Classic Days 2018: Ein rarer Horch Typ 10/50 PS

Bei den diesjährigen Classic Days auf Schloss Dyck wurde anlässlich des 150. Geburtstages von Pionier August Horch (1868-1951) groß aufgefahren. Gleich mehrere hochkarätige Horch-Wagen der 1930er Jahre waren vor der grandiosen Kulisse des ehrwürdigen Wasserschlosses zu bewundern:

Horch_Präsentation_Classic_Days_2018

Horch-Präsentation Schloss Dyck 2018; Bildrechte: Michael Schlenger

Natürlich weiß der Kenner, dass diese Prachtstücke außer dem Namen nichts mit August Horch zu tun haben, der bereits 1909 die von ihm gegründete Firma verließ und kurz danach Audi gründete.

Dennoch war dies eine angemessene Würdigung eines der bedeutendsten Automobilkonstrukteure aus dem deutschen Sprachraum überhaupt.

Weniger prominent präsentiert waren zwei weitere, nicht ganz so spektakuläre Horch-Modelle, die aber eine Betrachtung verdienen, da sie selten zu sehen sind:

Horch 8 Typ 305 und Typ 10/50 PS; Bildrechte: Michael Schlenger

Lesern dieses Blogs wird zumindest der vordere Wagen vertraut vorkommen. Der mächtige Achtyzlinder des Typs 305 steht hier zwar im Vordergrund, muss heute aber zugunsten seines unscheinbareren Kameraden zurücktreten.

Der neben dem luxuriösen Horch 8 Typ 305 abgestellte Wagen stellt nämlich heute eine Rarität dar, obwohl er einst in über 2.300 Exemplaren gebaut wurde. Es handelt sich um den letzten Vierzylinder von Horch, den Typ 10/50 PS.

Wir haben von diesem kultivierten Modell mit obenliegender Nockenwelle, Königswellenantrieb und Aluminiumkolben bereits mehrere Originalfotos gezeigt.

Dabei war die Identifikation mitunter nicht einfach, da der Horch 10/50 PS im radikal-sachlichen Stil daherkam, der Mitte der 1920er Jahre in Deutschland vorherrschte.

Die Zugehörigkeit zur automobilen Oberklasse sah man dem Wagen nicht unmittelbar an, nur die Dimensionen (und der Preis von rund 13.000 Reichsmark) ließen auf ein höherwertiges Fahrzeug schließen.

Das bis dato an Spitzkühlermodelle gewöhnte solvente Publikum scheint damals vorübergehend Gefallen an der neuen Sachlichkeit gefunden zu haben, bevor die Konkurrenz aus Übersee eine neue, konsequent auf Luxus getrimmte Linie vorgab.

So dürfte auch zu erklären sein, das von dem technisch seinerzeit hochmodernen Horch 10/50 PS nur wenige Exemplare überlebt haben. Das auf Schloss Dyck gezeigte Fahrzeug war das erste, das dem Verfasser bislang in natura begegnet ist:

Horch Typ 10/50 PS Tourenwagen; Bildrechte: Michael Schlenger

Wäre da nicht das mit einer Krone geschmückte „H“ auf der Kühlermaske, übrigens erstmals am Typ 10/50 PS zu finden, dann wäre dieser Wagen nur sehr schwer als Horch zu identifizieren.

Umso erfreulicher, dass man sich entschieden hat, dieses auf den ersten Blick beliebig wirkende Qualitätsautom aus dem Hause Horch mit zu den Classic Days zu nehmen.

Übrigens wurde die Rechtslenkung erst bei den letzten im Herbst 1926 gebauten Exemplaren des Horch 10/50 PS aufgegeben. Mit Stoßdämpfern und Bremsen an allen vier Rädern war der für 100 km/h Spitze ausgelegte Wagen angemessen ausgestattet.

Was auf dem obigen Schwarzweißfoto wie auch auf historischen Originalaufnahmen untergeht, ist die Wirkung der damals modischen Zweifarblackierungen.

Der auf Schloss Dyck gezeigte Horch 10/50 PS verfügte über ein besonders raffiniertes Farbschema, bei dem der Vorderwagen in Schwarz gehalten war, während der den Insassen vorbehaltene Karosserieabschnitt sowie die Räder in einem hellen Grünton lackiert waren:

Horch 10/50 PS Tourenwagen; Bildrechte Michael Schlenger

Leider war dem Verfasser keine Aufnahme der gesamten Seitenpartie möglich, da sich daneben eine Reihe von Besuchern niedergelassen hatte, um in aller Ausführlichkeit dort ihr Mittagessen einzunehmen.

Vermutlich war ihnen kaum bewusst, vor welchem Hintergrund sie da ihre Würstchen und Pommes Frites verzehrten – so haben sich die Zeiten geändert.

So blieb nur die Wahl, sich Details zu widmen, bei denen keine fragwürdigen Zutaten der Gegenwart den Genuss beeinträchtigen:

Horch 10/50 PS; Bildrechte: Michael Schlenger

Auf diesem Ausschnitt lassen sich zwei Dinge gut erkennen:

Zum einen sind hier die blanken Metallteile noch vernickelt, nicht  –  wie später üblich – verchromt. Zum anderen sieht man moderate Benutzungsspuren. Sie künden davon, dass dieser über 90 Jahre alte Wagen kein zum Stillstand verdammtes Museumsstück ist – genau so soll es sein!

© Michael Schlenger, 2018. All entries in this blog (including embedded photos) are copyrighted by the author, unless otherwise indicated. Excerpts and links may be used, provided that credit is given to Michael Schlenger and https://vorkriegs-klassiker-rundschau.blog with appropriate and specific direction to the original content.

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