Der heutige Blog-Eintrag ist wirklich von gestern! Wenn Sie jetzt denken, dass Sie von mir nichts anderes erwarten, dann ist das natürlich richtig. Es kommt aber noch etwas hinzu.
Tatsächlich wollte ich bereits gestern wieder einmal über den Audi Typ G 8/22 berichten, der vor rund 100 Jahren das Basismodell der Marke war. Doch dann kam einiges dazwischen – so absorbierten einige weitere Fotos meine Aufmerksamkeit und mir lief die Zeit davon.
Daher entschied ich mich, „neue“ Aufnahmen für die Publikation vorzubereiten und meine Fotogalerien um Bilder zu ergänzen, welche ich in letzter Zeit hier besprochen habe. Dann gibt es noch meine internationale Facebook-Gruppe, in der ebenfalls stets etwas los ist.
So blieb es bei dem Titel „von gestern“, der kurioserweise auch noch einen bereits überholten Kennntisstand meinerseits wiederspiegelt. Denn meine fragende Variation über das Thema „Wie ist es am Rhein so schön“ entsprang dem Umstand, dass ich gestern noch nicht wusste, wo genau diese hübsche Aufnahme entstanden war:
![](https://i0.wp.com/vorkriegs-klassiker-rundschau.blog/wp-content/uploads/2024/01/Audi_G_8-22_PS_Rheintal_Galerie1.jpg?resize=584%2C339&ssl=1)
Natürlich kam mir die liebliche Flusslandschaft auf Anhieb bekannt vor, in der einst dieser Tourenwagen einen Fotohalt eingelegt hatte. Mir war die Gegend noch aus einer Zeit bekannt, als ich für ein paar Jahre in Wiesbaden wohnte und arbeitete.
Damals pflegte ich bei schönem Wetter nach Dienstschluss aus der mondänen Adolfsallee nach Hause zu eilen und Hemd und Krawatte gegen T-Shirt und Lederjacke einzutauschen. Dann ging es mit dem Motorrad – einer einzylindrigen 500er – oft in den Rheingau, um bis Sonnenuntergang die landschaftlichen Schönheiten der Region zu „erfahren“.
In dieser völlig unbeschwerten Zeit, die nun schon 25 Jahre zurückliegt, habe ich viele der historischen Orte im Mittelrheintal angesteuert, aber meistens nur gestreift. Das ziellose Fahren mit einer drehmomentstarken Maschine im warmen Abendwind auf schöngeschwungenen Straßen mit wenig Verkehr war der eigentliche Zweck.
So kam mir die Situation auf Anhieb bekannt vor, doch wollte mir zunächst nicht einfallen, wo am Rhein es so schön ist:
Da dachte ich mir, dass ich die Identifikation des Aufnahmeorts ruhig meinen Lesern überlassen kann, die auch in dieser Hinsicht oft meine Wissensdefizite auszugleichen wissen. Damit war schon einmal der Titel gefunden.
Ich für meinen Teil würde unterdessen herausarbeiten, was das für ein Wagen war, der vor dieser Kulisse einst abgelichtet worden war. Mir fiel das ausgesprochen leicht, wohl auch, weil ich dem Originalfoto stets noch etwas mehr Informationen entnehmen kann.
„Das muss ein Spitzkühler-Audi sein“, dachte ich gleich – also eines der Modelle, die ab Ende des 1. Weltkriegs für kurze Zeit das Gesicht der Marke prägten. In der Literatur finden sich einige Abbildungen davon, wobei kein Wagen ganz dem anderen gleicht.
Die frühen Audis waren stets Manufakturwagen, und die Aufbauten wurden meist von separaten Karosserieherstellern zugeliefert. Auch der eigenwillige Spitzkühler unterlag einigen Variationen – hier haben wir ein brilliantes Beispiel dafür:
Diese Aufnahme aus dem Fundus von Leser Klaas Dierks sucht ihresgleichen. Nicht nur zeigt sie den Audi-Spitzkühler in idealer Weise, sondern zugleich den zugehörigen Wagen just zu dem Zeitpunkt, als er fertig für eine vielleicht neue Karosserie war.
Festzuhalten ist für unserer Zwecke in erster Linie die Gestaltung des nach unten vorspringenden Spitzkühlers mit dem beiderseitigen Abdeckblech, das die Lücke zum Rahmen hin schließt.
Ich muss Sie leider mit dergleichen Details belästigen, weil Sie mir sonst womöglich nicht bei der Ansprache unseres am Rhein parkierenden Wagens als einem solchen Spitzkühler-Audi folgen wollen. Auch die Gestaltung der Radnaben prägen Sie sich bitte ein.
Nach diesem raffinierten „Framing“ haben Sie nun kaum noch eine Chance, sich nicht meiner These anzuschließen, dass hier ebenfalls ein Spitzkühler-Audi zu sehen ist:
Ja, die Position des (nicht leserlichen) Audi-Emblems ist eine etwas andere, aber solche Variationen finden sich bei den damaligen Wagen dieses Herstellers je nach Baujahr.
Sollte jemand unter Ihnen zu einer völlig anderen Einschätzung gelangen und diese begründen können, freue ich mich über entsprechende Aufklärung. Ohne Querdenker entgeht man der Falle vermeintlicher Wahrheiten nicht, welche „Experten“ gern aufstellen.
Ich kann also auch falsch liegen, weil ich mich zu sehr auf meine Erfahrung verlasse und es außerdem bequem ist, selbstgewiss rasch zu endgültigen Schlüssen zu gelangen.
Eingedenk dessen formuliere ich daher auch meine Identifikation dieses Wagens als Audi des Typs G 8/22 PS ausdrücklich als These. Ich halte es jedenfalls für sehr wahrscheinlich, dass dieser auf dem Foto kompakt wirkende Tourer keiner der stärkeren und größeren nach dem 1. Weltkrieg weitergebauten Typen wie C 14/35 oder gar E 22/55 PS war.
Einschränkend ist anzumerken, dass es den Audi G 8/22 PS auch mit einem etwas längeren Chassis gab wie den Typ C. Allerdings war die schwächere Ausführung die mit Abstand am häufigsten gebaute Anfang der 1920er Jahre.
Viel mehr (ver)mag ich gar nicht zu erzählen zum heutigen Kandidaten. Nur eines möchte ich noch festhalten: Wo es am Rhein so schön ist, das ist mir dann doch noch eingefallen. Das war aber nicht gestern, sondern erst heute.
Und das Schöne ist: Dort, wo dieser Audi einst für uns Nachgeborene festgehalten wurde, dort ist es heute noch schön wie gestern. Der Ort ist nämlich Bacharach – und zumindest in der Hinsicht lasse ich mich als erfahrener Rheingau-Experte auf keine Diskussionen ein…
Michael Schlenger, 2024. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and https://vorkriegs-klassiker-rundschau.blog with appropriate and specific direction to the original content.