Damenwahl: Audi 225 Luxus 4-Sitzer- Cabriolet

Heute haben wir wieder einmal die Gelegenheit, eines der raren Frontantriebsmodelle von Audi aus den 1930er Jahren zu bestaunen.

Für die Seltenheit dieser Wagen, von denen zwischen 1933 und 1938 keine 5.000 Exemplare entstanden, war keineswegs der Frontantrieb verantwortlich. Dieser kam bei Marken wie Adler, Citroen und DKW nämlich durchaus in Großserie zum Einsatz.

Die populären DKW-Fronttriebler wurden übrigens im ehemaligen Audi-Werk in Zwickau gebaut, das DKW im Rahmen der Übernahme von Audi 1928 zufiel. Für eigenständige Audi-Wagen blieb da nur noch ein Nischendasein.

Das änderte sich auch nach Zusammenschluss der Marken Audi, DKW, Horch und Wanderer unter dem Dach der Auto-Union nicht wesentlich. Audi wurde als gehobene Marke unterhalb von Horch positioniert.

Bei der Gestaltung der Audi-Modelle wurden bewusst Anleihen bei den prestigeträchtigen Achtzylindermodellen von Horch genommen. Hier haben wir ein solches Prachtexemplar des Typs Horch 830, aufgenommen 1934:

Horch_830_Cabriolet_09-1934_Galerie

Horch Typ 830, Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Bei aller äußeren Ähnlichkeit waren die Audi-Wagen jener Zeit – die quasi nebenher im Horch-Werk gefertigt wurden – technisch vollkommen eigenständig.

Audi-spezifisch war nicht nur der Frontantrieb, der bereits 1930 im Planungsstadium war. Auch mit dem 6-Zylindermotor mit Block aus Leichtmetall grenzte sich der anfänglich als Audi „Front“ bezeichnete Wagen vom großen Bruder ab.

Obwohl sich das moderne Konzept bei den Protoypen bewährte – Altmeister Charly Kappler absolvierte Anfang 1933 die knapp 1.700 km lange Testfahrt von Berlin nach Monte Carlo in etwas mehr als einem Tag – gab es in der Praxis jede Menge Probleme.

Auch die Leistung von 40 PS aus 2 Litern Hubraum sorgte für Skepsis bei den Käufern.

In Zwickau reagierte man mit einem gründlich überarbeiteten Modell, das 1935 erschien und als Audi Typ 225 firmierte. Die Bezeichnung verwies auf den vergrößerten Hubraum des 6-Zylinders mit nun 50 PS Leistung.

Gleichzeitig startete man eine Image-Kampagne, zu der ein in Kleinserie gefertigter bildschöner Roadster mit Karosserie von Gläser aus Dresden maßgeblich beitrug. Bilder davon wurden über Postkarten wie die folgende aus Heidelberg verbreitet:

Audi Typ 225 Roadster in Heidelberg; Ansichtskarte aus Sammlung Michael Schlenger

Diese elegante Sonderausführung ist auch deshalb interessant, weil sie in einem formalen Detail die ab 1936 gebaute nochmals überarbeitete Version des Audi 225 vorwegnahm.

Auch der im Jahr der Berliner Olympischen Spiele als Audi 225 „Luxus“ vorgestellte Wagen besaß nämlich zwei übereinanderliegende Reihen von Luftschlitzen – beim Horch 853 jener Zeit findet man sie ebenfalls.

Damit wären wir endlich bei der Aufnahme, um die es heute eigentlich geht – hier haben wir genau so einen Audi 225 Luxus in der Ausführung als vierfenstriges Cabriolet:

Audi 225 Luxus, 4-Fenster-Cabriolet; Originalfoto aus Sammlung Michael Schlenger

Dieser schöne Schnappschuss hält eine Situation irgendwo an einer innerstädtischen Autogarage und Tankstelle fest, die in etwa so ausgesehen haben mag:

Der Besitzer des Audi hatte den Wagen für einen Moment abgestellt, vielleicht kaufte er sich eine Zeitung oder Zigaretten für unterwegs.

Zwei Spaziergängerinnen gefiel das Auto offenbar ausnehmend gut und so nötigten sie ihre mit Kamera bewaffnete Begleitung zu der Aufnahme:

„Nun mach‘ hin, bevor der Audi-Mann zurückkommt“, scheint die resolute der beiden Damen zu sagen, während sie besitzergreifend nach der Türklinke greift. „Ich seh‘ ihn noch in der Schlange am Kiosk stehen“, könnte die Begleiterin mit dem flotten Cape hinzusetzen, die sich nach hinten umschaut.

Sich am Auto fremder Leute ablichten zu lassen, das war in der Vorkriegszeit gang und gebe – in Deutschland blieb ein eigener Wagen damals für die meisten unerreichbar.

Einer der elegant gezeichneten Sechszylinder-Fronttriebler von Audi – das war eine Gelegenheit, die man sich nicht entgehen lassen durfte. Vom hier zu sehenden Typ 225 Luxus entstanden bis 1938 nur rund 1.750 Wagen (Quelle: Audi).

Neben den erwähnten zwei Reihen Luftschlitzen in der Motorhaube gab es weitere Details, die den Audi 225 Luxus von seinen frontgetriebenen Vorgängern unterschied.

Die auf dem Kühler thronende „Eins“, seit 1923 das Markenemblem von Audi, fiel hier kleiner und eleganter aus, das integrierte Kühlwasserthermometer entfiel. Außerdem gab es als Zubehör windschnittige Positionslichter auf den Vorderschutzblechen:

Bei genauem Hinsehen erkennt man neben den vier Ringen auf der Mittelstrebe des Kühlers, die auf die Zugehörigkeit von Audi zur 1932 gegründeten Auto-Union verweisen, ein weiteres Emblem, das die Datierung des Wagens ermöglicht.

Es handelt sich um ein Andenken an die Olympischen Spiele in Berlin, das das Brandenburger Tor mit den fünf olympischen Ringen zeigt. Dies macht es zumindest wahrscheinlich, dass der Audi aus dem ersten Produktionsjahr 1936 stammte.

Rund 7.000 Reichsmark waren für das hier zu sehende Cabriolet zu berappen, wenn man das eine oder andere Zubehör bestellte. Seinerzeit war das ein Vermögen und so ist es kein Wunder, dass die Wahl der beiden Damen zielsicher darauf fiel…

© Michael Schlenger, 2018. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and https://vorkriegs-klassiker-rundschau.blog with appropriate and specific direction to the original content.

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