Achtungserfolg mit 6 Zylindern: Brennabor A-Typ

Gestern erst befassten wir uns auf diesem Oldtimerblog für Vorkriegsautos mit Opels gescheitertem Versuch, ab 1927 den enorm erfolgreichen 6-Zylinderwagen aus den USA Paroli zu bieten.

Keine 3.000 Stück konnten die Rüsselsheimer bis 1928 von ihren optisch eindrucksvollen, doch technisch primitiven Typen 12/50 und 15/60 PS absetzen.

Interessanterweise gelang der Konkurrenz aus Brandenburg an der Havel gleichzeitig ein Achtungserfolg in derselben Liga.

Die Rede ist von den ebenfalls ab 1927 gebauten A-Typen der heute kaum noch bekannten Firma Brennabor – die nebenbei bemerkt nach dem 1. Weltkrieg kurze Zeit Deutschlands größer Autohersteller war.

Den Impuls, sich mit den 6-Zylinderwagen von Brennabor zu beschäftigen, gab Leser Klaas Dierks, dem wir einige interessante Dokumente verdanken.

Er zwar mit dem folgenden Foto aus seiner Sammlung in technischer Hinsicht nicht glücklich, wollte aber zumindest wissen, was für ein Brennabor darauf zu sehen ist:

Brennabor Typ ASK 12/55 PS, Bauzeit: 1928-29

Brennabor A-Typ; Originalfoto aus Sammlung Klaas Dierks

Die Aufnahme ist verwackelt, hat aber ihren Reiz. Allein anhand der Anordnung der Personen lässt sich nachvollziehen, wie radikal anders Vorkriegswagen in formaler Hinsicht waren als die glattgelutschten Gefährte unserer Zeit.

Man versuche einmal heute, die Beifahrerin zu ermutigen, für ein Foto die Motorhaube zu erklimmen – ein aus der Pistole geschossenes „Spinnst Du?“ wäre einem sicher. Denn da gibt es heute nichts mehr, auf das man sich so setzen könnte.

Derartige Fotos aus der Vorkriegszeit gibt es zuhauf – es waren also nicht nur besonders verwegene Damen, die sich für einen Ritt auf dem Automobil hergaben. Des Verfassers Favoritin in dieser Hinsicht sehen wir hier:

Diese flotte Schlesierin scheint sich einst auf der Haube eines DKW Typ V800 so sicher gefühlt zu haben, dass sie erst einmal den Schminkspiegel bemühte, um das Makeup zu kontrollieren. Deutlich reizvoller, als auf das Smartphone zu starren…

Zurück zum Foto von Leser Klaas Dierks. Klar war ihm, dass es sich um einen Brennabor handelt. Weniger gut informierte Zeitgenossen fassen das „B“ auf dem Kühleremblem dagegen gern als Hinweis auf einen Bentley auf…

Auf dem Originalabzug nicht leserlich war aber die geschwungene Aufschrift auf dem Kühlergrill:

Immerhin ist die römische „V“ auf dem Nummernschild gut zu erkennen, wonach der Brennabor im Raum Zwickau zugelassen war, damals einer der wichtigsten Standorte der deutschen Automobilindustrie.

Überliefert ist übrigens, dass der Schnappschuss der ausgelassenen Brennabor-Insassen im Mai 1929 entstand.

Der Zufall wollte es, dass sich in der Sammlung des Verfassers eine Aufnahme des gleichen Brennabor-Modells fand, jedoch in weit besserer technischer Qualität:

Brennabor Typ AL 10/45 PS; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Der Wagen mit seinem Aufbau als Sechsfenster-Limousine und mit Holzspeichenrädern scheint in allen formalen Details dem Brennabor auf der vorangegangenen Aufnahme zu entsprechen.

Allerdings ist das Foto früher später entstanden, nämlich an Pfingsten 1927, wie die Beschriftung auf der Rückseite des Abzugs verrät. Das ist sehr hilfreich, denn damit lässt sich der genaue Typ präzise ansprechen.

1927 bot Brennabor erstmals ein Sechszylindermodell an, das als A-Typ bezeichnet wurde. Anfänglich gab es nur eine lange Version als Pullman-Limousine, die entsprechend als Brennabor Typ AL firmierte.

Der Wagen verfügte über einen Reihensechszylinder konventioneller Bauart – die Ventile waren also seitlich neben dem Motorblock stehend angebracht. So ließen sie sich direkt von der untenliegenden Nockenwelle steuern, ihre Lage war aber strömungstechnisch ungünstig und beeinträchtigte so die Leistungsausbeute.

45 PS leistete das 2,5-Liter-Aggregat des Brennabor – beachtlich verglichen mit dem parallel von Opel angebotenen Modell 90, dessen 6-zylindriger Seitenventiler immerhin 3,2 Liter Hubraum hatte, aber nur sparsame 50 PS abwarf.

Bei Brennabor war man auf den kompakten Sechszylinder so stolz, dass man einen entsprechenden Hinweis auf dem Kühlergrill anbrachte:

Die geschwungene „6“ umspielt hier das großgeschriebene Wort „CYLINDER“.

Die Ornamente auf dem oberen Teil der Kühlermaske, die archaisch wirkende zweiteilige Ausführung der Vorderschutzbleche, Form und Anordnung der Luftschlitze – alles wie bei dem Brennabor auf dem Ausgangsfoto.

Dennoch ist nicht gesagt, dass jener ebenfalls ein früher AL-Typ ist, es könnte auch ein Wagen der ab 1928 angebotene ASL-Version sein, die einen stärkeren Motor mit 55 PS aus 3,1 Liter Hubraum besaß.

Ob sich der leistungsgesteigerte Brennabor AS, den es ebenfalls in einer Ausführung mit kürzerem Radstand (ASK) gab, äußerlich vom Vorgängertyp unterschied, ließ sich mangels ausreichender Dokumentation bislang nicht klären.

Überhaupt sind Quellenlage und Literatur zu dieser einst so bedeutenden deutschen Automarke dürftig. So ist auch der runden Zahl von angeblich 10.000 gebauten Exemplaren der A-Typen von Brennabor kaum zu trauen.

Stimmt diese Zahl annähernd, hätte Brennabor im Vergleich zu Opel mit seinen Sechszylinderwagen Ende der 1920er Jahre immerhin einen Achtungserfolg erzielt.

Ansonsten hatten die Rüsselsheimer die Brandenburger längst überflügelt, was vor allem den kleinen und erschwinglichen Vierzylindertypen zu verdanken war.

Zum Schluss ein Blick auf die Gesellschaft, die einst vor 90 Jahren mit dem im Raum Hamburg zugelassenen Brennabor AL und einem weiteren Wagen unterwegs war:

Brennabor Typ AL; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Das müssen recht wohlhabende Leute gewesen sein, denen es an nichts fehlte.

Für die sechsfenstrige Limousine ist ein Preis von 7.700 Reichsmark überliefert. Der etwas stärkere Opel 12/50 PS kostete fast 8.000 Reichsmark.

Trug dieser Preisvorteil zum weit besseren Absatz des Brennabor-Sechszylinders bei? War es der weit geringere Verbrauch? Oder stimmen am Ende die Zahlen gar nicht und der Brennabor war ebenso ein Flop wie der Opel?

Die geringe Zahl verfügbarer Originalaufnahmen von Brennabor-Wagen der A-Typen stimmt nachdenklich. Weiß ein Leser mehr dazu?

© Michael Schlenger, 2017. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and https://www.klassiker-runde-wetterau.com with appropriate and specific direction to the original content.

 

 

 

 

 

 

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