120 alte, einst in den Adlerwerken zu Frankfurt am Main entstandene 18/35 PS-Modell ist eine Erscheinung aus einer anderen, längst untergegangenen Welt. Es in Bewegung zu erleben, ist ein geradezu mystisches Erlebnis.

Die Männer, die es geschaffen haben, die Menschen, die es einst im Alltag erlebten – sie sind allesamt verschwunden so wie weite Teile der Welt von damals – die großartigen und ebenso die verstörenden. Doch der Adler ist noch da, als wäre nichts gewesen.

Noch dazu begeistert der Umstand, dass er von jungen Leuten gefahren wird, wo diese sich doch angeblich nicht mehr für’s alte Blech interessieren. Im vorliegenden Fall weiß ich, dass das reine Erziehungssache ist – schon mit der Bemerkung mache ich mir nicht nur Freunde.

Kein Zweifel: Dies ist ein Vorkriegswagen, denn er verfügt über freistehende Kotflügel, eine klar davon abgegrenzte Hauben- und Kühlerpartie und überhaupt ist er aus einzelnen funktionellen Elementen zusammengesetzt.

Ganz anders dieses Fahrzeug, das ich bei derselben Gelegenheit aufgenommen habe. Es gehört einem ortsansässigen Enthusiasten, den ich nach Jahren wieder einmal zufällig traf. Er entschuldigte sich dafür, dass sein Wagen nicht perfekt sei, doch sehen Sie selbst:

Jaguar XK 120 in Butzbach im Juni 2024; Bildrechte: Michael Schlenger

Ein herrliches Auto – der Jaguar XK120 Roadster – aus meiner Sicht eines der schönsten der späten 1940er Jahre aus europäischer Produktion.

Doch auch wenn es motorenseitig das Aufregendste war, was damals zu bekommen war (2,4 Liter DOHC-Sechszylinder mit 160 PS) wirkt die Form noch von Vorkriegsautos beeinflusst.

Für mich gehört dieses Gerät zu den vollkommensten Beispielen der Synthese des Besten aus der Welt von Gestern und der Moderne. Dass der Jaguar XK 120 Ergebnis einer Nacht-und-Nebel-Aktion war, bestätigt meine Überzeugung, dass die besten Dinge unter großem Druck entstehen – er setzt die wirklich kreativen Kräfte des Menschen frei.

Das war schon wieder so eine unsachliche Behauptung – na und? So geht das nämlich dauernd, wenn man sich mit diesen Skulpturen aus Blech auseinandersetzt, die für manchen der eigentliche Ausdruck künstlerischer Meisterschaft der Neuzeit sind.

Wie schwierig es ist, eine objektive Grenze zwischen Vor- und Nachkriegsautos zu ziehen, das wurde mir (wieder einmal) klar, als ich bei einem kürzlichen Zwischenhalt aus dem Fenster des Hotels am Vierwaldstättersee in der Schweiz schaute:

Wagen des Luxemburger Morgan-Clubs in Beckenried, Juni 2024: Bildrechte: Michael Schlenger

Noch so eine unnötige Schleife in die Gegenwart, zudem aus der Perspektive unseres disziplinlosen Blog-Warts – das denkt jetzt vielleicht einer.

Gewiss, aber bis hier haben Sie doch durchgehalten, oder? Bleiben Sie dran, es geht am Ende schon in die Welt von Schwarz-und-Weiß, auch wenn das Thema sich als schwierig erweisen wird – soviel vorab.

Doch erst einmal nähern wir uns diesen Sportwagen des britischen Traditionsherstellers Morgan, der seit über 90 Jahren im Geschäft ist. Gebaut wurden und werden diese Wagen (teilweise) noch immer in Vorkriegsmanier, also mit blechbeplanktem Holzrahmen.

Das Ergebnis sah und sieht wie folgt aus:

Morgan-Roadster in Beckenried, Juni 2024: Bildrechte: Michael Schlenger

Aha, da haben wir einen in Deutschland zugelassenen Morgan, der sich der Ausfahrt der Luxemburger Kollegen angeschlossen hat, über die ich sonst nichts weiß – alles Zufall.

Mit Vergnügen nutze ich solche Beobachtungen am Wegesrande meines Daseins, um sie in meine Betrachtungen einzuflechten.

Was meinen Sie? Sind das nun Vorkriegswagen oder nicht? Formal sind sie jedenfalls deutlich früher als der 1948er Jaguar XK120 anzusiedeln, irgendwo in den 1930ern.

Doch nicht nur die Nachkriegsmotoren und der Komfort, den die Morgans boten und bieten, machen sie zu Schöpfungen der Nachkriegszeit.

So großartig das Fahrgefühl in diesen Wagen auch sein mag. Eines fehlt ihnen genau wie den zuhauf angebotenen Rekonstruktionen von Vorkriegswagen. Sie waren nicht „dabei“.

Was meine ich damit?

Jeder, der ein Faible für wirklich historische Gegenstände hat, Bücher des Barock, Musikinstrumente des 19. Jahrhunderts oder Artefakte aus dem Jugendstil, kennt die Magie des Antiken und kennt die Frage: Wer mag das einst besessen haben?

Und daran anknüpfend die menschliche Frage schlechthin: Was wurde aus den Besitzern, was ist ihnen in den Katastrophen der Vergangenheit widerfahren?

So, damit sind wir nun endlich dort angelangt, wohin ich eigentlich wollte – aber es ging nur auf diesem Umweg, sonst würde Ihnen das folgende Foto vielleicht banal vorkommen:

Pontiac Six im Mai 1939; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Ja, ist das denn noch ein Vorkriegswagen? Nach den bisherigen Betrachtungen fällt die Antwort wie in vielen existenziellen Fragen ambivalent aus: ja und nein.

Die Frontpartie dieses Autos wirkt bereits wie aus einem Guss, ein Kühler ist eigentlich nicht mehr als eigenständiges Element zu erkennen – die Kotflügel sind nicht mehr freistehend.

Dieser Wagen ist weit näher am Nachkriegs-Jaguar XK 120 als an den optisch auf Vorkrieg getrimmten Morgans – was kein Werturteil sein soll, ich mag die Dinger.

Aber: Der Datierung der Aufnahme nach ist der Fall klar. Das Auto wurde im Mai 1939 fotografiert und sein Konterfei gelangte per Post an die Verwandtschaft in Deutschland – wo es die Zeiten bis in unsere Tage überdauerte, mehr wissen wir nicht.

Entstanden ist dieses Zeitdokument in Fremont im US-Bundesstaat Nebraska, während der Wagen selbst im Bundesstaat Iowa zugelassen war. Identifizieren konnte ich das Auto als Pontiac „Six“ des Modelljahrs 1939 – der Wagen war also noch ziemlich neu.

Was macht diesen Pontiac bei aller Modernität der Erscheinungsform zu einem Vorkriegswagen? Das ist die zeitgeschichtliche Komponente, an der hier kein Weg vorbeiführt.

Denn wir dürfen annehmen, dass etwas mehr als fünf Jahre später – im Juni 1944 – irgend ein Mann, der diesen Pontiac gefahren oder gesehen oder in der Umgebung gelebt hat, an der Landung der US-Truppen in der Normandie beteiligt war.

Dort gab es einen nach der größten Stadt Nebraskas – Omaha – benannten Strandabschnitt. Was sich dort am 6. Juni an Horror auf beiden Seiten abspielte, ist schwer zu erfassen.

Die jungen US-Soldaten liefen aus den Landungsbooten ungedeckt in das deutsche Abwehrfeuer hinein – während ihre Gegner, mit denen sie in manchen Fällen verwandt waren, keine andere Wahl hatten, als die eigenen Stellungen und das eigene Leben zu verteidigen.

Das ist die Assoziation, die nur ein Foto eines Vorkriegsautos auszulösen vermag. Es ist der historische Ballast, den so ein Wagen mit sich schleppt, nicht Technik oder Formgebung.

Daher wird der perfekteste Neuaufbau nie ein Vorkriegsauto werden und umgekehrt ist selbst der erbärmlichste, x-fach umgebaute Überlebende immer noch ein Relikt der Vorkriegszeit.

Michael Schlenger, 2024. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and https://vorkriegs-klassiker-rundschau.blog with appropriate and specific direction to the original content.

Souverän durch’s Chaos: Adler 1,7 & 2 Liter Cabriolet

Als Schulbub hatte ich in der Familie den Ruf als Leseratte weg. Irgendwie hatte ich schon vor der Grundschule zu lesen gelernt – wohl hatte ich meinen älteren Bruder bei den Hausaufgaben genervt, bis er mir verriet, wie das ging.

Ich las alles, dessen ich habhaft werden konnte – erst im heimischen Bücherschrank, später in der Stadbibliothek. Zu den Werken, die neben Archäologie und Science Fiction früh Eindruck bei mir hinterließen, gehörten Gustav Schwabs „Sagen des Klassischen Altertums“.

Darin waren die Mythen der alten Griechen und Römer in komprimierter Form enthalten – wenn ich mich recht entsinne im klassischen Stil von Johann Heinrich Voss (1751-1826). Irgendwann las ich auch dessen komplette Übertragung von Homers Ilias und Odyssee – der Werke, die am Anfang der europäischen Literatur stehen und bis heute fortwirken.

Der König von Ithaka, der mit seiner List den Griechen vor Troja nach 10 Jahren Belagerung zum Sieg verhalf, gehört für mich zu den großartigsten Figuren der Literaturgeschichte. Denn nach der Überwältigung der Trojaner sollte er auf dem Heimweg nach und nach alles verlieren, seine Flotte, seine Kameraden und beinahe das nackte Leben.

10 Jahre irrte er umher, den Launen der Götter unterworfen, nur mit Athene als Verbündeter. Praktisch mittellos landete er schließlich an den heimischen Gestaden.

Wie er von alten Weggefährten erkannt wird und schließlich mit tödlicher Präzision unter den Freiern aufräumt, die seine Frau bedrängen, und am Ende einen einzigen verschont, das gehört zu den atemberaubendsten Episoden in der Literatur.

Souverän durchs Chaos des Daseins – das gilt für meinen Heros Odysseus ebenso wie für das Fahrzeug, das ich heute anhand eines Bilderreigens präsentiere, der Sie am Ende hoffentlich ebenso sprachlos zurücklässt wie mich einst die Lektüre Homers.

Eine ehrgeizige Nummer, werden Sie jetzt denken. Und Sie haben recht: Denn die Modelle 1,7 bzw. 2 Liter des Traditionshauses Adler aus Frankfurt am Main boten neben dem Frontantrieb technisch nichts, was sie irgendwie vor der Konkurrenz auszeichnete.

Und trotz der modern gestalteten Kühlerpartie erschien die Limousinenausführung wenig aufregend – die mittig geteilte Frontscheibe wirkte schroff und der Aufbau abweisend:

Adler 1,7 Liter Limousine; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Gleichwohl hatte der 1936 in dieser Form vorgestellte Adler unzweifelhafte Nehmerqualitäten – der Dulder Odysseus lässt an dieser Stelle das erste Mal grüßen.

Dieses um 1960 entstandene Foto zeigt ein Exemplar mit geschlossener Karosserie und niederländischer Zulassung. Bei der Gelegenheit sei angemerkt, dass die glatten Scheibenräder der einzige Hinweis auf die Motorisierung sind.

Die 1938 eingeführte stärkere 2 Liter-Version ist praktisch nur dadurch zu unterscheiden, dass sie gelochte Felgen besaß. Das sah dann so aus:

Adler 2 Liter Limousine; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Ein nettes Foto irgendwo an einer Tankstelle aufgenommen kurz vor oder nach dem 2. Weltkrieg. Der Adler wirkt hier trotz untadeliger Proportionen immer noch wenig einladend.

Das wird sich gleich ändern, denn auf der mindestens 10-jährigen Odyssee, die ich nun gemeinsam mit Ihnen unternehmen will, begegnet uns der Adler nur noch in der Erscheinungsform als Cabriolet, die eine Klasse für sich war.

Man bekommt eine erste Ahnung davon auf dieser Abbildung:

Adler 1,7 Liter Cabriolet; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Befreit von dem düsteren Dachaufbau präsentiert sich der Adler hier mit einem Mal fast luftig und leicht – die Heiterkeit der jungen Dame davor tut ein übriges.

Sie war offenbar mit der besseren Hälfte unterwegs auf Urlaubsreise und wir begegnen ihr gleich noch einmal.

Hätte ich nicht beide Aufnahmen zusammen erworben, wäre ich vermutlich nie darauf gekommen, dass auch dieses Foto einen solchen Adler zeigt:

Adler 1,7 Liter Cabriolet; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Hier ging es einst hoch hinaus und man konnte sich damals nicht ausmalen, welche Odyssee einem in den nächsten Jahren bevorstand.

Doch bis dahin war man frohen Mutes, denn es ging vermeintlich herrlichen Zeiten entgegen in deutschen Landen – wenn man nicht zum Feindbild der Herrschenden zählte. .

Dieser junge Herr konnte sein Glück kaum fassen, war er doch nicht nur mit einem schicken Adler-Cabrio unterwegs, hier sogar in der sportlichen 2-Fenster-Ausführung – sondern hatte gleich zwei Grazien als Begleiterin – was konnte da noch schiefgehen?

Adler 1,7 Liter oder 2 Liter Cabriolet; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Ob es diese spezielle Ausführung nicht nur für den Adler 1,7 Liter, sondern auch die spätere 2-Liter-Version gab, das werden sicher sachkundige Leser beantworten können (bitte Kommentarfunktion nutzen).

Motorenseitig war man mit der 2-Liter-Ausführung natürlich weit angemessener unterwegs – mit 45 PS statt lediglich 38 PS war nun echtes Autobahntempo möglich.

Das Cabrio bewegte der Kenner freilich bevorzugt auf Landstraßen, wo es entschieden mehr zu sehen gab wie in diesem Fall eine Burg am Rhein:

Adler 2 Liter Cabriolet; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Was könnte einem hier schon die gute Laune verderben – es läuft doch gerade alles so gut, man ist Herr über Raum und Zeit und es gibt kein Hindernis, das man nicht mit List und der notwendigen Härte überwinden könnte, nicht wahr?

So wie Odysseus und seine Kameraden sich in ihrem Sieg über die Trojaner sonnten und nicht an das Morgen dachten, so selbstgewiss wirken diese Herren, die an der Ostfront – ich vermute anno 1939 in Polen – die Relikte zurückliegender Kämpfe besichtigen:

Adler 2 Liter Cabriolet; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Das Adler 2-Liter Cabriolet trägt das deutsche Hoheitszeichen, um nicht der eigenen Luftwaffe zum Opfer zu fallen – ein klares Indiz für die Frühphase des Kriegs, in der umfassende militärische Überlegenheit gegeben war.

Ob das verwahrloste Pferd im Vordergrund kurz zuvor noch als Zugtier für das verlassene Artilleriegeschütz dienen musste, ist ungewiss. Vielleicht hatte jemand es aus Mitleid losgebunden.

Vielleicht gehörte es aber auch zu einem Hof in der Nähe, dessen Bewohner vor der Walze deutschen Vernichtungswillens geflohen waren, der im Osten gnadenlos war.

Im selben Kontext ist folgende Aufnahme zu verorten, die einen im aufgeweichten Boden festgefahrenen Adler 2 Liter des deutschen Heers zeigt – wieder in der Ausführung als 4-Fenster-Cabrio:

Adler 2 Liter Cabriolet; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Grundsätzlich waren die Fronttriebler unter solchen Bedingungen eher im Vorteil. Nicht zufällig wurden nach der Kapitulation Frankreichs anno 1940 zahllose Citroen mit Vorderradantrieb in den Fuhrpark des deutschen Militärs eingegliedert.

Irgendwann im weiteren Kriegsverlauf entstand ein weiteres Foto, das den Adler eines Arztes zeigt – mit Zulassung im Landkreis Turek im besetzten Polen.

Der Name des Bubs auf dem Kühler ist überliefert – er wurde Kläuschen gerufen:

Adler 1,7 Liter oder 2 Liter Cabriolet; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Das schöne Foto darf nicht darüber hinwegtäuschen, wie die polnische Bevölkerung damals unter der deutschen Militärherrschaft litt – speziell Menschen jüdischer Herkunft wurden als Arbeitssklaven ausgebeutet (wie im nahegelegenen Ghetto Litzmannstadt) und in der Spätphase des Kriegs zu Hunderttausenden ermordet.

Das macht nicht jeden Zeitgenossen auf solchen Fotos zum Verbrecher, schon gar nicht die KInder. Doch die Ungeheuerlichkeiten, die im Osten von Deutschen en masse begangen wurden, sollten bis in unsere Tage im Bewusstsein bleiben und zu äußerster Zurückhaltung mahnen, was Belehrungsinstinkte gegenüber den Völkern Osteuropas betrifft.

Irgendwann war der deutsche Siegeszug am Ende, und wendete sich mit ebensolcher Härte und Unerbittlichkeit gegen die einstigen „Herrenmenschen“. Mit den vereinten Kräften der Vereinigten Staaten und der Sowjetunion wurden die deutschen Aggressoren zurückgeschlagen – im günstigsten Fall kehrten sie mittellos heim.

Während Odysseus aus seiner Tragödie am Ende einen Sieg machte, galt es für die Überlebenden des Chaos der Zeit nach 1945 ihr Leben wieder in zivile Bahnen zu lenken.

Nur wenige hatten das Glück, dabei auf einen Überlebenden der automobilen Gattung zurückgreifen zu können – hier wieder ein Adler 2 Liter Cabrio mit österreichischer Nachkriegszulassung:

Adler 2 Liter Cabriolet; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Was kann nach dieser 10-jährigen Reise durch die Wirren der Zeit noch kommen?

Nun, ein Dokument, das positiver ist als das deprimierende Fazit deutschen „Wirkens“ im Osten Europas und anderswo, welches unsere nach dem Krieg formulierte Verpflichtung zum Frieden begründete, aber in diesen Tagen in Vergessenheit zu geraten droht .

Erinnern wir uns nochmals an den tragischen Helden Odysseus, dem erst 10 Jahre nach Kriegsende die Heimkehr beschieden sein sollte – wie einst den letzten deutschen Kriegsgefangenen in der Sowjetunion.

Bei ihrer Rückkehr war die Welt eine andere geworden und man hatte nichts als Kampf und Chaos erlebt – nichts gelernt, was konstruktiv und kreativ war.

Doch zuhause wartete vielleicht jemand auf einen – wie einst Penelope auf Odysseus.

Sie war nach so langer Zeit nicht mehr die Jugendfrischeste, um es vorsichtig auszudrücken. Das Drama der Jahre hatte auch sie gezeichnet und doch: Ihre Zuversicht war unverbrüchlich, dass „Er“ eines Tages zurückkehren wird.

10 Jahre hatte sie gewartet und sie hatte die ganze Zeit über den alten Adler 2 Liter in der Cabrio-Ausführung gehütet – vor den Häschern versteckt, die scharf auf ihn waren.

Damit hatten die beiden einst die schönsten Reisen unternommen und wenigstens das sollte aus der Welt von gestern erhalten bleiben und einen Neuanfang ermöglichen.

So, jetzt lachen sie bitte nicht, denn die Penelope in meiner heutigen Geschichte lebte nicht auf Ithaka, sondern in Schmadebeck im Landkreis Rostock und sie hieß schlicht Rosa Köpcke.

Sie war eine biedere Landfrau, als sie in den 1950er Jahren (oder später) vor diesem Adler posierte.

Adler 2 Liter Cabriolet; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Wir machen uns keine Vorstellung davon, was sie in den Jahren davor erlebt hatte – also stellen wir uns einfach vor, dass an diesem Tag ihr Mann zurückkehrte.

Der Adler ist hier wie aus dem Ei gepellt und zeugt vom menschlichen Willen, dass auch nach dem Chaos irgendwann wieder die schönen Dinge des Lebens Einzug halten sollen – und sei es in Form eines alten Autos, mit dem man gemeinsame Erinnerungen verknüpft…

Michael Schlenger, 2024. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and https://vorkriegs-klassiker-rundschau.blog with appropriate and specific direction to the original content.

Das Rätsel vom Furka-Pass: Wanderer W51/52

Gibt es im Jahr 2024 noch Bahnhofsbuchhandlungen? Ich frage deshalb, weil ich – einst passionierter Bahnfahrer – die deutsche Staatseisenbahn seit gut 10 Jahren mit Ignoranz strafe. Die Gründe dafür sind, sagen wir: vielfältig, und bedürfen keiner Vertiefung.

In meinem früheren Pendlerdasein ergab sich öfters die Gelegenheit, mir die Zeit bis zur Abfahrt im Bücherangebot auf dem Hauptbahnhof zu Frankfurt am Main zu vertreiben. Meist landete ich in der Ecke mit Reiseführern und Kartenmaterial. Doch auf dem Weg dorthin kam ich nicht umhin, die Titel typischer Trivialliteratur zur Kenntnis zu nehmen.

Das ging etwa nach diesem Schema: „Die Mumie aus dem Moor„, „Der Heiler vom Berg“ „Das Grauen im Spiegel“ usw. Sollte ich jemals in die Verlegenheit geraten, meinen Lebensunterhalt mit der Fließbandproduktion von Kriminal-, Geister- oder Ärzteromanen verdienen zu müssen, weiß ich schon einmal, wie man einen zugkräftigen Titel findet.

So sind sie doch auch schon ganz begierig zu erfahren, was es mit dem „Rätsel vom Furka-Pass“ auf sich hat, nicht wahr?

Sie werden es nicht bereuen, darauf hereingefallen zu sein und können sogar eine hübsche Aufgabe lösen, an der ich aus Zeitmangel gescheitert bin. Das ist tatsächlich der einzige Preis, den Sie bisweilen bezahlen müssen, um weiter in den kostenlosen Genuss meiner nächtlichen Berichte aus der Wunderwelt der Vorkriegsautos zu gelangen.

Los geht’s – wir haben noch einen hübschen Weg vor uns, also ist nur Zeit für einen kurzen Schnappschuss, bevor wir uns zum Furka-Pass aufmachen:

Wanderer W51 oder W52; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Na, würden Sie hier bereits Hersteller und Typ des Autos erkennen, dessen Frontpartie so wirkungsvoll in diese Gruppenaufnahme einbezogen wurde?

Rein von der Chronologie her betrachtet, liefert uns der seitlich weit heruntergezogene Kotflügel eine grobe Orientierung. Solche Kotflügel“schürzen“ finden sich erstmals beim amerikanischen Graham „Blue-Streak“ des Modelljahrs 1932.

Schon ab 1933 findet man kaum noch ein deutsches Fabrikat, das etwas auf sich hielt, welches nicht ebenfalls dieses neue Detail aufwies, das einer von vielen kleinen Schritten zur modernen Karosserie war, wie sie noch vor Kriegsende in den Staaten definiert wurde.

Bloß bei der Identifizierung hilft uns diese Beobachtung nicht weiter. Doch vielleicht haben Sie das schemenhaft erkennbare geflügelte „W“ auf der Radkappe des Ersatzrads bemerkt – Hinweis auf einen „Wanderer“ aus dem deutschen Auto Union-Verbund.

Jetzt wissen wir schon einmal, wo wir weitersuchen müssen. Zwei Dinge liefern die entscheidenden Hinweise. Im Unterschied zu den bisher vorgestellten Modellen von Wanderer, zuletzt dem Typ W21 bzw. W22 von anno 1933, wartete der Hersteller ab 1936 mit einem komplett neugestalteten Sechszylinderwagen auf.

Dieses neue Modell W51 (2,3 Liter, 55 PS) bzw. später W52 (2,6 Liter, 62 PS) bot neben autobahntauglicher Dauergeschwindigkeit von deutlich über 100 km/h eine Karosserielinie, die sich am Vorbild damaliger US-Vorbilder orientierte.

Dazu gehörte eine bullige Kühlerpartie, die nichts mehr mit der klassischen Formgebung der Vorgänger gemein hatte. Wie das von vorne aussah? Geduld, wir kommen am Ende dazu.

Erst einmal gilt es, zum Furka-Pass zu gelangen, welcher die Verbindung von der südwestlichen Schweiz in Richtung Andermatt und Gotthard herstellt. Dort sehen wir den eingangs noch etwas scheuen Wanderer nun auf gesamter Länge:

Wanderer W51 oder W52 Limousine; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Moment einmal, mögen Sie jetzt sagen: Der Wagen hat hier ja ganz andere Felgen und auch die Chromradkappen sind abhandengekommen.

Gewiss, aber die beiden Damen sind dieselben wie die in der Mitte auf dem ersten Foto, nicht wahr? Rätselhaft..

Ich habe diese Fotos zusammen mit einem dritten erworben, und sie alle zeigen einen Wanderer W51 bzw. W52 (äußerlich kaum zu unterscheiden) von 1936/37.

Es müssen einige Jahre zwischen den Aufnahmen liegen. Die zusammengewürfelte Kleidung der jüngeren der beiden Damen sowie der Zustand des Autos sehen mir nach früher Nachkriegszeit aus.

Nun fragt man sich: Woher kam dieser Wanderer, als er auf der Furka-Pass in der Schweiz fotografiert wurde?

Einen Hinweis gibt der umseitige Stempel eines Fotoladens aus Schönheide in Sachsen. Das war freilich in der Ostzone, die man auch vor dem Bau der Mauer nicht ohne weiteres verlassen konnte, außerdem brauchte man für so eine Auslandstour rare Devisen.

Sie verstehen nun sicher, warum ich mich für den Titel „Das Rätsel vom Furka-Pass“ entschieden haben – oder Sie haben eine Erklärung, auf die ich nicht gekommen bin.

Den Schlüssel zur Lösung sollte letztlich das dritte Bild aus dieser kleinen Reihe enthalten, das jedoch zugleich ein neues Rätsel aufgibt:

Wanderer W51 oder W52 Limousine; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Was meinen Sie? Ein großartiges Foto auf jeden Fall, meine ich, auch wenn es für mich mehr Fragen aufwirft als beantwortet.

Sicher kann jemand über das Nummernschild herausfinden, wo dieser alte Wanderer zugelassen war. Als Datierung der Situation würde ich „um 1960“ vorschlagen, wobei ich mich vor allem an der Frisur der jungen Dame ganz links orientiere.

Das Auto war zum Aufnahmezeitpunkt rund 25 Jahre alt, es muss aber noch so zuverlässig gewesen sein, dass seine Besitzer ihm eine solche Fernreise in den Süden zutrauten. Dass wir uns irgendwo in einer großen Hafenstadt in Südfrankreich oder Italien – vielleicht Ligurien – befinden, das ist meine vorläufige Einschätzung.

Aber wo entstand dieses Foto wirklich? Das Gebäude im Hintergrund mit den orientalisch anmutenden Spitzbögen sollte den entscheidenden Hinweis geben.

Ich bin gespannt, was an Lösungsvorschlägen für das heutige „Rätsel vom Furka-Pass“ eintrudelt – nutzen Sie bitte dazu die Kommentarfunktion. Und wenn Ihnen auch sonst noch etwas ein- oder auffällt, nur zu!

Michael Schlenger, 2024. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and https://vorkriegs-klassiker-rundschau.blog with appropriate and specific direction to the original content.

Fund des Monats: Der Metallurgique-Maybach

Den Fund des Monats präsentiere ich für gewöhnlich eher sachlich – das fängt schon beim Titel an. Dieser fällt heute dennoch in mehrfacher Hinsicht ungewöhnlich aus.

Erstens verwende ich den bestimmten Artikel, denn es handelt sich um ein unzweifelhaftes Einzelstück. Zweitens vereint das vorgestellte Vehikel zwei Markennamen, die eigentlich nichts miteinander verbindet. Drittens nenne ich kein Baujahr, weil man sich dann für eines der in Frage kommenden Jahre entscheiden müsste: 1907, 1919 oder 1950.

Den echten Kennern der Vorkriegsszene ist dieses in jeder Hinsicht einzigartige Fahrzeug natürlich bekannt. Ich selbst musste eine Weile recherchieren, bevor ich herausfand, was das für ein Auto war, welches auf der folgenden Aufnahme zu sehen ist.

Diese entstand irgendwann in den späten 1950er Jahren in Westdeutschland, wie die Heckpartie eines DKW aus Nachkriegsfertigung und die deutsche Türaufschrift beweist:

Metallurgique-Maybach; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Ungeachtet der furchteinflößenden Dimensionen nähern wir uns diesem Gefährt ganz respektlos und behandeln es wie jeden anderen unbekannten Zeitzeugen auf vier Rädern.

Am Anfang steht – das ist der einfache Part – die Datierung. Die gasbetriebenen Scheinwerfer verweisen schon einmal auf die Zeit vor dem 1. Weltkrieg – ab 1913/14 wurde bei Automobilen der Oberklasse zunehmend elektrische Beleuchtung angeboten.

Das unvermittelte Aufeinanderstoßen der Motorhaube und der Schottwand zum Fahrerabteil verweist auf die Epoche vor 1910. In jenem Jahr starb der englische König Edward VII, der namensgebend für die um 1900 einsetzende Edwardian Era war, die sich in Großbritannien auch auf Autos aus jener Zeit bezieht – die sogenannten „Edwardians“.

Dazu passt der „Aufbau“, der statt einer Karosserie lediglich auf dem Chassis montierte Sitzgelegenheiten umfasst.

Man würde das Erscheinungsbild des Wagens jedenfalls irgendwo zwischen 1905 und 1910 verorten – das wird sich noch als zutreffend und zugleich „nicht ganz richtig“ erweisen.

Unerwartet schwierig wird es, wenn es um die Ansprache des Herstellers geht. Ein sechszackiger Stern auf dem Kühler mit den beiden Großbuchstaben „MM“ darin sollte doch mühelos einem bestimmten Fabrikat zuzuordnen sein, möchte man meinen.

Ist es auch, bloß kam ich erst nicht sofort darauf. Ich hatte mich von dem gedoppelten „M“ auf die falsche Fährte locken lassen. Und nein: „MM“ steht mitnichten für Metallurgique-Maybach, auch wenn es perfekt passt – ein kurioser Zufall, nebenbei.

Zwar war es die belgische Firma Metallurgique, welche ab 1905 das Kürzel „MM“ verwendete, das auf etlichen Bauteilen der damaligen Wagen erscheint. Doch das zweite „M“ stand für den Firmensitz „Marchienne-au-Pont“.

Ebendort hatte man 1907 ein neues Spitzenmodell herausgebracht, welches die Basis des späteren Metallurgique-Maybach darstellen sollte. Die Rede ist vom fast 100 PS leistenden Vierzylindertyp 60/80 CV mit 9,9 Litern Hubraum.

Einer dieser Riesen fand damals einen britischen Käufer und wurde 12 Jahre später – anno 1919 – Gegenstand einer bemerkenswerten „Fusion“. So wurde das Chassis verlängert und der Motor durch etwas ersetzt, was das ursprüngliche Aggregat in den Schatten stellte.

Verbaut wurde ein 6-Zylindermotor aus dem süddeutschen Hause Maybach, der vor dem 1. Weltkrieg als Antrieb für Boote und Luftschiffe gefertigt worden war. Mit gigantischen 21 Litern Hubraum leistete der Motor 180 PS bei einer Drehzahl von weniger als 1500 U/min.

Der in der englischen Grafschaft Norfolk lebende neue Eigner dieser Schöpfung hatte nur zwei Jahre Freude daran – er starb bereits 1921. Fast 30 Jahre schlummerte der Metallurgique-Maybach anschließend einen Dornröschenschlaf.

1951 erfuhr ein ebenfalls in der Region lebender Enthusiast – Gordon Fitzpatrick (1906-1986) von der Wiederentdeckung des Monsters und erwarb es.

Gemeinsam mit einem motorenkundigen ehemaligen deutschen Kriegsgefangenen brachte Fitzpatrick den Wagen wieder zum Laufen und verpasste ihm einen selbstentworfenen Aufbau, da die Ausführung von 1919 nicht mehr nach „Edwardian“ aussah.

Die vom ursprünglichen Metallurgique stammende Haubenpartie wurde beibehalten. Fitzpatrick setzte den 180 km/h schnellen Wagen bei Wettbewerben ein und fuhr außerdem damit durch halb Europa.

Bei einer solchen Gelegenheit muss das heute vorgestellte Foto entstanden sein. Wann und wo genau das war – und wen es am Steuer zeigt – muss bisher offen bleiben.

Der Metallurgique-Maybach wechselte wiederholt den Besitzer, präsentiert sich aber immer noch in dem großartigen Zustand, in den ihn einst Gordon Fitzpatrick versetzt hat. Ob man das Auto nun als echten Edwardian ansieht oder nicht, ist letztlich unerheblich.

Es ist auf jeden Fall ein authentisches Zeugnis vom Weiterleben eines frühen Supersportwagens aus einer Epoche, in der hauptsächlich Hubraum und Haltbarkeit sowie die völlige Furchtlosigkeit der „Insassen“ über die Leistungsfähigkeit bestimmten.

Und nun genießen Sie die Details dieses Fabeltiers, vielleicht werden Sie auch das eingangs erwähnte Kürzel „MM“ dabei wiederentdecken:

Videoquelle: Youtube.com; hochgeladen von Classic Motorcars Holland

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Gut genug für 20 Jahre: Stoewer „Greif“

Genug von den 20er Jahren? Ist es das, was Sie vielleicht denken? Natürlich nicht in Bezug auf die Gegenwart – es ist ja alles perfekt wie nie zuvor in unseren Tagen, nicht wahr?

Aber die 1920er, die werden in meinem Blog vielleicht dem einen oder anderen zuviel. Auch wenn ich diesen unbeabsichtigten Schwerpunkt erklären kann:

Die 30er haben zwar die großartigeren Karosserie-Kreationen hervorgebracht – doch die Markenvielfalt war schon damals infolge der Auslese der Weltwirtschaftskrise arg reduziert.

Gleichzeitig bietet die Frühzeit bis zum 1. Weltkrieg zwar die größte Auswahl an Konzepten und Fabrikaten, doch aufgrund der geringen Stückzahlen ist das noch vorhandene Material nicht so umfangreich – so ergibt sich ein natürlicher Fokus auf die 20er Jahre.

Dennoch soll es heute um eine andere Ausprägung von 20 Jahren gehen – nicht als Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts, sondern schlicht als Zeitraum von 20 Jahren.

Paradoxerweise wird die Welt in diesem Zeitraum zwar einmal auf den Kopf gestellt – doch eine Konstante begleitet uns dabei und bleibt erstaunlich auf der Höhe der Zeit.

Das Auto, das sich als „gut genug für 20 Jahre“ erwies, war der 1935 eingeführte Stoewer „Greif“ – anfänglich als „Greif Junior“ bezeichnet. Die aus der Insolvenzmasse von Röhr übernommene Konstruktion stammte ursprünglich von Tatra und ist kaum noch bekannt:

Ein luftgekühlter Vierzylinder mit 34 PS – war das nicht die Spezifikation des VW Käfer ab den 1960er Jahren? Nur mit dem Unterschied, dass der Hubraum 1,5 Liter statt 1,2 Liter beim VW betrug und der Stoewer „Greif“ nur 100 km/h schnell war – verglichen mit knapp 120 km/h beim Käfer (mein gut eingestellter 1200er schaffte das jedenfalls).

Aber: Anno 1935 gab es den VW nur als Vorserienexemplar und mit sparsamen 22 PS aus 1 Liter Hubraum. Damals war Stoewers Greif also eindeutig das bessere Auto und zudem tatsächlich zu kaufen, wenn auch für den Normalbürger unerschwinglich.

Dass der „Greif“ von Stoewer gut genug für die nächsten 20 Jahre war, das will ich mit einer Bilderserie illustrieren – die entgegen sonstiger Gewohnheit mit wenigen Worten auskommt.

Dabei unternehmen wir zugleich eine Zeitreise durch 20 Jahre deutscher Geschichte. Stellen Sie sich auf einige erstaunliche Begegnungen ein. Den Anfang macht diese elegante Limousine mit Berliner Zulassung:

Stoewer Greif; Originalfoto: Sammlung Klaas Dierks

Das Modell gab es außerdem als schicke Cabriolet-Limousine mit besonders schnittiger Optik, wie an diesem Exemplar aus Süddeutschland zu besichtigen:

Stoewer Greif; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Doch auch ein vollwertiges Cabriolet ohne die feststehenden Seitenteile der Cabriolimousine war zu bekommen – hier ein Beispiel wiederum aus dem Raum Berlin:

Stoewer Greif; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Ein adrettes Automobil war das, finden Sie nicht? Dabei kennt ihn heute kaum einer mehr.

Der Stoewer Greif wurde sogar in einem zeitgnössischen Tankstellenaushang eigens hervorgehoben – und zwar in ziemlich rasanter Form – bei dem es um Kraftstoffe für die damals in Deutschland gebräuchlichen Autotypen ging:

Standard-Reklame mit Abbildung einer Stoewer „Greif“-Limousine; Original: Sammlung Michael Schlenger

Eine weitere Aufnahme aus meinem Fundus zeigt wieder eine im Raum Berlin zugelassene Limousine dieses Typs. Hier gefällt mir vor allem der unzeitgemäße Haarschnitt des jungen Manns auf der Fahrerseite in Verbindung mit der verwegenen Krawatte:

Stoewer Greif; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Ein weiteres hübsches Dokument, das einen Stoewer „Greif“ in Friedenszeiten zeigt, ist das folgende, welches im schlesischen Liegnitz entstand. Zum Aufnahmezeitpunkt ging meine Mutter dort noch auf die Grundschule, während diese junge Dame schon volljährig war:

Stoewer Greif; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Damit hätten wir die ersten fünf Jahre der Karriere des Stoewer Greif abgedeckt.

Zwar endete im Jahr des Kriegsausbruchs 1939 die Produktion des Wagens – Stoewer baute von nun an Militärfahrzeuge – doch das Modell sollte noch ein langes Leben vor sich haben, auch wenn die Umstände denkbar ungünstig waren.

Hier sehen wir nun ein frisch für die Wehrmacht beschlagnahmtes ziviles Exemplar wohl im Jahr 1940 während des deutschen Angriffs auf Frankreich:

Stoewer Greif; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Zwei deutsche Soldaten bei der Morgenwäsche – was hier noch friedlich wirkt, stellt sich beim nächsten Dokument schon ganz anders dar. Hier sehen wir nämlich einen Stoewer Greif inmitten einer deutschen Militärkolonne während des Kriegs gegen die Sowjetunion:

Stoewer Greif; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Wie die Sache ausgeht, wenn es mit deutscher Arroganz gegen die angeblich primitiven Ostvölker geht, scheint heute bei vielen Zeitgenossen in Vergessenheit geraten zu sein.

Deshalb kann man nicht oft genug daran erinnern, was man auslöst, wenn man sich einmal leichtfertig auf die militärische Option (sofern man eine hat..) einlässt.

Daran ändert auch die vermeintliche Harmlosigkeit vieler Privataufnahmen aus Kriegszeiten nichts. Diese hier entstand im Mai 1944 – also vor genau 80 Jahren – irgendwo in Deutschland und zeigt einen Stoewer Greif im Dienst einer Luftwaffeneinheit:

Stoewer Greif; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Zu diesem Zeitpunkt war das Kriegsende nur noch ein Jahr entfernt, doch bis dahin sollte es auf deutscher Seite mehr Opfer geben als im gesamten bisherigen Kriegsverlauf.

Ob der bieder wirkende ältere Militär rechts – wohl ein Veteran des 1. Weltkriegs – „seine Jungs“ nach Möglichkeit schonte oder sie rücksichtslos verheizte, als die Front näherrückte – wer kann das wissen?

Der Krieg entfaltet seine eigene unheilvolle Dynamik – schon allein deshalb gilt es ihn möglichst zu vermeiden, sofern es nicht um das blanke Überleben eines Volkes geht.

Im Mai 1945 – rund 10 Jahre nach Erscheinen des Stoewer Greif – schwiegen zumindest in Europa die Waffen. Nicht allzulange Zeit danach entstand irgendwo in Hessen dieses Dokument, das zeigt, dass das Leben weiterging:

Stoewer Greif; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Selbst im zerbombten und in den letzten Kriegswochen zerschossenen Berlin oder dessen Umland scheint der andere oder andere Stoewer Greif irgendwie überlebt zu haben.

Jedenfalls sehen wir hier ein Exemplar, das 1952 im Grunewald abgelichtet wurde:

Stoewer Greif; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Die Cabrio-Limousine scheint die Kriegswirren gut überstanden zu haben, obwohl das Modell gern für das Militär einkassiert worden war und nur selten heil die Zeit überstand.

Noch bemerkenswerter finde ich aber etwas anderes: Der Wagen wirkt auch auf diesen Nachkriegsaufnahmen keineswegs „aus der Zeit gefallen“ oder einfacher gesagt: veraltet.

Erinnern wir uns: Anfang der 1950er Jahre war der VW Käfer nach mühsamem Beginn dank britischer Starthilfe allmählich ins Laufen gekommen. Aber damals war er immer noch dem Stoewer in vielen Belangen unterlegen.

Neben der besseren Motorisierung bot der Stoewer auch hydraulische Bremsen, während der Volkswagen – wenn ich mich nicht irre – noch mit seilzugbetätigten Bremsen unterwegs war. Natürlich funktioniert das, aber es hat schon seinen Grund, weshalb sich die Hydraulikbremse ab den 1920er Jahren – da sind sie wieder! – durchzusetzen begann.

Wie gut der Stoewer Greif auch nach 20 Jahren noch in die Zeit passte – von seiner Eleganz her – das illustriert das für heute letzte Foto, das Mitte der 1950er Jahre entstand:

Stoewer Greif; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

So sehr ich meinen Käfer für seine langjährigen Alltagsdienste (er gab erst bei 220.000 km mit erstem Motor auf) schätzte, könnte ich mir vorstellen, dass nach dem 2. Weltkrieg genausogut der Stoewer Greif das Rennen hätte machen können.

Doch das Werk in Stettin war ein Opfer des Kriegs geworden und nicht auf Großserienproduktion ausgelegt gewesen. Nur 4.000 Wagen des Stoewer Greif wurden zwischen 1935 und 1939 gebaut.

Eine ganze Reihe davon haben wir heute auf ihrem Weg durch die Zeiten begleitet und man darf wohl das Fazit ziehen, dass diese Konstruktion ohne weiteres „gut genug für 20 Jahre“ war, ohne dabei irgendwie alt auszusehen.

Sehen Sie es mir nach diesem Ausflug durch bewegte Zeiten nach, dass mich der nächste Blog-Eintrag wieder in die 20er Jahre zurückführt. Das ist auch nicht meine Schuld, vielmehr will der nächste Abschnitt der „Beckmann-Spurensuche“ angegangen werden…

Michael Schlenger, 2024. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and https://vorkriegs-klassiker-rundschau.blog with appropriate and specific direction to the original content.

Schnappschuss auf dem Heimweg: Dixi DA1 3/15 PS

Sollten Sie Anstoß an den oft auf Effekt bemühten Überschriften nehmen, mit denen ich meine Blog-Einträge einzuleiten pflege, dann haben Sie recht. Ich bin diesbezüglich selbst mein schärfster Kritiker.

So ist die Bezeichnung „Schnappschuss“ für das Foto, das ich heute zeigen möchte, die Untertreibung des Jahres – bisher jedenfalls. Tatsächlich handelt es sich um ein kleines Meisterwerk.

Das gilt für das abgebildete Auto ebenso wie für die Inszenierung, die irgendwann um 1950 entstand. Wann genau und wo das war, ist mir nicht bekannt. Die Rückseite des Abzugs trägt den Stempel eines Fotoladens aus Hofheim am Taunus – nicht allzuweit von meinem Heimatort Bad Nauheim in Hessen.

Doch natürlich kann die Aufnahme überall entstanden sein. Dem darauf abgelichteten Auto waren trotz nur 15 PS Leistung nahezu keine Grenzen gesetzt. In England in der ersten Hälfte der 1920er Jahre als Austin 7 entstanden, fand das enorm populäre und wie Fords Model T unverwüstliche Automobil seinen Weg auch in deutsche Lande.

Die Rede ist von der Lizenzproduktion durch die altehrwürdige Eisenacher Fahrzeugfabrik unter der Marke Dixi, welche Ende 1927 begann.

So – jetzt stellen Sie sich vor, Sie gehören zu besseren Gesellschaft in der frühen Nachkriegszeit – sagen wir um 1950. Sie sind bei Leuten auf dem Land eingeladen, die es schon wieder zu Wohlstand gebracht haben oder diesen durch den Krieg retten konnten.

Zumindest das repräsentative zweistöckige Wohngebäude aus dem 19 Jh. mit weitläufigem Garten und gekiestem Vorplatz ist erhalten geblieben und von der Beschlagnahme durch Bonzen des NS-Regimes, Bombenangriffen oder randalierenden Besatzungstruppen verschont geblieben.

Für ein Abendessen mit Kammermusik und Gesang reichen die Mittel und Beziehungen – dass der alte Flügel in den im Winter ungeheizten Räumen verstimmt ist, tut der Stimmung der Gäste selbst keinen Abbruch.

Auch für geistige Nahrung in flüssiger Form ist gesorgt und bis Tagesanbruch wird „getagt“. Draußen ist es noch kühl, doch die Sonne scheint und man macht sich irgendwann auf den Heimweg.

Dabei ergibt sich bei einem jungen Paar, das zu den Teilnehmern der Festivität gehörte, der spontane Wunsch, die denkwürdige Situation inklusive dunklen Augenringen festzuhalten.

Was sucht man sich dazu als dekorativen Hintergrund aus? Schauen Sie einfach selbst:

Dixi Typ DA 1 3/15 PS; Originalfoto der frühen Nachkriegszeit (Sammlung Helmut Kasimirowicz)

Ist es eigentlich völlig daneben, wenn ich hemmungslos begeistert bin von dieser Selbstinszenierung? Für mich ist das eines der eindringlichsten Autoportraits seit langem und es freut mich diebisch, dass ich es für einen einstelligen Betrag bei ebay abstauben konnte.

Der Dixi DA 3/15 PS war als Triumph Gloria von 1935 angepriesen worden, weshalb er bei den Dixi-Enthusiasten durchs Suchraster gefallen war. Da ich „offen“ suche – also alles anschaue, was es in der Billigfraktion an alten Fotos zu kaufen gibt – machte ich das Rennen.

Über diesen Fund freue ich mich diebisch, zumal ich weiß, dass ich damit einem besonderen Oldtimer-Kameraden eine Freude machen kann, in dessen „Beuteschema“ dieser Dixi DA1 3/15 PS von Ende der 1920er Jahre perfekt passt.

Die Identifikation gelingt anhand des schemenhaft erkennbaren alten Dixi-Emblems, das einen vorwärtsstürmenden Kentauren zeigt:

Wo der Wagen mit Kennzeichen aus der amerikanischen Besatzungszone Hessen (ab 1948) zugelassen war, dies festzustellen überlasse ich gern meinen Lesern. Auf das Ergebnis bin ich sehr gespannt! – Nachtrag: Wiesbaden!

Mir ist jetzt aber noch etwas anderes wichtig. Irre ich mich, oder hat unser Paar hier ein Selbstporträt mit zeitverzögertem Auslöser gemacht?

Eine Möglichkeit ist, dass „sie“ hier den Abzug in der linken Hand hält – man sieht allerdings das Übertragungskabel nicht.

Eine andere besteht in einem mit Zeitverzögerung arbeitenden Selbstauslöser, und die beiden wussten, nach wievielen Sekunden die Blende betätigt und das Negativ belichtet wird. Dann könnte ihre Handhaltung Ausdruck der Spannung sein, während der Selbstauslöser ablief.

Wie interpretieren Sie die Szene? Habe ich etwas übersehen? Bitte hinterlassen Sie einen Kommentar, wenn Sie eine Idee dazu haben. Auch ich habe bisweilen einen Tunnelblick.

So kann ich diese Informationen (also auch die zur Zulassung und vielleicht sogar zum Aufnahmeort) – dem Foto mit auf den Heimweg geben. Ja, Sie haben richtig gelesen.

Wie angekündigt sind wir hier Zeuge eines wunderbaren Dokuments „auf dem Heimweg“ – von der Party wie auch zu der Person, welche solchen Zeugen des deutschen Austin-Lizenzbaus Dixi DA1 3/15 PS eine ideale Heimstatt gibt.

Gemeint ist Helmut Kasimirowicz aus Düsseldorf, dem wohl hierzulande bekanntesten Enthusiasten, was dieses letzte Dixi-Modell betrifft, und Betreiber einer einschlägigen Website, die schier unerschöpfliches Material dazu zugänglich macht.

Meine Lieblingskategorie dort sind die historischen Reiseberichte. Besonders gut gefällt mir die Aufbereitung einer Italienfahrt im Dixi DA1 anno 1932.

Während das heute gezeigte Foto nun im Original die Heimreise antritt und bald in Helmut Kasimirowicz‘ Sammlung ihr Zuhause findet, mache ich mich am Wochenende selbst nach Italien auf – zwar nicht im Vorkriegsauto, aber mit derselben Reisefreude wie einst.

Es wird im Blog ein paar Tage keine neuen Einträge geben, aber kommende Woche funke ich dann direkt aus dem Süden. Der Mai in Umbrien mit seiner Blütenpracht ist eine Zeit, die alles vertreibt, was einen sonst im Alltag plagen mag. Daran will ich Sie gern teilhaben lassen…

Michael Schlenger, 2024. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and https://vorkriegs-klassiker-rundschau.blog with appropriate and specific direction to the original content.

Mühelos vom Gestern ins Heute: Fiat 1100

Die Zeit zwischen Weihnachten und dem Jahreswechsel ist für viele eine besondere. Einmal doch soll die Uhr langsamer gehen, wenn schon nicht stillstehen.

Liegengebliebenes ohne Hektik erledigen, Zeit mit Freunden, Kindern und Haustieren zubringen oder vielleicht gar nichts im eigentlichen Sinne tun – allenfalls ein Buch lesen, Musik hören oder: sich Gedanken machen.

Ich habe zwar noch einiges an Arbeit zu erledigen, aber bevor Sie mich bedauern: das erledige ich von meinem Refugium im italienischen Umbrien aus. Als Schreibtischtäter bin ich in der glücklichen Lage, von überall aus arbeiten zu können, Internetanschluss vorausgesetzt.

Seit November verfügt das Häuschen auf 600 Meter Höhe über eine Antenne, welche mir ebenso rasanten Internetverkehr wie daheim ermöglicht – ohne Glasfaser-Hokuspokus, horrende Grundgebühren usw. Berechnet wird nur der Verbrauch. Der Anbieter ist auf Ferienimmobilien spezialisiert und ein Musterbeispiel für italienische Infrastrukturkompetenz.

Das hat eine Tradition, die weit zurückreicht – der Nachbarort Spello bezieht sein hervorragendes Trinkwasser noch heute über einen kilometerlangen römischen Aquädukt. Wer mag, kann sich dort außerdem kostenlos für den Privatbedarf abzapfen, was er möchte.

Wieso ich den vermeintlichen Umweg über die Antike ins Hier und Jetzt wähle, wo es doch bloß etwas vom Fiat 1100 der späten 1930er Jahre zu erzählen gibt? Nun, das sehen Sie noch.

Vielleicht haben Sie sich dieser Tage ja in einem nachdenklichen Moment bei dem Gefühl erwischt, dass Ihnen das Heute zunehmend fremd wird, Gewohnheiten zum Problem werden, Gewissheiten zertrümmert daliegen.

Viele meiner Leser können auf einige Jahrzehnte zurückblicken und ich kann mich an eine überwiegend heile Welt der 1970/80er Jahre (in Westdeutschland) zurückerinnern. Damals konnte sich eine vierköpfige Familie mit einem Gehalt ein eigenes Haus mit Garten, zwei Autos und einen Urlaub im Süden leisten.

Zwar ging es nicht mehr so rasant aufwärts wie in der Wiederaufbauzeit und es gab schwierige Phasen mit hoher Inflation, hohen Zinsen und Arbeitslosigkeit. Doch über kurz oder lang bekam die damals nur wenig gegängelte Marktwirtschaft wieder die Kurve.

Der Kalte Krieg war zwar allgegenwärtig, aber das Vertrauen auf die gegenseitige Abschreckung überwog. Trotz enorm hoher Militärbudgets blieb den Leuten genug vom Einkommen und ansonsten hat man sie ihr Alltagsleben leben lassen.

Warum erzähle ich das ? Weil einem angst werden kann bei dem Tempo, mit dem diese Welt von gestern verschwindet und die von heute ihr zunehmend autoritäres und zunehmend hässliches Antlitz zeigt.

Wir vergewissern uns heute, dass der Abstand zwischen gestern und heute gar nicht so groß sein muss, dass sich mühelos beides vereinbaren lässt. Bei der Beschäftigung mit Vorkriegsautos kann das sogar gelingen, wenn diese selbst schon längst verschwunden sind.

Nach dieser langen Vorrede können Sie sich jetzt hier visuell erholen, hoffe ich:

Assisi (Umbrien), Piazza del Comune; Postkarte der späten 1940er Jahre; Sammlung Michael Schlenger

Hier stehen wir auf dem zentralen Platz der berühmten Pilgerstadt Assisi, in welcher seit dem Mittelalter der Heilige Franziskus verehrt wird. Der verdient das auch dann, wenn man nicht dem christlichen Glauben anhängt – seine Faszination ist jedenfalls ungebrochen.

Das kleine Assisi verdankt seinen enormen Reichtum an Kunstschätzen der Anziehungskraft von San Francesco und der Tatsache, dass sich die Stationen seines Lebens mit bestimmten Orten und Bauten verbinden, die alle noch existieren.

Als Goethe 1786 auf seiner ersten Italienischen Reise Assisi besuchte, begeisterte er sich indessen nur für ein Gebäude: den herrlichen Minervatempel aus der römischen Kaiserzeit. Dessen Fassade ist das Kronjuwel in dieser Platzanlage – da mag der angrenzende mittelalterliche Torre del Popolo noch so hoch sein.

Und so wie römische Tempel einst auf das Forum von „Asisium“ ausgerichtet war, so wacht er auch auf dieser Aufnahme auf den neuzeitlichen Treffpunkt der Bürger:

Schon hier relativiert sich der Abstand zwischen dem Gestern und Heute auf erstaunliche Weise – eine Kontinuität, wie sie sich in Italien vielerorts erhalten hat.

Das gilt vor allem für Regionen wie Umbrien, durch die zwar immer wieder Eroberer zogen, in denen aber kein nennenswerter Bevölkerungsaustausch stattgefunden hat. Diese Aufnahme ist übrigens zu einem Zeitpunkt entstanden, kurz nachdem die Region das letzte Mal Ort kriegerischer Auseinandersetzungen gewesen war.

Der Kleidung nach zu urteilen, ist die Situation in den späten 1940er Jahren aufgenommen worden – zu einer Zeit, als noch ausschließlich Vorkriegsautos verfügbar waren. Die Leute sind alle gertenschlank, hier und da haben die Anzüge der Herren mehr „Luft“ als erforderlich.

Noch kurz zuvor war die Region Kriegsgebiet. Zwar hatten die Italiener es 1943 geschafft, das Mussolini-Regime zu kippen und Deutschland die Waffenbrüderschaft aufzukündigen. Doch so richtig das strategisch war, so schmerzhaft waren die unmittelbaren Folgen:

Erstens behandelte die deutsche Wehrmacht die ehemaligen Kameraden nun als Feinde und unzählige italienische Soldaten wurden als Zwangsarbeiter nach Deutschland deportiert. Zweitens wurden in den von deutschen Truppen kontrollierten Gebieten Italiens rigide alle Ressourcen geplündert, um die Kriegsmaschine am Laufen zu halten.

Und drittens nahmen die aus Süden vorrückenden alliierten Truppen nur wenig Rücksicht auf die italienische Zivilbevölkerung. So waren nun auch die Italiener wehrlos angloamerikanischen Bomberangriffen ausgesetzt, die weder Zivilisten noch Architektur schonten.

Außerhalb Italiens ist dieses dunkle Kapitel kaum bekannt, doch aus eigener Anschauung weiß ich, dass die Erinnerung an die vielen Opfer und oft irreparablen Schäden immer noch wach ist und die Jahrestage der Bombenangriffe würdevoll begangen werden.

Assisi ist nur deshalb verschont worden, weil es einem deutschen Offizier gelungen war, die Stadt gegenüber den Alliierten als Lazarettort auszuweisen, an dem auch gegnerische Verwundete behandelt wurden. Das hat die Stadt tatsächlich vor Zerstörungen bewahrt. Eines der Beispiele für ehrenhaftes Verhalten auf deutscher Seite, an die man auch erinnern muss.

Kurz nach dem Krieg wurde dieser Oberst Valentin Müller für seine Tat in Assisi geehrt – und genau in diese Zeit fällt das heute vorgestellte Foto, welches eine heilgebliebene Welt zeigt.

Die Bürger von Assisi konnten sich glücklich schätzen, sie waren davongekommen. Beim Davonkommen hilfreich war auch der Besitz eines Automobils, doch davon gab es nicht viele. Die Wehrmacht hatte die meisten beschlagnahmt und viele wurden zerstört.

Hier haben wir ein Beispiel dafür – ein blutjunger deutscher Soldat posiert irgendwo an der Südfront mit „seinem“ Fiat 1100:

Fiat 1100 im Dienst der Wehrmacht; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

So repräsentierte die Fiat-Limousine in Assisi kurz nach dem Krieg bereits einen Luxusgegenstand. Dabei handelte es sich nur um das 1937 eingeführte Mittelklassemodel 1100 („Millecento“), das auch in Deutschland als NSU-Fiat gebaut wurde.

Bilder und Beschreibungen dieses in seiner Klasse ganz ausgezeichneten Wagens finden sich zuhauf in meinem Blog.

Daher will ich heute gar nicht weiter darauf eingehen, nur auf eines sei hingewiesen: Man erkennt an dem Wagen in Assisi vertikale Türgriffe – ein Merkmal der in Italien gebauten Ausführungen des „Millecento“, welches die deutschen Varianten nicht besaßen.

Ganz schön viel Geschichte und ganz schön wenig Auto. Stimmt, aber vergessen Sie nicht: Ich schreibe hier, was mir in den Sinn kommt und Sie müssen nichts dafür bezahlen.

Da nimmt man schon mal kulturhistorische Abschweifungen und subjektive Sichtweisen auf dies und das in Kauf, nicht wahr? Aber letztlich geht es immer darum, den Zauber von gestern ins heute zu transferieren, das wollen Sie doch auch, oder?

Genau das dachte ich mir heute morgen.

Die Sonne schien, die Arbeit war bald erledigt, sodass ich am Nachmittag nach Assisi aufbrach. Das Städtchen war voller Menschen, doch das waren keine Pilger oder Touristen, sondern einheimische Ausflügler, die sich in der Zeit nach Weihnachten ein paar Tage mit der Familie gönnen und sich der Schönheit ihrer Heimat vergewissern.

Ich war zuversichtlich, dass es mir gelingen würde, den Beweis dafür sicherstellen zu können, dass das Gestern und das Heute mühelos zusammengehen – hier ist er:

Assisi (Umbrien), Piazza del Comune, 27.12.2023; Bildrechte: Michael Schlenger

Hätte ich eine Leiter gehabt, hätte ich die Aufnahmeperspektive ganz exakt nachstellen können – es ist noch alles da, sogar die prächtigen schmiedeeisernen Kandelaber.

An der Bausubstanz hat sich trotz einiger Erdbeben nullkommanichts geändert, außer dass behutsame Restaurierungen stattgefunden haben.

Wo einst der Fiat 1100 parkte, standen heute die Reste eines Weihnachtsmarkts, aber auch die weichen bald wieder der makellosen Schönheit dieses über einen Zeitraum von rund 1.500 Jahren organisch gewachsenen Platzes.

Neu ist nur, dass man nun unterhalb des heutigen Platzes auf Teilen des römischen Forums wandeln kann. Dort kann man sogar den perfekt erhaltenen Sockel des Minervatempels besichtigen, der ja einst wesentlich höher war, als er heute wirkt.

Gestern und heute liegen hier nur wenige Meter auseinander – diesmal in der Vertikalen.

Wem das jetzt immer noch zuviel Kulturgeschichte und Schwärmerei war, der mag endlich Genugtuung im folgenden Porträt eines noch heute munter umherfahrenden Fiat 1100 finden – wenn auch in Form ders ab 1939 gebauten Variante „Musone“.

Solche modellspezifischen Details verblassen angesichts der Harmonie, welche sich auch hier wieder im Nebeneinander historischer Städte und Vorkriegsautos zeigt. Und das ist die eigentliche Botschaft meines heutigen Blog-Eintrags.

Wir müssen die großartigen Seiten des Gestern in die zunehmend unwirtliche Welt des Heute hinüberretten, sie pflegen und beschützen. Und wir müssen uns den Kräften und Tendenzen entgegenstellen, die unsere Landschaften und Städte, unsere Sprache und unsere bürgerlichen Traditionen bedrohen .

In Italien hat die Moderne auch viele Spuren hinterlassen, vor allem im Norden. Aber es gibt sie, die Provinzen und Bürgerschaften, die ihr phänomenales kulturelles Erbe zu schätzen und zu schützen wissen – sich ihre Identität nicht rauben lassen.

Wenn wir das nicht selbst auch tun, dürfen wir uns nicht beklagen, wenn uns die Gegenwart zunehmend fremd wird und entgleitet. Mühelos vom Gestern ins Heute gelangen, das sollte auch gelingen, ohne unverbesserlicher Nostalgiker oder verschrobener Romantiker zu sein.

Das moderne Italien kann in der Hinsicht ein Vorbild sein – es ist nicht perfekt, aber ich wüsste kein Besseres, um zu erkennen, wie man mühelos vom gestern ins heute gelangt…

Michael Schlenger, 2023. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and https://vorkriegs-klassiker-rundschau.blog with appropriate and specific direction to the original content.   

In ehrenwerter Gesellschaft: Ein Oldsmobile von 1928/29

Eine Gesellschaft, die sich das Attribut „ehrenwert“ anheften muss, wird es wohl nötig haben. Ähnliches gilt für Einrichtungen, bei denen ausdrücklich betont wird, wie demokratisch sie doch sind.

Eine Republik beispielsweise hat das nicht nötig, wenn sie tatsächlich „Sache der Öffentlichkeit/Allgemeinheit“ ist, denn genau das meint der lateinische Begriff der „res publica“. Zwar war die antike römische Republik keine wirkliche Demokratie, aber sie behauptete es im Unterschied zur seligen DDR beispielsweise auch nicht von sich.

Mein Favorit auf dem Sektor ist ohnehin der „Demokratische Aufbruch“ – eine ostdeutsche Parteineugründung aus dem Jahr 1989. Ihr Mitbegründer und Vorsitzender war „freier Mitarbeiter“ der staatlichen Geheimpolizei (Stasi). Weitere interessante Personalien können Sie selbst recherchieren.

Dass sich immer wieder Leute für Verwendungen finden, bei denen es oberflächlich einwandfrei zugeht, die aber tatsächlich ganz andere Zwecke verfolgen, das ist eine Konstante in der Geschichte.

Wichtig für die Beteiligten scheint zu sein, dass man sich um einem seriösen Anstrich bemüht, bisweilen legt man sich sogar einen Ehrenkodex zu. So gilt es bei der Mafia als tabu, sich an unbeteiligten Familienmitgliedern von Rivalen zu vergehen.

Sie fragen sich, was das mit Vorkriegsautos zu tun hat?

Ganz einfach, auf solche Gedanken kam ich, als ich das wohl ehrenwerte Personal auf dem folgenden Foto studierte, welches ich vor einiger Zeit im Rahmen eines Konvoluts aus (Süd)Osteuropa erwarb:

Oldsmobile von 1928/29; Originafoto: Sammlung Michael Schlenger

Der Tourenwagen auf der Aufnahme mit dem attraktiven Zweifarbschema und dem markanten Zierstreifen an der A-Säule war rasch als Fabrikat des US-Herstellers Oldsmobile aus dem Modelljahr 1928/29 identifiziert.

Dieses Sechsylindermodell mit rund 60 PS Leistung wurde für amerikanische Verhältnnisse zwar in überschaubaren Stückzahlen von weniger als 100.000 Exemplaren pro Jahr gebaut, aber das genügte natürlich, um quasi nebenher auch den europäischen Markt zu bedienen.

So findet sich ein solcher Oldsmobile als Nebendarsteller auch auf dem folgenden Foto, auf dem eigentlich ein Studebaker „Special Six“ im Mittelpunkt steht (Porträt siehe hier).

Studebaker „Special Six“ und Oldsmobile von 1928/29 (links); Originalfoto aus Familienbesitz (via Johannes Kühmayer, Wien)

Interessanter als den Oldsmobile – der nur einer von vielen Vertretern der US-Autoindustrie war, die Ende der 1920er Jahre den ungestillten Bedarf in Europa deckten und in Deutschland heute unvorstellbare Marktanteile gewannen – finde ich freilich die Umstehenden auf diesem Foto.

Ich nehme an, dass die Szene irgendwo in Südosteuropa kurz nach dem 2. Weltkrieg fotografisch festgehalten wurde, wohl noch vor Ende der 1940er Jahre.

Sie zeigt einige prächtige Charaktere, denen ich gleichwohl keinen Oldsmobile abkaufen würde, selbst wenn er so solide erschiene wie auf dieser Aufnahme. Zu den Herren auf diesem Dokument folgen gleich meine spontanen – augenzwinkernden – Assoziationen:

Ganz links haben wir womöglich einen ehemalige Partisanen und nun zum Zigaretten- und Schnapsschmuggler aufgestiegenen sehr geschäftstüchtigen und geschmeidigen Zeitgenossen.

Neben ihm vor dem Kühler des Oldsmobile sehen wir den vielleicht einzigen halbwegs vertrauenswürdigen Vertreter – wobei dieses Urteil sich hauptsächlich auf seine offensichtliche Zuneigung zu dem kleinen Hund stützt – auf dem Balkan ist solches bis heute leider keine Selbstverständlichkeit.

Der Soldat neben ihm wirkt von der Uniform abgesehen wenig militärisch – das mag man sympathisch finden, dennoch scheint er mir ein zwielichtiger Charakter zu sein, der sich nicht in die Kamera zu schauen traut.

Sein Vorgesetzter – als einziger im Wagen thronend – wirkt auf mich geradezu operettenhaft.

Ihn ihm könnte man einen korrupten Offizier sehen, der Waffen auf eigene Rechnung weiterverschiebt und gegen Barzahlung Freistellungen vom Militärdienst gewährt – so etwas soll es auch in unseren Tagen geben. Verständlich, aber eben nicht korrekt.

Wie die beiden „Damen“ auf dem Foto einzuordnen sind, das fällt mir schwer zu bestimmen:

Schick ist sie ja schon gekleidet, die junge Frau direkt neben dem Auto, doch hat mir meine Mutter eine gesunde Skepsis gegenüber Menschen mit niedriger Stirn mit auf den Weg gegeben – eine Maxime, mit der ich bislang gut gefahren bin.

Die Gute scheint tatsächlich nicht die Hellste zu sein, was freilich vielen Herren der Schöpfung eher entgegenzukommen scheint, die sich von klugen und gebildeten Weibsbildern eher bedroht als angezogen fühlen.

Was von der älteren Frau neben der etwas kariert dreinschauenden Maid zu halten ist? Zu Ihr fällt mir wenig ein als irgendetwas mit „Schwiegermutter“. Ich könnte sie mir aber auch in fragwürdige Geschäfte verwickelt vorstellen, denn sie strahlt hier etwas Verschlagenes aus.

In Frage kommende Berufsbilder überlasse ich ihrer Fantasie, denn das ist ein schlüpfriges Gelände und wir legen doch Wert auf gute Traktion auch bei Vorkriegautos, nicht wahr?

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Vorkriegsautos im Nachkriegs-Capri

Auf den Titel meines heutigen Blog-Eintrags bin ich besonders stolz – denn bei wer weiß wievielen Lesern beginnt beim Stichwort „Nachkriegs-Capri“ gleich das Kopfkino und transportiert sie zurück in die 1970/80er Jahre.

Auch wenn sie damit das Thema um Längen verfehlen – eine lässliche Sünde. Gehört doch der „Capri“ aus dem Hause Ford zu den attraktivsten Nachkriegskreationen des längst auf dem absteigenden Ast befindlichen Pioniers der Massenmotorisierung.

Ich kann sogar mit eigenen Erinnerungen dazu aufwarten. Ein Klassenkamerad kaufte sich als ersten Wagen einen orangefarbenen Capri 2 mit 3 Liter-Sechszylindermotor.

Die Aussicht von innen auf die lange Motorhaube kann ich noch ebenso abrufen wie die Tatsache, dass das Gerät über eine blattgefederte Hinterachse verfügte. Für uns Vorkriegsfreunde ein vertrautes Detail – für Ford dagegen kein Ruhmesblatt.

Dennoch ist der Capri unvergessen, in meinem Fall auch deshalb weil besagter Schulkollege ihn alsbald aufs Dach legte. Ein Beifahrer hätte das nicht überlebt…

Meine zweite Capri-Erinnerung reicht rund 30 Jahre zurück. Ich hatte als Student zwar wenig Geld, aber für sündteure Italienurlaube hatte ich stets genug zusammengespart. So ging es einst im Schlafwagen über Rom nach Neapel und von dort mit dem Bummelzug „Circumvesuviana“ nach Sorrent, das der Insel Capri gegenüberliegt.

Während meiner zwei Wochen Aufenthalt in dieser himmlischen Gegend, welche die legendär schöne Amalfiküste umfasst, musste auch eine Überfahrt nach Capri sein.

Dort wollte ich damals die Reste der Villa des römischen Kaisers Tiberius besichtigen, die man zu Fuß erreichen kann. Dazu galt es freilich, den kleinen Hauptort der Insel zu durchqueren, der eigentlich immer von Touristen aus aller Welt bevölkert ist.

Dort hielt es mich nicht lange, ich nahm die berühmte „Piazetta“ mit der winzigen Kirche Santo Stefano nur am Rande wahr und wanderte weiter.

Von der Tiberiusvilla aus lässt sich die Insel übrigens auf schmalen alten Pfaden in erstaunlicher Einsamkeit umrunden – man muss nur den rechten Abzweig finden und die grandiose Küste bis zu den berühmten Faraglioni gehört einem fast allein.

Heute, viele Jahre später, bin ich wieder auf der Piazetta gewesen – im Nachkriegs-Capri anno 1950. Klingt chronologisch etwas merkwürdig, und ist in einem Vorkriegsauto-Blog zusätzlich irritierend. Aber sehen Sie selbst:

Vorkriegswagen auf Capri im Jahr 1950; Originalfoto: Sammlung Michael Schlenger

Was auf den ersten Blick chaotisch wirkt, entpuppt sich bei näherer Betrachtung als ein Kleinod. Es reicht, an der eigentümlichen Kirche Santo Stefano auf der Piazetta von Capri-Stadt vorbeigehuscht zu sein, um sie auch nach langer Zeit wiederzuerkennen.

Eine kurze Bildrecherche bestätigte: Diese auf 1950 datierter Abzug aus einem Berliner Fotogeschäft erzählte von einem Aufenthalt deutscher Reisender auf Capri fünf Jahre nach Ende des 2. Weltkriegs.

Damals waren die Wunden auf beiden Seiten noch längst nicht verheilt. Italien war durch die Ausplünderung für die deutsche Kriegswirtschaft ab 1943 verarmt und zigtausende Italiener hatten Zwangsarbeit in Deutschland leisten müssen.

Und dann kamen just fünf Jahre nach Kriegsende wieder Deutsche ins Land. Nach allem, was ich weiß, überwog auf italienischer Seite der gesunde Geschäftssinn und oft wohl auch natürliche Gastfreundschaft.

Aber selbstverständlich war das nicht, dass man die Deutschen es in der Regel nicht spüren ließ, dass viele ihrer uniformierten Landsleute kurz zuvor noch Gegner und Ausbeuter waren. Rühmliche Ausnahmen gab es freilich auch und sie genießen bis heute großes Ansehen.

Zurück ins Jahr 1950 nach Capri und hinein ins chaotische Treiben, das ein Pier Paolo Pasolini damals kaum hätte besser mit der Kamera einfangen können:

Hier trifft alles zusammen: Die ältere Generation, die elegant gekleidet im Schatten flaniert, und der drahtige junge Bursche, der im Unterhemd über die sonnendurchflutete Straße schreitet – den Kopf einem großen Tourenwagen zugewandt, der fast die ganze Breite zum Wenden zu benötigen scheint.

Im Hintergrund erkennt man vage ein weiteres Auto, das ebenfalls noch in der Vorkriegszeit zu verorten ist. Was ist hier los und warum hat hier jemand genau in diesem Moment auf den Auslöser seiner Mittelformatkamera gedrückt?

Schwer zu sagen. Was uns so reizvoll an der Situation vorkommt, mag auch vor über 70 Jahren einen fähigen Fotoamateur spontan begeistert haben.

Er hat alles richtig gemacht – bis auf eines: Die Marke des Tourers hätte er schon für uns festhalten können, denn der Wagen ist kaum zu identifizieren aus dieser Perspektive.

Das Auto wirkt auf den ersten Blick so, als stamme es vom Ende der 1920er Jahre, doch die seitlichen Schürzen an den Vorderkotflügeln tauchen erst Anfang der 1930er Jahre auf.

Solche offenen Aufbauten wurden übrigens für Taxis auf Capri noch viel länger gefertigt. Das erfuhr ich bei meinem letzten Aufenthalt auf der Insel vor einigen Jahren. Denn das gerade bereitstehende Taxi, das mich damals in charmanter Begleitung in den höhergelegenen Ort Anacapri brachte, war ein Fiat der 1980er Jahre in einer Ausführung als offener Fünfsitzer!

Sie sehen: Auch im Nachkriegs-Capri hat viel Vorkriegszeit überdauert. Am besten genießen Sie das, wenn Sie Capri-Stadt links liegen lassen und hoch nach Anacapri fahren.

In dem weit ruhigeren Städtchen sollten Sie unbedingt die Villa San Michele besuchen, die sich einst der schwedische Arzt und Buchautor Axel Munthe errichten ließ.

Was er dort der Nachwelt hinterlassen hat, ist einer der magischsten Orte in Europa überhaupt. Die Zeit dort oben über den Felsen der Insel, die so viel gesehen hat, scheint stillzustehen. In der weiß gekalkten Villa und dem herrlichen Park finden sich zahllose antike Werke, die Munthe einst mit mit sicherem Geschmack zusammengetragen hat.

Wenn nicht gerade eine Reisegesellschaft dort ist, gehören Ihnen diese bis heute liebevoll bewahrten Schätze praktisch alleine.

Am äußersten Ende des Parks befindet sich ein Säulengang, der in einer Art Loggia endet. Dort schaut eine altägyptische Sphinx über das Meer und ich verspreche Ihnen: Diesen Blick über den Golf von Neapel mit dem Vesuv im Hintergrund vergessen Sie nie:

Villa San Michele, Anacapri, Mai 2017; Bildrechte: Michael Schlenger

Erfahrene Leser meines Blogs wissen natürlich, was ihnen jetzt blüht: Der Autor geht auf Reisen in den Süden und so wird es für etwas mehr als eine Woche hier keine automobilen Neuigkeiten aus der wundersamen Welt von gestern geben…

Michael Schlenger, 2023. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and https://vorkriegs-klassiker-rundschau.blog with appropriate and specific direction to the original content.