Die drei von der Tankstelle: Brennabor Typ R 6/25 PS

Zu den vielen Motivationen für diesen Oldtimerblog, der sich auf Vorkriegsautos aus dem deutschen Sprachraum konzentriert, gehören die Lücken in der Dokumentation einst bedeutender Marken.

Es ist ja nachvollziehbar, dass bisher niemand die Autoproduktion von Herstellern der zweiten Reihe wie Dürkopp oder Presto so umfassend aufgearbeitet hat, wie das etwa für die Marken der einstigen Auto-Union der Fall ist.

Doch sprachlos macht die Tatsache, dass es bislang kein ernstzunehmendes Buch über die anfänglich größte, später zweitgrößte Automobilfabrik Deutschlands der 1920er Jahre gibt.

Die Rede ist von Brennabor aus Brandenburg an der Havel – einer Marke, die vielen allenfalls für ihre Fahr- und Motorradproduktion bekannt ist.

Weitgehend in Vergessenheit geraten ist, dass unter dem Namen Brennabor einst auch rund 70.000 Automobile gebaut wurden. Das ist gemessen an anderen deutschen Herstellern eine stolze Zahl und einige Dutzend Wagen existieren noch.

Doch abgesehen von der verdienstvollen Typenübersicht auf Mario Steinbrinks Brennabor-Website, einem Artikel in Heft 2/2016 der Mitgliederzeitschrift des Veteranen-Fahrzeug-Verbands und einem Abriss in Ulrich Kubischs Buch „Automobile aus Berlin“ von 1985 ist dazu keine Literatur verfügbar.

Noch schwerer wiegt, dass es von den zahlreichen Autotypen, die bei Brennabor zwischen 1908 und 1933 entstanden, viel zu wenige Vergleichsfotos gibt.

Da sich in letzter Zeit einige historische Originalfotos von Brennabor-Autos in der Sammlung des Verfassers gefunden haben, gibt es hier inzwischen auch eine kleine Galerie bislang noch nicht publizierter Brennabor-Aufnahmen.

Ein besonders reizvolles Exemplar daraus stellen wir heute vor:

Brennabor_Typ_R_6-25_PS_Galerie

Brennabor Typ R 6/25 PS; Originalaufnahme aus Sammlung Michael Schlenger

Entstanden ist diese schöne Aufnahme in der zweiten Hälfte der 1920er Jahre an einer Tankstelle in einem beschaulichen Ort irgendwo in der „Rheinprovinz“.

Auf diese alte preußische Region, deren Bestandteile nach 1945 an Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz fielen, verweisen jedenfalls die Kennzeichen der Fahrzeuge mit dem Kürzel „IZ“.

Dass die Wagen und ihre Insassen sich an einer Tankstelle befinden, ist an der Säule im Hintergrund zu erkennen. Dort steht auf einem umlaufenden Band ganz oben „Benzin“ und in dem hellen Feld darunter nochmals „Deutsches Benzin“.

Wer darüber die Stirn runzelt, übersieht zwei Dinge:

Erstens gab es damals noch eine beträchtliche Ölförderung und Benzinproduktion im Deutschen Reich. Zweitens wusste der Kunde hier, dass dieser Kraftstoff nicht mit knappen Devisen bezahlt worden war.

Angesichts der erdrückenden Reparationszahlungen, die die Sieger des Ersten Weltkriegs Deutschland im Versailler Vertrag auf Jahrzehnte hin auferlegt hatten, tat man alles, um unnötige zusätzliche Devisenabflüsse zu vermeiden.

Mit dem guten Gewissen ausgestattet, die Wagen mit heimischem Benzin aufgetankt zu haben, ließen sich diese gut aufgelegten „Drei von der Tankstelle“ von einer  weiteren Person fotografieren.

Während die beiden Herren mit ihren geschlossenen Mänteln gediegene Seriosität ausstrahlen, gefällt sich die junge Dame in einer neckischen Pose.

Ein Arm ist in die Hüfte gestemmt, der Mantel zu Seite geschoben und das rechte Bein frech auf’s Trittbrett gestellt. Wen sie zum Aufnahmezeitpunkt anschaut, werden wir wohl nicht mehr erfahren. Auch die beiden Männer schauen nicht in die Kamera. Machte da vielleicht gerade eine weitere Person Faxen im Hintergrund?

Nun, das bleibt der Fantasie überlassen. Wir wenden uns abschließend den Fakten zu und werfen einen genaueren Blick auf den Brennabor:

Das schwungvolle „B“ auf der Kühlermaske erlaubt auf Anhieb die Identifikation der Marke. Übrigens werden Fotos, die ein solches B auf der Front erkennen lassen, von ahnungslosen Anbietern gern als Aufnahme eines Bentley angepriesen…

Die eigenwillige Kühlerform und die wie abgeschnitten wirkenden Kotflügel sprechen für den Brennabor 6/25 PS Typ R, wie er von 1925-28 gebaut wurde.

Von diesem konventionellen Vierzylindermodell mit 1,6 Liter Hubraum scheint es während der Produktionszeit einige Untertypen gegeben zu haben, die sich in Details unterschieden.

So fällt auf unserem Foto etwas auf, das auf keiner der dem Verfasser bekannten Aufnahmen des Brennabor R-Typs zu sehen ist: die Reihe hoher und engstehender Luftschlitze in der Haube.

Vielleicht kann ein Kenner etwas Erhellendes dazu sagen. Die übrigen Elemente einschließlich der kuriosen dreiteiligen Stoßstange mit der weiter auskragenden Mittelleiste scheinen jedenfalls zum R-Typ zu passen.

Der Brennabor 6/25 PS Typ R wurde übrigens zeitgleich zum Adler 6/25 PS angeboten, von dem wir hier schon etliche Aufnahmen vorgestellt haben.

Beim Vergleich fällt folgendes auf: Die Motorleistung war zwar identisch, doch war der Adler schneller (80 km/h Spitze ggü. 70 km/h). Gleichzeitig war der offizielle Verbrauch des Adler mit 10 Litern/100 km etwas geringer.

Auch die (mechanische) Vierradbremse sprach klar für den Adler, beim Brennabor wirkte die Fußbremse nur auf die Hinterräder.

Doch ausschlaggebend für die Käufer war etwas anderes: der Preis! Adler verlangte für die Tourenwagenversion des 6/25 PS-Modells fast 6.000 Reichsmark. Den Brennabor R-Typ bekam man bei ähnlichen Abmessungen für unter 5.000 Mark.

So ist es kein Wunder, dass den nur 6.500 gefertigten Wagen des Typs Adler 6/25 PS im gleichen Zeitraum rund 20.000 des Brennabor R-Typs gegenüberstanden. Die rationellere Fertigungsweise bei den Brandenburgern trug hier Früchte.

Bereits 1924 hatte Brennabor eine Fließbandmontage eingerichtet, die wegen Streiks erst 1925 in Betrieb genommen werden konnte. Deshalb konnte sich Opel den Erfolg der ersten Fließbandfertigung auf deutschem Boden ans Revers heften…

So spannend kann die Beschäftigung mit den unverdient in Vergessenheit geratenen deutschen Automarken der Zwischenkriegszeit sein – und mit historischen Originalfotos bekommt die Sache einen ganz eigenen Reiz.

In Sachen „Brennabor“ wartet übrigens noch einiges Material auf Veröffentlichung.

Wer etwas zur Würdigung dieser einst stolzen Marke in Form bisher unbekannter Aufnahmen und Dokumente beitragen möchte, kann sich dazu an den Verfasser wenden. Ebenso stellt dieser seine Materialien gern kostenlos für Buchprojekte und Ausstellungen zu Brennabor zur Verfügung.

© Michael Schlenger, 2017. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and http://www.klassiker-runde-wetterau.com with appropriate and specific direction to the original content.

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